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Missbrauch: Bundesregierung fordert umfassende Aufarbeitung



Nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens in München werden nun Stimmen laut, die eine Beteiligung des Staates an der Aufarbeitung von Missbrauch fordern. Die Vorfälle seien keine innere Angelegenheit der Kirchen, heißt es.

Frankfurt a.M. (epd). Nach der Vorstellung des Gutachtens zu Fällen sexualisierter Gewalt im katholischen Erzbistum München und Freising forderte die Bundesregierung eine umfassende und transparente Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte am 21. Januar in Berlin, das Gutachten sei dafür ein wichtiger Schritt, dem aber weitere folgen müssten. Das unabhängige Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl belastet unter anderem den emeritierten Papst Benedikt XVI. in seiner Rolle als früherer Münchner Erzbischof schwer.

Anhaltspunkte für Straftaten

Hoffmann zufolge müsse das Vertrauen in den Aufarbeitungswillen der katholischen Kirche und von einzelnen Würdenträgern gestärkt werden. Ein Sprecher des Justizministeriums ergänzte, die Vorfälle seien keine innere Angelegenheit der Kirchen. Wo immer sich Anhaltspunkte für Straftaten ergäben, die noch verfolgt werden könnten, müssten diese auch verfolgt werden.

Um die Missbrauchsfälle aufzuklären, forderte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, eine Wahrheitskommission. Mit Blick auf die dritte Versammlung des Synodalen Weges Anfang Februar brauche es „klare Voten für ein Ende des Machtmissbrauchs - gerade auch von Bischöfen“, forderte sie. Der Synodale Weg ist ein Reformprozess, der die systemischen Ursachen des Missbrauchs beseitigen soll.

„Keine weiteren Symbolhandlungen und Floskeln“

Die Philosophin Doris Reisinger, die selbst als junge Frau Opfer von Missbrauch wurde, forderte jedoch ein Einmischen der kirchlichen Basis sowie der Politik: „Es braucht laute Kritik an der katholischen Kirche. Mandatsträger, beispielsweise im Bundestag, müssen sich zu Wort melden und ihre Instrumente nutzen“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Reisinger hatte im vergangenen Jahr auch ein Buch über den Umgang Benedikts mit Missbrauch auch in seiner Zeit als Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation veröffentlicht. Zwar stehe sie dem Synodalen Weg kritisch gegenüber, doch unterstütze sie die Forderung nach einer Wahrheitskommission. „Wir brauchen keine weiteren Symbolhandlungen und Floskeln, sondern konkrete Handlungen“, sagte Reisinger.

Das Bistum Essen kündigte eine weitere Studie an, in der Missbrauchsfälle im Ruhrbistum mit einem sozialwissenschaftlichen Fokus aufgearbeitet werden sollen. In dem in München am 20. Januar vorgestellten Gutachten ging es unter anderem um die Aufnahme eines Essener Priesters in sein Bistum, der zuvor in Essen und Bottrop Jungen sexuell missbraucht hatte.

Im Zusammenhang mit diesem Fall wird auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. in dem Münchner Gutachten belastet. Er soll als Münchner Erzbischof (1977-1982) in vier Fällen nicht ausreichend gegen Missbrauchs-Täter im Priesteramt vorgegangen sein, darunter auch in dem Fall des aus Essen stammenden Pfarrers, der nachweislich auch im Erzbistum München nach seiner Versetzung Missbrauch an Kindern und Jugendlichen beging. Insgesamt ergaben die Nachforschungen für den Zeitraum 1945 bis 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt in Personalakten, Sitzungsprotokollen, Nachlässen und in Aussagen von Zeitzeugen.

Bettina Markmeyer, Inga Jahn