Bremen, Hannover (epd). Mit Blick auf eine fehlende Corona-Impfpflicht für osteuropäische Pflegekräfte, die in privaten Haushalten arbeiten, sieht der Bremer Pflegewissenschaftler Stefan Görres Regelungsbedarf. „Da muss eine Lücke geschlossen werden, da ist der Gesetzgeber gefragt“, sagte Görres am 21. Januar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Umgang mit den Patientinnen und Patienten sei ein Impfschutz wichtig. Ähnlich wie Görres argumentiert die Landespatientenschutzbeauftragte in Niedersachsen.
Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 200.000 und 600.000 nach Deutschland vermittelte osteuropäische Pflege- und Betreuungskräfte in privaten Haushalten tätig sind. Einige sind direkt bei den Privathaushalten angestellt und versichert, andere werden etwa über polnische Zeitarbeitsfirmen und deutsche Agenturen entsandt, wieder andere arbeiten schwarz. „Die Anstellungsverhältnisse schwanken zwischen Privatrecht und öffentlicher Daseinsvorsorge“, sagte Görres.
Nach der vom Bundestag im Dezember beschlossenen Reform des Infektionsschutzgesetzes gilt ab 16. März eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht, unter anderem in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten. Die osteuropäischen Betreuungskräfte werden aber laut niedersächsischem Gesundheitsministerium von dieser Impfpflicht juristisch nicht erfasst. Nur dort, wo über die Pflegeversicherung abgerechnet werde, greife auch die Impfpflicht.
„Die Einschätzung teilen wir auch in Bremen“, sagte der Sprecher von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke), Lukas Fuhrmann, dem epd. „Da die genannten Pflegekräfte in der Häuslichkeit arbeiten, greift die Impfpflicht hier nicht“, verdeutlichte er. Für Pflegewissenschaftler Görres besteht für diese Kräfte „aber auf jeden Fall eine moralische Pflicht, sich impfen zu lassen“. In ihrer Arbeit ersetzten sie oftmals ambulante Pflegedienste, die die bestehende Nachfrage nicht erfüllen könnten.
Auch Niedersachsens Landespatientenschutzbeauftragte Nicole Sambruno Spannhoff sieht eine moralische Pflicht. Dem NDR sagte sie: „Jeder Mensch hat die moralische Pflicht, seine Mitmenschen vor Krankheit zu schützen und das Gemeinwohl zu unterstützen, insbesondere dann, wenn man sich beruflich um alte oder kranke Menschen kümmert.“
Das niedersächsische Gesundheitsministerium setzt in diesem Zusammenhang auf Eigeninitiative bei einer Corona-Impfung. „Wir gehen davon aus, dass diese Menschen ein hohes Eigeninteresse haben, sich impfen zu lassen, um die von ihnen betreuten Personen zu schützen“, sagte eine Ministeriumssprecherin.
Handlungsbedarf gibt es auch aus Sicht der Ärztekammer in Niedersachsen. „Wir appellieren an den Gesetzgeber, noch einmal zu überprüfen, um welches Verhältnis von Pflege und Patienten es sich handelt“, sagte ihr Sprecher Thomas Spieker dem epd und verwies aus seiner Sicht auf Unterschiede. So seien Betreuungskräfte aus Osteuropa nicht zu vergleichen mit ambulanten Pflegekräften.