Rendsburg/Dortmund (epd). Das größte Problem war die Dunkelheit: Als das Gebäude, das Werner Schaffer zu einer Seniorenresidenz umbauen wollte, noch das alte Hertie-Kaufhaus war, bot es viel Fläche, aber nur wenige Fenster. Ein Ort zum Kaufen, keiner zum Leben. Um es wohnlich zu machen, ließ Schaffer die alte Fassade durch eine Fensterfront ersetzen und entfernte in der Mitte des Hauses einen Teil der Decke - an diese Stelle kam ein Lichthof. „Damit hatten wir das Problem geheilt. Man muss Quadratmeter opfern, bekommt dafür aber hohe Standards“, sagt er.
Heute bietet das Gebäude in der Rendsburger Innenstadt Platz für 110 Seniorinnen und Senioren - und das auf insgesamt 6.000 Quadratmetern: „Heruntergerechnet auf jeden Bewohner ist das sehr groß“, sagt der Architekt.
Projekte wie das im schleswig-holsteinischen Rendsburg gibt es derzeit in einigen deutschen Städten. Sie entstehen aus der Not, dass ein altes Kaufhaus leer steht und eine Innenstadt zu verkommen droht.
Natürlich gibt es auch andere Formen der Nachnutzung für diese Gebäude - aber in den Städten Wilhelmshaven, Delmenhorst oder Gelsenkirchen fanden sich Engagierte oder Investoren, die aus dem geräumten Konsumtempel einen Ort machten oder erst noch machen wollen, an dem alte Menschen leben.
Für den Architekten Schaffer ist es kein Zufall, dass nicht nur er die Idee hatte, ein Gebäude entsprechend umzugestalten. Viele Kaufhäuser bieten seiner Ansicht nach ideale Voraussetzungen dafür. „Man hat riesengroße Flächen mit ein paar Säulen. Das zwingt einen dazu, jedes Zimmer ein bisschen anders anzulegen. Wenn einer seinen Nachbarn besucht, hat er gleich ein ganz anderes Raumgefühl.“ Hell und asymmetrisch angelegt sei das Gebäude, im Inneren gebe es viel zu entdecken. Hinzu komme die Innenstadtlage der meisten Kaufhäuser. „So kann man die älteren Menschen in die Städte bekommen. Sie können sich bewegen, ins Café gehen, auch Ärzte sind meist näher.“
Nach Ansicht der Stadtplanerin Nina Hangebruch profitieren nicht nur die Seniorinnen und Senioren von einer solchen Situation - auch für die Städte selbst können sich Vorteile ergeben: „Die älteren Menschen können wieder Leben in die Stadt bringen.“
Hangebruch, Mitarbeiterin an der Technischen Universität Dortmund, hat untersucht, was mit den sage und schreibe 262 Warenhäusern geschehen ist, die ihrer Zählung nach in den Jahren von 1994 bis 2020 geschlossen wurden. „In der Vergangenheit gab es oft eine Nachnutzung durch den Handel selbst. Da kommt dann einfach ein Elektrokaufhaus oder ein Shoppingcenter rein. Am Nutzungsgefüge der Innenstadt ändert das wenig.“
Allerdings stünden immer mehr Städte nun vor der Herausforderung, dass das eben nicht mehr geschehe. „Dann muss die Nachnutzung viel individueller, viel sorgfältiger geplant und kuratiert werden.“ Oft gebe es etwa eine Aufteilung der Fläche für verschiedene Nutzer - etwa Büros, Fitnessstudios und Kultureinrichtungen.
Und wenn das alles nicht geschieht? Wenn ein Kaufhausgebäude nicht einfach verlassen wird, sondern jahrelang leer steht? Dann droht der Innenstadt die Verödung. „Passantenfrequenzen können zurückgehen, Einzelhandelsstandorte an Bedeutung verlieren“, sagt Hangebruch. Nach fünf Jahren hatten ihrer Untersuchung zufolge nur 60 Prozent der ehemaligen Kaufhäuser eine Nachnutzung gefunden. Dem Leerstand und womöglich teuren Abriss könne mit neuen Nutzungsideen begegnet werden - etwa mit der Einrichtung von Seniorenwohnraum. „Die Nachnutzung muss auf jeden Fall an die Bedarfe des Standorts angepasst sein.“
Architekt Werner Schaffer ist überzeugt, dass das für sein Hausprojekt in der Rendsburger Innenstadt gilt. Bestätigt werde ihm das von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Anlage: „Wenn man mit den Menschen redet, können sie es nicht immer erklären. Aber sie spüren, dass etwas anders ist und fühlen sich wohl.“