Kassel (epd). Hartz-IV-Bezieher können vom Jobcenter in der Regel keine Fahrtkostenerstattung für Arztbesuche oder für Besuche zum inhaftierten Lebenspartner verlangen. Nur wenn die Besuche unabweisbar und die Fahrtkosten konkret nachgewiesen sind sowie „erheblich“ über dem durchschnittlichen Bedarf eines Arbeitslosengeld-II-Beziehers liegen, kann ein Mehrbedarf vorliegen, urteilte am 26. Januar das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Im ersten Verfahren ging es um die Erstattung von Fahrtkosten für einen Hartz-IV-Bezieher aus Nordhessen. Bei dem Mann waren von April bis Juni 2015 mehrere ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen erforderlich, teilweise auch außerhalb seiner Stadt. Für die Fahrten lieh er sich das Auto seiner Mutter. Die Erstattung der Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 104 Euro lehnte das Jobcenter Schwalm-Eder ab. Der Bedarf werde bereits mit der Regelleistung gedeckt.
Auch im zweiten Fall wollte eine unverheiratete Hartz-IV-Bezieherin sich ebenfalls Fahrtkosten von knapp 80 Euro vom Jobcenter Halle erstatten lassen, hier für zwei Pkw-Fahrten im Februar 2015 zu ihrem in der Justizvollzugsanstalt Burg inhaftierten Lebensgefährten.
Das BSG wies die Klage im Streit um die Fahrtkostenerstattung für die Arztbesuche ab. Nur ausnahmsweise könne solch ein Mehrbedarf aus Härtegründen vorliegen. Hierfür müssten die konkreten Fahrtkosten etwa mit Tankquittungen nachgewiesen werden und die Fahrten müssten „unabweisbar“ sein. Die Aufwendungen müssten zudem „erheblich“ über den im Regelsatz für Verkehr vorgesehenen Betrag, damals in Höhe von 25,12 Euro pro Monat liegen. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen würden aber nicht „erheblich“ vom durchschnittlichen Bedarf eines Langzeitarbeitslosen abweichen.
Den zweiten Fall wiesen die Kasseler Richter dagegen zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurück. Hier könnten die hohen Fahrtkosten zu einem Mehrbedarf aus Härtegründen führen. Denn auch die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen gehöre zum soziokulturellen Existenzminimum, das Jobcenter zu sichern haben. Es müsse aber bereits vor Haftantritt eine „besondere Nähe“ zu dem Lebenspartner bestanden haben. Dies müsse die Vorinstanz ebenso prüfen wie die Frage, ob die Klägerin die Fahrtkosten hätte senken können, etwa mit Mitfahrgelegenheiten.
Az.: B 4 AS 81/20 R und B 4 AS 3/21 R