Frankfurt a.M. (epd). Der kritische Punkt zwischen Wollen und Handeln ist das Anfangen, der erste Schritt. Das gilt natürlich auch beim Klimaschutz. Unzählige Sozialunternehmen haben sich längst auf den Weg gemacht. Haben begonnen, ihre Energiebilanzen aufzubessern, kümmern sich um die Wärmedämmung ihrer Gebäude oder setzen auf E-Autos - nicht erst seit der Preisexplosion an den Zapfsäulen und beim Strom. Doch der ökologische Umbau hat noch längst nicht immer ein systematisches Fundament.
Die Herzogsägmühler Werkstätten im bayerischen Peiting haben das Geld einer Spendenaktion in einen schwarz-weißen Leichttransporter mit dem wunderbar doppeldeutigen blauen Schriftzug „Herzogsägmühle bringt's“ investiert. Der knuffige Truck der französischen Marke Aixam ist ein Elektroauto, das immerhin bis 45 Kilometer pro Stunde schafft - und mit dem Moped-Führerschein gesteuert werden darf.
„Die Mitarbeitenden der Herzogsägmühler Werkstätten sind glücklich über dieses ökologische Fahrzeug, das den Alltag so geräuschlos und komplett emissionsfrei erleichtert“, berichtet der diakonische Träger. Die Werkstattbeschäftigten nutzen den Wagen für die Zustellung von Bürobedarf, Hygiene- und Reinigungsmitteln aus dem Herzogsägmühler Zentrallager in die verschiedenen Einrichtungen.
Von der E-Mobilität in der ambulanten Pflege über den Einkauf fair erzeugter Textilien bis zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in sozialen Einrichtungen: Die Potenziale für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft sind groß. Nach Angaben der Diakonie war das Gesundheitswesen 2019 deutschlandweit für 5,2 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich - das ist mehr, als Flugverkehr und Schifffahrt zusammen an Treibhausgasen produzieren. Ein Krankenhausbett hat in etwa die Energiebilanz von vier Einfamilienhäusern. Allein in Pflegeheimen könnten laut Bundesumweltministerium hierzulande mehr als 900.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.
Caritas und Diakonie gehen erste Schritte zur Klimaneutralität gemeinsam. Sie haben das Projekt „Klimaschutz in Caritas und Diakonie“ bei der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums angemeldet. Insgesamt 100 Pilotstandorte sollen bei der Umsetzung eines Klimamanagements unterstützt werden. Begleitet werden die Teilnehmer vom Öko-Institut und der gemeinnützigen Beratungsagentur KATE (Stuttgart). Mit deren Hilfe sollen innerhalb von drei Jahren die Implementierung eines systematischen Klimaschutzmanagements erprobt und konkrete Handlungsstrategien für die weitere Umsetzung im Verband entwickelt werden. „Wir haben noch keinerlei Rückmeldung zu unserem Antrag bekommen“, teilte die Diakonie auf Anfrage mit.
„Wir brauchen jetzt eine Klima-Investitionsoffensive für die Sozialwirtschaft“, sagt Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland. Zusätzlich zur Neuregelung in den Sozialgesetzbüchern sollten laut Lilie kurzfristig Förderprogramme aufgelegt oder ausgebaut werden. „Wir wollen unseren Teil zum Klimaschutz leisten, können aber als gemeinnützige Einrichtungen die erforderlichen Kosten für die klimaneutrale Gebäudesanierung nicht komplett selbst erwirtschaften.“ Aus demselben Grund müssten auch die Eigenanteile für die Förderprogramme niedrig ausfallen, so der Verbandschef.
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) will darauf nicht warten. Sie hat im März einen Ziel- und Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz verabschiedet. Der ist verbindlich für alle Einrichtungen und Dienste. Der Verband will Klimaneutralität vor dem Jahr 2040 erreichen. Die Vorgaben sehen unter anderem vor, bis 2025 vollständig auf Ökostrom umzustellen und den CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte ab nächstem Jahr zu begrenzen und nur noch bio-faire sowie regionale Produkte zu nutzen. „Für uns als AWO ist klar, dass wir mit unseren über 18.000 Einrichtungen und Diensten sowie fast einer Viertelmillion hauptamtlich Beschäftigten einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes leisten können und müssen“, betont Vorstand Brigitte Döcker.
Schon bis 2030 will der Caritasverband der Diözese Limburg klimaneutral werden. Diözesancaritasdirektor Jörg Klärner erläutert, dass dazu das Programm „Klimastarter 22“ gestartet wurde, das aus Mitteln des „Innovationsfonds Caritas im Bistum Limburg“ finanziert wird. Man habe 22 „Klimastarter“-Pakete im Wert von über 100.000 Euro geschnürt. Das Programm wendet sich an alle Einrichtungen, vom Altenheim über die Kitas bis zur Sozialstation.
KATE wird mit den teilnehmenden Einrichtungen zunächst eine Klimabilanz erstellen, um den tatsächlichen CO2-Ausstoß zu ermitteln. „Bei der Darstellung der Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen werden konkrete wirtschaftliche Aspekte wie zum Beispiel die Kosten für die CO2-Abgabe einbezogen“, erläutert Klärner. Anschließend werde gemeinsam mit der Einrichtung ein individuelles Klimaprogramm erarbeitet - und konkrete Maßnahmen abgeleitet.
„Wir wollen so schnell wie möglich einen möglichst großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, denn die Zeit läuft uns davon“, gibt der Malteser-Vorstand Douglas Graf von Saurma-Jeltsch die Richtung vor. Der Verband macht Tempo und will die von ihm selbst berechneten 35.000 Tonnen CO2 pro Jahre merklich senken. Bis 2026 sollen die 500 Standorte des Malteser Hilfsdienstes bereits 15 Prozent weniger CO2-Emmissionen verursachen als 2019. Und: Schon ab diesem Jahr will die katholische Organisation ihre gesamten Emissionen durch Klimaschutzprojekte ausgleichen.
Die Analyse habe ergeben, dass sich der CO2-Fußabdruck der Malteser vor allem aus den Wegen der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zur Arbeit (36 Prozent), den eigenen Autos zum Beispiel im Rettungsdienst und Menüservice (35 Prozent), dem Strom- und Gasverbrauch (15 Prozent), Dienstreisen (neun Prozent) und dem Papierverbrauch (fünf Prozent) zusammensetzt. Um ihre klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren, haben sich die Malteser deshalb zum Beispiel den Umstieg auf Ökostrom, die Anschaffung von Elektro-Fahrzeugen, weniger Dienstreisen und mehr Videokonferenzen verordnet.
Klar ist: Einmalaktionen reichen nicht aus, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Gebraucht wird ein systematischer Ansatz, der darauf basiert, in den Einrichtungen ein dauerhaftes Klimamanagement zu installieren.
Und genau da liegt derzeit noch das Problem. „Das Thema Klimaschutz hat in der Caritas Fuß gefasst, es fehlt aber oftmals noch an der systematischen Planung und Umsetzung“, urteilt Christopher Bangert, Leiter des Referats Sozialwirtschaft, strategische Personalpolitik und und Fördermittelmanagement des Deutschen Caritasverbandes. Die Uhr ticke, so Bangert, denn im Oktober 2020 habe die Delegiertenversammlung als höchstes beschlussfassendes Gremium des Verbandes beschlossen, dass die Caritas bis 2030 klimaneutral wird. Er nennt das ein „sportliches Ziel“, das aber erreichbar sei. Denn die Klimakrise sei bereits akut spürbar und „für uns Ansporn, mit großer Kraft daran zu arbeiten“. Aber: Die örtlichen Träger müssten „das Stückwerk hinter sich lassen und Klimaschutz umfassend angehen“.
Bangert rät Trägern, zu Beginn von Transformationsprozessen erst einmal Kompetenzen im Klimaschutz aufzubauen und zugleich die strategischen Weichenstellungen vorzunehmen. „Wichtig ist, dass beim Schnüren eines Maßnahmenpaketes so schnell wie möglich die großen Hebel für die Einsparung von CO2 angepackt werden.“ Das seien in der Regel die energieeffiziente Modernisierung von Immobilien und die Umstellung auf regenerative Energien.