ein chinesisches Sprichwort sagt: „Jede große Reise beginnt mit einem kleinen Schritt.“ Das gilt auch für die Sozialbranche, deren Träger sich vermehrt dem Thema Klimaneutralität widmen. Die meisten Pflegeheime, sozialen Dienste, Kitas oder Kliniken haben sich längst dem Klimaschutz verschrieben. Aber Experten wie Christopher Bangert von der Caritas vermissen noch oft die systematische Einbindung nachhaltigen Handelns in die tägliche Geschäftspraxis.
Der Ausgang ist komplett offen: Wie eine künftige Regelung zum selbstbestimmten Sterben aussehen wird, kann derzeit niemand vorhersagen. Der Bundestag diskutierte nun erstmals über eine mögliche gesetzliche Sterbehilfe-Regelung. Dabei betonten die einen das Recht auf Selbstbestimmung, die anderen befürchten eine Normalisierung von Suiziden.
Laut Statistischem Bundesamt sind deutschlandweit nur rund sieben Prozent aller Fachkräfte in Kitas Männer. Die Einrichtungen bleiben eine Frauendomäne, die mit Fachkräftemangel zu kämpfen hat. Wollen Männer Erzieher werden, begegnen ihnen nicht selten viele Vorurteile. Stefanie Unbehauen hat sich umgehört und mit einem Erzieher über seine Erfahrungen gesprochen.
Das Bundesverfassungsgericht hat Beschwerden gegen die Corona-Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zurückgewiesen. Die Vorschrift zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht verletze die Beschwerdeführer nicht in ihrem Persönlichkeitsrecht und im Recht zur freien Berufswahl, entschieden die Richter am 19. Mai in Karlsruhe. Soweit die Regelung doch in diese Grundrechte eingreife, sei das verfassungsrechtlich gerechtfertigt, befand das Gericht.
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Dirk Baas
Frankfurt a.M. (epd). Der kritische Punkt zwischen Wollen und Handeln ist das Anfangen, der erste Schritt. Das gilt natürlich auch beim Klimaschutz. Unzählige Sozialunternehmen haben sich längst auf den Weg gemacht. Haben begonnen, ihre Energiebilanzen aufzubessern, kümmern sich um die Wärmedämmung ihrer Gebäude oder setzen auf E-Autos - nicht erst seit der Preisexplosion an den Zapfsäulen und beim Strom. Doch der ökologische Umbau hat noch längst nicht immer ein systematisches Fundament.
Die Herzogsägmühler Werkstätten im bayerischen Peiting haben das Geld einer Spendenaktion in einen schwarz-weißen Leichttransporter mit dem wunderbar doppeldeutigen blauen Schriftzug „Herzogsägmühle bringt's“ investiert. Der knuffige Truck der französischen Marke Aixam ist ein Elektroauto, das immerhin bis 45 Kilometer pro Stunde schafft - und mit dem Moped-Führerschein gesteuert werden darf.
„Die Mitarbeitenden der Herzogsägmühler Werkstätten sind glücklich über dieses ökologische Fahrzeug, das den Alltag so geräuschlos und komplett emissionsfrei erleichtert“, berichtet der diakonische Träger. Die Werkstattbeschäftigten nutzen den Wagen für die Zustellung von Bürobedarf, Hygiene- und Reinigungsmitteln aus dem Herzogsägmühler Zentrallager in die verschiedenen Einrichtungen.
Von der E-Mobilität in der ambulanten Pflege über den Einkauf fair erzeugter Textilien bis zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in sozialen Einrichtungen: Die Potenziale für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft sind groß. Nach Angaben der Diakonie war das Gesundheitswesen 2019 deutschlandweit für 5,2 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich - das ist mehr, als Flugverkehr und Schifffahrt zusammen an Treibhausgasen produzieren. Ein Krankenhausbett hat in etwa die Energiebilanz von vier Einfamilienhäusern. Allein in Pflegeheimen könnten laut Bundesumweltministerium hierzulande mehr als 900.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.
Caritas und Diakonie gehen erste Schritte zur Klimaneutralität gemeinsam. Sie haben das Projekt „Klimaschutz in Caritas und Diakonie“ bei der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums angemeldet. Insgesamt 100 Pilotstandorte sollen bei der Umsetzung eines Klimamanagements unterstützt werden. Begleitet werden die Teilnehmer vom Öko-Institut und der gemeinnützigen Beratungsagentur KATE (Stuttgart). Mit deren Hilfe sollen innerhalb von drei Jahren die Implementierung eines systematischen Klimaschutzmanagements erprobt und konkrete Handlungsstrategien für die weitere Umsetzung im Verband entwickelt werden. „Wir haben noch keinerlei Rückmeldung zu unserem Antrag bekommen“, teilte die Diakonie auf Anfrage mit.
„Wir brauchen jetzt eine Klima-Investitionsoffensive für die Sozialwirtschaft“, sagt Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland. Zusätzlich zur Neuregelung in den Sozialgesetzbüchern sollten laut Lilie kurzfristig Förderprogramme aufgelegt oder ausgebaut werden. „Wir wollen unseren Teil zum Klimaschutz leisten, können aber als gemeinnützige Einrichtungen die erforderlichen Kosten für die klimaneutrale Gebäudesanierung nicht komplett selbst erwirtschaften.“ Aus demselben Grund müssten auch die Eigenanteile für die Förderprogramme niedrig ausfallen, so der Verbandschef.
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) will darauf nicht warten. Sie hat im März einen Ziel- und Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz verabschiedet. Der ist verbindlich für alle Einrichtungen und Dienste. Der Verband will Klimaneutralität vor dem Jahr 2040 erreichen. Die Vorgaben sehen unter anderem vor, bis 2025 vollständig auf Ökostrom umzustellen und den CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte ab nächstem Jahr zu begrenzen und nur noch bio-faire sowie regionale Produkte zu nutzen. „Für uns als AWO ist klar, dass wir mit unseren über 18.000 Einrichtungen und Diensten sowie fast einer Viertelmillion hauptamtlich Beschäftigten einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes leisten können und müssen“, betont Vorstand Brigitte Döcker.
Schon bis 2030 will der Caritasverband der Diözese Limburg klimaneutral werden. Diözesancaritasdirektor Jörg Klärner erläutert, dass dazu das Programm „Klimastarter 22“ gestartet wurde, das aus Mitteln des „Innovationsfonds Caritas im Bistum Limburg“ finanziert wird. Man habe 22 „Klimastarter“-Pakete im Wert von über 100.000 Euro geschnürt. Das Programm wendet sich an alle Einrichtungen, vom Altenheim über die Kitas bis zur Sozialstation.
KATE wird mit den teilnehmenden Einrichtungen zunächst eine Klimabilanz erstellen, um den tatsächlichen CO2-Ausstoß zu ermitteln. „Bei der Darstellung der Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen werden konkrete wirtschaftliche Aspekte wie zum Beispiel die Kosten für die CO2-Abgabe einbezogen“, erläutert Klärner. Anschließend werde gemeinsam mit der Einrichtung ein individuelles Klimaprogramm erarbeitet - und konkrete Maßnahmen abgeleitet.
„Wir wollen so schnell wie möglich einen möglichst großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, denn die Zeit läuft uns davon“, gibt der Malteser-Vorstand Douglas Graf von Saurma-Jeltsch die Richtung vor. Der Verband macht Tempo und will die von ihm selbst berechneten 35.000 Tonnen CO2 pro Jahre merklich senken. Bis 2026 sollen die 500 Standorte des Malteser Hilfsdienstes bereits 15 Prozent weniger CO2-Emmissionen verursachen als 2019. Und: Schon ab diesem Jahr will die katholische Organisation ihre gesamten Emissionen durch Klimaschutzprojekte ausgleichen.
Die Analyse habe ergeben, dass sich der CO2-Fußabdruck der Malteser vor allem aus den Wegen der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zur Arbeit (36 Prozent), den eigenen Autos zum Beispiel im Rettungsdienst und Menüservice (35 Prozent), dem Strom- und Gasverbrauch (15 Prozent), Dienstreisen (neun Prozent) und dem Papierverbrauch (fünf Prozent) zusammensetzt. Um ihre klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren, haben sich die Malteser deshalb zum Beispiel den Umstieg auf Ökostrom, die Anschaffung von Elektro-Fahrzeugen, weniger Dienstreisen und mehr Videokonferenzen verordnet.
Klar ist: Einmalaktionen reichen nicht aus, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Gebraucht wird ein systematischer Ansatz, der darauf basiert, in den Einrichtungen ein dauerhaftes Klimamanagement zu installieren.
Und genau da liegt derzeit noch das Problem. „Das Thema Klimaschutz hat in der Caritas Fuß gefasst, es fehlt aber oftmals noch an der systematischen Planung und Umsetzung“, urteilt Christopher Bangert, Leiter des Referats Sozialwirtschaft, strategische Personalpolitik und und Fördermittelmanagement des Deutschen Caritasverbandes. Die Uhr ticke, so Bangert, denn im Oktober 2020 habe die Delegiertenversammlung als höchstes beschlussfassendes Gremium des Verbandes beschlossen, dass die Caritas bis 2030 klimaneutral wird. Er nennt das ein „sportliches Ziel“, das aber erreichbar sei. Denn die Klimakrise sei bereits akut spürbar und „für uns Ansporn, mit großer Kraft daran zu arbeiten“. Aber: Die örtlichen Träger müssten „das Stückwerk hinter sich lassen und Klimaschutz umfassend angehen“.
Bangert rät Trägern, zu Beginn von Transformationsprozessen erst einmal Kompetenzen im Klimaschutz aufzubauen und zugleich die strategischen Weichenstellungen vorzunehmen. „Wichtig ist, dass beim Schnüren eines Maßnahmenpaketes so schnell wie möglich die großen Hebel für die Einsparung von CO2 angepackt werden.“ Das seien in der Regel die energieeffiziente Modernisierung von Immobilien und die Umstellung auf regenerative Energien.
Frankfurt a.M. (epd). Christopher Bangert, Leiter des Referats Sozialwirtschaft, strategische Personalpolitik und und Fördermittelmanagement des Deutschen Caritasverbandes, sagt, die Klimaziele des Verbandes seien wie geplant bis 2030 erreichbar. Aber: „Das Ziel ist sportlich.“ Das gelinge nur, wenn in den Unternehmen dafür strategische Weichenstellungen gemacht würden. Und: „Wichtig ist, dass beim Schnüren eines Maßnahmenpaketes so schnell wie möglich die großen Hebel für die Einsparung von CO2 angepackt werden.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Ist die Beobachtung richtig, dass sich bereits die meisten Caritasträger irgendwie mit dem Thema CO2-Einsparung und Klimaschutz befassen?
Christopher Bangert: Ja, das Bewusstsein für Klimaschutz ist auf der obersten Leitungsebene von Caritas-Trägern, also beim Vorstand und der Geschäftsführung, angekommen. Im Oktober 2020 hat die Delegierentenversammlung, das höchste beschlussfassende Gremium des Verbandes, beschlossen, dass die Caritas in Deutschland bis 2030 klimaneutral wird - ein ambitioniertes, aber der Dringlichkeit der Klimakrise angemessenes Ziel. Hier haben die Verantwortlichen im Verband ihren Willen erklärt.
epd: Wie ist die derzeitige Bereitschaft, das auch anzugehen?
Bangert: Die von März bis April 2021 vorgenommene Trägerstrukturbefragung des Deutschen Caritasverbandes hat ergeben, dass bei fast der Hälfte der Träger (46 Prozent) Klimaschutz bereits in den strategischen Zielen verankert ist. Von den circa 1.600 Caritas-Rechtsträgern mit mindestens 50 Mitarbeitenden hatten sich 362 an der Umfrage beteiligt. Das Thema Klimaschutz hat in der Caritas Fuß gefasst hat, es fehlt aber oftmals noch an der systematischen Planung und Umsetzung fehlt. Im vergangenen Jahr hat sich nochmals einiges geändert, viele Träger und Verbände beginnen systematisch und strategisch angelegte Prozesse, so etwa der Malteser Hilfsdienst, der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln oder der Caritasverband Paderborn.
epd: Wo besteht vor Ort der meiste Handlungsbedarf?
Bangert: Bei den Handlungsfeldern für Klimaschutz dominierten die energieeffiziente Gebäudesanierung und die Beschaffung von Energie. Knapp ein Fünftel der Träger gaben an, klimaschutzrelevante Daten zu erfassen. Beauftragte für Klimaschutz hatten allerdings lediglich neun Prozent der Befragten.
epd: Viele Einrichtungen haben mehr oder weniger isolierte Projekte angestoßen, wie etwa den Kauf von E-Autos. Aber muss das nicht alles Stückwerk bleiben, wenn der große Plan, die Systematik eines alle Bereiche umfassenden Handelns fehlt?
Bangert: Vor dem Hintergrund unserer ehrgeizigen verbandlichen Zielsetzung, bis 2030 klimaneutral zu werden, gilt es, das Stückwerk hinter sich zu lassen und Klimaschutz umfassend anzugehen. Diese Weichenstellung ist erfolgt.
epd: Und nun?
Bangert: Jeder Rechtsträger muss im Rahmen einer Bestandsaufnahme die wesentlichen Hebel erfassen und ein Maßnahmenkonzept zur Erreichung der Klimaschutzziele aufsetzen. Die verbandlichen Gliederungen und hier vor allem der Deutsche Caritasverband mit seiner Verbandszentrale, die Diözesan-Caritasverbände und die Fachverbände der Caritas haben dabei eine koordinierende und unterstützende Aufgabe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir ein föderaler Verband mit circa 6.200 selbstständigen Rechtsträgern haben, die in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen auch mit unterschiedlichen Anforderungen an Klimaschutz zu tun haben. Genau hier setzen wir mit unserer im Jahr 2021 gestarteten Klimaschutzinitiative im Verband an.
epd: Was bedeutet das konkret?
Bangert: Wichtige Schritte sind die Aktivierung im Verband, der Aufbau von Kompetenz, die Schaffung von Netzwerken innerhalb des Verbandes, die Beantragung eines Pilotprojektes bei der Nationalen Klimaschutzinitiative zur Entwicklung einer systematischen Herangehensweise, die Vernetzung mit weiteren Akteuren aus der Sozialwirtschaft und der Austausch mit der Politik zur Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen. Eine Arbeitshilfe für die Einführung von Klimaschutzmanagement wurde erstellt und im Verband verbreitet. Das Caritas-Netzwerk wurde aktiviert und involviert und Netzwerkveranstaltungen für die Klimaschutzhandlungsfelder Gebäude, Mobilität, Beschaffung und Solaranlagen fanden bereits statt.
epd: Würden Sie sagen, um wirklich erfolgreich zu sein bei der Klimatransformation braucht es zunächst Expertise, dann einen systematischen Umbau und natürlich auch finanzielle Hilfsprogramme?
Bangert: Alle drei von Ihnen genannten Punkte sind erforderlich. Die klimaneutrale Umgestaltung unseres Wirtschaftens erfordert erhebliche Anstrengungen und finanzielle Mittel auf Ebene der einzelnen Unternehmen und Organisationen sowie auch gesamtgesellschaftlich. Damit diese möglichst wirksam eingesetzt werden können, sind der Aufbau von Kompetenzen im Klimaschutz und die strategischen Weichenstellungen zu Beginn zentral. Wichtig ist aber, dass beim Schnüren eines Maßnahmenpaketes auf Unternehmensebene so schnell wie möglich die großen Hebel für die Einsparung von CO2 angepackt werden. Das sind in der Regel die energieeffiziente Modernisierung von Immobilien, die Umstellung auf regenerative Energien aber je nach Ausgangssituation auch E-Mobilität und die Umstellung der Beschaffung.
epd: Wo steht die Caritas aus Ihrer Sicht? Ist sie weiter als Diakonie, AWO und Co.?
Bangert: Wir fassen die Transformation nicht als Wettbewerb unter den Wohlfahrtsverbänden auf, sondern als Herausforderung, die wir alle möglichst zeitnah, umfassend und in weiten Teilen auch gemeinsam zu gestalten haben. Gegenseitige Unterstützung steht auf der Tagesordnung - und nicht Konkurrenzdenken. Wir sind auf einem guten Weg, aber systematisch betrachtet noch am Anfang. Seit dem Grundsatzbeschluss im Jahr 2020 haben die Aktivitäten in der Caritas deutlich an Fahrt aufgenommen und das Thema Klimaschutz ist im Caritas-Netzwerk angekommen. Wir arbeiten an einem verbandlichen Projekt, um noch mehr Systematik und Breite bei der verbandlichen Umsetzung zu erreichen. Hier sind wir zuversichtlich.
epd: Lassen sich ihre erklärten Ziele wirklich bis zum Jahr 2030 erreichen?
Bangert: Das Ziel ist sportlich, die Herausforderung angesichts der weiter fortschreitenden Klimakrise ist enorm. Das gilt im Übrigen für alle Bereiche der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Sie ist für uns Ansporn, mit großer Kraft daran zu arbeiten.
Berlin (epd). Der Bundestag hat am 18. Mai kontrovers über eine mögliche Neuregelung der Sterbehilfe diskutiert. Während Abgeordnete auf der einen Seite für ein strafbewehrtes Schutzkonzept zur Regulierung der Hilfe bei der Selbsttötung plädierten, betonten die anderen das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Nach gut anderthalbstündiger Debatte ist noch völlig offen, welche Regelung der Gesetzgeber am Ende beschließen könnte. Die Debatte sollte zunächst der Orientierung vor allem der vielen neuen Abgeordneten dienen.
Das Thema berührt ganz besonders die Kirchen und ihre Wohlfahrtverbände. Nach langem Ringen hatten vor der Bundestagsdeabtte die Evangelische Kirche in Deutschland und die Diakonie eine gemeinsame Linie für eine neue Sterbehilfe-Regelung gefunden. In einer am 18. Mai veröffentlichten Mitteilung forderten sie ein Suizidpräventionsgesetz. Prävention müsse allem anderen vorgehen, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. Gleichzeitig veröffentlichte die Diakonie ein Papier zu der Frage, ob Hilfe beim Suizid auch in kirchlichen Einrichtungen denkbar ist. Das solle nur in Ausnahmen der Fall sein, heißt es darin. Damit weicht die evangelische Kirche aber dennoch von einer früheren strengeren Position ab.
Das Papier hält es aber für denkbar, wenn Mitarbeiterinnen und Betreuer diesen Weg eines Sterbewilligen begleiten, wenn der Suizid nicht abzuwenden ist. Damit schließt sie die Form der Sterbehilfe anders als die katholische Caritas nicht komplett aus.
Die Caritas forderte vor der Debatte verbesserte Suizidprävention - gerade auch für ältere Menschen. „Ebenso unverzichtbar sind weitere Anstrengungen für einen bedarfsgerechten Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung und die Gewährleistung guter Betreuung durch ausreichend qualifiziertes Personal in der stationären und ambulanten Altenhilfe“, betonte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
Für die Einrichtungen und die Beschäftigten in den eigenen Diensten sei es wichtig zu bekräftigen: „Niemand ist verpflichtet, an einem Suizid mitzuwirken.“ Dieser vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Grundsatz gelte für natürliche Personen, aber auch für Träger von Einrichtungen und Diensten. „Das Gesetz muss dies klarstellen. Die Pandemie-Erfahrung hat gelehrt: Wir brauchen eine soziale Infrastruktur mit Räumen für das Leben, in denen sich Menschen bis zuletzt in sorgenden Händen gut aufgehoben fühlen“, sagte die Präsidentin.
Die Debatte im Plenum hat eine längere Vorgeschichte: 2015 beschloss der Bundestag ein Verbot der auf Wiederholung angelegten sogenannten geschäftsmäßigen Förderung der Hilfe bei der Selbsttötung. Er wollte damit Sterbehilfevereinen beikommen, die diese in Deutschland grundsätzlich erlaubte Form der Sterbehilfe anbieten. Sie überlassen Sterbewilligen ein tödlich wirkendes Medikament, verabreichen es aber nicht. Das wäre verbotene Tötung auf Verlangen.
2020 kippte das Bundesverfassungsgericht das Verbot organisierter Suizidassistenz. Die Richter urteilten, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, für einen Suizid Hilfe in Anspruch zu nehmen - unabhängig von Krankheit oder Alter.
Das Urteil sei in gewisser Weise eine Zumutung, sagte der SPD-Abgeordnete Helge Lindh im Bundestag. Er sei aber der Auffassung, dass daraus keine Zumutung für die Betroffenen und Helfer gemacht werden dürfe, sondern die Zumutung ertragen werden müsse, sagte er. Lindh ist Mitunterzeichner eines Entwurfs, der Suizidhilfe durch Medikamente nach einer Beratung des Betroffenen grundsätzlich erlauben will. Es gebiete die Menschlichkeit, Betroffene mit ihrem Recht auf selbstbestimmtes Sterben nicht mehr alleine zu lassen und sie nicht weiter auf risikoreichere Methoden, gar auf Brutalsuizide zu verweisen, sagte die Initiatorin dieses Entwurfs, Katrin Helling-Plahr (FDP).
Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling stellte in seiner Rede dagegen den Schutz des Lebens in den Mittelpunkt. Ein Suizid könne nicht revidiert werden. Es sei wichtig, dass sich der Staat schützend vor das Leben des Einzelnen stellt. Heveling plädiert gemeinsam mit anderen Abgeordneten dafür, organisierte Suizidbeihilfe erneut grundsätzlich zu verbieten, dabei aber Ausnahmen nach ärztlicher Begutachtung zuzulassen.
Verbunden ist der von Heveling mitgezeichnete Antrag mit einem Antrag zur Suizidprävention. Er wolle nicht „mehr Möglichkeiten zum Sterben, sondern Hilfe und Unterstützung zum Leben“, sagte der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci, der neben weiteren Abgeordneten von Grünen, FDP und Linken zu dieser Abgeordnetengruppe gehört.
Ein dritter Vorschlag stammt von Abgeordneten um die Grünen-Politikerin Renate Künast, die bei den Hürden im Zugang zu todbringenden Mitteln zwischen Menschen in einer medizinischen Notlage und solchen, die das nicht sind, unterscheiden will. Klar sei, dass es eine Regelung geben müsse, sagte Künast. Es gehe um Schutzmechanismen, Beratung und Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Es müsse Transparenz darüber geben, wie Suizidassistenz ablaufe. Sie stellte infrage, dass dies derzeit bei Sterbehilfeorganisationen der Fall ist.
Nach der ersten Orientierungsdebatte können im Parlament noch weitere Anträge dazukommen. Nach bisheriger Planung soll es noch im Sommer eine erste Lesung der Gesetzentwürfe geben, im Herbst die Abstimmung. Dabei ist wie bei Gewissensfragen üblich der Fraktionszwang aufgehoben. Welcher Vorschlag am Ende die größte Unterstützung erhält, ist auch deswegen noch schwer absehbar.
Berlin (epd). Der Bundestag hat am 18. Mai eine Orientierungsdebatte über eine mögliche Neuregelung der Suizidassistenz geführt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Hilfe Dritter bei der Selbsttötung grundsätzlich zulässig. Es kassierte 2020 das Verbot sogenannter geschäftsmäßiger, also organisierter Suizidassistenz. Gerungen wird nun um ein Gesetz, das die Selbstbestimmung nicht beschneidet, zugleich aber Missbrauch ausschließt.
Entwürfe sollen aus der Mitte des Parlaments kommen. Bislang liegen drei Vorschläge vor. Alle drei sehen eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vor, um erstmals eine Abgabe todbringender Medikamente zum Zweck eines Suizids zu erlauben. Für die Abgabe formulieren sie aber unterschiedliche Bedingungen.
Eine Gruppe von Abgeordneten um Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Benjamin Strasser (FDP und Kathrin Vogler (Linke) schlägt erneut ein Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe bei der Selbsttötung vor. Unter bestimmten Bedingungen soll sie aber straffrei bleiben. Die Regelung wäre damit der zum Schwangerschaftsabbruch ähnlich. Zu den Bedingungen zählen laut dem Entwurf der Gruppe unter anderem zwei Untersuchungen durch einen Psychiater oder eine Psychotherapeutin mit einem Abstand von mindestens drei Monaten.
Dabei soll festgestellt werden, ob die Entscheidung aus freiem Willen erfolgt. Die Gruppe fordert außerdem eine Ausweitung der Suizidprävention und der Versorgung mit Palliativmedizin. Der assistierte Suizid dürfe nicht als Alternative anderer Versorgungsdefizite dienen, heißt es in dem zusätzlichen Antrag. Der Gesetzentwurf dieser Gruppe ist der einzige bislang formell in den Bundestag eingebrachte Vorschlag.
Der Entwurf der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Helge Lindh (SPD), Petra Sitte (Linke) und Till Steffen (Grüne) legt den Akzent auf die Durchsetzung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben. „Jeder, der aus autonom gebildetem freiem Willen sein Leben beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen“, heißt es darin. Ein strafrechtlich verankertes Verbot bestimmter Formen der Suizidassistenz etwa durch umstrittene Sterbehilfeorganisationen lehnt die Gruppe ab.
Um den freien Willen der Entscheidung zu dokumentieren, würde ihre Regelung von den Sterbewilligen eine Beratung verlangen, die über Bedeutung, Tragweite, Folgen eines fehlgeschlagenen Suizidversuchs und Alternativen aufklären soll. Die Länder müssten nach ihrem Entwurf ein Angebot an entsprechenden wohnortnahen Beratungsstellen sicherstellen.
Auch der Entwurf der Grünen-Parlamentarierinnen Renate Künast und Katja Keul stellt das durch das Bundesverfassungsgericht festgestellte Recht auf selbstbestimmtes Sterben ins Zentrum. Künast und Keul schlagen vor, dass in einer medizinischen Notlage der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin eines Sterbewilligen entscheidet, ob ein tödlich wirkendes Mittel verschrieben wird, das der Betroffene selbst einnehmen müsste. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass nach medizinischer Einschätzung freier Wille ausschlaggebend für die Entscheidung und der Sterbewunsch absehbar nicht mehr veränderlich ist.
Zudem muss ein zweiter Arzt die Einschätzung schriftlich bestätigen. Sterbewillige, bei denen keine schwere Krankheit vorliegt, sollen eine Beratung durchlaufen und ihren Sterbewunsch gegenüber der zuständigen Landesstelle erklären. Sie würde nach Prüfung den Zugang zum entsprechenden Mittel gewähren. Wird es nicht binnen eines Jahres genommen, muss das Mittel zurückgegeben werden.
Berlin (epd). „Auch 2022 müssen wir noch von einem Tabu reden“, sagt Kerstin Claus. Mit ein wenig Ernüchterung in der Stimme stellte sich die neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung am 17. Mai in Berlin erstmals den Medien vor. Ihr Statement enthielt zugleich auch viel Tatendrang: Mehr Vernetzung, eine Dunkelfeldstudie und eine neue Sensibilisierungskampagne stehen auf ihrem Aufgabenzettel.
Claus will mehr Sichtbarkeit für Opfer und mehr Forschung, um Kinder und Jugendliche effektiv zu schützen. „Wir alle tragen gemeinsam Verantwortung - persönlich, gesellschaftlich und politisch“, sagt sie.
Seit April ist Claus die neue Unabhängige Beauftragte für Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie ist selbst Betroffene und Expertin für Aufklärung und Prävention sexualisierter Gewalt. Ernüchtert schaut sie deshalb auf Ergebnisse einer von ihrem Amt in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage, wonach zwar fast 90 Prozent der Menschen in Deutschland davon ausgehen, dass Missbrauch vor allem in der eigenen Familie stattfindet. Nur elf Prozent halten es aber für wahrscheinlich, dass es in ihrer eigenen Familie der Fall ist.
„Wir müssen dahinkommen, der Realität ins Auge zu blicken“, sagt Claus. Nur wer Missbrauch im persönlichen Umfeld für möglich halte, beginne über Schutzräume nachzudenken. Für den Herbst plant sie eine Kampagne, die für das Thema sensibilisieren soll. Geplant wurde die schon von Claus' Vorgänger Johannes-Wilhelm Rörig. Er holte sich auch eine Finanzzusage von der damaligen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Ob der neue Bundestag das Geld bewilligt, ist laut Claus aber noch offen. Benötigt werden fünf Millionen Euro pro Jahr.
Ein weiteres Anliegen von Claus ist es, den Schutz von Kindern und Jugendlichen durch Vernetzung aller staatlichen Ebenen zu verbessern. „Der Bund allein kann den Kinderschutz nicht voranbringen“, sagt sie. Gebraucht würden auch Länder, Kommunen und weitere Netzwerke, um Missbrauch zu verhindern.
Ernüchtert äußerte sich die Beauftragte auch darüber, dass es nach wie vor keine verlässlichen Zahlen zu Dimension und Entwicklung sexualisierter Gewalt gebe. Claus fordert regelmäßige Forschung zur Aufhellung des Dunkelfelds. Nur dann lasse sich beurteilen, ob und durch welche Maßnahmen sich etwas ändere. „Politik braucht Zahlen“, sagt sie und hofft auf die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP zugesagte Stärkung der Aufarbeitung.
Claus, die selbst Missbrauch in der evangelischen Kirche erlebt hat, will in ihrer Arbeit den Blick auf alle gesellschaftlichen Bereiche und Institutionen lenken. Sexualisierte Gewalt gebe es im Sport, in den Kirchen, auf Campingplätzen und in der Familie, sagt sie.
Mit den Kirchen ist sie nach eigenen Worten für Anfang Juni zu Gesprächen verabredet. Während es mit der katholischen Kirche bereits eine Vereinbarung über Standards der Aufarbeitung gibt, laufen die Verhandlungen mit der evangelischen Kirche noch. Die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte jüngst ein neues Modell zur Betroffenenbeteiligung vorgestellt, nachdem der ursprüngliche Beirat im Konflikt aufgelöst wurde.
Claus wollte die neue Form noch nicht beurteilen. Sie kenne wichtige Details noch nicht, sagte sie. Achten will sie darauf, dass Betroffene wirklich unabhängig und auf Augenhöhe arbeiten sowie für die Arbeit eine Aufwandsentschädigung erhalten. Dass Betroffene eingebunden werden, ist für die Beauftragte grundsätzlich „absolut relevant“. „Betroffene kennen Täterstrategien“, sagte sie. Missbrauch werde immer gezielt und strategisch angebahnt. Auch deshalb seien Betroffene für die Erarbeitung von Schutzkonzepten wichtig.
Berlin (epd). Für die Belastungen in der Corona-Pandemie erhalten Pflegekräfte einen Bonus. Der Bundestag beschloss am Abend des 19. Mai mit großer Mehrheit ein entsprechendes Gesetz. Der Bund stellt dafür eine Milliarde Euro zur Verfügung, je zur Hälfte für Prämien für Pflegerinnen und Pfleger in Krankenhäusern und in der Altenpflege. Ausgezahlt werden soll die Prämie ab Juli.
Dass Deutschland bisher die Pandemie habe bewältigen können, verdanke man zu großen Teilen dem unermüdlichen Einsatz der Pflegekräfte, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Neben dem Bonus bräuchten Pflegekräfte aber auch deutlich bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung, ergänzte er.
Dem Gesetz zufolge erhalten Altenpflegekräfte in Vollzeit eine Prämie in Höhe von 550 Euro, andere Beschäftigte 370 Euro, wenn sie mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit in der Pflege verbringen. Einen Bonus gibt es auch für Auszubildende und Helferinnen und Helfer im Bundesfreiwilligendienst.
Wie hoch die Prämie für Pflegekräfte im Krankenhaus ausfallen wird, ist noch offen. Die Häuser müssen zunächst die Zahl der Anspruchsberechtigten melden, auf deren Grundlage die Prämie berechnet wird. Infrage kommen Pflegekräfte in Krankenhäusern, in denen im vergangenen Jahr mehr als zehn Covid-19-Patienten behandelt wurden, die wiederum mehr als zwei Tage beatmet werden mussten.
Das betrifft nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums 837 Krankenhäuser in Deutschland. Für Intensivpflegekräfte soll der Bonus höher ausfallen als für Pflegekräfte auf den Normalstationen, weil sie während der Corona-Zeit unter besonders schwierigen Bedingungen und mit persönlichem Risiko arbeiten mussten.
Berlin (epd). Ein Mangel an Spezialpapier könnte ukrainischen Schutzsuchenden beim Behördengang Probleme bereiten. „Um Leistungen beim Jobcenter zu beantragen, benötigten die Geflüchteten sogenannte Fiktionsbescheinigungen, die auf speziellem Papier ausgestellt werden müssen“, sagte Markus Mempel vom Landkreistag dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 17. Mai in Berlin. Dieses könne die Bundesdruckerei aktuell aber nicht in ausreichender Menge liefern.
Nach Plänen der Bundesregierung sollen Ukraine-Flüchtlinge ab Juni von den Jobcentern Leistungen der staatlichen Grundsicherung erhalten, wenn ihnen ein Aufenthaltstitel erteilt oder eine sogenannte Fiktionsbescheinigung ausgestellt wurde. Jener Anspruch könne allerdings nur geltend gemacht werden, wenn die Bescheinigung „in der vorgesehenen Form ausgestellt worden ist“, teilte das Bundesarbeitsministerium dem epd mit. Die Bescheinigungen dienen als Nachweis für einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis. Aktuell erhalten Geflüchtete aus der Ukraine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
In den Zeitungen der Funke Mediengruppe forderte der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager (CDU), vom Bund, dass die Jobcenter vorübergehend andere Bescheinigungen der Ausländerämter anerkennen. Der Bund solle pragmatisch handeln, sagte er. „Die Bescheinigungen könnten einfach auch auf anderem Papier der Bundesdruckerei gedruckt werden, das schneller lieferbar ist“, erläuterte Mempel die Forderung.
Die Bundesdruckerei arbeite intensiv daran, die bestellten Fiktionsbescheinigungen so schnell wie möglich auszuliefern, teilte das Bundesinnenministerium wiederum mit. Auf Grund der Dringlichkeit vorliegender Bestellungen würden die Bescheinigungen auch „in Teillieferungen“ versendet. Anfang Mai sei zudem eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zusammengekommen, „um alle Fragen und Probleme in diesem Bereich im Sinne aller Akteure (Bund, Länder, Kommunen) zu klären und zu lösen“, hieß es.
Darüber hinaus gebe es Fälle, in denen Ausländerbehörden „andere Formate für eine Fiktionsbescheinigung“ verwendet hätten, fügte das Arbeitsministerium hinzu. In diesen Fällen müsse geprüft werden, wie mit den bereits ausgestellten Bescheinigungen umgegangen werde.
Berlin (epd). Der Grundrechte-Report 2022 kritisiert den Umgang Deutschlands mit Menschen aus Afghanistan. Der diesjährige Report mache deutlich, dass Grundrechte von Afghaninnen und Afghanen hierzulande nicht beachtet würden, sagte der Vorstand der Initiative für afghanische Geflüchtete, Yaar e.V., Kava Spartak, bei der Vorstellung des Reports am 18. Mai in Berlin. Das gelte gleichermaßen für ehemalige Ortskräfte der Bundeswehr wie für nach Deutschland geflüchtete Afghaninnen und Afghanen.
Laut Spartak wirft der Report ein Schlaglicht auf Grundrechtsfragen, die durch den chaotischen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan im August entstanden seien. Dazu gehörten etwa die Auswahl bei den Evakuierungen aus Kabul im August 2021 und die schleppende Aufnahme gefährdeter Menschen in Deutschland.
Kritisiert wird auch die falsche Lagebewertung der Bundesregierung bei der Stabilität des Landes noch unmittelbar vor dem Truppenabzug Mitte 2021 und die daran geknüpfte deutsche Abschiebepraxis der vergangenen Jahre. Berichte von Nichtregierungsorganisationen über den Zustand des Landes seien bei Asylverfahren ignoriert worden, gehört wurden nur die Lageberichte des Auswärtigen Amtes, kritisierte Spartak.
Der Umgang mit diesen Menschen sei zum Symbol der rechten Politik geworden, die Europa und Deutschland abschotten soll. „Wenn sogar die Rechtsprechung Menschen aus einem bestimmten Ort über Jahre diskriminiert, sollten wir uns fragen, inwieweit es sich um Rassismus handelt“, sagte er. Was dagegen politisch und gesellschaftlich möglich sei im Umgang mit Flüchtlingen, sei jetzt an den Geflüchteten aus der Ukraine zu sehen. Über 20.000 Menschen warteten derzeit in Afghanistan noch auf ihre Evakuierung. „Das muss beschleunigt werden“, forderte Spartak.
Weitere Schwerpunkte des diesjährigen Grundrechte-Reports sind unter anderem der Umgang mit der Klimakrise, die wachsende soziale Spaltung, Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt und rechte Netzwerke in Polizei und Justiz. Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt sei ein „eklatantes Problem“, sagte die Publizistin Ferda Ataman. Das Recht auf angemessenen Wohnraum werde besonders Menschen mit ausländischen Wurzeln systematisch verwehrt.
Auch beim Datenschutz hätten Nichtdeutsche oft das Nachsehen, sagte Ataman mit Verweis auf das im Report kritisierte Ausländerzentralregister. Dort seien 10,6 Millionen Menschen erfasst, mit über 26 Millionen sensiblen personenbezogenen Datensätzen. Das sei eine der größten Datensammlungen in Deutschland, auf die 14.000 Behörden mit über 100.000 Nutzern ohne Rückverfolgung zurückgreifen können. „Wir wissen, wie gefährlich und heikel das für Menschen angesichts rechtsextremer Netzwerke in der Polizei und einem NSU 2.0 sein kann“, warnte Ataman. Ein weiteres großes Problem, das der Report aufzeige, seien antidemokratische und völkische Einstellungen von Verantwortlichen in der Justiz.
Der seit 1997 jährlich von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegebene Grundrechte-Report gilt als „Alternativer Verfassungsschutzbericht“. Zu den Herausgebern gehören unter anderem die Humanistische Union, Pro Asyl und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein.
Berlin (epd). Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, und das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) haben einen besseren Schutz von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen gefordert. Es gebe weiterhin große Lücken und Probleme beim Gewaltschutz, sagte Dusel in Berlin anlässlich der Veröffentlichung von Handlungsempfehlungen an Politik und Praxis am 16. Mai.
Immer wieder erfahre die Öffentlichkeit von erschreckenden Gewaltvorkommnissen in Einrichtungen der Behindertenhilfe, heißt es darin. Das Dunkelfeld sei allerdings sehr groß, weil nur Wenige Rechtsschutz suchten. Eine Studie über Gewalterfahrungen behinderter Menschen soll 2023 abgeschlossen werden. Dusel erinnerte dabei an die Morde an vier Schwerstbehinderten im Potsdamer Oberlinhaus vom April vergangenen Jahres.
Unter anderem forderte er eine Verschärfung der Gesetzeslage, um die erst seit Juni 2021 für Einrichtungsträger verpflichtenden Gewaltschutzkonzepte auch umzusetzen. Viele Konzepte existierten nur auf dem Papier. Bislang gebe es keine Sanktionsmöglichkeiten durch Behörden, die die Einrichtungen finanzieren, sagte Dusel.
In Deutschland leben den Angaben zufolge rund 200.000 erwachsene Menschen mit Behinderungen in Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe. Rund 330.000 Menschen sind in Werkstätten beschäftigt.
Britta Schlegel vom Deutschen Institut für Menschenrechte verwies auf „gewaltfördernde Strukturen“ in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. So gebe es dort in der Regel nur wenig Selbstbestimmung, kaum Intimsphäre, große Abhängigkeitsverhältnisse und geringes Wissen über eigene Rechte. Zudem werde Gewalt eher hingenommen.
Unter Verweis auf eine Studie aus dem Jahr 2014 sagte sie, demnach hätten 51 Prozent der Frauen in Behinderteneinrichtungen Gewalterfahrungen gemacht, darunter Einschüchterungen, Beleidigungen und Demütigungen. 17 Prozent berichteten über körperliche Gewalt, 20 Prozent der Frauen über sexualisierte Gewalt von Nötigungen bis zu Vergewaltigungen, so Schlegel.
Schlegel, die am DIMR die Monitoring-Stelle zur Überwachung der UN-Behindertenrechtskonvention leitet, plädierte für eine weitgehende Auflösung von Sondereinrichtungen für Behinderte zu Gunsten „ambulanter Unterstützungsstrukturen“. Dusel betonte, viele Menschen mit Beeinträchtigungen lebten nur in Einrichtungen, weil es zu wenige bezahlbare barrierefreie Wohnungen gebe. In Deutschland gibt es seinen Angaben zufolge rund 13 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen. Davon seien 8,5 Millionen Menschen schwerbehindert.
Das von Dusel und dem DIMR veröffentlichte Papier mit Empfehlungen zum „Schutz vor Gewalt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen“ plädiert unter anderem für mehr Beteiligungsrechte der Bewohner und Bewohnerinnen von Einrichtungen. Zudem seien „externe Unterstützungssysteme“ wie etwa Beratungsstellen und Frauenhäuser bei den Betroffenen oft nicht bekannt oder barrierefrei. Bei Polizei und Justiz fehle es oft an Wissen und Sensibilität für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Weiter plädieren die Autoren für eine unabhängige Überwachung der Behinderteneinrichtungen.
Bayreuth, München (epd). Wer sich impfen lässt und dadurch einen gesundheitlichen Schaden erleidet, hat Anspruch auf finanziellen Ausgleich des Staates. Seit Beginn der Corona-Impfungen in Bayern am 27. Dezember 2020 sind bei der zuständigen Landesbehörde Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) bis zum 16. Mai 722 entsprechende Anträge eingegangen, sagte ZBFS-Präsident Norbert Kollmer im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Anerkannt wurden bisher neun Fälle; 60 wurden abgelehnt, sechs zurückgenommen. Der Großteil sei noch in Bearbeitung, hieß es.
Seit kurzem können die Anträge auch online gestellt werden - bisher sind auf diesem Weg 24 Anträge eingegangen, wie Kollmer sagte. „Impfschäden sind so alt wie die Impfungen selbst“, sagte der ZBFS-Präsident. 1953 entschied der Bundesgerichtshof, dass bei auf Gesetz beruhenden Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit und darauf beruhenden gesundheitlichen Schäden eine staatliche Pflicht zur Entschädigung bestehe; 1962 führte der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung ein, die mit dem Infektionsschutzgesetz von 2001 erweitert wurde. Unabhängig von den Corona-Impfungen gibt es in Bayern derzeit 450 anerkannte Impfgeschädigte, die Leistungen erhalten.
Bei den Corona-Impfungen gebe es bisher überwiegend internistische Schädigungsfolgen wie Infarkte, Thrombosen oder Herzmuskelentzündungen, sagte Kollmer. Wichtig sei zu unterscheiden, ob es sich „nur“ um eine Impfnebenwirkung oder Impfreaktion handle oder tatsächlich um einen Impfschaden. Eine Entschädigung gebe es nur bei letzterem, und davon spreche man laut Definition erst, „wenn eine länger als sechs Monate andauernde gesundheitliche Schädigung durch die Schutzimpfung vorliege“. Diese gesundheitliche Störung muss laut Kollmer zudem in einem bestimmten zeitlichen Rahmen nach der Impfung aufgetreten sein.
Liegen diese Umstände vor, kann ein Antrag auf Entschädigung gestellt werden. Das ZBFS prüfe dann Berichte behandelnder Ärzte, Kliniken oder therapeutischer Einrichtungen und beurteile den Fall und den Grad der Störung. Daran werde gemessen, welche Leistungen der antragstellenden Person zustehen. Wie viel der oder die Geschädigte erhält, richte sich nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Kernstück sei eine Grundrente zwischen 156 und 811 Euro im Monat, die abhängig von der Schwere der Schädigungen und der wirtschaftlichen Verhältnisse der berechtigen Person um weitere Ausgleichszahlungen von bis zu 811 Euro im Monat ergänzt werden kann, sagte Kollmer. Dazu könnten Leistungen für Therapie, Reha, Berufsschadensausgleich oder Hilfsmittel kommen: „Im extremen Fällen, zum Beispiel bei als Kind geschädigten Personen mit Anfallsleiden mit schweren zerebralen und kognitiven Einschränkungen sowie schwerste Pflegebedürftigkeit kann die Summe der monatlichen Versorgungsleistungen bis zu 15.000 Euro betragen“.
Nürnberg (epd). Der kleine Noah nähert sich mit tapsigen Schritten dem Erzieher, der gerade im Schneidersitz auf die spielenden Kleinkinder der „Enten“-Gruppe aufpasst. Der Eineinhalbjährige klammert sich am Pullover des Kindergärtners fest und klettert auf dessen Schoß. Christian Siry schlägt für Noah ein Bilderbuch auf. Der Erzieher imitiert eine Baggerschaufel mit seiner linken Hand, zerlegt das Wort Feuerwehrauto in seine Silben. „Ich versuche, die Kinder immer zum Sprechen und Interagieren anzuregen. Das ist in diesem Alter besonders wichtig“, erklärt Siry.
Im Jahr 2020 beschließt Christian Siry, eine Ausbildung zum Erzieher zu beginnen. „Meine Eltern hatten gehofft, ich würde meine Entscheidung noch einmal überdenken“, sagt er und lacht. Doch heute, zwei Jahre später, bereut er seinen Entschluss keine Sekunde. „Ich musste bei meinem Vater richtige Überzeugungsarbeit leisten und ihm verständlich machen, dass ich keinen Bürojob möchte, sondern eine für mich erfüllende Tätigkeit.“ Das Klischee, Erziehung ist Frauensache, sei immer noch weit verbreitet.
Laut Statistischem Bundesamt sind deutschlandweit nur rund sieben Prozent aller Kindergärtner Männer. Die Kita ist eine Frauendomäne, die mit Fachkräftemangel zu kämpfen hat.
Waltraud Weegmann, Vorsitzende des Deutschen Kitaverbands, hält verschiedene Maßnahmen für nötig, um dem Erziehermangel entgegenzuwirken: „Höhere Gehälter allein werden nicht mehr Männer für den Beruf begeistern können. Es braucht eine bundesweite duale Ausbildung und attraktivere Arbeitsbedingungen.“ Eine weitere Stellschraube sei das Schaffen von vergüteten Quereinsteigerprogrammen mit einer berufsbegleitenden Weiterqualifizierung.
Durch Aktionen wie den Boys' Day, der in diesem Jahr am 28. April stattfand, sollen Jungs bereits im frühen Alter ihre Berührungsscheu mit weiblich assoziierten Berufen verlieren. An dem Aktionstag werden Berufsfelder vorgestellt, in denen höchstens 40 Prozent Männer eine Ausbildung machen oder arbeiten. Das sind zum Beispiel Pflege, Gastronomie und Pädagogik.
Männliche Erzieher sind manchen verdächtig. Missbrauchsskandale wie der in Würzburg vor rund zwei Jahren, bei dem ein Logopäde Kinder sexuell missbraucht hat, bestärken Vorurteile und Sorgen. „Mit Vorurteilen seitens der Eltern hatte ich zum Glück noch nicht zu kämpfen“, sagt Siry.
Der angehende Erzieher Alexander Brenken (Name geändert) stößt neben vielen positiven Erfahrungen und Bestärkungen immer wieder auf Vorurteile von Eltern. „Als männlicher Erzieher wird man sehr genau beäugt, von den anderen Erzieherinnen genauso wie von den Eltern der Kinder.“ Eine Mutter habe einmal sehr deutlich ihren Wunsch geäußert, dass kein Mann ihre Tochter wickeln dürfe.
Alexander hat oft den Eindruck, er werde als Fremdkörper in einer weiblichen Domäne wahrgenommen. „Ich verstehe natürlich auch die Sorgen der Eltern. Gerade da es schon Missbrauchsfälle gab, die diese Ängste weiter anschüren. Es ist eben ein sehr heikles Thema“, sagt der 39-jährige Familienvater.
In der Kita, in der er seine Ausbildung absolviert, herrsche eine unterschwellige Form von „humorvollem Sexismus“ gegen Männer. „Da steht dann so etwas wie 'Männer haben Probleme für jede Lösung!' auf einem Schild. Was vielleicht lustig gemeint sein soll, aber trotzdem eine bestimmte Gesinnung durchsickern lässt“, findet Brenken. Er glaubt, eine stärkere Mischung der Geschlechter in den Kitas würde helfen, Vorurteile gegen Männer abzubauen.
Nürnberg (epd). Simon Jaehn hat 2017 eine vierjährige Ausbildung als Erzieher begonnen. Dabei sind ihm viele Vorurteile begegnet. Stefanie Unbehauen hat mit ihm über seine Sonderstellung als Mann in einer weiblichen Domäne gesprochen.
epd sozial: Simon, du bist seit Mitte letzten Jahres mit deiner Ausbildung fertig. Mit welchen Vorurteilen hattest du während deiner Lehre zu kämpfen und wenn ja. Von wem kamen diese?
Simon Jaehn: Aus meinem Freundeskreis kamen direkt die klassischen Klischees von wegen „Frauenberuf“ oder „unmännlich“. Auch meine Eltern waren zunächst wenig begeistert von meinem Berufswunsch. Dann kommt noch hinzu, dass die Ausbildung in Baden-Württemberg, wo ich von Rheinland-Pfalz aus jeden Tag hin gependelt bin, vier Jahre dauert, drei davon unbezahlt. In anderen Bundesländern sind es sogar fünf. Das schreckt viele Jungs natürlich ab. Von 27 Schülern waren sieben männlich, doch nur drei haben letztendlich ihren Abschluss gemacht.
epd: Gibt es spezielle negative Erinnerungen?
Jaehn: Ich erinnere mich noch an eine Situation, da hat das Kind gerade das Wort „Mann“ gelernt und es deswegen immer wieder gesagt. „Mann, Mann, Mann.“ Die Eltern zogen daraus leider die falschen Schlüsse und dachten, es wolle ihnen damit etwas sagen. Sie forderten daher, dass kein Mann mehr die Schlafwache machen dürfe. Bei der Schlafwache ist es eben dunkel, die Kinder ruhen und ein Erzieher ist mit im Raum und passt auf. Ich kann schon verstehen, dass sich da manche Elternteile Sorgen machen. Wir Männer haben auch ein Wickelverbot, dürfen also die kleinen Kinder nicht wickeln. Das wird dann von unseren weiblichen Kolleginnen übernommen. Dieses Verbot ist aber auch zu unserem eigenen Schutz da, damit uns eben nichts angedichtet werden kann.
epd: Erschweren dir die Vorurteile die Arbeit? Und wie reagieren die Kinder auf dich?
Jaehn: Ja, sehr. Man kann sich leider nicht zu 100 Prozent auf seine Arbeit konzentrieren. Ich tat mich zum Beispiel immer schwer mit Körperkontakt, obwohl die kleinen Kinder das ja gerade in dem Alter besonders brauchen. Außerdem hat man immer im Hinterkopf, was die Eltern denken könnten. Wenn ich mit der Schlafwache dran war und einem Kind ist die Decke runtergefallen, habe ich mich immer sehr beeilt, sie ihm schnell wieder über den Körper zu legen und wegzugehen. Ich hatte immer den Gedanken: „Was, wenn genau jetzt jemand hereinkommt und sieht, wie ich über das Kind gebeugt dastehe?“ Es ist schade, dass so viele Eltern denken, Männer würden mit Hintergedanken diesen Beruf ergreifen, damit sie einfacher an Kinder herankämen. Wir werden hochgradig diskriminiert. Die meisten Vorurteile kommen aber immer noch von den Eltern. Bei den Kindern sind wir männlichen Erzieher besonders beliebt, wahrscheinlich weil wir in ihren Augen etwas Besonderes sind. Kinder kennen keine Vorurteile.
epd: Du bist Mitglied bei den Jusos. Inwiefern siehst du die Politik hier in der Pflicht und wie bringst du dich selbst dafür ein?
Jaehn: Also ich bin sowohl bei der Bildungsgewerkschaft GEW als auch bei den Jusos, habe aber kein Amt inne. Ich sehe das schon als Aufgabe der Arbeiterparteien, mehr Jungs für dieses Berufsfeld zu begeistern. 2010 gab es das Programm „Männer in die Kitas“, es war aber nicht so erfolgreich. Da müssen einfach weitere Pilotprojekte und Aktionen folgen. Aber in erster Linie sehe ich die Kindergartenleitung in der Pflicht, sich hinter ihre männlichen Erzieher zu stellen und standhaft zu bleiben. Gerade in Großstädten, ich wohne mittlerweile in Nürnberg, wachsen viele Kinder ohne Vater auf und haben von der Geburt bis zur Grundschule keine männlichen Vorbilder. Umso wichtiger ist es, dass wir mehr Jungs für diesen tollen Beruf begeistern. Die Gesellschaft entwickelt sich weiter, aber zu langsam. Es herrscht Personalmangel, wir können nicht auf ein Geschlecht verzichten. Kürzlich hat eine Erzieherin zu mir gesagt: „Die meisten Eltern wünschen sich mehr männliche Erzieher - nur bitte nicht für die eigenen Kinder“. Diesen Eindruck teile ich.
Bremen (epd). Angesichts fehlender Betreuungsplätze und anhaltender Personalnot wirbt Bremens kirchlicher Kita-Experte Carsten Schlepper für mehr Flexibilität unter den Einrichtungs-Trägern. „Wenn wir allen Kindern ein Angebot machen wollen, müssen kurzfristig zusätzliche Plätze geschaffen werden, die es im bestehenden System mit den bestehenden Rahmenbedingungen nicht geben würde“, sagte Schlepper am 17. Mai dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wenn alles so bleibt, wie es ist, ist das nicht zu schaffen.“
Gestiegene Geburtenzahlen und eine anhaltend hohe Zuwanderung, die durch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gerade wieder wächst, setzen das Kita-System in Bremen und auch bundesweit unter Druck. In der Hansestadt fehlten etwa 1.000 Plätze, sagte Schlepper, der den Bremer Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder leitet. Deshalb schlage die Kirche konkret und schnell umsetzbar vor, zusätzliche Plätze in Kindergartengruppen und Krippen über die bisherigen Planungen hinaus zu schaffen. „In Kindergartengruppen durch das 21. Kind, in Krippen durch Platz-Sharing.“
Außerdem könnten unterhalb der Betriebserlaubnis niedrigschwellige „Start-Up-Spielkreise“ eingerichtet werden. Solche Angebote etwa für zwei bis drei Tage in der Woche jeweils ein paar Stunden würden Schlepper zufolge den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht ersetzen, aber als Einstieg in Spiel-, Bewegungs- und Lernangebote ergänzen. Allein bei den Einrichtungen der bremischen Kirche könnten durch diese Vorschläge mehr als 500 Kita-Plätze geschaffen werden, schätzte Schlepper: „Das ist doch schon mal was.“
Angesichts fehlender Fachkräfte im pädagogischen Bereich schlägt er zudem den Einsatz von Kita-Assistenzen für Alltagsroutinen vor sowie die Einbeziehung von Menschen aus anderen Professionen wie etwa Handwerker, die projektorientierte Bildungsangebote machen könnten. Die bestehenden Formate zur Qualifizierung von Erziehenden beispielsweise durch eine vergütete Ausbildung und durch Programme für Quereinsteiger müssten fortgesetzt werden, bekräftigte Schlepper.
Der Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder ist in Bremen der größte freie Träger im Bereich der Kindertagesstätten. Zu dem Verband gehören eigenen Angaben zufolge 65 Einrichtungen mit mehr als 4.500 Plätzen und etwa 1.500 Mitarbeitende.
Hannover (epd). Frank Meyer hat nur einen kurzen Weg in die Sprechstunde von Hans Stöckmann. Eben noch hat der ehrenamtliche Mitarbeiter des Tagestreffs der Caritas Hannover im Speiseraum nach dem Rechten gesehen. Jetzt sitzt er im Patientenzimmer gleich nebenan dem Arzt gegenüber. Stöckmann erkundigt sich nach seinem Befinden und legt ihm eine Blutdruckmessmanschette um den Unterarm. „Heut geht es mir ganz gut“, sagt Meyer und schiebt mit einem Schmunzeln hinterher: „Aber jetzt steigt der Blutdruck.“
Frank Meyer hat 14 Jahre auf der Straße gelebt. 14 Jahre lang war er nicht krankenversichert und bei keinem Arzt, bis er 2021 mit Nierenversagen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. „Ich hatte meinen eigenen Kopf“, sagt er. „Ich habe alles so durchgestanden.“ Inzwischen ist Hans Stöckmann nicht nur der Arzt seines Vertrauens, sondern auch so etwas wie ein Kollege. Der 72-jährige Mediziner arbeitet ebenfalls ehrenamtlich bei der Caritas. Insgesamt knapp 20 Ärztinnen und Ärzte haben sich wie er mittlerweile einer von der früheren Vorsitzenden der Bezirksstelle Hannover der Ärztekammer Niedersachsen, Cornelia Goesmann, begründeten Initiative angeschlossen.
Seit 20 Jahren kooperiert dabei die Bezirksstelle mit Diakonie und Caritas und unterstützt sie bei der medizinischen Versorgung wohnungsloser Menschen. Am 18. Mai soll der Jahrestag gefeiert werden. In Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung sind die Behandlungsmöglichkeiten der Wohlfahrtsverbände als Institutsambulanz anerkannt worden, wie Goesmanns Nachfolger Thomas Buck erläutert. Die Ärztinnen und Ärzte könnten so einen Teil der Leistungen mit den Kassen abrechnen. Das entsprechende Geld spendeten sie für das Projekt. „Ein weiterer Vorteil ist die Rechtssicherheit bei der Verschreibung von Medikamenten“, sagt der Kinderarzt. Zudem leiste die Ärztekammer Lobby- und Vernetzungsarbeit.
Noch vor seiner Sprechstunde bei der Caritas war Hans Stöckmann gemeinsam mit der medizinischen Fachangestellten Tanja Prescher und Fahrer Jens Konschara vier Stunden lang mit der Straßenambulanz unterwegs. Mit dem zur Praxis umgebauten Kleintransporter haben sie Treffpunkte und Unterkünfte von Wohnungslosen angefahren. „Der regelmäßige Kontakt ist wichtig“, sagt der Arzt. „Man kann schon viel ablesen, am Gang eines Menschen, daran, wie er sich bewegt.“
Es sind Suchterkrankungen und die Folgeschäden, mit denen viele Patienten zu ihm kommen, Wundinfektionen und Herz-Kreislaufprobleme. Diabetiker behandelt der Internist anders als in seiner früheren Praxis in Hildesheim dagegen kaum. „Träges Leben im Überfluss, das spielt hier nicht so die Rolle“, sagt Stöckmann. Er wirft einen Blick auf die Beine von Frank Meyer, um Wassereinlagerungen auszuschließen. Prescher notiert das Ergebnis der Untersuchung.
In 20 Jahren hat die Ärztekammer über ihr Projekt auch anonymisierte Daten von rund 46.000 Patientenkontakten zusammengetragen, um das Angebot zu analysieren. Allein die Caritas hat im vergangenen Jahr laut Koordinatorin Monika Nordhorn rund 2.000 Patienten bei 4.000 Terminen behandelt. Auch psychische Probleme nehmen zu, wie sie berichtet. Die Ängste zu Beginn der Corona-Pandemie hätten dies verschärft. „Wie geht Lockdown, wenn ich kein Zuhause habe?“ Die Praxis im Tagestreff wird unter anderem auch von einem Psychiater und Gynäkologinnen unterstützt.
Anders als früher Frank Meyer sind dort die meisten Patienten krankenversichert. „Es sind auch viele arme Menschen“, erläutert Nordhorn. Zuzahlungen wie fünf Euro pro Medikament könnten sie sich nicht leisten. Auch dabei helfen die Caritas und ein Spendenfonds. Doch das reiche nicht, mahnt der Mediziner Buck. „Die Gesellschaft muss noch mehr helfen und die Politik auch. Projekte wie Krankenwohnungen müssen selbstverständlich sein.“
Für Frank Meyer bedeutet der Tag, an dem er ins Krankenhaus kam, eine Wende in seinem Leben. Nach der Entlassung zog er zunächst in eine Krankenwohnung für Wohnungslose der Caritas, inzwischen lebt er in einer WG, „mit zwei netten Kollegen“, wie er sagt. Seit einem Jahr hat er keinen Alkohol mehr getrunken. „Mir geht es besser, tausend Prozent“, unterstreicht er. Regelmäßig geht er zum Facharzt für Nierenkrankheiten. Doch auch in Stöckmanns Sprechstunde kommt er weiter. „Hier nehmen sich die Menschen Zeit“, sagt er. „Hier gibt es mehr als nur Pillen.“
München (epd). Der Info-Stand der Caritas ist die erste Anlaufstelle für diejenigen Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit dem Zug ankommen. „Es ist wichtig, die Leute in Empfang zu nehmen“, sagt Anto Blazevic von der katholischen Hilfsorganisation, der hier mit zehn Mitarbeitern Hilfe leistet.
Gearbeitet wird rund um die Uhr in vier Schichten. An dem Stand stehen etliche Menschen. Die Mitarbeiter geben Hygieneartikel an die Neuangekommenen aus: Taschentücher, Windeln, Masken, auch Gummibärchen für die Kinder. Mit am wichtigsten aber sind die Information für die Flüchtlinge: Wo können sie heute schlafen, wo muss man sich anmelden, wer bietet sonstige Hilfe an? Ein Info-Blatt informiert auf Deutsch und auf Ukrainisch: Wo man sich bei den Behörden registrieren lassen kann, dass man im Sozialbürgerhaus einen Antrag auf Hilfsleistungen stellen kann, wie man eine Arbeitserlaubnis bekommt.
Wie viele Menschen jeden Tag am Info-Stand Hilfe brauchen, kann Blazevic nicht genau sagen. Er erhalte einen Anruf von der Bahn, dass 20 Flüchtlinge eintreffen würden. „Dann können aber 40 kommen.“ Wer in München bleiben will, werde zu einem Bus vor dem Bahnhof gebracht, der die Flüchtlinge dann zu den Unterkünften in der Messestadt Riem bringt. In den großen Hallen haben nach den Angaben bis zu 4.000 Personen Platz. Auch in kleineren Flüchtlingsunterkünften finden ukrainische Familien ein vorübergehendes Zuhause.
Manche Flüchtlinge wollen weiter, weil sie in anderen Städten Freunde oder Verwandte haben. „Die bekommen dann im Reisecenter ein Zugticket ausgestellt“, erklärt Blazevic. Vor den Schaltern des Reisecenters haben sich an diesem Tag lange Schlangen gebildet.
Unentbehrlich bei der Beratung der Kriegsflüchtlinge sind die ukrainisch sprechenden Ehrenamtlichen. Zu ihnen gehört Anastasia. Die 32-Jährige kommt nach Feierabend zum Bahnhof, um drei oder vier Stunden zu übersetzen. „Ich mache das für mein Volk“, sagt sie. Anastasia kam vor elf Jahren aus der Ukraine nach München. Auch ihre Eltern seien gekommen - als Kriegsflüchtlinge. „Neben ihrem Haus ist eine Mine explodiert“, berichtet Anastasia.
Gerade hat sie mit einem 14-jährigen Mädchen und ihrer Mutter gesprochen, die aus einem Ort in der Zentralukraine geflohen sind. Seit einem Monat wohnen sie in einer Privatwohnung, die ihnen Bekannte vermittelt haben. Alina müsste eigentlich in die Schule gehen. Ihre Mutter sucht Arbeit. Sie hat etwas im Landkreis München in Aussicht. Deshalb möchte sie jetzt wissen, welche Papiere sie dafür benötigt.
Alinas Großeltern und ihr Vater sind zu Hause geblieben. „Aber es ist nicht so schlimm“, sagt die 14-Jährige. Schlimm aber ist die Geschichte des Geschäftsreisenden, der einen Tag vor Kriegsbeginn ins Ausland reiste. „Der Mann“, erzählt Anastasia, „hat zu Hause alles verloren, das Haus ist zerstört.“ Ihm blieb nur das, was er bei sich trug.
Neben dem Caritas-Stand bildet sich vor der Essensausgabe eine kleine Schlange. Unter der ukrainischen Flagge wird Tomatensuppe ausgegeben. An der Wand hängen Zettel, darauf steht „Chleb“, „Sup“ und „tepla ischa“, hier gibt es also Brot, Suppe und heißen Tee. Auch an diesem Stand geht nichts ohne ehrenamtliche Helfer. Zu ihnen gehört Beatriz. Die Übersetzerin hat schon ein paar Mal ausgeholfen, Tee und Kaffee ausgeschenkt, Brot und Obst verteilt. „Ich will etwas für die Flüchtenden tun“, sagt sie.
Ein paar Schritte weiter können in einem kleinen Zelt eines medizinischen Dienstes ankommende Flüchtlinge gesundheitlich betreut, der Blutdruck gemessen oder kleine Wunden verarztet werden. Momentan ist es hier eher ruhig.
Nicht weit davon entfernt geht es um Verletzungen größerer Art: An einem Eisenträger klebt ein Papier mit einer Botschaft: „Zusammenstehen, um diese verwundete Welt zu heilen“, ist da auf Ukrainisch, Russisch und Englisch zu lesen.
Berlin (epd). Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) kritisiert, dass es hierzulande noch immer an verbindlichen und ganzheitlichen Möglichkeiten für digitale Anwendungen in der Pflege fehlt. Nicht die Hardware sei das Problem. „Es fehlt ein Masterplan zur Digitalisierung in der ambulanten Pflege. Digitales Handeln findet weiterhin - wenn überhaupt - nur in kleinen Insellösungen statt“, heißt es in einer am 18. Mai verbreiteten Erklärung. Der Verband hatte zu einem Werkstattgespräch „Aufbruch ins Digitale: Best-Practice-Projekt zur digitalen Pflegedokumentation in der ambulanten Pflege“ eingeladen und dort auch positive Beispiele etwa der digitalen Pflegedokumentation vorgestellt.
„Alle technischen Voraussetzungen sind längst vor Ort, Investitionen in Hard- und Software sowie Schulungen werden getätigt und dann dürfen diese Möglichkeiten nicht für die digitale Pflegedokumentation angewandt werden“, sagte Sebastian Wirth, DEVAP-Vorstand und Vorsitzender DEVAP-Fachausschuss Ambulant.
„Die Erfahrungen der Dienste zeigen, dass die Kosten für digitale Lösungen und auch der Aufwand für die Schulungen der Mitarbeiter zwar nicht unerheblich sind, die Effizienz nach erfolgreicher Implementierung digitaler Verfahren jedoch enorm ist“, so Wirth weiter.
Dem DEVAP zufolge gibt es bereits viele Träger in Deutschland, die den Weg der digitalen Pflegedokumentation beschreiten und mit dem eLeistungsnachweis abrechnen. Dennoch müsse jeder Leistungsnachweis danach wieder ausgedruckt und das Papier für die Abrechnung per Post zur Kasse geschickt werden. Das verursache Tonnen von Papier und sei vollkommen unnötig. Der DEVAP kritisierte weiterhin, dass sehr große Krankenkassen wie die Techniker Krankenkasse und die AOK Sachsen vereinzelt die Unterschriften der Patienten auf dem eLeistungsnachweis abgelehnt hätten.
Der DEVAP fordert seit Jahren einheitliche und für alle verbindliche digitale Lösungen in der ambulanten Pflegedokumentation, der Leistungserfassung und der Abrechnung.
Hamburg (epd). Durch die Corona-Pandemie haben sich nach Ansicht eines Hamburger Suchthilfeexperten die Suchtprobleme verschärft. Die Corona-Krise habe viele Menschen verunsichert, Alkohol oder Tabletten würden genutzt, um mit schwierigen Gefühlen besser fertig werden zu können, sagte Derek Nordt, ehrenamtlicher Suchthelfer und Vorsitzender von den Guttempler Hamburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch: „Alkohol macht diese Angst nur noch schlimmer“, weiß Nordt, der seit 15 Jahren ehrenamtlich Selbsthilfegruppen leitet. Zugleich beklagte er, dass Alkohol immer noch in der Gesellschaft verharmlost werde.
Dabei habe sich die Art der Abhängigkeit verändert: „Den reinen Alkoholiker gibt es kaum noch“, beobachtet Nordt. Mittlerweile werde Alkohol oft mit Tabletten und anderen Rauschmitteln kombiniert, um sich für den Job aufzuputschen.
„Die Betroffenen sind gut ausgebildete, junge Menschen, die den Leistungsdruck sonst nicht aushalten.“ In seinen Selbsthilfegruppen sitzen heute vor allem 30-Jährige. Nordt: „Im Durchschnitt sind sie zehn Jahre jünger als früher.“ Nicht wenige leiden auch unter psychischen Krankheiten wie Panikattacken. Ein Trend, der seine Arbeit schwieriger mache. „Es ist nicht leicht zu erkennen, ob jemand ein echtes Suchtproblem hat oder einfach nur einsam ist und in den Arm genommen werden muss.“
In der Gruppe dürfe jeder einfach sein, wie er ist, „auch wenn er mal schlecht drauf ist“. Dieser persönliche Austausch sei der Schlüssel, um Menschen im suchtfreien Alltag zu helfen. Umso schlimmer habe die Sucht-Selbsthilfe unter dem Corona-Lockdown gelitten. „Es war ein absoluter Schock, als wir uns wegen des Kontaktverbots nicht treffen durften“, erinnert sich der 57-Jährige. Durch den Ausfall der Gruppen habe sich das Rückfallrisiko erhöht. Betroffene litten unter Vereinsamung, es fehlte der Austausch auf Augenhöhe, der Rückhalt und die Geborgenheit der Gruppe.
Neue Wege und Alternativen waren gefragt: Unter Corona-Bedingungen fanden Treffen in kleinstem Kreis draußen statt, dazu gab es neue Online-Meetings, Guttempler initiierten eine 24-Stunden-Telefon-Hotline, ein „Sober-Guide“ mit telefonischer und virtueller Betreuung sowie die virtuelle Selbsthilfegruppe „Back me up“ wurden aufgebaut.
„Trotz Corona-Einschränkungen hatten wir kaum Rückfälle“, freut sich der Hamburger Guttempler-Vorsitzende. Insgesamt nahmen im ersten Corona-Jahr 2020 rund 15.000 Personen eine Hamburger Suchthilfe in Anspruch, so der aktuelle Bericht der Hamburger Basisdatendokumentation. Rund 30 Prozent suchten Hilfe wegen einer Alkoholproblematik, knapp ein Viertel konsumierten Opioide, etwa jede fünfte Person Cannabis und jede achte Person konsumierte Kokain.
Wie wichtig Selbsthilfegruppen sind, weiß Nordt auch aus eigener Erfahrung: „Ich war 30 Jahre süchtig, habe einige Entzüge hinter mir und habe nur durch die Sucht-Selbsthilfe den Mut gehabt, den Entzug durchzuziehen“, so Nordt. Er habe in der Guttempler-Gruppe plötzlich dieses „warme Gefühl im Bauch“ gespürt, habe sich Zeit genommen für seine „eigene Seelenwanderung“, habe neue Freunde gefunden und gelernt zu reflektieren. „Es ist viel mehr als einfach nur eine Gruppe, es ist wie eine Familie.“ Mit seinem ehrenamtlichen Engagement wolle er etwas zurückgeben.
Karlsruhe (epd). Dem Beschluss aus Karlsruhe zufolge ist es verfassungsgemäß, dass Pflegepersonal in Krankenhäusern, Pflege- und Altenheimen oder auch ambulanten Einrichtungen den Nachweis einer Covid-19-Impfung oder der Genesung von der Krankheit vorlegen müssen. Die Verfassungsbeschwerde von 54 Betroffenen und Einrichtungen scheiterte. Das Gesetz läuft Ende des Jahres aus.
Im Gesundheits- und Pflegebereich tätige Beschäftigte müssen nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis Ende 2022 weiter eine Covid-19-Impfung oder eine Genesung von der Krankheit nachweisen. Die Nachweispflicht stellt zwar einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit der betroffenen Beschäftigten sowie einen Eingriff in ihre Berufsfreiheit dar, sie ist aber zum Schutz besonders kranker und immungeschwächter Menschen gerechtfertigt und daher mit dem Grundgesetz vereinbar, entschied das Gericht.
Die am 10. Februar 2022 im Eilverfahren geäußerten Bedenken der Verfassungsrichter wegen eines formalen Fehlers im Gesetz hatte der Gesetzgeber zwischenzeitlich ausgeräumt und spielte nun keine Rolle mehr.
Anlass des Rechtsstreits ist die im Dezember 2021 beschlossene und seit 15. März 2022 geltende Pflicht, dass medizinisches und pflegerisches Personal zum Schutz von Pflegebedürftigen und Kranken eine Impfung gegen das Sars-CoV-2-Virus nachweisen müssen. Ein Nachweis über eine Genesung von Covid 19 oder ein ärztliches Attest, dass man sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann, ist ebenfalls möglich.
Liegt solch ein Nachweis nicht vor, muss der Arbeitgeber das Gesundheitsamt informieren, das dann ein Betretungs- oder auch Tätigkeitsverbot verfügen kann. Für Personen, die erst ab dem 16. März in den Gesundheitseinrichtungen tätig sein wollen, gilt seither ohne einen Impf- oder Genesenen-Nachweis ein Beschäftigungsverbot. Die gesetzliche Nachweispflicht läuft Ende 2022 wieder aus.
An den Regelungen wurde zahlreich Kritik geäußert. Das betroffene Pflegepersonal sah sein Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt, da es - um weiter arbeiten zu können - mit der Nachweispflicht faktisch gezwungen werde, sich impfen zu lassen. Pflege- und Gesundheitseinrichtungen befürchteten, dass die Nachweispflicht zu weiteren Personalengpässen führen könnte, wenn Beschäftigte sich beharrlich einer Impfung verweigern und nicht mehr tätig werden dürfen. Die im Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit von Personal und Einrichtungen werde verletzt.
Das Bundesverfassungsgericht hielt die Nachweispflicht einer Covid-19-Impfung oder einer Genesung mit dem Grundgesetz für vereinbar. Zwar liege ein mittelbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten vor, da von ihnen letztlich eine Impfung verlangt werde. Die Nachweispflicht einer Impfung oder Genesung sei „zum Schutz vulnerabler Menschen“ aber erforderlich. Die grundrechtlich geschützten Interessen von Einrichtungen und Pflegepersonal müssten hier zurücktreten.
Denn gerade immungeschwächte und alte Menschen könnten sich vielfach „weder selbst durch eine Impfung wirksam schützen noch den Kontakt zu den im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Personen vermeiden“. Im Fall einer Ansteckung hätten diese Menschen ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlauf. Sei eine Impfung möglich, würden diese Menschen häufig weniger gut darauf ansprechen. Der Gesetzgeber durfte daher auch angesichts der schwer vorhersehbaren Infektionsdynamik davon ausgehen, dass eine „besondere Gefahrenlage“ bestehe. Er habe in solch einem Fall einen weiten Einschätzungsspielraum. Neue Entwicklungen, die die Annahmen des Gesetzgebers erschüttern, lägen nicht vor.
Für die betroffenen Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich seien die Auswirkungen einer Impfung und dem damit verbundenen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit und in ihr Selbstbestimmungsrecht hinzunehmen. Schwerwiegende Impfnebenwirkungen oder gravierende Folgen seien sehr selten und würden zudem fortlaufend vom Paul-Ehrlich-Institut und der Ständigen Impfkommission beobachtet.
Auch der mit der Nachweispflicht verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit sei wegen der „Schutzbedürftigkeit vulnerabler Personen“ gerechtfertigt, so das Bundesverfassungsgericht. Das besonders betroffene Personal in Heil- und Pflegeberufen stehe regelmäßig in engem Kontakt zu den Kranken und Pflegebedürftigen. Deren Ansteckungsrisiko würde „ungleich steigen“, wenn kein Nachweis einer Covid-19-Impfung oder Genesung verlangt werde. Zwar könne auch Verwaltungs-, Reinigungs- und Küchenpersonal einer Einrichtung von der Nachweispflicht betroffen sein. Lehnten diese den Nachweis ab, könnten sie ihre berufliche Tätigkeit nach einem Arbeitsplatzwechsel aber weiter ausüben.
Az.: 1 BvR 2649/21
Darmstadt (epd). Erben einer verstorbenen Rentnerin müssen wegen einer zu viel gezahlten Rente nicht beliebig als „Gesamtschuldner“ dafür bei der Rentenversicherung einstehen. Bei der Frage, welcher Erbe wie viel zurückerstatten soll, muss die Rentenversicherung eine vom Einzelfall abhängige Ermessensentscheidung treffen, entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt in einem am 12. Mai veröffentlichten Urteil. Allein die pauschal zur Hälfte vorgenommene Aufteilung der Schuld auf zwei Erben sei nicht erlaubt, befand das Gericht.
Konkret ging es um eine Rentnerin, die wegen eines zu hohen Hinzuverdienstes 5.230 Euro zu viel Rente erhalten hatte. Der Rentenversicherungsträger forderte das Geld zurück. Als die Frau während des Klageverfahrens starb, sollte der Ehemann als Erbe dafür einstehen. Doch auch dieser starb, so dass die gemeinsame Tochter des Paares sowie die Klägerin, die Tochter des verstorbenen Vaters, dafür als Erbinnen und „Gesamtschuldner“ eintreten sollten.
Während die gemeinsame Tochter die Hälfte der überzahlten Rente, insgesamt 2.615 Euro überwies, lehnte es die Klägerin ab, die andere Hälfte zu bezahlen. Sie sei mit der Verstorbenen weder verwandt noch verschwägert. Sie sei allenfalls gesetzliche Erbin in Höhe von einem Viertel des Nachlasses ihres Vaters. Doch auch diesen Teil wolle sie nicht bezahlen. In der Vergangenheit habe ihr Vater ihr auch kein Unterhalt gewährt. Die Rentenversicherung habe von ihr nicht pauschal einfach die Hälfte der überzahlten Rente verlangen dürfen, lautete ihre Argumentation.
Dem stimmte auch das LSG zu. Zwar hafteten Erben regelmäßig als Gesamtschuldner für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten. Dazu gehöre auch die Erstattung einer überzahlten Rente. Welcher Erbe wie viel zahlt, müsse die Rentenversicherung aber in einer „Ermessensentscheidung“ festlegen. Einfach alles pauschal ohne Begründung aufzuteilen, gehe nicht.
„Im Fall der Gesamtschuldnerschaft kann der einzelne Beitragspflichtige (…) nur aufgrund einer Ermessensentscheidung unter Beachtung seiner Freiheitsgrundrechte, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots in Anspruch genommen werden“, betonte das LSG. Erforderlich sei eine „Auswahlentscheidung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls“. Hier habe der Rentenversicherungsträger aber gar keine Ermessensentscheidung getroffen. Gegen das Urteil wurde beim Bundessozialgericht mittlerweile Revision eingelegt.
Az.: L 2 R 411/18
Stuttgart (epd). Damit ein Bundeswehrsoldat eine posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) anerkannt bekommt, muss er selbst ein lebensbedrohliches, traumaauslösendes Ereignis erlebt haben. „Wird ihm während eines Afghanistan-Aufenthaltes nur von Selbstmordattentaten berichtet, reicht das nicht aus“, entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg laut Mitteilung vom 18. Mai. Dies sei bei der Höhe der monatlichen Grundrente für den Soldaten zu beachten.
Ursprünglich hatte den Angaben zufolge unter anderem ein Sozialgericht bei einem 51-jährigen Afghanistan-Veteranen eine PTBS als Folge der Auslandseinsätze anerkannt. Zudem sei eine schwere Alkoholabhängigkeit als „Wehrdienstbeschädigung“ berücksichtigt worden. Daher erhalte der Soldat bis zu seinem Dienstende eine bestimmte Summe Geld.
Das Landessozialgericht hob dieses Urteil nun auf. Die Kriterien für die Anerkennung einer PTBS seien nicht erfüllt, entschieden die Richter. Der Veteran habe selbst bestätigt, dass er während des Aufenthaltes nur Situationen erlebt habe, die auch alle anderen Soldaten betrafen. Zudem sei auch der Alkohol-Missbrauch nicht durch die Einsätze ausgelöst worden. „Dieser hat bereits vorher bestanden und ist auf die familiäre Vorgeschichte und Partnerschaftsprobleme zurückzuführen“, heißt es in der Mitteilung. Daher sei die Grundrente niedriger als ursprünglich angegeben.
Der Kläger war laut Mitteilung von 1993 bis 2018 als Berufssoldat tätig. 2003 und 2004 sei er in Afghanistan-Einsätzen gewesen. Dabei sei einer seiner Kameraden durch eine Landmine, zwei andere seien durch Selbstmordattentate umgekommen. Zudem habe es einen Raketenangriff auf das Camp gegeben, das der Kläger im Bunker erlebt habe. Seit 2018 sei er aus dem Dienst entlassen.
Az.: L 6 VS 420/21
Düsseldorf (epd). Eine von einer Kindertageseinrichtung ausgehende Quarantäne ist auch dann rechtens, wenn die betroffenen Kinder selbst keine Corona-Infektion haben. Das Landgericht Düsseldorf wies am 18. Mai die Klage eines fünfjährigen Mädchens auf Schmerzensgeld ab. Zwischen März und Mai 2021 hatte die beklagte Stadt Neuss dreimal für jeweils acht bis zehn Tage die häusliche Quarantäne der fünfjährigen Klägerin angeordnet. Grund war jeweils ein positiver Corona-Test eines anderen Kindes in der Kindertageseinrichtung.
Das fünfjährige Mädchen, vertreten durch seine Eltern, hatte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 7.000 Euro verlangt. Die Quarantäneanordnung sei rechtswidrig und unverhältnismäßig, hatte die Klägerin laut Gericht argumentiert.
Das Gericht wies die Klage zurück. Die beklagte Stadt Neuss habe bei der Dauer der Quarantäneanordnung verhältnismäßig gehandelt. Im Rahmen des üblichen Kindergartenalltags würden für die Kinder die Corona-Regeln von Kontaktpersonen gelten, erläuterte das Gericht. Im üblichen Kindergartenalltag müsse davon ausgegangen werden, dass Kinder aus einer Gruppe sich auch über eine Dauer von mehr als zehn Minuten in einem Abstand von weniger als 1,5 Metern befinden würden. Das entspreche der Definition einer engen Kontaktperson. Auch die Dauer der Quarantäne entspreche den im Frühjahr 2021 geltenden Empfehlungen des Robert Koch-Instituts.
Az.: 2b O 100/21
Luxemburg (epd). Leiharbeiter haben laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) bei der Auszahlung von Urlaubstagen und Urlaubsgeld die gleichen Ansprüche wie andere Beschäftigte. Die Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub und das entsprechende Urlaubsgeld müsse mindestens dem entsprechen, das sie erhalten hätten, wenn sie von der entleihenden Firma direkt auf demselben Arbeitsplatz für dieselbe Dauer beschäftigt worden wären, urteilte der Gerichtshof am 12. Mai in Luxemburg.
Anlass war ein Fall aus Portugal. Zwei Arbeitnehmer hatten mit einer Leiharbeitsfirma Verträge geschlossen, auf deren Basis sie für zwei Jahre einem entleihenden Unternehmen überlassen wurden. Die Leiharbeitsfirma wollte die geforderten Beträge für nicht genommenen Urlaub und Urlaubsgeld nicht zahlen und verwies auf eine Spezialregelung für Leiharbeitnehmer. Der Fall landete erst in Portugal, dann in Luxemburg vor Gericht.
Der Europäische Gerichtshof stellte nun fest, dass die einschlägige EU-Richtlinie für Leiharbeiter die „gleichen wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ vorsehe, wie wenn diese beim entleihenden Unternehmen direkt beschäftigt wären. Zu diesen wesentlichen Bedingungen zähle der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs und das Urlaubsgeld, urteilten die Richter.
Az.: C-426/20
Brüssel, Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Klage eines Mannes abgewiesen, der sich nur mit homöopathischen Mitteln behandeln lassen und daher die verpflichtende Krankenversicherung in den Niederlanden nicht zahlen wollte. Das soziale Bedürfnis, über ein solidarisches System eine erschwingliche Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu sichern, habe hier Vorrang vor den Individualrechten, urteilte das Gericht am 19. Mai in Straßburg.
Der Mann hatte den Angaben zufolge keine Krankenversicherung abgeschlossen. Dafür wurden ihm Geldbußen auferlegt. Zudem wurde er zwangsweise krankenversichert, mit Monatsbeiträgen von 122,33 Euro.
Vor dem EGMR klagte er dagegen und berief sich unter anderem auf das Recht auf Achtung des Privatlebens sowie die Glaubensfreiheit, wie das Gericht weiter mitteilte. Da er es vorzöge, nur für homöopathische Mittel zu zahlen, wolle er sich nicht an der kollektiven Finanzierung der Schulmedizin beteiligen.
Das Gericht hob unter anderem hervor, dass dem Mann weder eine bestimmte Behandlung vorgeschrieben noch vorenthalten worden sei. Über eine Zusatzversicherung habe er sich auch die Erstattung homöopathischer Mittel sichern können.
Az.: 1443/19
Bremen (epd). Karin Altenfelder wird Anfang Juni das Amt der Landesdiakoniepastorin in Bremen übernehmen. Die 53-jährige Theologin folgt auf Manfred Meyer (61), der am 1. März als theologischer Vorstand in die diakonische Stiftung „Friedehorst“ in Bremen-Nord gewechselt ist. Seit 2013 war Meyer als Landesdiakoniepastor tätig und wurde am 1. April feierlich aus dem Amt verabschiedet.
Altenburg stammt aus Ostfriesland und war bislang als stellvertretende Geschäftsführerin für die Diakoniestationen Hannover tätig. Zuvor arbeitete sie als Vorstandsreferentin der Dachstiftung Diakonie mit Sitz in Gifhorn sowie in einer Pfarrstelle in Hannover und Buxtehude. Sie studierte Theologie in Hamburg, Groningen und Göttingen.
„Ich möchte vor allem eine Stimme für Menschen sein, die in unserer Gesellschaft nicht gehört werden“, sagt Altenfelder. Herausforderungen sieht sie insbesondere bei der Armutsbekämpfung und beim Wohnen, das sich immer stärker zur sozialen Frage der 2020er Jahre entwickle. „Angesichts der großen Herausforderungen brauchen wir ein gutes Miteinander aller sozialen Träger auch über die Diakonie hinaus, das ist mir wichtig.“
Das Diakonische Werk der Bremischen Evangelischen Kirche vertritt eigenen Angaben zufolge die Interessen von 45 selbstständigen Mitgliedseinrichtungen mit mehr als 4.500 Haupt- und fast 1.500 Ehrenamtlichen.
Matthias Warmuth (51) übernimmt ab dem 1. Juli für eine Interims- und Weiterentwicklungsphase den Geschäftsbereich Personal der BBT-Gruppe. Hintergrund ist das für 2024 anstehende altersbedingte Ausscheiden von Werner Hemmes (61) als dienstältester Geschäftsführer. Warmuth gehört seit 2015 der Geschäftsführung an. Der Geschäftsbereich Recht und die tarifpolitischen Vertretungsaufgaben auf Bundesebene werden weiterhin von Hemmes verantwortet. Die BBT-Gruppe gehört nach eigenen Angaben mit mehr als 100 Einrichtungen zu den großen christlichen Trägern von Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen in Deutschland und zählt über 14.000 Mitarbeitende.
Alena Buyx (44) wird neues Mitglied im Kuratorium der „Zeit“-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius in Hamburg. Die Münchner Medizinethikerin soll zum 1. Januar 2023 die Nachfolge des SPD-Politikers Peer Steinbrück antreten, der nach seinem 75. Geburtstag in diesem Jahr zum 31. Dezember aus dem Kuratorium ausscheidet. „Alena Buyx ist weltoffen, meinungsstark und kritisch“, sagte der Kuratoriums-Vorsitzende Burkhard Schwenker. Mit ihrer Erfahrung werde sie neue Impulse in das Kuratorium einbringen. Buyx ist seit 2018 Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin und Professorin für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität München. 2016 wurde sie in den Deutschen Ethikrat berufen, dessen Vorsitz sie seit 2020 hat.
Matthias Münning ist von den Mitgliedern der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (BAGüS) zum BAGüS-Vorsitzenden gewählt worden. Der Sozialdezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) hat das Amt seit 2008 inne. Da Münning zum Jahresende in den Ruhestand geht, wählten die Mitglieder zugleich Dirk Lewandrowski, Dezernent für Soziales des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), ab 2023 zu seinem Nachfolger im Amt des Vorsitzenden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft, die in diesem Jahr ihr 75-jähriges Jubiläum feiert, ist ein Zusammenschluss der 23 überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe in Deutschland.
Sabine Bätzing-Lichtenthäler (47), Chefin der rheinland-pfälzischen SPD-Landtagsfraktion, ist neue Landesvorsitzende der Opferschutz-Organisation „Weißer Ring“. Sie wurde am 15. Mai in das Amt gewählt. Die frühere rheinland-pfälzische Gesundheits- und Sozialministerin ist die Nachfolgerin des ehemaligen Landessozialamts-Präsidenten Werner Keggenhoff, der im Sommer 2021 verstorben war. Nach dessen Tod hatten seine beiden Stellvertreter Peter Höding und Dieter Lichtenthäler den Landesverband zunächst kommissarisch geführt.
Franz Wagner hat für seine Verdienste um die Weiterentwicklung der Pflegeberufe die Agnes Karll Medaille des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) erhalten. „Ohne Franz Wagner hätte es nicht geklappt, den DBfK zu einem Motor der Berufspolitik für die Pflegenden zu machen. Dank ihm werden wir gehört und sprechen mit“, würdigte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein den diesjährigen Preisträger. Wagner hat sich als langjähriger Bundesgeschäftsführer des DBfK und Präsident des Deutschen Pflegerats für Verbesserungen der beruflichen Rahmenbedingungen, der Aus- und Weiterbildung sowie der Etablierung neuer pflegerischer Rollen verdient gemacht. Mit Franz Wagner erhält erstmalig ein Mann die Agnes Karll Medaille. Die Agnes Karll Medaille wird seit 2003 alle drei Jahre an herausragende Persönlichkeiten verliehen, die sich um die Weiterentwicklung der Profession Pflege verdient gemacht haben.
Annette Dörrfuß ist neue Pressesprecherin des Generalsekretariats des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Sie ist Nachfolgerin von Dieter Schütz, der sich in den Ruhestand verabschiedet. Dörrfuß war zuletzt bei Ärzte ohne Grenzen, wo sie von 2015 bis 2021 die Abteilung Medien- und Öffentlichkeitsarbeit leitete.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, das zu beachten.
30.-31.5.
Online-Kurs „Rhetorik und Gesprächsführung für Führungskräfte“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0152/08576959
31.5.-2.6. Saarbrücken
Werkstättentag 2022: „Neue Wege gehen“
der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen
Tel.: 069/943394 0
Juni
8.6. Kassel
Fachtagung „Qualifikationsmix neu denken: Aufgabenumverteilung im Gesundheitswesen“
des DEVAP
Tel.: 030/83001-277
9.-10.6. Berlin
Seminar „Psychose und Sucht - double trouble“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
9.-10.6.:
Online-Seminar „Betriebswirtschaftliche Steuerung - besonders in Krisenzeiten“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828227
10.-12.6. Netphen
Seminar „Freiwilliges Engagement in der Suchthilfe - Beratung und Unterstützung von Verantwortlichen in der Selbsthilfe“
der AWO-Bundesakademie
Tel.: 030/26309-139
14.-16.6.:
Online-Fortbildung „Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
15.6.:
Online-Kurs „Datenschutz aktuell - Urteile und aktuelle Problemstellungen“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700
20.-30.6.
Online-Kursreihe „Coachingkompetenzen für Führungskräfte - Potenziale der Mitarbeitenden erkennen und gezielt fördern“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0152/08576959
21.6. München:
Seminar „Neues vom Bundesarbeitsgericht“
der Solidaris Unternehmensberatung
Tel.: 02203/8997-221
21.6.:
Webinar „Förderung durch Stiftungen“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-160
27.-28.6. Frankfurt a.M.
Seminar „Sozialraumorientierung! Und jetzt?“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172-3012819