sozial-Thema

Sozialgeschichte

Wohnen zwischen Gärten und Sole




Königliche Saline von Arc-et-Senans
epd-bild/Rudolf Stumberger
Das Baudenkmal steht seit 1982 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes: die Königliche Saline von Arc-et-Senans im Osten Frankreichs nahe Besançon. Die Architektur der Aufklärung ist ein frühes Beispiel paternalistischer Wohnformen für Arbeiter.

Arc-et-Senans (epd). Betritt man durch das mächtige Tor das Gelände der ehemaligen königlichen Saline, dann fällt der Blick unausweichlich auf das große, runde Auge im dreieckigen Giebel der Direktorenvilla mit ihren antiken Säulen. Architekt Claude-Nicolas Ledoux (1736-1806) hat die gesamte Anlage nach absolutistischen Prinzipien erbaut und dazu gehört die Überwachung, wofür symbolisch das schwarze Loch (Auge) steht. Salz ist in dieser Zeit äußerst wertvoll, nicht umsonst spricht man vom „weißen Gold“. So ist die Saline vollständig mit einer Mauer umgeben, wer rein- und rausgeht wird streng kontrolliert. Das gilt auch für die in der Saline wohnenden Arbeiter.

Harte Arbeitsbedingungen

Heute ist der mit einem Rasen versehene Innenhof der als Halbkreis angelegten Salzsiede-Anlage ein stiller Ort, jedenfalls wenn nicht viele Touristen da sind. Ende des 18. und im 19. Jahrhunderts, als hier Salz gesiedet wurde, ging es wohl eher hektisch-arbeitsam zu. Die Salzmanufaktur wurde auf Geheiß von Ludwig XV. in den Jahren von 1775 bis 1779 erbaut, die Sole wurde über eine kilometerlange Leitung hierhergeführt. Eine ständige Ausstellung in der ehemaligen Direktorenvilla ist der Salzgewinnung gewidmet. Sie geschah in den beiden großen Gebäuden rechts und links der Villa unter harten Arbeitsbedingungen wie etwa großer Hitze.

In einem der Nebengebäude linker Hand befindet sich das Ledoux-Museum, das einzige in Europa, das einem einzelnen Architekten gewidmet ist. Hier lassen sich die geistigen Grundlagen der Architektur von Ledoux studieren, zum Beispiel das Modell seiner idealen Stadt. Für den Architekten ist die bebaute Umwelt nicht nur funktional, sondern soll Geist, Tugenden und Ideen verkörpern. Ledoux glaubte daran, dass Architektur Einfluss auf das Wesen der Menschen nimmt.

Dieser Gedanke lässt sich studieren, wenn man ein paar Schritte vom Museum zu den Unterkünften der Arbeiter geht. Heute ist dieses Gebäude zu einem Hotel umfunktioniert, doch lässt sich die ursprüngliche Nutzung erahnen. Hinter der Eingangstür findet der Besucher einen großen Gemeinschaftsraum, von dem im Erdgeschoss und über Treppen erreichbar im ersten Stock die Zimmer abgehen. Dieser Gemeinschaftsraum sollte als zentrale Küche dienen, die auch das Haus heizte. Die Arbeiter mit ihren Familien wohnten in den separaten Zimmern.

Kollektives Leben als Ideal

Diese Architektur betont das gemeinsame, kollektive Leben als Ideal. Eine wichtige Funktion nahmen auch die hinter den Wohnhäusern angelegten Gärten wahr. Hier sollten sich die Arbeiter an der frischen Luft aufhalten und zugleich Gemüse für den täglichen Bedarf anbauen. Heute sind diese Gärten jedes Jahr am Ende des Frühlings Schauplatz eines Gartenfestivals mit je einem speziellen Thema.

So steht die Saline von Arc-et-Senans mit ihrer baulichen Konzeption und den darin realisierten Wohnhäusern für eine paternalistische Wohnform, die Arbeit und Leben zusammenführt und das Leben der Arbeiter durch die bauliche Umwelt erhöhen will. Die Anlage ist somit ein frühes Modell von sozialem Wohnungsbau, wie sie später in den „Sozialpalästen“ des Fabrikanten André Godin oder in der Arbeiterstadt von Mulhouse in Frankreich realisiert wurde.

Rudolf Stumberger


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