Palermo/Frankfurt a.M. (epd). Mit einem Besuch auf der „Sea-Watch 4“ in Palermo und einem im deutschen Fernsehen übertragenen Gottesdienst hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, den Seenotrettern den Rücken gestärkt. „Wir werden nicht schweigen“, versicherte er am 5. September auf der „Sea-Watch 4“. „Solange verzweifelte Menschen im Mittelmeer in Lebensgefahr sind und ertrinken, werden wir den Finger in diese klaffende Wunde Europas legen.“
Es dürfe nicht vergessen werden, warum es die zivile Seenotrettung gibt, betonte der bayerische Landesbischof: „aus dem einfachen Grund, dass die Staatengemeinschaft Europas ihren Aufgaben nicht nachkommt“. Indem Kirchen diesen aktiven Einsatz für Menschenrechte und Menschenwürde unterstützten, erinnerten sie die Staaten an ihre Pflicht und ihre eigenen Grundüberzeugungen.
Auch in einem ZDF-Fernsehgottesdienst aus Palermo verteidigte Bedford-Strohm die private Seenotrettung als Gebot der Nächstenliebe. Natürlich sei mit der Rettung von Menschen im Mittelmeer kein migrationspolitisches Problem gelöst. Man dürfe jedoch niemanden in Not alleine lassen, betonte er in einer Auslegung des biblischen Gleichnisses vom Barmherzigen Samariter.
„Natürlich müssen zuallererst die Fluchtursachen bekämpft werden“, fügte Bedford-Strohm hinzu: „Krieg. Armut. Wetterextreme aufgrund des Klimawandels. Natürlich muss man diskutieren, wie die besten Lösungen aussehen. Aber doch nicht anstatt der Rettung von Menschenleben! Sondern zusätzlich dazu!“ Alle Menschen seien es wert, gerettet zu werden, einfach weil es Menschen sind.
An dem Gottesdienst beteiligten sich auch der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Rettungsschiffen. Die Liturgie wurde gestaltet von der evangelischen Pastorin Sandra Bils, die durch ihre Abschlusspredigt auf dem evangelischen Kirchentag im Juni 2019 in Dortmund bekannt wurde. Dort erklärte sie: „Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt.“
Mit Blick auf die Fluchtsuchenden sagte Bedford-Strohm, es sei auch nicht entscheidend, „wie man die Motive der Menschen in den Booten beurteilt - ob man ihr Handeln leichtsinnig findet oder ob man es als Folge purer Verzweiflung sieht“. Das Entscheidende sei: „Sie sind auf diesen Booten und ihr Leben ist in Gefahr.“ Der Samariter in der Bibel habe nicht danach gefragt, wie der Verletzte am Wegesrand in diese Situation gekommen sei: „Er hat die Not des Anderen gesehen und hat geholfen.“
Mit dem Gottesdienst wurde gezielt auf die Arbeit privater Rettungsschiffe im Mittelmeer aufmerksam gemacht. Bedford-Strohm hatte das Projekt der „Sea-Watch 4“, die im vergangenen Jahr mit Hilfe von kirchlichen Spenden zur Rettung von Flüchtlingen ins Mittelmeer geschickt wurde, vorangetrieben. Auch die „Sea-Eye 4“, die in der vergangenen Woche 29 Menschen von einem Holzboot rettete, wird vom Bündnis United4Rescue unterstützt, das unter anderem von der EKD getragen wird.
Nach mehreren Tagen Wartens bekam die „Sea-Eye 4“ am Wochenende einen sicheren Hafen zugewiesen. Die Geretteten, darunter zwei Hochschwangere und vier Babys, seien noch am Sonntag nach Porto Empedocle in Sizilien gebracht worden, erklärte die Organisation Sea-Eye auf Twitter.
Lindau/Bregenz (epd). Zum ökumenischen „Tag der Schöpfung“ haben Kirchenvertreter zu einem sorgsamen Umgang mit den Ressourcen der Erde aufgerufen. Die zentrale deutsche Feier des Tages am 4. September fand dabei erstmals international statt - im Rahmen einer Schiffstour auf dem Bodensee. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) lud zusammen mit ihren Partnern zu gemeinsamen Gebeten im österreichischen Bregenz, in Lindau und im schweizerischen Romanshorn ein.
In Lindau rief der katholische Augsburger Bischof Bertram Meier dazu auf, sich für den Schutz der Schöpfung einzusetzen. „Wir werden als Menschen nur überleben, wenn wir als Treuhänder die ganze Schöpfung hegen und pflegen“, sagte er beim Mittagsgebet auf dem Gelände der dortigen Gartenschau. Der Mensch sei „verschwistert mit allem was lebt“, sagte Meier. „Das bedeutet: Wo die Schöpfung auf der Strecke bleibt, wird auch der Mensch scheitern.“
Unter dem diesjährigen Motto „Damit Ströme lebendigen Wassesr fließen“ wollten die Veranstalter ein Zeichen setzen für die Bewahrung der Schöpfung und gegen Umweltzerstörung. So seien etwa Überschwemmungen, Flutkatastrophen und extreme Dürre ein „Anzeichen dafür, das das 'globale Haus' nicht mehr in Ordnung ist“, sagte Bischof Meier: „Ein sinnvoller Weg in die Zukunft führt nur über die Bewahrung der Schöpfung.“ Gestartet war der Tag im Hafen von Bregenz mit einem Morgenlob des katholischen Feldkircher Bischofs Benno Elbs.
Der Schweizer christkatholische (alt-katholische) Bischof Harald Rein, gebürtiger Bochumer, sagte in seiner Predigt im Romanshorn, die Erde sei eine Leihgabe Gottes, die „unversehrt weitergegeben werden soll“. Jede Generation müsse den Planeten so nutzen, dass für die nächste keine Hypothek geschaffen wird. Der Gottesdienst wurde zum 50-jährigen Bestehen des Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) gefeiert und war Teil des Schöpfungstages.
Die Kooperation der Bodensee-Anrainerstaaten lobte Thomas Blank, Vorstand der Abteilung Wasserwirtschaft bei der Vorarlberger Landesregierung, als „beispielgebend und eine Erfolgsgeschichte“. Sie sei eine „wichtige Voraussetzung für den auch weiterhin guten Umgang mit unserem Naturparadies Bodensee“, betonte er in Bregenz.
Bremen, Frankfurt/Main (epd). Die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland hat sich von den Aussagen des theologischen Gutachters im Berufungsverfahren um den umstrittenen Bremer Pastor Olaf Latzel distanziert. Der zu der Freikirche gehörende Theologieprofessor Christoph Raedel habe seine ablehnende Haltung zur Homosexualität „als Privatperson“ deutlich gemacht, sagte ein Sprecher der methodistischen Kirche am Wochenende in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Diese Aussagen sind nicht als offizielle Stellungnahme namens und im Auftrag der Evangelisch-methodistischen Kirche anzusehen.“
Der landeskirchliche Pastor Latzel hatte nach Auffassung des Bremer Amtsgerichts in einem sogenannten Eheseminar zum Hass gegen Homosexuelle aufgestachelt. Das Gericht verhängte darum eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro. Das Urteil wegen Volksverhetzung ist nicht rechtskräftig, weil Latzel in Berufung gegangen ist.
Raedel, Professor der Freien Theologischen Hochschule Gießen, war in der vergangenen Woche nun vom Landgericht zum theologischen Gutachter im Berufungsverfahren bestellt worden. Auf epd-Anfrage bezeichnete Raedel „ausgelebte Homosexualität“ als „Sünde“. Er zitierte dazu aus der Verfassung seiner Kirche: „Die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche kann die praktizierte Homosexualität nicht gutheißen und betrachtet diese Handlungsweise als unvereinbar mit der christlichen Lehre.“
Der stellvertretender Pressesprecher der methodistischen Kirche, Michael Putzke, sagte, die von Raedel zitierte Passage aus der Verfassung der weltweiten methodistischen Kirche sei zwar richtig, aber unvollständig. Korrekt sei, dass praktizierte Homosexualität darin als nicht vereinbar mit der christlichen Lehre angesehen werde. In der deutschen Fassung werde jedoch betont, dass es innerhalb der methodischen Kirche unterschiedliche Auffassungen in dieser Frage gebe.
Laut Putzke wird darin ausdrücklich bekräftigt, dass Gottes Gnade allen Menschen gelte. Es sei eindeutig, „dass Ablehnung und Diskriminierung lesbischer und schwuler Menschen in der Kirche keinen Platz haben“.
Die methodistische Kirche ringe weltweit bereits seit fünf Jahrzehnten erbittert um eine Haltung zur Homosexualität, erläuterte Putzke. 2019 habe sich bei der Generalkonferenz im US-amerikanischen St. Louis, dem weltweit höchsten Entscheidungsgremium dieser Kirche, mit knapper Mehrheit die konservativ-traditionelle Sichtweise durchgesetzt.
In Deutschland sei dieser Beschluss aber nicht umgesetzt worden: Die wenigen Passagen mit negativen Aussagen zur Homosexualität seien „vorläufig außer Kraft“ gesetzt. Dieses „Schweigen in der Ordnung“ ermögliche es den Gemeinden, sich für die Belange von Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen stärker zu öffnen und ihnen in der Kirche eine Heimat zu bieten.
Leer (epd). Susanne Bei der Wieden ist als erste Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche im Amt: Synodenpräses Norbert Nordholt führte die 54-Jährige am 4. September bei einem Gottesdienst in der Großen Kirche in Leer ein. Ihre Amtsgeschäfte hatte die promovierte Theologin bereits am Mittwoch aufgenommen. Die frühere Pastorin aus Frankfurt am Main war im März von der Gesamtsynode mit großer Mehrheit zur Nachfolgerin von Martin Heimbucher gewählt worden, der im Juli in den Ruhestand ging.
In ihrer Predigt warb Bei der Wieden angesichts weltweiter Probleme wie Flucht und steigender Armut für einen neuen Blick auf die biblische Botschaft. „Wir werden in Zukunft ganz anders gefragt sein, was uns vom Evangelium her geboten ist“, sagte sie. Die Frage sei nicht mehr, wie attraktiv die Kirche für Menschen sei, die ohnehin zu ihr kämen. Entscheidend werde die Frage sein, „wer bleibt, wenn Gottes Wort uns dahin ruft, in seinem Namen Position zu beziehen an der Seite der Schwachen, der Verlierer, im Dienst des Friedens und der Versöhnung“. Vielleicht kämen aber gerade deshalb Menschen wieder neu zur Kirche.
Der frühere Berliner Bischof Markus Dröge gratulierte der neuen Kirchenpräsidentin im Namen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Bei der Wieden bringe „eine große Portion Gottvertrauen und fröhliche Widerstandskraft“ mit in das neue Amt, sagte er.
Dröge ermutigte dazu, der Gesellschaft Orientierung zu geben: „In unseren Zeiten muss die Kirche nach draußen gehen, den Anschluss suchen, mit den gesellschaftlichen Kräften kooperieren.“ Dabei gelte es, „Haltung zu zeigen, so wie die reformierte Kirche es vorbildlich beim Thema Geflüchtete getan hat“. Die Kollekte in dem Gottesdienst war für die Seenotrettung im Mittelmeer bestimmt. Die EKD unterstützt dabei die Arbeit des Bündnisses „Uninted4Rescue“, das das Rettungsschiff „Sea-Watch 4“ entsandt hat.
Die Präsidentin des Landeskirchenamtes der hannoverschen Landeskirche, Stephanie Springer, überbrachte die Glück- und Segenswünsche der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Es gehe darum, „mit Worten, aber vor allem mit Taten gemeinsam für eine freiheitliche, solidarische, tolerante und demokratische Gesellschaft einzutreten“, betonte Springer.
Die benachbarte Bremische Evangelische Kirche gratulierte der neuen Kirchenpräsidentin in einem schriftlich übermittelten Grußwort. Stärker als bisher sei die Kirche heute gefordert, öffentlich deutlich zu machen, wofür sie stehe, sagte der leitende Theologe und Schriftführer Bernd Kuschnerus. „Angesichts der großen Probleme des Klimawandels, des Friedens, der Armut und des sozialen Wandels sind wir als Kirchen gefragt.“
Bei der Wieden ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Als Kirchenpräsidentin vertritt sie künftig die Evangelisch-reformierte Kirche in der Öffentlichkeit und leitet das Landeskirchenamt in Leer mit rund 80 Mitarbeitenden. Zur reformierten Kirche mit Sitz in Leer gehören rund 168.500 Mitglieder in 143 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu.
Hamburg (epd). Kirche und Diakonie müssen sich nach Worten des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, mehr in ihrem Quartier einbringen und sich mit Vereinen, Initiativen und der Kommune vernetzen. Es gehöre zum Kernauftrag der Kirche, dort hinzugehen, wo die Menschen leben und leiden, sagte Bedford-Strohm am 3. September zum Auftakt des zweitägigen Kongresses „Wir&Hier“ in Hamburg.
Die Kirche müsse sich mehr heraus bewegen, „wo das Leben steppt“, ergänzte EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich. „Raus aus der Bubble, rein in den Schaum.“
Mehr als 500 Interessierte wollen während des Kongresses Perspektiven entwickeln, wie sich Kirche und Diakonie vor Ort einbringen können. Neben der Fachdiskussion steht die Vorstellung von 30 konkreten Projekten im Mittelpunkt. Der Kongress musste pandemiebedingt mehrfach verschoben werden. Er findet teils digital statt.
Der stetige Wandel ist nach Worten von Diakonie-Präsident Ulrich Lilie aktuell die Konstante des gesellschaftlichen Lebens. Herausforderungen wie Integration, Digitalisierung und Klimawandel müssten so gestaltet werden, dass es keine sozialen Verlierer gibt, erklärte er. Kirche und Diakonie hätten die Aufgabe, den Zusammenhalt vor Ort zu organisieren und dafür offene Räume für die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit anzubieten. Ziel seien lebenswerte und menschliche Quartiere, die niemanden ausschließen. Die Angebote sollten mit den Menschen vor Ort gemeinsam entwickelt werden. Notwendig sei dafür eine „hinhörende Kirche“.
Hannover, Bonn (epd). Die beiden großen Kirchen wollen mit einer gemeinsamen Informationskampagne die Friedhofskultur in Deutschland stärken. Christliche Friedhöfe seien eine tragende Säule des kulturellen Erbes, erklärten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am 2. September. Diese Kulturräume gelte es zu pflegen und weiterzuentwickeln.
Im vergangenen Jahr nahm die UN-Kulturorganisation Unesco die Friedhofskultur in Deutschland in ihre Liste immaterieller Kulturgüter auf. Zur Friedhofskultur gehören die Friedhöfe selbst, aber auch die Bestattungspraxis, Trauer- und Erinnerungsrituale sowie handwerkliche Tätigkeiten, die damit zusammenhängen.
Mit Broschüren für Kirchengemeinden, einer Wanderausstellung und Informationstafeln auf Friedhöfen wollen EKD und DBK über Geschichte und Bedeutung der Friedhofskultur informieren. Zudem soll das Thema eine Rolle bei den kommenden Trauer- und Gedenktagen spielen.
Friedhöfe seien „unverzichtbare Orte des menschlichen Lebens“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Dabei gehe es darum, die Tradition zu bewahren und zugleich „neue Wege der Trauer- und Gedenkkultur zu eröffnen, damit das Kult- und Kulturgut Friedhof eine Zukunft hat“.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, würdigte die Friedhöfe als Orte der Glaubenshoffnung, die voller Frieden seien und den Menschen gut täten. Die „leise Sprache der Friedhöfe“ dürfe nicht untergehen.
Speyer, New York (epd). „9/11“: Es ist einer jener Tage im Leben, die man nie vergisst. Dorothee Wüst saß am Morgen des 11. September 2001 beim Frühstück in New York, als islamistische Attentäter zwei entführte Passagierflugzeuge in die beiden Türme des World-Trade-Centers lenkten. Gemeinsam mit zwei Freunden wurde die heutige pfälzische Kirchenpräsidentin vor 20 Jahren Zeugin des Terrors, der die Welt veränderte: Rund 3.000 Menschen starben bei den Anschlägen auf die Twin Towers, auf das Pentagon in Washington und beim Absturz eines weiteren entführten Flugzeugs in Shanksville (Pennsylvania).
Für die heute 56-jährige Theologin war es das traurige Ende einer dreiwöchigen Rundreise an der Ostküste: Die damalige Gemeindepfarrerin in Kaiserslautern machte gemeinsam mit Pfarrer Wolfgang Schumacher, dem heutigen Beauftragten der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz in Mainz, sowie einem weiteren Freund in New York Station. Am 10. September erkundeten die drei Pfälzer gemeinsam die Stadt. Die beiden Männer fuhren auf die Aussichtsplattform des „World Trade Centers“, um die Aussicht über die Metropole zu genießen. „Ich trank lieber einen Kaffee bei 'Starbucks' und sagte mir: Das steht morgen auch noch“, erinnert sich die Kirchenpräsidentin.
Am nächsten Morgen wollte das Trio, das in einem Gästehaus auf der Insel Roosevelt Island im East River wohnte, für eine Strandwoche weiterreisen in den Norden, nach Cape Cod. Der Fernseher lief an diesem sonnigen Septembertag im Frühstücksraum. Dann wurden die ersten erschreckenden Bilder auf dem Bildschirm gezeigt: Qualm über Manhattan, Sirenengeheul, was war passiert? Gemeinsam mit anderen Hausgästen stiegen Wüst, Schumacher und ihr Freund auf die Dachterrasse, blickten aus sicherer Entfernung in Richtung Süden in den Finanzbezirk der Stadt.
„Noch immer habe ich die Bilder der einstürzenden Türme im Kopf“, sagt Schumacher. Schnell begriffen die geschockten Urlauber, dass es sich bei dem Vorfall um eine Katastrophe handelte, erzählen Schumacher und Wüst. Viele der amerikanischen Mitbewohner seien aus Angst und Trauer um Familienmitglieder oder Freunde, die in den beiden Bürotürmen arbeiteten, völlig aufgelöst gewesen. Als deutsche Touristen und auch als Seelsorger sei man in dieser Situation „außen vor gewesen“ und habe sich zurückgenommen, sagt Wüst. Man habe helfen wollen - Blutspenden für die Opfer seien aber abgelehnt worden.
Fasziniert waren die drei Deutschen, die auf der Flussinsel festsaßen, davon, wie schnell die Amerikaner reagierten und solidarisch zusammenstanden. Wehende Flaggen und das Singen der Nationalhymne hätten die ethnisch, kulturell und religiös vielfältige US-Gesellschaft in der Ausnahmesituation verbunden, erinnert sich Schumacher. Für die von den Terroranschlägen Betroffenen hätten die Kirchen in den USA und auch in Deutschland gebetet. „Die Menschen brauchen das, wenn die Welt erschüttert wird“, sagt Wüst.
Die Schuld für die religiös begründete Tat von Fanatikern dürfe aber nicht auf Gott geschoben werden, betonen Wüst und Schumacher. „Gott schenkt den Menschen die Freiheit, Gutes zu tun“, sagt die Kirchenpräsidentin, „oder auch, Flugzeuge in ein Hochhaus zu steuern.“ Der Terrorakt sei „eine Perversion von Religion“ gewesen, sagt sie. Die Attentäter hätten die Religion für ihre Machtziele missbraucht, ergänzt Schumacher. Zu Unrecht sei der Islam insgesamt in Folge der Terroranschläge in Verruf geraten.
Mit dem Auto kamen die Urlauber über Umwege aus New York und landeten nach ein paar stillen Strandtagen in Cape Cod schließlich wieder in Deutschland - zur großen Freude ihrer Familien und Freunde, die sich sorgten. Wie jedes Jahr werde sie an „9/11“ innehalten, „aber keine Betroffenheit zelebrieren“, sagt Kirchenpräsidentin Wüst.
Frankfurt a.M. (epd). „Ich predige, ich kämpfe“: Dies war das Motto des frommen und zugleich wehrhaften Waldenserpfarrers Henri Arnaud (1643-1721). Die mehr als 300 Jahre vor der Reformation Luthers entstandene Waldenserbewegung wurde über Jahrhunderte hinweg von der Inquisition blutig verfolgt, ja fast vollständig ausgerottet. Arnaud war einer der ersten Waldenser, die zur Verteidigung ihrer Glaubensfreiheit zum bewaffneten Widerstand aufriefen. Zeitgenössische Darstellungen zeigen ihn mit Talar und Beffchen eines Pfarrers und dem Harnisch eines Heerführers. Mit dem Henri-Arnaud-Gedenkjahr wird in diesem Jahr an ihn erinnert.
Der 1643 im französischen Embrun (Dauphiné) geborene Arnaud war selbst kein Waldenser, sondern Hugenotte, also französischer Protestant. Er machte sich aber die Sache der um 1174 durch den Lyoner Kaufmann Waldes ins Leben gerufenen Waldenserbewegung zu eigen. Er und seine Anhänger gerieten in Konflikt mit der Kirche, weil sie als Laien öffentlich predigten. Sie lehrten ein an der Bergpredigt ausgerichtetes Armutsideal.
Nach ihrer Verurteilung als Ketzer bildeten die Waldenser eine Art Untergrundkirche in Frankreich, Italien, Österreich, Böhmen und Deutschland. Bereits Anfang des 13. Jahrhunderts begannen die Verfolgungen. Am Ende des Mittelalters gab es nur noch Waldenser in einigen schwer zugänglichen Bergtälern in den Cottischen Alpen: das Grenzgebiet zwischen Frankreich und dem Herzogtum Savoyen-Piemont, in Kalabrien und im Luberon.
Als Überlebensstrategie wählte Arnaud im 17. Jahrhundert die militärische Selbstverteidigung. Das sei schon damals umstritten gewesen, sagte der Theologe und Kirchenhistoriker Albert de Lange dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber Arnaud habe Gewalt als Gegenwehr eingesetzt: „Mit bewaffnetem Widerstand wollte er die den Waldensern zustehenden Rechte durchsetzen.“ Im heute zu Italien gehörenden Piemont, das damals den Herzögen von Savoyen gehörte, durften sie seit 1561 als Minderheit in einem katholischen Land ihren reformierten Glauben öffentlich ausüben - allerdings immer wieder unterbrochen von Phasen der Verfolgung und dem Versuch, sie durch Zwang zu rekatholisieren.
Nach dem Verbot des evangelischen Glaubens vom Oktober 1685 in Frankreich stellte der Herzog von Savoyen die Waldenser im Piemont vor die Wahl, katholisch zu werden oder auszuwandern. Obwohl die Mehrheit der Waldenser eher auswandern wollte, konnte Arnaud sie zum Widerstand umstimmen. „Arnaud war der einzige Pfarrer, der aktiv in den Kampf eingriff“, so sein Biograf Theo Kiefner: „Allgemein waren in jener Zeit Waffen für den Glauben kein theologisches Problem, zumal nicht für die Verteidigung des Glaubens.“
Doch der Aufstand scheiterte. Viele Waldenser wurden getötet, etwa 3.000 Überlebende wurden 1687 in die Schweiz oder nach Deutschland ausgewiesen. Doch im August 1689 unternahmen die Waldenser ihre historisch gewordene „Glorreiche Rückkehr“ in ihre Täler, unterstützt mit Waffen und Geld aus den Niederlanden und England.
In dem sich anschließenden Guerillakampf spielte Arnaud eine maßgebliche Rolle: Er hatte „eine zähe Natur, solche außergewöhnlichen Strapazen zu ertragen. Nicht umsonst bekam er den Beinamen 'der Eiserne'“, heißt es in Kiefners Biografie. Arnauds Beispiel sei heute ein Appell, dass Christen sich für die Religions- und Meinungsfreiheit von Unterdrückten und für die Toleranz von Religionen einsetzen sollen, schreibt der evangelische Pfarrer Markus Epting (Ötisheim) von der Deutschen Waldenservereinigung: „Ziel sollte sein, dass Unterdrückte nicht wie Arnaud zu Waffen greifen müssen.“
Obwohl der Herzog von Savoyen den Waldensern ihre Religionsfreiheit zunächst wieder zugestand, mussten auf Druck Frankreichs ab 1698 alle in Frankreich geborenen Evangelischen das Land verlassen. So ging Arnaud 1698 zusammen mit rund 2.700 französischen Waldensern erneut ins Exil, diesmal endgültig nach Deutschland.
Württemberg wurde die letzte Station in Arnauds Leben. Hier wirkte er als Pfarrer in Dürrmenz, das heute zu Mühlacker im Nordwesten Baden-Württembergs gehört. Die Waldenserfamilien lebten seit Ende des 17. Jahrhunderts in Württemberg und Südhessen in Kolonien, von Integration habe man damals noch nicht reden können, sagte de Lange: „Sie lebten ihre eigene Sprache und Religion sowie ihr Rechtssystem, faktisch so, wie sie es auch zuhause taten.“ 1823 wurden sie in die evangelische Landeskirche aufgenommen.
Die Waldenser brachten den Maulbeerbaum für die Seidenproduktion nach Württemberg. Arnaud soll der Legende zufolge auch die Kartoffel eingeführt haben. Am 8. September 1721 schloss der Pfarrer und Oberst in seinem Haus in Schönenberg für immer die Augen. Er wurde 79 Jahre alt, aus seiner ersten Ehe mit Marguerite Bastie stammten sechs Kinder, seine zweite Ehe mit Renée Rebaudy blieb kinderlos. Er wurde in seiner Kirche in Schönenberg beigesetzt, denn seine Hauptaufgabe sah er seinem Biografen Kiefner zufolge „nicht im Militär- sondern im Pfarrdienst“.
Berlin (epd). Rund 10.000 Menschen sind nach Polizeiangaben am 4. September in Berlin einem Aufruf des #unteilbar-Bündnisses gefolgt. Unter dem Motto „Für eine gerechte und solidarische Gesellschaft!“ demonstrierten sie drei Wochen vor der Bundestagswahl für Menschenrechte, Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Das Bündnis #unteilbar als Veranstalter bezifferte die Teilnehmerzahl auf 30.000.
Anna Spangenberg vom Organisatoren-Team sagte: „Als unteilbare Zivilgesellschaft haben wir unüberhörbar klar gemacht: Wir wollen andere politische Prioritäten und lassen uns nicht gegeneinander ausspielen.“ Die Klimakrise müsse endlich konsequent und sozial gerecht in Angriff genommen, Rassismus und Menschenfeindlichkeit ernsthaft bekämpft werden.
Wegen der Abstands- und Hygieneregeln im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie hatten sich die Teilnehmer zunächst auf einer Strecke von mehreren Kilometern Länge von der Straße des 17. Juni über das Brandenburger Tor bis zur Leipziger Straße versammelt. Die Abschlusskundgebung fand am Nachmittag nahe dem Alexanderplatz statt. Aufgerufen dazu hatte ein Bündnis aus mehr als 340 Organisationen und Initiativen, darunter das Deutsche Kinderhilfswerk, Amnesty International, der Paritätische Gesamtverband, „Fridays for Future“, Pro Asyl und die Tafel Deutschland sowie mehrere Parteien.
Die Teilnehmer setzten sich unter anderem für eine konsequente Armutsbekämpfung durch menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen, Bildung, Gesundheitsversorgung und bezahlbaren Wohnraum ein. „Wir wollen eine Politik, bei der diejenigen, die Reichtum angehäuft haben, die Kosten der Krise tragen. Für eine Umverteilung von oben nach unten!“, hieß es im Aufruf zur Demonstration.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, beklagte, dass sich seit der ersten #unteilbar-Demonstration im Jahre 2018 in Deutschland kaum etwas zum Besseren gewandelt habe. Vielmehr hätten sich in diesen drei Jahren die Armut und die Zahl derer, die ausgegrenzt werden, noch vergrößert. Schneider sprach von einer Schande. Nötig sei in Deutschland endlich ein Politikwechsel.
DGB-Bundesvorstandsmitglied Anja Piel betonte, die anstehenden Herausforderungen könnten nur gemeinsam bewältigt werden, egal ob es um Klimaschutz, Arbeitswelt oder das Gesundheitswesen gehe. „Wir brauchen uns gegenseitig“, unterstrich die Gewerkschafterin.
Die Klimaaktivistin Carla Reemtsma von „Fridays for Future“ nannte den Klimawandel „eine bedrückende Realität“. Klimakrise und soziale Gerechtigkeit könnten aber nicht gegeneinander ausgespielt werden, die Klimakrise sei auch eine Gerechtigkeitskrise.
Wiebke Judith von Pro Asyl lenkte den Blick auf die humanitäre Katastrophe in Afghanistan. Trotz der offensichtlichen Not dort hätten viele Politiker aber vor allem betont, dass sich die Flüchtlingskrise von 2015 nicht wiederholen dürfe. Tatsächlich nicht wiederholen dürfe sich jedoch Verantwortungslosigkeit, forderte Judith. Menschen in Not müsse geholfen werden, etwa über Aufnahmeprogramme von Bund und Ländern.
Berlin (epd). Wählerinnen und Wähler mit nicht-heterosexueller Orientierung haben einer aktuellen Studie zufolge eine eindeutige Präferenz für die Grünen und - weit abgeschlagen - für die Linkspartei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Wahlstudie der Universität Gießen, die am 31. August zusammen mit dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in Berlin vorgestellt wurde. Zu den wichtigsten politischen Herausforderungen gehöre demnach für die Wählerinnen und Wähler von SPD und FDP die sogenannte Homofeindlichkeit, für Wählerinnen und Wähler von Grünen, Linken und der SPD das Thema Diskriminierung.
An der Online-Befragung beteiligten sich den Angaben zufolge zwischen dem 15. Juli und 15. August dieses Jahres mehr als 9.000 Menschen. In die Ergebnisse der Studie flossen aber nur die Antworten von 5.149 „nicht ausschließlich heterosexuellen Wahlberechtigten“ ein, wie die Gießener Politikwissenschaftlerin Dorothée de Nève erläuterte. Der Unterschied zu gängigen Wahlbefragungen sei, dass in diesem Fall ausdrücklich nach der speziellen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität gefragt wurde. In Deutschland gibt es laut Studie schätzungsweise zwischen 1,8 und drei Millionen Wahlberechtigte aus der sogenannten LSBTIQ-Community.
Die deutsche Abkürzung LSBTIQ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Inter und Queers. Gelegentlich wird auch die englische Abkürzung LGBTIQ („Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgender, Intersex & Queers“) verwendet.
Nach 2017 handelte es sich den Angaben zufolge erst um die zweite speziell auf die LSBTIQ-Community gerichtete Wahlstudie. In der sogenannten Sonntagsfrage zeichnete sich demnach mit 52,6 Prozent eine klare Präferenz für die Grünen ab (2017: 29 Prozent). Die Linke kam auf 17,4 Prozent (2017: 22,6 Prozent), die SPD auf 9,1 Prozent (2017: 21,2 Prozent), die FDP auf 7,1 Prozent (2017: 9,5 Prozent), CDU/CSU auf 3,2 Prozent (2017: 6,9 Prozent) und die AfD auf 2,6 Prozent (2017: 2,7 Prozent).
Unter den Studienteilnehmern waren mehr als die Hälfte Männer (53,8 Prozent) und 29,9 Prozent Frauen. Die übrigen bezeichneten sich als non-binär, queer, transgender und anderes. Etwa zwei Drittel der Teilnehmenden (65 Prozent) waren eigenen Angaben zufolge schwul oder lesbisch.
Politikwissenschaftlerin de Nève verwies auf die sehr hohen Schwankungen der Umfragewerte gegenüber 2017. Die Regierungspolitik der vergangenen Legislaturperiode habe offenbar Spuren hinterlassen. Grund sei unter anderem das Festhalten an dem umstrittenen Transsexuellengesetz durch die Regierungsfraktionen im Mai dieses Jahres sowie das Scheitern weiterer Initiativen zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung.
Ost-West-Unterschiede spielen bei den meisten Parteien offenbar keine Rolle. Allerdings tendiere die Mehrheit der Community in Ostdeutschland zur Linkspartei, in Westdeutschland hingegen zu den Grünen.
Teilnehmer der Studie hatten auch Gelegenheit, ihre Parteipräferenz mit eigenen Worten zu begründen. Dabei hätten viele geschrieben, dass sie sich für das „geringere Übel“ entscheiden oder aber eine bestimmte Partei aus strategischen Gründen wählen würden.
Berlin (epd). Unentschiedene Wählerinnen und Wähler können sich seit dem 2. September wieder durch den Wahl-O-Mat klicken. Die Bundeszentrale für politische Bildung schaltete in Berlin und Bonn das Online-Tool frei, mit dem Nutzer ihre eigenen Positionen mit denen der zur Bundestagswahl am 26. September antretenden Parteien abgleichen können. Dazu müssen sie sich durch 38 von den Parteien autorisierte Thesen zu verschiedenen Politikfeldern klicken. Diese werden dann mit den Positionen aus den Wahlprogrammen verglichen. Am Ende erfährt der Nutzer, wie viele Übereinstimmungen er mit den jeweiligen Parteien hat.
Neu gegenüber der Bundestagswahl 2017 ist etwa, dass Nutzerinnen und Nutzer einzelne Thesen gewichten können. Die Positionen einzelner Parteien können im Vergleich betrachtet werden. Außerdem werden die Parteien mit Infotexten vorgestellt. Insgesamt beteiligen sich in diesem Jahr am Wahl-O-Mat 39 von 40 Parteien, die mit Landeslisten zur Bundestagswahl antreten.
Der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, sprach von einem Informations- und Orientierungsangebot: „Der Wahl-O-Mat möchte informieren und heranführen an die Parteiprogramme.“ Es handele sich aber nicht um eine Wahlempfehlung oder Wahlvorhersage. Krüger bezeichnete den Wahl-O-Mat als das erfolgreichste Angebot für politische Bildung seit Bestehen der Bundeszentrale für politische Bildung.
Die seit 2002 angebotene Wahlentscheidungshilfe via Internet wurde laut Bundeszentale zur vergangenen Bundestagswahl 2017 etwa 15,7 Million Mal aufgerufen. Der Inhalt des Wahl-O-Maten entstand in einer 36-köpfigen Redaktion mit zahlreichen Politikexpertinnen und -experten sowie 19 Jungwählerinnen und -wählern. Begleitet wird das Team von Sozialwissenschaftlern der Universität Düsseldorf. Das Abfrage-Tool für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, ebenfalls am 26. September, wurde bereits vor gut einer Woche freigeschaltet.
Zur Kritik der fehlenden Barrierefreiheit für behinderte Menschen etwa durch eine Version in leichter Sprache sagte Pamela Brandt von der Bundeszentrale, es sei sehr schwierig, die 38 komplexen Thesen entsprechend zu übersetzen. Die Thesen würden durch eine andere Wortwahl und das notwendige Ergänzen durch Beispiele länger. Zudem erhielten die Thesen durch eine veränderte Wortwahl andere Nuancen der Bedeutung. Zur fehlenden Spracheingabe etwa für Blinde hieß es, dies ließe der Datenschutz nicht zu, da keine Eingaben beim Wahl-O-Mat gespeichert würden. Hingegen gebe es aber eine Vorlesefunktion. Der AWO-Bundesverband wie auch der Caritas-Verband hatten eine Version in leichter Sprache gefordert.
Neben dem Wahl-O-Mat bietet die Bundeszentrale für politische Bildung zur Bundestagswahl auf ihrer Homepage weitere Angebote wie Podcasts, Vorträge und Interviews. Ein „Wahlbingo für Nichwählende“ soll Argumente für das Wählengehen liefern. Zudem wird die Bundestagswahl auch in leichter Sprache vorgestellt. Ein sogenannter Wahl-Bot soll Fragen zum Thema beantworten.
Adenau (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Menschen in den Flutgebieten in der Eifel die Unterstützung der gesamten Bundesrepublik zugesagt. „In der Stunde der Not sind wir ein starkes, solidarisches Land“, sagte Steinmeier am 1. September am Nürburgring bei einem Staatsakt des Landes Rheinland-Pfalz für die Hochwasseropfer. „Das Unheil, das über Sie hereingebrochen ist, es geht uns alle an“, erklärte er. Dabei gehe es nicht nur um Nothilfe. Ganz Deutschland stehe vor der Aufgabe, sich besser auf ähnliche Extrem-Unwetter vorzubereiten.
Der Bundespräsident sprach den Einwohnern der Katastrophenregion seinen Respekt dafür aus, dass sie trotz aller Verzweiflung nicht aufgegeben hätten und nach vorne blickten. Die Hilfsgelder von Bund und Ländern müssten nun so schnell wie möglich an die Betroffenen ausgezahlt werden, forderte er.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, im Ahrtal sei kaum eine Familie von dem Unglück verschont geblieben. Die Regierungschefin erinnerte zugleich auch an die Menschen in den Ortschaften an den Flüssen Sauer und Kyll, in denen eine Flutwelle ebenfalls schwere Zerstörungen verursacht hatte.
Das Schicksal vieler Flutopfer gehe ihr nicht mehr aus dem Kopf. „Ich habe mit einer jungen Frau gesprochen, die mit ansehen musste, wie ihr Vater von der Schlammflut mitgerissen wurde, und mit einer Handwerkerin, deren Betrieb und Wohnung vom Wasser zerstört wurden“, sagte Dreyer. „Nicht ein Erinnerungsstück an das Leben vor dem 14. Juli ist ihr geblieben.“
Niemand solle vergessen werden, versprach Dreyer: „Nicht die Verstorbenen, nicht diejenigen, die einen geliebten Menschen verloren haben, nicht diejenigen, denen alles genommen wurde, nicht diejenigen, die tief verwundet sind.“ Die Ministerpräsidentin würdigte die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und den selbstlosen Einsatz vieler Rettungskräfte. Die riesige Hilfe sei ein „Wunder inmitten unfasslichen Leids“. In der live im ARD-Fernsehen übertragenen Veranstaltung sprachen auch der Sohn eines ums Leben gekommenen Mannes aus dem Ahrtal und Vertreter der Rettungskräfte.
Vom Nürburgring war von den ersten Tagen nach der Katastrophe an der Rettungseinsatz für die zerstörte Region koordiniert worden. Mit dem Staatsakt in der Eifel sollte vor allem der bislang 134 Todesopfer gedacht werden, die vor sieben Wochen in Rheinland-Pfalz in den Flutwellen umgekommen waren. Drei weitere Menschen werden noch immer vermisst.
Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am 31. August in Berlin mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet worden. Sie erhält die Würdigung für ihr entschiedenes Eintreten gegen antisemitische und rassistische Tendenzen in Politik, Gesellschaft und Kultur. Die Verleihung war wegen der Corona-Pandemie mehrfach verschoben worden.
Merkel sagte, die Auszeichnung sei für sie „Ehre und Ansporn.“ Die Buber-Rosenzweig-Medaille stehe dafür, wie sehr das Zusammenwirken der Religionen die Gesellschaft bereichere. Es sei es eine bleibende Aufgabe, jüdisches Leben in Deutschland zu stärken und zu schützen. Die Gesellschaft müsse sich mit allen Mitteln und der ganzen Konsequenz des Rechtsstaats gegen Rassismus, Antisemitismus und gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wenden, betonte die Kanzlerin.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hob in seiner Laudatio die Standfestigkeit hervor, mit der Merkel sich für das Miteinander der Religionen und für Israel eingesetzt habe. Als Kanzlerin habe sie aus der historischen Verantwortung Deutschlands heraus gehandelt und an ihrer Überzeugung festgehalten, auch wenn dies nicht populär gewesen sei. In Zeiten, in denen Populismus Wählerstimmen bringe, „ist diese Standfestigkeit höher zu schätzen denn je“, sagte Schuster.
Der Zentralrats-Präsident erinnerte an Merkels Sicherheitsgarantie für Israel, die sie 2008 vor der Knesset ausgesprochen hatte und an ihr Eintreten für das jüdische Leben in Deutschland. Ihr sei außerdem immer klar gewesen, dass weitere Anstrengungen unternommen werden müssten, um den Antisemitismus zurückzudrängen, sagte Schuster und würdigte die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten als „deutlichen Fortschritt“.
Die Buber-Rosenzweig-Medaille ist nach den jüdischen Philosophen Martin Buber (1878-1965) und Franz Rosenzweig (1886-1929) benannt und wird seit 1968 jährlich von den deutschen Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit an Personen, Institutionen oder Initiativen vergeben, die sich in besonderer Weise für die Verständigung zwischen Christen und Juden einsetzen. Zu den bisherigen Preisträgern zählen der Erziehungswissenschaftler und Publizist Micha Brumlik, der Schriftsteller Navid Kermani, der Architekt Daniel Libeskind, der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, und der Musiker Peter Maffay.
Merkel sollte die Auszeichnung schon im März 2020 erhalten. Wegen der Pandemie wurde die Veranstaltung verschoben. Auch ein zunächst geplanter Nachholtermin im November vergangenen Jahres in Dresden wurde Corona-bedingt abgesagt.
Frankfurt a.M. (epd). Mit dem Spatenstich hat am 2. September in Frankfurt am Main der Bau der Jüdischen Akademie in Deutschland begonnen. „Wir wollen einen modernen Ort jüdischen Denkens schaffen“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bei der Feier. „Wir möchten die Fenster aufstoßen für den Dialog mit Christen und Muslimen, mit unserer diversen Migrationsgesellschaft, mit anderen Ländern.“ Von der Idee bis zum Spatenstich seien acht Jahre vergangen. Frankfurt sei als Standort gewählt worden, weil es „die jüdischste Stadt Deutschlands“ sei.
Die Jüdische Akademie werde religiöse und interreligiöse Debatten führen und über die politische Kultur und Kulturpolitik reden, führte Schuster aus. Die Diskussionen sollten von jüdischer Philosophie und Ethik bis zu moderner israelischer Literatur und zum Film reichen. „Die Jüdische Akademie soll für frischen Wind sorgen. Sie soll in unseren Köpfen etwas anstoßen“, sagte Schuster. Die Bildungseinrichtung solle auch „Selbstzufriedenheit erschüttern“ - im Blick auf die Erinnerungskultur, den Kampf gegen Antisemitismus und die Integration von Einwanderern und Flüchtlingen.
Die neue Akademie werde ein „Ort der Neugier“ sein, sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vertrat. Die Einrichtung werde „ein offenes Haus für eine offene Gesellschaft sein“. Rechte Gewalt und antisemitische Ressentiments seien in Deutschland auf dem Vormarsch, „das ist beschämend, das muss bekämpft werden, das hat keinen Platz in Deutschland“, sagte Kerber. Die Jüdische Akademie trage dazu bei, indem sie gegen Unwissenheit als Nährboden für Ressentiments arbeite.
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) knüpfte daran an: „Wir setzen heute einen Kontrapunkt zu vielem, was in unserem Land schiefläuft“, sagte er. Die Jüdische Akademie stoße Fenster auf zu denen, die offen seien für Neues und lernen wollten. Das Haus solle „blühen“ für eine bessere Zukunft für Juden und alle Menschen in Deutschland. Das Ziel der Politik müsse sein: „Juden sollen ohne Angst in Deutschland leben können.“
Die Jüdische Akademie in Frankfurt am Main ist die erste überregionale jüdische Institution dieser Art, die nach dem Holocaust in Deutschland errichtet wird. Die Gesamtkosten des Projekts liegen laut Zentralrat bei 34,5 Millionen Euro. Die Stadt will 5,5 Millionen Euro zuschießen. Die Bundesregierung werde sich nach einem Beschluss des Deutschen Bundestags mit 16 Millionen Euro und die hessische Landesregierung mit sieben Millionen Euro beteiligen. Die Fertigstellung des Baus ist für Ende 2023 geplant, 2024 soll die Jüdische Akademie ihren Betrieb aufnehmen.
Frankfurt a.M. (epd). Terror zwang zum Handeln. Nach den Anschlägen von Al Kaida wollten zwei Männer in Deutschland gegen die Sprachlosigkeit das Gespräch setzen, Verständigung statt Verdächtigung, Wissen statt Vorurteile. Das 2002 gegründete Deutsche Islamforum tagte meist halbjährlich in Frankfurt am Main bis Herbst 2019 vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Es hat Muslime untereinander und der Gesellschaft nähergebracht. Am 5. September startet ein neues Dialogformat.
Es waren der Gießener Mediziner Yasar Bilgin, Vorsitzender des Rats der Türkeistämmigen Staatsbürger in Deutschland und Gründer der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung, und der Darmstädter Theologe Jürgen Micksch, Mitgründer der Ausländerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland und Vorsitzender des Interkulturellen Rates in Deutschland, die sich im Herbst 2001 zusammentaten. „Ich habe in Deutschland erlebt, wie Islam negativ verstanden wurde“, erinnert sich Bilgin, „und es gab auch Muslime, die glaubten, dass die Muslime und sogar die islamische Lehre schuld daran sind“.
Die beiden luden im Juni 2002 erstmals Vertreter islamischer Verbände und Gruppen, von Kirchen und Innenministerien einschließlich des Verfassungsschutzes ein. Konflikte gab es vor allem unter den Muslimen selbst. Anfangs sogar zur Frage, wer überhaupt kommen darf. „Wenn der eine eingeladen wird, kommt der andere nicht“, seufzt Bilgin. So gab es eine gegenseitige Ablehnung von Milli Görüs und der Aleviten oder aller Verbände gegen die Ahmadiyya.
Die freundliche Beharrlichkeit der Veranstalter überwand die Vorbehalte, mit Ausnahme der Aleviten, die nach einigen Jahren dem Forum fernblieben. Doch auch außenpolitische Konflikte schlugen durch. Als im April 2018 der Leiter der Gülen-Bewegung in Deutschland als geladener Gast in Begleitung erschien, verließ der Vertreter des türkisch-islamischen Verbands Ditib die Runde. Als dann die gastgebende Moschee die Gülen-Vertreter des Raumes verwies, kehrte der Ditib-Vertreter zurück. „Ärger gab es nie über religiöse Inhalte, nur über Vereine und politische Inhalte“, stellt Bilgin fest.
An Themen war kein Mangel. Zur Frage des Kopftuches befand das Forum, dass ein Verbot „die institutionelle Diskriminierung einer Religionsgemeinschaft“ bedeute. Zum Thema, ob muslimische Schülerinnen am Schwimmunterricht der Schule teilnehmen müssen, befand das Gremium, „dass der Glaubensfreiheit der Schülerin der Vorrang zukommt“. Das Forum begrüßte die Demokratie, die Trennung von Staat und Religion und die Wahrung der Menschenrechte. Doch die Diskussion über Grundrechte ging weiter.
Der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya verteidigte im April 2017 die islamische Tradition, ein Mann dürfe neben seiner standesamtlich getrauten Ehefrau weitere Frauen nach islamischem Recht heiraten. Dem widersprachen die übrigen Muslimvertreter entschieden. Der Ahmadiyya-Imam Iftekhar Ahmed erläuterte als Referent im November 2019, dass „die gegenwärtige Menschenrechtsbewegung von vielen Nichtwestlern als imperialistische Ideologie wahrgenommen“ werde. Muslime hätten im islamischen Recht selbst eine Grundlage für die Menschenrechte. Nur einer der übrigen Muslimvertreter machte eine kritische Anmerkung.
Im Rückblick ist das Echo der Teilnehmer rundweg positiv, mit wenigen kritischen Anmerkungen. Das Deutsche Islamforum kreiere so etwas wie eine „zweite Chance“ für Muslime in Deutschland, sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. So habe der Verfassungsschutz die Muslimische Jugend in Deutschland, der früher eine Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt wurde, aus dem Bericht herausgenommen.
Das Deutsche Islamforum sei an seine Grenzen gekommen, findet der Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland, Detlef Görrig. „Die Pionierarbeit ist zum Mainstream geworden.“ Inzwischen gebe es auch viele andere Gesprächsforen, etwa den Bundeskongress der Räte der Religionen. „Es bräuchte eine Transformation von Zielen und Aufgaben.“
Genau das hat der Moderator Jürgen Micksch mit seinen 80 Jahren vor. Am 5. September starten die monatlich geplanten „Digitalen Religionsgespräche“ - dabei sind beim ersten Mal Vertreter von neun Religionsgemeinschaften. „Jetzt geht es darum, mit allen relevanten Religionen ins Gespräch zu kommen“, sagt Micksch. „Sie müssen lernen, gegen die wichtigen Themen wie Rassismus, Antisemitismus oder Klimawandel zusammenzustehen.“ Das Deutsche Islamforum wird er zum 20-Jahr-Jubiläum im Juni nächsten Jahres noch einmal einladen.
Washington (epd). 2021 ist ein besonderes Erinnerungsjahr. Der Krieg in Afghanistan, mit dem die Attentäter vom 11. September 2001 bestraft werden sollten, ist nach beinahe 20 Jahren im Chaos zu Ende gegangen. Wie in den Jahren zuvor, vollziehen die USA am 11. September in New York das nationale Erinnerungsritual.
In New York City rasten an diesem Herbsttag binnen 18 Minuten zwei entführte Boeing-Passagiermaschinen in das World Trade Center. Menschen sprangen aus den Fenstern der mehr als 400 Meter hohen Zwillingstürme. Das World Trade Center stürzte ein.
Unweit der Hauptstadt Washington crashte ein Flugzeug in das Verteidigungsministerium. Eine vierte Maschine stürzte im Staat Pennsylvania unweit des Dorfes Shanksville ab. Beinahe 3.000 Menschen starben durch die Anschläge.
Beim Gedenken in Manhattan, am Pentagon und in Pennsylvania halten sich die Politiker zurück, aus Respekt vor den Familien. Es gibt dieses Jahr weniger Corona-Beschränkungen als 2020. Bei der im Freien stattfindenden Veranstaltung in Manhattan brauchen voll Geimpfte keine Maske zu tragen.
Vor zehn Jahren wurden auf dem ehemaligen Gelände des World Trade Center ein Memorial und ein Museum eröffnet. Dort findet jedes Jahr die Zeremonie zum Gedenken an die Opfer statt. Es dauert etwa drei Stunden, bis Hinterbliebene die Opfernamen verlesen haben - von Gordon Aamoth bis Igor Zukelman.
Die Zeremonie konzentriere sich auf Opfer und Hinterbliebene, betonte die Präsidentin der 9/11-Gedenkstätte, Alice Greenwald. Vierzig Prozent der Hinterbliebenenfamilien hätten keine sterblichen Überreste erhalten. Für diese Menschen sei das Memorial zugleich ein Friedhof.
Das nationale Mahnmal habe die vielen kleinen nachdenklichen und trauernden Denkmäler ersetzt, die Menschen in New York unmittelbar nach den Anschlägen aufgestellt hätten, sagt der Historiker John Bodnar. Der emeritierte Geschichtsprofessor von der Indiana University in Bloomington ist Autor von „Divided by Terror: American Patriotism after 9/11“.
Bei zahlreichen Veranstaltungen im ganzen Land ehren Feuerwehrleute und Polizisten am Jahrestag bei den Anschlägen getötete Kollegen. Feuerwehren organisieren das sogenannte „Feuerwehr-Treppensteigen“, bei dem Teilnehmer in Erinnerung an den Einsatz im World Trade Center in voller Montur die Treppen von Hochhäusern besteigen. Ein früherer Flugbegleiter schiebt zu Ehren seiner Kolleginnen und Kollegen einen Getränkewagen von Boston nach New York.
Die offizielle Erinnerung betone die heroischen Taten der Rettungskräfte am 11. September 2001. Diese Betonung verdränge die kritische Analyse der Hintergründe der Anschläge und der Reaktion der US-Regierung mit der Kriegserklärung, sagt Historiker Bodnar. Der damalige Präsident George W. Bush hatte unmittelbar nach den Anschlägen Afghanistan den Krieg erklärt.
Bush habe „eine Dosis patriotischer Gewissheit“ zu den damals vielfältigen Emotionen der Menschen hinzugefügt, so Bodnar. 2002 habe Bush dann verfügt, der 11. September solle fortan „Patriot Day“ (patriotischer Tag) heißen, zum Gedenken an die heldenhaften Opfer der Ersthelfer.
Die anfängliche Zustimmung zum Afghanistan-Krieg in der US-Bevölkerung hat stark nachgelassen. US-Präsident Joe Biden wollte die Streitkräfte vor dem 11. September nach Hause bringen. Doch der Preis für das Ende des Einsatzes ist hoch: Die Taliban haben in Afghanistan wieder die Macht übernommen. Bei einem Anschlag während der laufenden Evakuierungsmission am Flughafen Kabul kamen 13 US-Soldatinnen und Soldaten und zahlreiche Afghanen ums Leben.
Fest vereinigt sind die US-Amerikaner am 20. Jahrestag der Terroranschläge freilich nicht. Was sich Augenzeugen und Zeitgenossen ins Gedächtnis eingebrannt hat, ist für manche jungen Leute eher eine alte Geschichte. Eine ganze Generation habe keine Erinnerung an dieses wegweisende Ereignis, sagte Gedenkstättenleiterin Alice Greenwald in einem Fernsehinterview.
Seit 20 Jahren hat es keinen Terroranschlag dieses Ausmaßes auf US-Territorium gegeben. Doch die Terrorgefahr bleibe real, betonen Sicherheitsbehörden. Die US-Heimatschutzbehörde warnt vor einem erhöhten Risiko für Gewalttaten ausländischer Terrorgruppen rund um den Jahrestag.
Rom (epd). Als Mattia Baseggio aus dem Sommerurlaub in Griechenland nach Venedig in sein eigenes Gästehaus zurückkehrt, ist er überrascht über die vielen Touristen in der Lagunenstadt. „Normalerweise kommen im August weniger Besucher“, erzählt der Betreiber der kleinen Pension Ponte Chiodo. Viele reisten zum ersten Mal nach Venedig, denn sie kämen in der Überzeugung, nach der Corona-Epidemie auf leere Gassen, Brücken und Plätze zu stoßen. „Ich sehe mehr neugierige Besucher, die Venedig wirklich sehen wollen“, freut sich Baseggio, bevor er mit seinem Sohn in dem an der Rückseite des Gästehauses am Kanal vertäuten Boot zum Baden am Lido fährt.
Der Massentourismus schreckte nach Auffassung des Kunstliebhabers immer mehr Kunstinteressierte von Reisen nach Venedig ab. Doch seit die Quarantäne-Regeln für Besucher aus dem Ausland gelockert sind, nutzen viele Reisende, die gewöhnlich überlaufene Orte wie Venedig meiden, die zurückgewonnene Freiheit für einen Besuch in der Lagunenstadt.
Wer mit dem Zug anreist, passiert in dem verwaltungstechnisch zu Venedig gehörenden Mestre eine einst verschlafene Kleinstadt, in der in den letzten Jahren zahlreiche Hoteltürme für Venedig-Reisende entstanden sind. Die Unesco drohte, Venedig nicht nur wegen der Kreuzfahrtschiffe, sondern auch wegen eines Hotelturms in Mestre aus der Weltkulturerbe-Liste zu streichen.
„Die Kreuzfahrtschiffe kommen leider nicht mehr nach Venedig“, beklagt der Stadtrat für Tourismus, Simone Venturini. Aufgrund der Entscheidung der Regierung in Rom, die Lagunenstadt für Kreuzfahrtschiffe zu sperren, hätten 5.000 Menschen ihre Arbeit verloren. Und der angeblich die Skyline verschandelnde Turm habe sämtliche Genehmigungen erhalten, bevor er gebaut wurde.
Nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie, die die Touristenströme zeitweise versiegen ließ, tobt in Venedig der Streit darüber, wie verhindert werden kann, dass die Stadt sich gänzlich in eine Mischung aus Museum und Disneyland verwandelt. Mitten im Corona-Lockdown hätten 250 Filmproduktionen Szenen in der Stadt gedreht, schwärmt der Stadtrat für Tourismus. In diesem Jahr sei Venedig gar eine Hauptstadt der Mode, denn mehrere Luxusmarken hätten dort ihre Kollektionen präsentiert.
Während Touristen auf dem Markusplatz und an der Rialto-Brücke Selfies machen, pflegt Michele Savorgnano auf der gegenüberliegenden Laguneninsel Giudecca seinen von hohen Mauern umgebenen experimentellen Garten. „Wir müssen dafür sorgen, dass in diesem Archipel alle gesellschaftlichen Klassen vertreten sind“, fordert der Gartenarchitekt. Gemeinsam mit Freunden und Nachbarn versucht er, ein gemischtes Umfeld zu schaffen, in dem nicht nur wohlhabende Venedig-Liebhaber leben.
Unweit der Touristenströme bildet die Insel mit dem ehemaligen Gefängnis in Savorgnanos Augen ein „gesellschaftliches Labor, das es auszudehnen gilt“. Fischer, die seit Generationen jeden Morgen auf Fang gehen, leben hier Wand an Wand mit Architekten, Musikwissenschaftlern und Betreibern eines Kulturzentrums.
Eine Gemeinschaft, die trotz steigender Preise in Venedig bleibt, müsse dafür sorgen, dass Handwerker wie Klempner und Maurer dort ihr Auskommen finden. „Dafür muss ich diese Leute aus der Nachbarschaft rufen und nicht andere vom Festland, die billiger sind“, sagt Savorgnano, der hinter Mauern verborgene Gärten in Venedig gestaltet.
Während die Stadtverwaltung auf die Ansiedlung von Entwicklungsabteilungen großer Konzerne hofft, um Venedig weniger abhängig vom Tourismus zu machen, entwirft Pietro Lunetta Design-Objekte, die er in der Lagune herstellen lässt. „Wir haben uns gefragt, wie wir aus architektonischen Elementen Gebrauchsgegenstände machen könnten, die mehrere Funktionen erfüllen und obendrein Spaß machen“, erklärt der 49-Jährige. Beim abendlichen Fußballspiel mit Freunden sei die Idee entstanden, mit 3D-Druckern Gefäße herzustellen, die an typische venezianische Formen erinnern und gleichzeitig für Arbeit für Handwerker in der Lagune sorgen. Aus Brunnenformen des 17. Jahrhunderts formte er Schalen aus Kunstharz und Biskuitporzellan.
Mit ihrer Luxus-Marke Homer wenden sie sich nicht Touristen, die im Souvenirladen in Fernost hergestellte Karnevalsmasken für wenige Euro oder Plastik-Gondeln erstehen. Lunetta und seine gleichgesinnten Freunde hoffen, dass die Corona-Pandemie einen Wandel vom Massen- zum Qualitätstourismus begünstigt. Pläne der Stadtverwaltung für je nach Saison gestaffelte Abgaben auch für Tagestouristen sollen nicht nur Geld in die Kassen spülen, sondern auch längere Aufenthalte in Venedig fördern.
Hannover (epd). Corona? Brigitte von Cube zieht ihre Augenbrauen hoch. „Wenn Sie mich fragen, wird da zu viel Gewese drum gemacht“, sagt die 96-Jährige. Ihre Tochter Ada Schröter lacht. „So ist meine Mutter“, sagt sie. „Sie hadert nicht mit Corona. Sie hat die neue Situation auch mit den nötigen Einschränkungen gut angenommen.“
Von Cubes Einstellung teilen viele Bewohnerinnen und Bewohner und Pflegekräfte im Brigittenstift in Barsinghausen (Region Hannover). „Ich würde zwar noch nicht sagen, dass Corona zum Alltag geworden ist“, sagt Heimleiter Dirk Hartfield. „Doch wir sind auf dem Weg zur Normalität.“
Zu dieser Normalität gehören etliche neue Regeln und Abläufe. Besucher dürfen Ihre Angehörigen in dem Heim des Evangelischen Hilfsvereins nur noch allein und nach vorheriger Anmeldung besuchen. Die Besuchszeiten sind auf vier Stunden am Nachmittag beschränkt. Personal und Besucher tragen Maske, es wird auf Abstand geachtet, der Veranstaltungssaal ist jetzt ein zweites Speisezimmer, damit alle weiter zusammen essen können, sich aber nicht zu nah kommen.
Die Bewohner werden einmal wöchentlich getestet, das nicht geimpfte Personal täglich und die geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwei- bis dreimal wöchentlich. „Wir sind Weltmeister im Testen“, sagt Hartfield. Er schätzt, dass im Brigittenstift bisher rund 30.000 Tests zum Einsatz gekommen sind, und auch über die Impfquote freut er sich. Bei den Bewohnern liege sie bei 96 Prozent, bei den 70 Mitarbeiterinnen bei etwa 85 Prozent. „Während die Bewohner pragmatisch die Ärmel hochgekrempelt haben, war beim Personal vor allem anfangs leider Zurückhaltung zu spüren“, sagt der Heimleiter.
81 vollstationäre Plätze sowie 24 Apartments für betreutes Wohnen bietet das 1952 gegründete Brigittenstift. Bisher gab es keinen einzigen Corona-Fall, kein Bewohner musste isoliert werden. „Das ist natürlich auch ein Quäntchen Glück “, sagt Hartfield, „aber wir haben auch vieles richtig gemacht.“
Einfach sei das nicht gewesen - vor allem nicht am Anfang der Pandemie. „Das Ministerium hat uns da ganz schön allein gelassen“, sagt Hartfield. Zum Teil seien am späten Freitagabend Erlasse gekommen, die am Montag umgesetzt sein sollten. „Man wusste kaum selbst, was zu tun ist - und schon fragten Angehörige, wie es denn nun weitergehe“, berichtet Pflegedienstleiterin Sarina Behling.
Dass die Heime eigene Corona- Vorsichtsmaßnahmen ausarbeiten sollten und die genauen Regelungen im Ermessen der Heime liege, habe zwar Freiheit für kreative Lösungen eröffnet. „Und davon brauchten wir eine Menge“, sagt Hartfield. Es habe aber auch zu kritischem Hinterfragen und Zweifeln bei Angehörigen geführt. „Da wäre ein handfester Erlass aus dem Ministerium, auf den ich hätte verweisen könne, besser gewesen.“
Der Anteil der Angehörigen, die die Corona-Regeln im Brigittenstift kritisieren, sei jedoch gering, betont Hartfield. „Die meisten lassen sich überzeugen, wenn man es ihnen erklärt“, ergänzt Behling. Insgesamt hätten die vergangenen anderthalb Jahre Bewohner und Pfleger gestärkt. „Wir haben viel zusammen geschafft, das schweißt zusammen“, ist Hartfield überzeugt.
Das empfindet auch Antje Bartels so. Die 61-Jährige arbeitet seit 2007 im Brigittenstift. Sie ist froh, „dass wir bisher so gut durch diese schwierige Zeit gekommen sind.“ Ihr Ehrgeiz und auch der ihrer Kollegen sei es nun, an einem Strang zu ziehen und „auf keinen Fall das Virus doch noch einzuschleppen.“ Die Vorstellung, dass man selbst der- oder diejenige sein könnte, der dafür verantwortlich ist, sei der „größte Horror“, sagt Bartels.
Sich unterzuordnen, Solidarität mit anderen üben - das ist auch Jürgen Reinecke ein Anliegen. Der 85-Jährige lebt seit sechs Jahren im Brigittenstift. Er engagiert sich im Heimbeirat, liest viel und liebt es, sich im Garten des Stifts um die Hochbeete und Rosen zu kümmern. Angst, sich mit Corona anzustecken, hat er nicht. „In meinem Alter verliert das an Schrecken“, sagt er. Eigentlich habe er sich deshalb auch nicht impfen lassen wollen. „Aber ich wollte auch nicht aus der Reihe tanzen. Es muss ja sein“, sagt er.
Berlin (epd). Leitungen von Schulen, Kindertagesstätten und Pflegeheimen sollen künftig von ihren Beschäftigten Auskunft darüber verlangen dürfen, ob diese gegen Covid-19 geimpft sind. Der Haushaltsausschuss des Parlaments billigte eine Vorlage von Union und SPD am 3. September in Berlin. Die Koalition hatte sich zuvor auf einen Kompromiss verständigt. Der Wirtschaft geht das Auskunftsrecht nicht weit genug. Die Opposition kritisierte, die Regelung sei übers Knie gebrochen und lasse viele Fragen offen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, bei Krankenhäusern gelte seit vielen Jahren, dass ein Arbeitgeber seine Beschäftigten im Patientenkontakt fragen dürfe, ob sie gegen Infektionskrankheiten geimpft seien. „Wir wollen in dieser Pandemie dieses Auskunftsrecht auch auf andere Bereiche ausdehnen“, sagte Spahn. In Pflegeheimen, Schulen oder Kitas seien den Beschäftigten Menschen anvertraut, die einen besonderen Schutz bräuchten. Eine weiter gefasste Auskunftspflicht, etwa um auch das Arbeiten im Großraumbüro zu ermöglichen, solle es jedoch nicht geben, erklärte Spahn. „Sinn würde es machen. Aber dafür sehe ich aktuell keine Mehrheit im Parlament“, sagte der Minister.
Die SPD-Fraktion und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lehnen ein weiter gefasstes Auskunftsrecht ab. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forderte die SPD auf, über weitere Schritte im Gespräch zu bleiben. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisierte die „Mini-Ausweitung des Fragerechts des Arbeitgebers“ und warf der SPD eine Blockadehaltung vor. Es sei unverständlich, dass Arbeitgeber den Impfstatus der Beschäftigten beim betrieblichen Infektionsschutz zwar berücksichtigen, aber nicht erfragen dürften, erklärte Dulger.
Die Vorlage der Koalition sieht das Auskunftsrecht vor für Kindertagesstätten, Schulen, teil- und vollstationäre Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie Obdachlosen- und Asylbewerberunterkünfte und auch Gefängnisse. Die Leitungen können Geimpfte und Ungeimpfte dann an unterschiedlichen Stellen einsetzen, um das Infektionsrisiko in den Einrichtungen zu minimieren. Außerdem können die Arbeitgeber etwa mehr Tests für ungeimpfte Beschäftigte vorsehen, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Hennrich (CDU). Patientenschützer Eugen Brysch begrüßte die Regelungen. Kranke, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wollten sicher sein, dass der Immunstatus der Pflegekräfte und Ärzte bekannt sei, erklärte er.
Die Änderungen sollen am 7. September im Parlament verabschiedet werden. FDP, Grüne und die Linksfraktion hatten vergeblich eine vorausgehende Expertenanhörung verlangt und kritisierten in einer gemeinsamen Erklärung, es gebe keine Möglichkeit, die Neuregelung in einem geordneten Verfahren zu prüfen. So sei beispielsweise nicht klar, ob die Impfabfrage-Daten ausschließlich zum Zweck des Infektionsschutzes verwendet werden dürfen, bemängelten die gesundheitspolitischen Sprecher und Sprecherinnen, Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Andrew Ullmann (FDP) und Achim Kessler (Linke).
Das Recht auf die Abfrage gilt der Vorlage von Union und SPD zufolge, solange eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt ist. Diese Feststellung trifft der Bundestag. Er hat die epidemische Lage zuletzt bis zum 24. November verlängert.
Außerdem werden die Indikatoren zur Beurteilung der Corona-Lage verändert. Maßgeblich ist künftig die Zahl der Krankenhauseinweisungen von Covid-19-Patienten pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen (Hospitalisierungsrate). Weitere Indikatoren, an denen die Bundesländer ihre Corona-Maßnahmen ausrichten, sind die Zahl der Neuinfektionen, die verfügbaren Intensivbetten und die Zahl der Impfungen.
Berlin (epd). Berlin will die Obdachlosigkeit in der Stadt bis 2030 überwinden. Einen Masterplan dafür legte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am 3. September vor. Erreicht werden solle dieses Ziel demnach durch eine Reihe von Maßnahmen und grundlegende Veränderungen im bestehenden Hilfesystem, erklärte die Sozialsenatorin. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) begrüßte das Vorhaben.
Bei der ersten Berliner Obdachlosenzählung im Januar 2020 waren knapp 2.000 Menschen erfasst worden, die auf der Straße leben. Viele kamen aus anderen EU-Staaten, 84 Prozent waren männlich und alleinlebend.
Breitenbach sagte, immer mehr Menschen in Berlin würden obdach- und wohnungslos. Dies sei nicht hinnehmbar. „Die Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie mit den ärmsten Menschen umgeht“, unterstrich die Linken-Politikerin.
Sie fügte hinzu, die Angebote der Wohnungslosenhilfe kämen nicht immer bei den Menschen an, die sie dringend brauchen. Deshalb sei gemeinsam mit verschiedenen Akteuren und Betroffenen nach Lösungen gesucht worden. Breitenbach betonte: „Wir haben mit 'Housing First', der gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung wohnungsloser Menschen und weiteren Maßnahmen die Grundlagen geliefert und wichtige Voraussetzungen geschaffen.“
Konkret will die Senatorin etwa das Prinzip „Housing First“ zur Regel machen. Das bedeutet, Betroffene ziehen nicht erst in Notquartiere, sondern gleich in eine Wohnung, erhalten aber weiter Beratung. Weiter brauche es einheitliche Regeln in den Bezirken und eine Quote für den Zugang zum Wohnungsmarkt. Entsprechende Regelungen müssten in der nächsten Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden. In Berlin wird am 26. September zeitgleich mit dem Bundestag ein neues Abgeordnetenhaus gewählt.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe begrüßte den Masterplan. „Für uns steht das Recht auf eine Wohnung im Mittelpunkt aller Bemühungen“, sagte Geschäftsführerin Werena Rosenke dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Verhinderung des Wohnungsverlustes ist die beste Hilfe, deswegen ist die Reform des Berliner Hilfesystems mit den Zielen Wohnungsverlust verhindern und Wohnungslosigkeit beenden, richtig.“
Die Bundesarbeitsgemeinschaft fordere schon lange eine Quotierung bei der Vermietung, sagte Rosenke. Nur wenn festgelegt sei, dass eine bestimmte Anzahl an Wohnungen für wohnungslose Menschen zur Verfügung steht, könne sichergestellt werden, dass Wohnungslose, die in besonderem Maße stigmatisiert seien, eine Chance auf die Wiedererlangung einer eigenen Wohnung haben.
Rosenke verwies zudem darauf, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft seit Jahren darauf hinweise, dass es in Deutschland keine Standards in der Notunterbringung gibt. Zuletzt sei durch die Corona-Pandemie mehr als deutlich geworden, welche fatalen Folgen die Unterbringung in großen Schlafsälen, die mangelhafte Hygiene oder gänzlich fehlende Unterbringungsmöglichkeiten für die Betroffenen haben.
Hannover (epd). Die Geschichte des vorbestraften, obdachlosen Mannes verstört. Bei einem Suizidversuch, bei dem der 24-Jährige von einem Zug überrollt wurde, verlor er seine Beine. Nachdem er aus dem Koma erwacht war und das Krankenhaus verlassen konnte, kam er in eine Pflegeeinrichtung. Er randalierte, beklaute seine Mitbewohner, beschimpfte das Personal und übergab sich nach Alkoholexzessen in seinem Zimmer.
Die meisten Menschen, die diese Schilderungen hören, suchen vermutlich das Weite. Nicht so Kim Fitz. Die 58-Jährige ist von Beruf rechtliche Betreuerin in der Region Hannover. Der Mann, dessen Unterstützung sie übernahm, ist einer von insgesamt 54 Menschen, die die Mutter dreier erwachsener Kinder zurzeit betreut. Daraus, dass die Betreuung des 24-Jährigen besonders herausfordernd ist, macht sie keinen Hehl. „Er hat eine einschneidende psychiatrische Gesundheitsstörung“, sagt Fitz, „die Betreuung wird voraussichtlich noch Jahre erforderlich sein.“
1992 trat das Gesetz zur „Rechtlichen Betreuung“ in Kraft. Volljährigen kann eine rechtliche Unterstützung zur Seite gestellt werden, wenn sie psychisch erkrankt, geistig oder körperlich behindert, süchtig oder dement sind und ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr regeln können. Unterstützt werden Betroffene je nach individueller Notwendigkeit in allen Belangen rund um Wohnung, Gesundheit und Vermögen sowie in Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten und bei der Aufenthaltsbestimmung.
„Die Zahl der Menschen, die Unterstützung benötigen, nimmt zu“, sagt Martin Härtel vom Team Betreuungsangelegenheiten der Region Hannover. Vor allem der ehrenamtliche Bereich macht Härtel Sorge. Die Anzahl der Helfer geht zurück. 2015 engagierten sich noch 326 Betreuer ehrenamtlich. „Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen wird es auch hier schwieriger, Freiwillige zu finden“, sagt Teamleiterin Frauke Brinkmann.
Dass immer mehr Menschen eine rechtliche Betreuung benötigen und die Zahl der Betreuer parallel dazu sinkt, ist ein bundesweiter Trend. Ein Grund sei die zunehmende Individualisierung, sagt Härtel: „Großfamilien, die die demente Großmutter auffangen, gibt es heute kaum noch.“ Dazu komme eine komplexer werdende Welt, die Menschen überfordern könne. „Früher hatten die Menschen ein Telefon, einen Energieversorger - das war's. Heute müssen sie sich mit Computer, Internet, Handyverträgen, Tarifen für Mobilfunk, Gas und Strom beschäftigen“, sagt Härtel.
Haft, Psychosen, Schulden, Kündigungen, Mahnungen, Zwangsräumungen: Fitz weiß, welche Hürden das Leben bereithält und wieviel Kenntnisse und Beharrlichkeit Menschen nicht zuletzt auch im Umgang mit Behörden benötigen. Im Falle des 24-jährigen Schwerbehinderten galt es, Kostenübernahmen zu klären, eine Meldebescheinigung zu besorgen, Personalausweis und Grundsicherung zu beantragen, den Anspruch auf Abzweigung von Kindergeld geltend zu machen, den Schwerbehinderungs- und Pflegegrad feststellen zu lassen: „Ein langer Weg - wie soll das ein Mensch in solch einer Situation schaffen?“, fragt Fitz.
Die ausgebildete Sozialpädagogin betont, dass ihre Unterstützung stets rein rechtlicher Natur ist. „Ich gehe mit den Leuten nicht Enten füttern.“ Und noch eines ist ihr wichtig: Ihre Unterstützung basiere auf Freiwilligkeit. „Gegen den Willen der Betreuten geht nichts. Dafür bräuchte ich einen gesetzlichen Beschluss.“ Als Beispiel führt Fitz Messi-Wohnungen an. „Wenn jemand bis zur Decke TV-Zeitungen stapelt, ist das seine Sache“, sagt sie. Anders sehe es bei Wohnungen mit verdorbenem Essen, Schimmel und Ungeziefer aus: „Da besteht Handlungsbedarf.“
Dass es um das Image von rechtlichen Betreuern nicht zum Besten bestellt ist, weiß Kim Fitz. Doch ihren Kopf zerbricht sie sich darüber nicht. „Wir sichern die Existenz von Menschen, die abgehängt sind und von denen viele nichts wissen wollen“, sagt sie. Zwar seien für ihren Job viel Nervenstärke und Geduld nötig, doch er habe einen unschlagbaren Vorteil: „Man kann richtig viel zum Guten bewirken.“
Kassel (epd). Ein Jahr vor Eröffnung der 15. Ausgabe der documenta in Kassel vom 18. Juni bis 25. September 2022 laufen weltweit die Leitungen im Internet heiß, eine Zoom-Konferenz jagt die andere. Die Entscheidung der documenta-Gremien Anfang Juli, die Weltkunstausstellung planmäßig vor Ort stattfinden zu lassen, freut die Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann. Auf künftige Infektionsschutz-Auflagen bereite man sich vor: „Wir denken entsprechende Maßnahmen wie großzügige Standorte mit Innen- und Außenbereichen, Leitsystem und Zeitfensterbuchung bei allen Vorbereitungen mit.“
Kuratiert wird die documenta 15 erstmals von einem Künstlerkollektiv. Die neun Künstler und Künstlerinnen von „Ruangrupa“ aus Jakarta haben ihr Konzept für die documenta unter den Titel „Lumbung“ gestellt. Der Begriff bezeichnet im Indonesischen eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, er steht für solidarisches und kollektives Arbeiten.
Übertragen auf die Kultur und die globalen Strukturen einer Weltausstellung dient der Begriff als Arbeitsmodell, eine Methode gemeinschaftlichen Agierens, das nicht nach vorgefertigten Konzepten entstehe, sondern prozesshaft sei, erklärte „Ruangrupa“-Mitglied Farid Rakun dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir sind auf der Suche nach Herangehensweisen, die dieses Konzept reflektieren, auch wenn sie sehr verschieden sind, von denen wir lernen können. Wir wollen Lumbung nicht einfach mit künstlerischen Projekten illustrieren, sondern bereichern.“
Noch nie in ihrer Geschichte stand die Weltkunstausstellung in Kassel vor so komplexen globalen Herausforderungen. Zentrale Fragen wie Nachhaltigkeit, Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und die gerechte Verteilung von Ressourcen sollen daher im Mittelpunkt stehen. 53 internationale Künstler habe man ausgewählt, die nach diesen Kriterien arbeiten. Die endgültige Liste wolle man im Oktober bekannt geben. Das Ziel sei es, eine interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform zu schaffen, auf der Ideen, Wissen, aber auch innovative Programme geteilt werden können und die über die 100 Tage der documenta hinaus ihre Wirkung entfaltet, sagte Rakun.
Mitglieder des neunköpfigen Kuratorenteams sind - trotz Corona - in Kassel präsent. Zwei Familien zogen bereits vor einem Jahr von Jakarta hierher. In Kassel, erklärt Indra Ameng von „Ruangrupa“, der vor Ort arbeitet, habe man insbesondere über das gemeinschaftliche „RuruHaus“ ein Labor für die documenta eingerichtet, von dem aus erste Fäden in die Stadt und zu ihren Bewohnern gesponnen werden.
Das Gebäude in der Innenstadt im Stil der 1950er-Jahre-Architektur, einst Domizil eines Sportgeschäfts, ist der erste Spielort der documenta 15. In der Vorbereitung der Kunstausstellung dient er als Basis, von der aus Verbindungen zu Initiativen vor Ort geknüpft werden. Eingeladen sind Künstlerinnen und Künstler, Studierende aber auch andere Gemeinschaften, den Ort mit Leben zu füllen.
Zugleich ist das „RuruHaus“ die Andockstation für internationale Künstler, die zur Teilnahme an der documenta 15 eingeladen sind. Zum kuratorischen Konzept gehört auch die Einbeziehung eines Netzwerks weiterer Künstlerkollektive. Zu den insgesamt 14 „Lumbung“-Mitgliedern kommt das „Wajukuu-Art Project“ aus Nairobi in Kenia. Seit 2004 arbeitet das Künstler-Kollektiv vor allem mit Kindern und Jugendlichen im Mukuru-Slum am Rande Nairobis nahe einer Mülldeponie.
Kunst als Lebenseinstellung zu vermitteln und die jungen Menschen zu stärken und die Herausforderungen des Alltags zu bewältigen ist das Anliegen des Projekts. Die Herangehensweise von „Wajukuu“ beschreibt Shabu Mwangi: „Wir beziehen Musik und das Erzählen von Geschichten in eine ortsspezifische Installation ein.“ Für die Gruppe ist die Mitwirkung an der „documenta“ eine Chance, ihre künstlerische Arbeit international stärker sichtbar zu machen.
Dass sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie im künstlerischen Programm der documenta 15 niederschlagen werden, steht für das Kuratorenteam „Ruangrupa“ außer Frage. Kunst und Leben gehörten ohnehin zusammen, betont Farid Rakun. Bereits vor Corona habe man über eine große Onlinepräsenz nachgedacht, die die physischen Formate über Kassel hinaus ergänzen werden.
Über die Hauptstandorte der documenta 15 will Generaldirektorin Schormann noch nichts verraten. Der Fokus soll jedoch auf dem industriell geprägten Osten Kassels liegen: Man wolle einen großen Ausstellungskomplex konzipieren an Orten, „die bisher noch nicht von der documenta genutzt wurden.“
Gelsenkirchen, Rastatt (epd). Seinen Namen verdankt er einem japanischen Monster und einem amerikanischen Anwalt: Aus der Flugechse Rodan der Godzilla-Schmiede und der Anwaltsserie „Perry Mason“ bastelten zwei findige deutsche Science Fiction-Autoren den Weltraumhelden „Perry Rhodan“. So erzählt es der promovierte Germanist Hartmut Kasper, der als Wim Vandemaan für die Serie schreibt. „Perry Rhodan“ ist die langlebigste Science-Fiction-Fortsetzungsgeschichte der Welt. Vor 60 Jahren - am 8. September 1961 - erschien das erste Heft.
Aktuell ist Rhodan nach mehr als 3.130 Heften wieder in den Tiefen des Alls mit seinen Gefährten unterwegs, um sich den Chaosmächten des Universums, den „Chaotarchen“, entgegenzustellen. In der Zeitrechnung Rhodans wird aktuell das Jahr 5658 geschrieben. Rhodan selbst dürfte mehr als 3.600 Erdenjahre auf dem Buckel haben. Ein von einer Superintelligenz verliehener Zellaktivator konserviert ihn jedoch seit Tausenden von Jahren als einen Mann in den Enddreißigern.
In den 80er Jahren soll die wöchentliche Druckauflage bei einem Höchststand von 750.000 gelegen haben, wie Chefredakteur Klaus Frick dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Allein die Hauptserie erschien parallel in fünf Auflagen. Aktuell liegt die Auflage der gedruckten Originalserie laut Chefredakteur Frick bei 60.000 Exemplaren pro Woche. Hinzu komme ein wachsender Markt an E-Books, Hörbüchern und zahlreiche Sonderveröffentlichungen. In der Reihe „Perry Rhodan Neo“ wird die Serie in modernisierter Form noch einmal neu erzählt.
Auf die Kinoleinwand schaffte es der Held in der deutsch-spanisch-italienischen Verfilmung „S.O.S. aus dem Weltall“ von 1967, die allerdings nur für ausgesprochene Trash-Fans zu ertragen ist. Auch im Comic erlebte der „Erbe des Universums“ seine Abenteuer.
Die in Deutschland ersonnenen wöchentlichen Weltraum-Abenteuer spiegelten im Jahr des Mauerbaus zunächst die Atmosphäre des „Kalten Kriegs“. Zugleich profitierte die Serie von einer Raumfahrt-Euphorie, die durch den ersten bemannten Flug in den Weltraum mit dem sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin und der berühmten Rede des US-Präsidenten John F. Kennedy, dass ein Amerikaner bald auf dem Mond landen sollte, befeuert wurde.
Mit dem ersten „Perry Rhodan“-Heft „Unternehmen Stardust“ konnten die Leser in Deutschland bereits 1961 die erste Mondlandung erleben - im Roman findet sie im Jahr 1971 statt - zwei Jahre nach der ersten tatsächlichen Mondlandung des Amerikaners Neil Armstrong. Perry Rhodan stößt als US-Astronaut mit seinen drei Kameraden auf dem Mond auf gestrandete Angehörige einer technisch überlegenen Rasse. Mit Hilfe ihrer überlegenen Technik gründet Rhodan auf der Erde den unabhängigen Staat die „Dritte Macht“ und kann mit der Zerstörung der Atomraketen der Großmächte den Dritten Weltkrieg verhindern.
Schließlich steht Rhodan als gewählter Administrator an der Spitze einer geeinten Menschheit. Mit einem multinationalen Mutanten-Korps, deren Mitglieder meistens durch atomare Strahlung über Spezialkräfte verfügen, wehrt Rhodan immer wieder Angriffe galaktischer Fieslinge auf die Menschheit ab. Zum beliebtesten Mitglied wurde der außerirdische „Mausbiber“ Gucky, der nicht nur Gedanken lesen und Gegenstände durch Geisteskraft bewegen kann, sondern auch immer wieder durch seine Streiche für Humor sorgt.
Für den Zukunftsforscher Robert Jungk war der selbsternannte „Erbe des Universums“ ein „Ersatzhitler des planetarischen Zeitalters“. Wie sei es möglich, dass „eine so krude Führerfigur zum Helden von Millionen Jugendlichen werden kann?“, fragte er entsetzt im Jahr 1969 in einer „Monitor“-Sendung.
Besonders in der Anfangszeit war die Serie mit seinen Raumschlachten oft recht militärisch. Einer der beiden Gründungsautoren, Karl-Herbert Scheer, sei von U-Booten und Technik fasziniert gewesen, räumt Rhodan-Autor Kasper ein, der auch als Exposé-Autor die Handlungsbögen entwickelt. Der zweite Gründungsautor Walter Ernsting, der sich Clark Darlton nannte, habe den Krieg gehasst. Das habe zu einem Zusammenspiel von den martialischen Gestalten von Scheer und den wesentlich friedfertigeren, auf Ausgleich bedachten Figuren von Walter Ernsting geführt.
In den ersten Heften habe die Angst vor einem Atomkrieg und der Wunsch, „diesen scheinbar unlösbaren Konflikt aufzulösen in einer vereinten Menschheit“ im Mittelpunkt gestanden, erklärt die Münsteraner Literaturwissenschaftlerin Katharina Scheerer, die sich in ihrem Promotionsvorhaben mit fantastischer Unterhaltungsliteratur beschäftigt. Große gesellschaftliche Themen wie Atomkrieg oder Klimawandel kämen zwar vor, würden allerdings enorm entschärft. Am Ende gebe es immer einen Hoffnungsfunken.
Inzwischen haben immer mehr Frauen wie Kommandantinnen, Chefwissenschaftlerinnen und aktuell eine Regierungschefin den Weg in das „Perryversum“ gefunden. „Wir haben auch mittlerweile selbstverständlich homosexuelle Helden“ sowie Transgenderwesen, die bei den Lesern auf große Zustimmung stoßen, erklärt Kasper, der an einem Gymnasium im Ruhrgebiet Literatur, Philosophie und Religion unterrichtet.
Perry Rhodan entsteht in Teamarbeit: Auf jährlichen Konferenzen wird die Handlung von den Autoren diskutiert. Die beiden Exposé-Autoren entwickeln dann die Handlung der Zyklen, die zwischen 50 bis 100 Hefte lang sein können, und geben dann den Autoren die Handlungsvorgaben für das jeweilige Heft aus. Neben rund zehn Stammautoren arbeiten auch mehrere Gast-Autoren an der Serie, der bekannteste von ihnen ist der Bestseller-Autor Andreas Eschbach („Das Jesus Video“).
Trotz des Verschwindens der Kiosk-Kultur und einem zunehmenden Wandel auf dem Zeitschriftenmarkt glaubt Chefredakteur Frick, dass es Perry Rhodan noch lange geben wird. Die Zukunft der Serie werde jedoch voraussichtlich stärker im Digitalen liegen. Gedruckte Ausgaben würden langfristig nur noch für Sammler produziert. Schon jetzt sollen alle jemals gedruckten mehr als eine Milliarde Perry Rhodan-Hefte aufeinander getürmt bis zum Mond reichen.
Frankfurt a.M. (epd). Die Halbschwester des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, Auma Obama, hält die Laudatio auf die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Tsitsi Dangarembga. Die kenianische Germanistin und Soziologin sei seit vielen Jahren mit der simbabwischen Autorin und Filmemacherin Dangarembga befreundet, teilte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am 30. August in Frankfurt am Main mit. Der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreis wird während der Frankfurter Buchmesse am 24. Oktober in der Paulskirche verliehen. Die Verleihung wird live im ZDF übertragen.
Die 1960 in Nairobi (Kenia) geborene Auma Obama studierte nach Angaben des Börsenvereins in Heidelberg Germanistik, Soziologie und Pädagogik und besuchte in Berlin die Deutsche Film- und Fernsehakademie. 1996 promovierte sie in Bayreuth über das Thema Arbeit in der deutschen und kenianischen Literatur und Kultur. Anschließend arbeitete Obama einige Jahre in Deutschland und in Großbritannien, bevor sie nach Kenia zurückkehrte und dort für die Hilfsorganisation Care International tätig wurde.
2010 rief Auma Obama die Stiftung „Sauti Kuu“ (deutsch „starke Stimmen“) ins Leben, die seit 2012 auch in Deutschland aktiv ist. Die Organisation setze sich in der ganzen Welt für benachteiligte Kinder und Jugendliche ein, um ihnen dabei zu helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe sei nicht nur eine der wichtigsten Künstlerinnen ihres Landes, sondern auch eine weithin hörbare Stimme Afrikas in der Gegenwartsliteratur, erklärte der Börsenverein. Die Schriftstellerin und Filmemacherin verbinde in ihrem künstlerischen Werk „ein einzigartiges Erzählen mit einem universellen Blick“. „Dabei zeigt sie soziale und moralische Konflikte auf, die weit über den regionalen Bezug hinausgehen und Resonanzräume für globale Gerechtigkeitsfragen eröffnen.“
Leipzig (epd). Mit einem Festakt in der Leipziger Thomaskirche hat die Evangelische Verlagsanstalt am 2. September ihr 75-jähriges Bestehen gefeiert. Der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Christoph Markschies, würdigte als einer der Festredner die Arbeit der EVA trotz aller Widrigkeiten in der DDR-Zeit. Die Veröffentlichung von religiöser und theologischer Literatur, Noten und Kunstbände, aber auch Kleinschriftentum und Gebrauchsliteratur habe „viel Beweglichkeit und Einfallsreichtum“ im Umgang mit einer staatlich gelenkten Mangelwirtschaft und im alltäglichen Umgang mit Behörden" gefordert.
Die Arbeit, die die EVA unter den Bedingungen der DDR geleistet habe, sei mehr als nur die bloße Vorgeschichte der Verlagsexistenz nach 1989, unterstrich der Theologie-Professor. Auch der Präsident des Kirchenamtes der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Hans Ulrich Anke, erinnerte an die wechselvolle Geschichte des Verlages, bei dem etwa unter dem SED-Regime jedes einzelne Buchprojekt eine existenzielle Herausforderung gewesen sei. Die Herausforderungen der Zukunft lägen indes in der digitalen Transformation, fügte er hinzu.
Der Bischof der Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, drückte als einer der Gesellschafter die Hoffnung auf eine lange Fortsetzung der erfolgreichen Verlagsgeschichte aus. Die EVA zählt nach eigenen Angaben zu den größten konfessionellen Verlagen im deutschsprachigen Raum. Mit bis zu 180 Neuerscheinungen pro Jahr versteht sich der Verlag als Vermittler und Brückenbauer zwischen Theologie und Gemeinden, aber auch zwischen Kirche und säkularer Öffentlichkeit.
Zu den Publikationen zählen theologisch-wissenschaftliche Werke, christliche Belletristik sowie Biografien und Kalender. Seit 2016 beinhaltet das EVA-Angebot auch das Verlagsprogramm des evangelischen Monatsmagazins „chrismon“ mit seinem Buch-, CD- und Kalenderprofil. Der Verlagssitz befindet sich in Leipzig.
Die Gründung der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH 1946 geht auf Verhandlungen zwischen der Sowjetischen Militäradministration und der Kirchenleitung in Ostdeutschland zurück. Ziel war es, einen Zentralverlag für evangelische Publizistik zu schaffen. Einschneidende Veränderungen erlebte der Verlag in den 1990er Jahren: Der einzige evangelische Kirchenverlag der DDR verlor nicht nur seine Monopolstellung, sondern sah sich auch einer publizistisch völlig neuen Situation mit anderen Marktbedingungen gegenüber, wie EVA-Geschäftsführer Sebastian Knöfel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärte. Sinkende Absatzzahlen, neue Konkurrenten auf dem westdeutschen Markt und die Auflösung des Berliner Hauptsitzes habe zu betriebswirtschaftlichen Einschnitten geführt.
Getragen wird die EVA vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) als Mehrheitsgesellschafter sowie der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM). Zum GEP gehört unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd). Im Rahmen einer Neustrukturierung schied die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens (EVLKS) 2020 als Gesellschafter bei der EVA aus.
Frankfurt a.M. (epd). Er galt als Symbol des ungebrochenen Freiheitswillens und wurde in Griechenland wie ein Volksheld verehrt. Immer wieder setzte sich der Komponist, Widerstandskämpfer und Politiker Mikis Theodorakis für Gerechtigkeit und Demokratie ein. Seine Biografie ist geprägt vom Widerstand gegen die faschistischen Besatzungstruppen im Zweiten Weltkrieg, dem anschließenden Bürgerkrieg seines Landes und der griechischen Militärdiktatur zwischen 1967 und 1974. Im Alter von 96 Jahren starb er am 2. September in Athen.
Theodorakis' Werk weist eine erstaunliche Bandbreite auf. Es umfasst Symphonien, Kammermusik und Kantaten, Oratorien und Opern, Bühnen- und Filmmusik sowie mehr als 1.000 Lieder und Hymnen. Oft spiegeln die Stücke politische Situationen, die den 1,90 Meter großen Mann beschäftigten.
Den Kampf für Freiheit gab er nie auf, obwohl er mehrfach in Gefangenschaft war und schwer gefoltert wurde - etwa im berüchtigten Lager auf der Insel Makronisos, wohin Ende der 40er Jahre linke politische Gefangene deportiert wurden. Während der Militärdiktatur wurde seine Musik verboten. Theodorakis ging in den Untergrund, wurde verhaftet und interniert. Mit Hilfe internationaler Fürsprecher konnte er 1970 nach Paris ins Exil ausreisen.
Leben und Werk gehören bei Theodorakis eng zusammen. „Das Komponieren war für mich ein Ausweg. So wie ein Gestrandeter im Glauben an seine Rettung eine Flaschenpost ins Meer wirft. Nicht mehr und nicht weniger“, sagte er einmal.
Geboren am 29. Juli 1925 auf der Insel Chios im ägäischen Meer, erhielt er seine musikalische Ausbildung in Athen und Paris, unter anderem bei Olivier Messiaen. Ihm wurde eine außergewöhnliche melodische Begabung nachgesagt.
Theodorakis brachte die großen griechischen Dichter zum Klingen. In „Canto General“ verwandelte er außerdem Verse des Chilenen Pablo Neruda in ein revolutionäres Oratorium. Der Grieche mischte Volksweisen und die osmanische Musiktradition mit besonderen Tanzrhythmen. Die Byzantinische Liturgie findet sich in seinen Oratorien wieder. In seine klassischen Werke baute er außerdem das Volksinstrument Bouzouki und seine kleine Form, die Baglamas, ein. Seine Volkslieder werden im Konzertsaal ebenso gesungen wie in den Tavernen.
Seine Musik habe eine Vitalität und einen Melodienfluss, der scheinbar nie ende, sagt der Pianist, Komponist und Theodorakis-Interpret Gerhard Folkerts aus Wedel bei Hamburg. In seiner Kunst sei ein Aufbegehren. „Mikis Theodorakis ist der Mozart unserer Zeit“, findet Folkerts, der jahrelang mit dem Komponisten befreundet war und ihn regelmäßig in Athen besuchte. Er schätze die Direktheit, mit der Theodorakis Dinge beschrieben habe. Zudem habe ihn eine „emotionale Wärme, ungeheure Freundlichkeit und besondere Aura“ ausgezeichnet.
Weltberühmt wurde „Mikis“ - wie ihn die Griechen nennen - 1964 mit seiner Sirtaki zum Film „Alexis Sorbas“. Bis heute gilt der beliebte Tanz als das „griechische Lied“ schlechthin. Er selbst war über den Ohrwurm nur begrenzt glücklich: Wie ein Stein habe „Sorbas“ an ihm gehangen, hat er einmal gesagt. Die Popularität führte dazu, dass er zu oft auf dieses eine Stück reduziert wurde.
Als bekennender Linker war Theodorakis auch in der DDR populär. Gleich mehrere seiner Werke wurden in Ostdeutschland uraufgeführt, etwa 1981 der „Canto General“ („Der große Gesang“) in Berlin - erst 1993 folgte die Erstaufführung in Chile, drei Jahre nach dem Ende der Pinochet-Diktatur. 1982 kam im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele die deutsche Fassung des Oratoriums „Axion Esti“ zur Uraufführung. Ein Jahr später - ebenfalls bei den Musikfestspielen - sang der Dresdner Kreuzchor die Liturgie Nr. 2 erstmals öffentlich. Das Werk trägt den Untertitel „Den Kindern, getötet in Kriegen“.
„Ich musste einsehen, dass meine Ideale nicht durchzusetzen sind“, resümierte Theodorakis einmal sein politisches Leben, „ich vertraue nur noch dem alten griechischen Prinzip der Demokratie. Es gibt nur den Kampf um Demokratie und Freiheit, nichts weiter“.
Als griechischer Minister ohne Geschäftsbereich engagierte sich Mikis Theodorakis zwischen 1990 und 1992 für Bildungs- und Kulturreformen und für die Versöhnung zwischen Griechen und Türken. Zuvor war er Abgeordneter des griechischen Parlaments. Im Jahr 2000 wurde er für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. 2005 erhielt er in Aachen den Unesco-Kunst- und Musikpreis.
Seine Persönlichkeit beschrieb er selbst so: „Meine Person ist zerstückelt wie eine Gliederpuppe, du kannst die Einzelteile überall verstreut finden. Ich hoffe sehr, das eines Tages irgendjemand diese Glieder zu einem Ganzen zusammensetzt.“
Der bekennende Agnostiker lebte zurückgezogen in seinem Haus in Athen, mit Blick auf die Akropolis. Aber auch im hohen Alter habe er sich noch eingemischt, sagt Folkerts. Im Bewusstsein der Menschen sei er ohnehin: Die Griechen vertrauten ihm und sagten über ihn: „Das ist einer von uns.“
Berlin (epd). Die von einem Bündnis von Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen getragene Aktion „Luftbrücke Kabul“ hat ihre Kritik am Vorgehen der Bundesregierung während des Evakuierungseinsatzes in Kabul erneuert. Es sei ein „Multiorganversagen“ mehrerer Ministerien und des Kanzleramts gewesen, sagte der „Sea-Watch“-Aktivist Ruben Neugebauer am 1. September in Berlin. Der politische Wille habe gefehlt, die Menschen aus Afghanistan herauszuholen, warf er den Verantwortlichen vor. Die „Luftbrücke“-Unterstützer kritisierten ein in ihren Augen zu bürokratisches Vorgehen bei der Identifizierung und Evakuierung Schutzbedürftiger aus Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban.
Neugebauer und Mattea Weihe, die ebenfalls Aktivistin der Seenotrettungsorganisation „Sea-Watch“ ist, forderten von der Bundesregierung, die Evakuierungslisten jetzt zu öffnen und dazu beizutragen, dass weitere Menschen aus Afghanistan nach Deutschland kommen können. Die „Luftbrücke Kabul“, die unter anderem auch von Flüchtlingsräten, mehreren Grünen-Verbänden und -Vertretern und Organisationen wie „Reporter ohne Grenzen“ unterstützt wird, hatte während der internationalen, militärisch geführten Evakuierungsoperation ein eigenes Charterflugzeug nach Kabul geschickt, um Menschen aus dem Land zu holen.
Das Flugzeug kam nur einmal zum Einsatz und brachte 18 Ortskräfte der Portugiesen außer Landes. Die Initiatoren hatten dem Auswärtigen Amt im Nachhinein mangelnde Unterstützung vorgeworfen. Dieses wies die Vorwürfe zurück. Außenminister Heiko Maas (SPD) selbst habe die Initiative von Anfang an aktiv unterstützt, sagte ein Außenamtssprecher am Montag. Er erklärte den nur in Teilen besetzten Evakuierungsflug mit den chaotischen Zuständen vor dem Flughafen in Kabul, wo Tausende Menschen versuchten, Zugang zu bekommen. Die Flugkapazitäten seien nicht das Problem gewesen, sagte er.
Neugebauer indes erklärte, es hätte gelingen können, die Menschen in den Flughafen zu bringen, wenn Listen rechtzeitig übermittelt worden wären. 189 weitere Menschen, die die „Luftbrücke“ eigentlich ausfliegen wollte, sind nach deren Angaben dann mit einer Militärmaschine der USA außer Landes gebracht worden.
Der Charterflug hat nach Angaben der „Luftbrücke“ rund 350.000 Euro gekostet. Das Bündnis sammelt weiter Spenden und setzt das Geld nach eigenen Angaben nun dafür ein, bedrohte Afghaninnen und Afghanen bei der Flucht in die Nachbarländer zu unterstützen. Eingegangen ist bislang laut Neugebauer ein Betrag im unteren Millionenbereich.
Osnabrück (epd). Der Osnabrücker Friedensforscher Ulrich Schneckener hat die Politik in Deutschland aufgefordert, die Gesellschaft auf eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan vorzubereiten. Dies gelte umso mehr, wenn es nach der Machtübernahme der Taliban zu lokalen Gewalteskalationen oder gar einem Bürgerkrieg kommen würde, sagte der Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein solches Szenario würde die Zahl der Flüchtlinge deutlich erhöhen, sowohl im Land selbst als auch in der Gesamtregion, wie Erfahrungen aus Syrien oder anderen Kriegen zeigten.
In diesem Fall wären auch die Nachbarstaaten rasch überfordert. „Unter solchen Umständen wären Resettlement-Programme sicher sinnvoller, als wenn die Menschen versuchen, über alle möglichen Wege unkontrolliert nach Europa zu kommen“, sagte der Politikwissenschaftler. Deutschland, wo bereits eine größere afghanische Minderheit lebt, dürfte zu den Hauptzielländern der Flüchtlinge gehören.
Aktuell sei allerdings vor allem wichtig, den Binnenflüchtlingen in Afghanistan und denen, die sich über die Grenzen nach Pakistan, Usbekistan oder Iran absetzen könnten, humanitär zu helfen und ihnen Perspektiven zu eröffnen, sagte Schneckener. Dazu müssten Deutschland und Europa in Verhandlungen mit allen Beteiligten einen Beitrag leisten: „Aus vielen Kontexten wissen wir, dass Kriegsflüchtlinge oftmals über Jahrzehnte in Lagern, abgeschottet vor der Aufnahmegesellschaft, leben, was nicht selten ein Nährboden für Radikalisierungen bietet.“ Das zeige auch die Geschichte der Taliban. Sie seien aus den Religionsschulen afghanischer Flüchtlinge in Pakistan hervorgegangen. „Der Westen sollte ein großes Interesse daran haben, solche Entwicklungen zu verhindern.“
Das neue Taliban-Regime dürfte es nach den Worten des Politikwissenschaftlers schwer haben, funktionierende staatliche Dienstleistungen etwa im Gesundheits- oder Bildungswesen zu erbringen. Die Gesellschaft habe sich in den vergangenen 20 Jahren durch sozialen und Bildungsaufstieg stark verändert und ausdifferenziert. „Die militärische Machteroberung ist leichter als der politische Machterhalt.“
Der Professor für Friedens- und Konfliktforschung rät der deutschen Politik zudem, das 20 Jahre währende zivil-militärische Engagement in Afghanistan aufzuarbeiten und zu evaluieren. Er warnte davor, den gesamten Einsatz ausschließlich nach seinem Ende zu beurteilen. „Der Abzug mündete in ein Desaster, das bedeutet aber nicht, dass alles falsch oder sinnlos war.“
Frankfurt a.M., Kabul (epd). Dutzende Frauen haben in Afghanistan für ihre Rechte demonstriert. Frauenrechtlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Angestellte der früheren Regierung forderten in der westlichen Stadt Herat, die Fortschritte der vergangenen Jahre aufrechtzuerhalten, wie der afghanische TV-Sender Tolo News am 2. September berichtete.
Mit Schildern und Plakaten machten die Frauen auf ihre Anliegen aufmerksam. Sie wollten auch in Zukunft eine Rolle in der Regierung spielen, denn eine Regierung ohne Frauen sei nicht zukunftsfähig, forderten sie unter anderem. Die Frauen riefen außerdem die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung auf.
Seit der Machtübernahme der Taliban vor knapp drei Wochen ist unklar, wie viele Rechte die Radikalislamisten den Frauen zugestehen. In frühen Stellungnahmen hieß es, Frauen sollten am öffentlichen Leben und auch an der Regierung teilnehmen, so lange dies in Einklang mit der Scharia, dem islamischen Gesetz, sei. Was genau dies bedeutet, ist jedoch unklar. Es wird befürchtet, dass Frauen und Mädchen wie während der ersten Taliban-Herrschaft in den 90er Jahren aus dem öffentlichen Leben verbannt werden.
Der TV-Sender Tolo News kündigte derweil an, die Morgensendung wieder von einer Frau moderieren zu lassen. Der Direktor der Mediengruppe Moby, zu der der Sender gehört, Saad Mohseni, erklärte, die Frühstückssendung „Bamdad e Khosh“ sei zurück mit einer weiblichen Gastgeberin.
Frankfurt a.M./Amsterdam (epd). Knapp 80 Konzerne haben sich zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilbranche in Bangladesch verpflichtet. Das internationale Abkommen für Gesundheit und Sicherheit in der Textilindustrie wurde von 77 Unternehmen unterzeichnet, wie die in Amsterdam ansässige Geschäftsstelle des Abkommens am1. September erklärte. Zu den Unterzeichnen zählen der deutsche Textilkonzern Kik, der Online-Versandhändler Zalando und die Supermarktkette Lidl.
Mit der Unterzeichnung des Vertrags verpflichten sich die Unternehmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in bangladeschischen Textilfabriken. Das Abkommen sieht unter anderem die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen vor. Zudem sollen sie in die Gesundheitsvorsorge der Näherinnen und Näher sowie die Gebäudesicherheit investieren. Ein Ausschuss überwacht, ob das Abkommen eingehalten wird.
Das neue Abkommen wurde nötig, weil der Vorgänger-Vertrag („Bangladesh Accord“) Ende Mai abgelaufen war. Der „Bangladesh Accord“ kam nach internationalen Protesten nach dem Einsturz des Plana-Raza-Fabrikhochhauses in Bangladesch im April 2013 zustande. Bei dem Unglück starben mehr als 1.100 Arbeiterinnen. Das neue Abkommen sieht vor, die Ausweitung des Regelwerks auf andere Länder zu prüfen.
Die Vertreterin der „Kampagne für Saubere Kleidung“, Gisela Burckhardt, begrüßte die Unterzeichnung. Damit könnten weiterhin verbindliche Regeln für die Textilbranche in Bangladesch durchgesetzt werden, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zugleich forderte sie weitere Unternehmen zur Unterzeichnung auf. „Jeder verantwortungsvolle Konzern muss das machen.“ Der alte Vertrag wurde von etwa 200 Unternehmen unterzeichnet.
Berlin/Aachen (epd). Um Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden, fordern Hilfswerke und Menschenrechtler umwelt- und sozialgerechtere Formen der Mobilität. Der Abbau von Rohstoffen für die Autoindustrie führe zu teils katastrophalen sozialen, umweltbezogenen und menschenrechtlichen Folgen, heißt es in einer Studie, welche die kirchlichen Hilfswerke Misereor und „Brot für die Welt“ gemeinsam mit der Organisation PowerShift am 3. September in Berlin und Aachen veröffentlichten. „Die Elektromobilität erhöht den Druck auf rohstoffreiche Regionen“, warnte Teresa Hoffmann von „Brot für die Welt“.
Der Verkehrssektor habe im Jahr 2019 ein Fünftel der CO2-Emissionen verursacht, kritisierten die Organisationen mit Blick auf die am 7. September beginnende Internationale Automobilausstellung (IAA) in München. Trotz verbesserter Technik seien die Emissionen in den vergangenen Jahrzehnten kaum zurückgegangen. „Trotz Klimakrise und Rohstoffkonflikten produziert die deutsche Autoindustrie immer mehr und immer schwerere Autos“, sagte die Hauptautorin der Studie, Merle Groneweg. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, brauche es ein zügiges Ende des Verbrennungsmotors. Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad Celsius, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Zugleich warnten die Autorinnen und Autoren vor Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden beim Abbau von Rohstoffen für Elektroautos. Die deutsche Automobilindustrie sei einer der Hauptabnehmer von metallischen Rohstoffimporten. In vielen Fällen gehe der Abbau mit gravierenden Folgen für Menschen und Umwelt einher. Um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakatastrophe noch zu verhindern, müsse vor allem die Anzahl und Größe der Autos auf Deutschlands Straßen deutlich reduziert werden, forderten die Organisationen.
Die Autorinnen und Autoren untersuchen die tiefgreifenden Umweltschäden in Folge des Rohstoffabbaus weltweit. In Indonesien beispielsweise würden Luft und Meer beim Abbau von Nickel verschmutzt sowie Arbeitsrechte verletzt. Das Metall sei für die Autoindustrie mehrfach relevant und zentrales Element für zukünftige Batterietechnologien. Auch auf den Philippinen werde Wasser durch den Nickelabbau verschmutzt, was zu Ertragseinbußen in der Reisernte und Fischerei führe.
Für die Herstellung von Elektroautos werde auch in der Tiefsee nach Nickel, Kobalt und anderen Rohstoffen gesucht. Die Folgen des Tiefseebergbaus seien jedoch auf Grund des geringen Wissens über die Ökosysteme der Tiefsee schwer abzuschätzen. Die Autorinnen und Autoren fordern einen Stopp oder die vorübergehende Aussetzung des Bergbaus unter Wasser.
Auch Amnesty International forderte die Autoindustrie dazu auf, ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Produktionskette von Autobatterien nachzukommen. Mehrfach seien Menschenrechtsverletzungen bei der Rohstoffgewinnung für wiederaufladbare Batterien dokumentiert worden. Dazu zähle etwa Kinderarbeit bei der Förderung von Kobalterz in der Demokratischen Republik Kongo.
17.9. Hofgeismar
Online Bundestagswahl 2021- Die Zukunft unserer Demokratie. Mit Politikwissenschaftler Prof. Dr. Frank Decker.
https://www.akademie-hofgeismar.de/programm/detailansicht.php?category=start&exnr=21576
17.-18.9. Bad Boll
Online Zentralamerika: Die Krisen der Rechtsstaatlichkeit Internationale Mechanismen zur Bekämpfung der Straflosigkeit und Korruption wurden von den zentralamerikanischen Regierungen erst einberufen und nach (strafrechtlichen) Erfolgen an ihrer Arbeit gehindert und entlassen. Zurück blieben jedoch institutionelle Strukturen und eine gestärkte Zivilgesellschaft, die bis heute wirken und sich dem Kampf gegen kriminelle Machenschaften entgegenstellen.
https://www.ev-akademie-boll.de/tagung/431021.html
20.9. Hamburg
Zum Wohle aller? Stadt und Staat in pandemischen Zeiten. Für die einen Stillstand, bestenfalls Kurzarbeit. Für die anderen Homeoffice. Für Familien das alltägliche Chaos. Wie in einem Brennglas hat Corona soziale Ungleichheiten bewusst gemacht und auch noch verschärft. Wie muss der Sozialstaat künftig - nicht nur pandemiefest - gestaltet werden? Zu Gast sind u. a. Prof. Dr. Jutta Allmendinger, Prof. Dr. Peter Haan, Dr. Melanie Leonhard, Prof. Dr. Stephan Lessenich (Online-Teilnahme möglich).
http://www.akademie-nordkirche.de/veranstaltungen/aktuelles/982
20.9. Frankfurt am Main
Online Verhärtete Fronten - Über die Tücken und Folgen der Identitäts- und Rassismusdebatten. An der Debatte um die sogenannten Identitätspolitik entfaltet sich aktuell ein tiefer Graben in der Gesellschaft. Wohin führt das? Räumen wir durch diese Debatte auf mit dem Rassismus in unserer Gesellschaft? Wird Deutschland sensibler für sein postkoloniales Erbe und empathischer beim Hinhören auf die Erfahrungen von Betroffenen?
https://www.evangelische-akademie.de/kalender/verhaertete-fronten-2021-06-07/