sozial-Recht

Bundesverfassungsgericht

Diakonie zieht wegen kirchlicher Einstellungspraxis nach Karlsruhe




Bürogebäude der Diakonie in Berlin
epd-bild/Rolf Zöllner
Wer bei der Kirche arbeitet, soll möglichst Kirchenmitglied sein. Diese Einstellungspraxis der Kirchen stellten jüngst der Europäische Gerichtshof und das Bundesarbeitsgericht infrage. Nun soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Im Streit um das Verlangen einer Kirchenmitgliedschaft bei Stellenbewerbern ruft die Diakonie das Bundesverfassungsgericht an. Wie der Bundesverband am 19. März in Berlin mitteilte, hat das evangelische Werk Verfassungsklage gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 8 AZR 501/14) und ein vorhergehendes des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eingelegt (Az.: C-414/169).

Beide Gerichte hatten im vergangenen Jahr entschieden, dass Kirchen und ihre Einrichtungen nicht in jedem Fall von Stellenbewerbern die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche verlangen dürfen. Dadurch sehe man sich in unzulässiger Weise im verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht beschränkt, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.

"EuGH handelte außerhalb seines Mandates"

"Wir brauchen Klarheit darüber, dass unser Recht auf Selbstbestimmung nicht durch EU-Recht ausgehöhlt wird", sagte Lilie. Er verwies auf den Vertrag zur Arbeitsweise der EU, der Religionsgemeinschaften in den einzelnen Mitgliedstaaten vor Beeinträchtigung schütze. Der EuGH habe die deutsche Rechtslage nicht angemessen beachtet und außerhalb seines Mandats gehandelt, sagte Lilie. Die Klage in Karlsruhe richtet sich deswegen nicht nur gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, sondern auch gegen das der Luxemburger Richter.

Die hatten entschieden, dass eine Religionsgemeinschaft ihr sogenanntes Ethos, also ihre Wertegrundlage, selbst festlegen darf. Mit Verweis auf die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU hatten sie aber auch entschieden, dass das Verlangen einer Kirchenzugehörigkeit von Stellenbewerbern "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt" sowie gerichtlich überprüfbar sein muss. Darin sieht die Diakonie ein Problem: "Mit unserer Verfassungsklage wenden wir uns dagegen, dass theologische Kernfragen von Juristen entschieden werden", sagte Lilie.

Lilie pocht auf eigenes Entscheidungsrecht

"Wir sind aus gutem Grund evangelisch. Deshalb müssen wir auch die Möglichkeit haben, unser evangelisches Profil deutlich zu machen", sagte der Theologe dem epd. Das gelte auch für die Möglichkeit, "dass wir zunächst grundsätzlich von unseren Mitarbeitenden erwarten, dass sie evangelisch sind", sagte der Diakonie-Präsident. Es gebe bereits Ausnahmen und Öffnungsregelungen im kirchlichen Arbeitsrecht. "Aber wir möchten selbst entscheiden können, wann von diesem Grundsatz abgewichen werden kann", sagte Lilie.

Im konkreten Fall, über den die Gerichte zu entscheiden hatten, ging es um die Berlinerin Vera Egenberger, die sich beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung erfolglos für eine Referentenstelle beworben hatte. Die konfessionslose Bewerberin klagte auf Entschädigung, weil sie eine Diskriminierung aus religiösen Gründen annahm. Das Bundesarbeitsgericht sprach ihr im vergangenen Oktober eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zu.

Egenberger bedauerte die Entscheidung der Diakonie. "Ich halte den Schritt nicht für hilfreich, da die Diakonie an alten Strukturen festhalten will, die sich längst überlebt haben", sagte sie dem epd. Der Schritt habe sich jedoch abgezeichnet, sagte Egenberger.

In der Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht im vergangenen Oktober hatte die dortige Richterin selbst gesagt, es könne gut sein, dass das letzte Wort in Karlsruhe gesprochen werde. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisierte die Diakonie. Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler warf dem Wohlfahrsverband vor, an "überkommenen Mustern" festzuhalten.

Corinna Buschow


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