Frankfurt a.M. (epd). Der Fall aus Sachsen, der bundesweit ein großes Medienecho erzeugte, ist wohl eher als eine Affekthandlung zu betrachten: Vor rund 2.000 Impfgegnern hatte der Bautzener Vizelandrat und Chef des Gesundheitsamtes, Udo Witschas (CDU), am 24. Januar bei einem spontanen Auftritt angekündigt, das Betretungsverbot für ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozial- und Gesundheitswesen ab Mitte März nicht umzusetzen. Das ihm unterstehende Gesundheitsamt werde „Mitarbeitern im Landkreis Bautzen im Pflege- und medizinischen Bereich kein Berufsverbot, Betretungsverbot“ aussprechen.
Laut MDR sagte Witschas weiter: „Ich kann Ihnen sagen, warum es bei uns das Betretungsverbot nicht geben wird. Es gibt eine ganz einfache Antwort auf diese Frage: Wer soll sich um diese Pflegebedürftigen und hilfsbedürftigen Menschen kümmern, wenn Sie nicht mehr da sind?“
Das rief unmittelbar Sachsens stellvertretenden Ministerpräsidenten, Martin Dulig (SPD) auf den Plan: „Wir dürfen nicht zulassen, dass zum Rechtsbruch aufgerufen wird“, sagte Dulig am Tag darauf nach der Kabinettssitzung in Dresden. Das Verhalten des ersten Beigeordneten des Landkreises Bautzen sei inakzeptabel. Kurz darauf habe der Landrat des Kreises, Michael Harig (CDU), klargestellt, dass der Kreis seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen werde, teilte der Deutsche Landkreistag am 26. Januar mit.
Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Kay Ruge, erläuterte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) „die spezielle Lage in einigen deutschen Regionen“ wie etwa in Sachsen und auch in Teilen Bayerns: Dort liege die Impfquote bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen nur bei 60 bis 65 Prozent. Die Folge: Die Einrichtungen haben ab dem 15. März, wenn die „Impfnachweispflicht“ gilt, mit deutlich mehr Personalabgängen zu rechnen als Sozialbetriebe in Bundesländern, die höhere Impfquoten aufweisen. Also gehe die Angst um, dass Einrichtungen wegen fehlendem Personal geschlossen werden müssen, sagte Ruge.
Vor diesem Hintergrund bewertete Ruge die Aussagen Witschas als unglücklichen Versuch, auf einen drohenden Missstand hinzuweisen: Eigentlich habe er den Beschäftigten sagen wollen: Macht euch keine Sorgen, wenn ihr getestet seid und kein Corona habt, dann lassen wir euch arbeiten. „Er wollte nicht sagen, dass er Recht und Ordnung per se nicht exekutiere. Er wollte nicht sagen, dass er sich verweigert, sondern er hat sich zumindest missverständlich ausgedrückt.“ Der Landkreistag als Vertretung der Landkreise bekräftige ausdrücklich: „Wir setzen Recht und Gesetz um.“
Dass es je nach Situation doch möglich ist, Ungeimpfte weiter zu beschäftigen, weil sonst eine Einrichtung geschlossen werden müsste, „ist aus unserer Sicht juristisch drin“. Denn das sei eine Frage des Ermessensspielraums, den ein Gesundheitsamt habe. „Wenn es hart auf hart kommt, dann würde ich auch sagen, es geht nicht anders und wir lassen das mit dem Betretungsverbot“, sagte Ruge dem epd. Das sei zwar möglich, „aber das wollen wir ja eigentlich nicht. Die Leute sollen sich ja impfen lassen, und das werden wir auch umsetzen.“ Das Betretungsverbot sei die letztmögliche Sanktion.
Der Bautzener Landrat Harig selbst hatte zuvor für Aufsehen gesorgt, als er in einem offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schrieb, die einrichtungsbezogene Impfpflicht solle verschoben oder gar komplett aufgehoben werden: „Gesetzliche Regelungen sollten nur dann getroffen werden, wenn deren Umsetzung machbar und damit verbundene Ziele erreichbar sind. Beides ist nicht gegeben“, schrieb Harig. Er forderte Kretschmer auf, auf Bundesebene aktiv zu werden, um eine Änderung der Rechtslage zu erwirken. „Dies ist notwendig, um die Landkreise und Gesundheitsämter vor Ort vor einer Zwangssituation zu bewahren, in der die Impfpflicht durch die Macht des Faktischen unterlaufen wird, unterlaufen werden muss“, betonte Harig.
Die Argumente für diesen Vorstoß, nämlich die drohenden Personalausfälle, sind nicht neu, sie werden auch von vielen Trägern von Pflegeheimen, ambulanten Diensten oder Kliniken vorgebracht. Harig: „Die Gesundheitsämter müssen bei der Umsetzung der Impfpflicht Rücksicht auf die Versorgungssicherheit der zu pflegenden und zu betreuenden Mitmenschen nehmen. In der ohnehin bestehenden angespannten Lage - bezogen auf die Verfügbarkeit von Fachkräften in der Pflege, sei selbst ein Verlust von rund zehn Prozent der tätigen Personen nicht zu kompensieren.“
Auch die Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern sehen sich nach Angaben des Geschäftsführers des Landkreistages Mecklenburg-Vorpommern, Matthias Köpp, nicht in der Lage, die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht zu kontrollieren. Die Behörden seien seit Monaten am Limit, sagte er am 26. Januar dem NDR.
Der Sprecher des Landkreises Vorpommern-Greifswald, Achim Froitzheim, sagte dem Sender, das Gesundheitsamt und die Kreisverwaltung seien seit zwei Jahren völlig ausgelastet mit den Corona-bedingten Maßnahmen. Zusätzliche Aufgaben wie die Kontrolle und Durchsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht könne der Kreis nicht mehr erfüllen. Der Kreis hofft auf Unterstützung durch die Bundeswehr.