Berlin (epd). Wählerinnen und Wähler mit nicht-heterosexueller Orientierung haben einer aktuellen Studie zufolge eine eindeutige Präferenz für die Grünen und - weit abgeschlagen - für die Linkspartei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Wahlstudie der Universität Gießen, die am 31. August zusammen mit dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in Berlin vorgestellt wurde. Zu den wichtigsten politischen Herausforderungen gehöre demnach für die Wählerinnen und Wähler von SPD und FDP die sogenannte Homofeindlichkeit, für Wählerinnen und Wähler von Grünen, Linken und der SPD das Thema Diskriminierung.
An der Online-Befragung beteiligten sich den Angaben zufolge zwischen dem 15. Juli und 15. August dieses Jahres mehr als 9.000 Menschen. In die Ergebnisse der Studie flossen aber nur die Antworten von 5.149 „nicht ausschließlich heterosexuellen Wahlberechtigten“ ein, wie die Gießener Politikwissenschaftlerin Dorothée de Nève erläuterte. Der Unterschied zu gängigen Wahlbefragungen sei, dass in diesem Fall ausdrücklich nach der speziellen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität gefragt wurde. In Deutschland gibt es laut Studie schätzungsweise zwischen 1,8 und drei Millionen Wahlberechtigte aus der sogenannten LSBTIQ-Community.
Die deutsche Abkürzung LSBTIQ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Inter und Queers. Gelegentlich wird auch die englische Abkürzung LGBTIQ („Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgender, Intersex & Queers“) verwendet.
Keine Ost-West-Unterschiede
Nach 2017 handelte es sich den Angaben zufolge erst um die zweite speziell auf die LSBTIQ-Community gerichtete Wahlstudie. In der sogenannten Sonntagsfrage zeichnete sich demnach mit 52,6 Prozent eine klare Präferenz für die Grünen ab (2017: 29 Prozent). Die Linke kam auf 17,4 Prozent (2017: 22,6 Prozent), die SPD auf 9,1 Prozent (2017: 21,2 Prozent), die FDP auf 7,1 Prozent (2017: 9,5 Prozent), CDU/CSU auf 3,2 Prozent (2017: 6,9 Prozent) und die AfD auf 2,6 Prozent (2017: 2,7 Prozent).
Unter den Studienteilnehmern waren mehr als die Hälfte Männer (53,8 Prozent) und 29,9 Prozent Frauen. Die übrigen bezeichneten sich als non-binär, queer, transgender und anderes. Etwa zwei Drittel der Teilnehmenden (65 Prozent) waren eigenen Angaben zufolge schwul oder lesbisch.
Politikwissenschaftlerin de Nève verwies auf die sehr hohen Schwankungen der Umfragewerte gegenüber 2017. Die Regierungspolitik der vergangenen Legislaturperiode habe offenbar Spuren hinterlassen. Grund sei unter anderem das Festhalten an dem umstrittenen Transsexuellengesetz durch die Regierungsfraktionen im Mai dieses Jahres sowie das Scheitern weiterer Initiativen zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung.
Ost-West-Unterschiede spielen bei den meisten Parteien offenbar keine Rolle. Allerdings tendiere die Mehrheit der Community in Ostdeutschland zur Linkspartei, in Westdeutschland hingegen zu den Grünen.
Teilnehmer der Studie hatten auch Gelegenheit, ihre Parteipräferenz mit eigenen Worten zu begründen. Dabei hätten viele geschrieben, dass sie sich für das „geringere Übel“ entscheiden oder aber eine bestimmte Partei aus strategischen Gründen wählen würden.