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Klimaschutz

Caritas: "Bei CO2-Einsparung schnell die großen Hebel anpacken"




Christopher Bangert
epd-bild/Caritas
Von der Bewusstseinsbildung bis zu ersten konkreten Klimaschutzprojekten ist es ein weiter Weg. Der Deutsche Caritasverband unterstützt seine Mitglieder beim Klimaschutz. Wie das gelingt und welche Schritte die Träger letztlich selber gehen müssen, verrät Christopher Bangert im Interview.

Frankfurt a.M. (epd). Christopher Bangert, Leiter des Referats Sozialwirtschaft, strategische Personalpolitik und und Fördermittelmanagement des Deutschen Caritasverbandes, sagt, die Klimaziele des Verbandes seien wie geplant bis 2030 erreichbar. Aber: „Das Ziel ist sportlich.“ Das gelinge nur, wenn in den Unternehmen dafür strategische Weichenstellungen gemacht würden. Und: „Wichtig ist, dass beim Schnüren eines Maßnahmenpaketes so schnell wie möglich die großen Hebel für die Einsparung von CO2 angepackt werden.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Ist die Beobachtung richtig, dass sich bereits die meisten Caritasträger irgendwie mit dem Thema CO2-Einsparung und Klimaschutz befassen?

Christopher Bangert: Ja, das Bewusstsein für Klimaschutz ist auf der obersten Leitungsebene von Caritas-Trägern, also beim Vorstand und der Geschäftsführung, angekommen. Im Oktober 2020 hat die Delegierentenversammlung, das höchste beschlussfassende Gremium des Verbandes, beschlossen, dass die Caritas in Deutschland bis 2030 klimaneutral wird - ein ambitioniertes, aber der Dringlichkeit der Klimakrise angemessenes Ziel. Hier haben die Verantwortlichen im Verband ihren Willen erklärt.

epd: Wie ist die derzeitige Bereitschaft, das auch anzugehen?

Bangert: Die von März bis April 2021 vorgenommene Trägerstrukturbefragung des Deutschen Caritasverbandes hat ergeben, dass bei fast der Hälfte der Träger (46 Prozent) Klimaschutz bereits in den strategischen Zielen verankert ist. Von den circa 1.600 Caritas-Rechtsträgern mit mindestens 50 Mitarbeitenden hatten sich 362 an der Umfrage beteiligt. Das Thema Klimaschutz hat in der Caritas Fuß gefasst hat, es fehlt aber oftmals noch an der systematischen Planung und Umsetzung fehlt. Im vergangenen Jahr hat sich nochmals einiges geändert, viele Träger und Verbände beginnen systematisch und strategisch angelegte Prozesse, so etwa der Malteser Hilfsdienst, der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln oder der Caritasverband Paderborn.

epd: Wo besteht vor Ort der meiste Handlungsbedarf?

Bangert: Bei den Handlungsfeldern für Klimaschutz dominierten die energieeffiziente Gebäudesanierung und die Beschaffung von Energie. Knapp ein Fünftel der Träger gaben an, klimaschutzrelevante Daten zu erfassen. Beauftragte für Klimaschutz hatten allerdings lediglich neun Prozent der Befragten.

epd: Viele Einrichtungen haben mehr oder weniger isolierte Projekte angestoßen, wie etwa den Kauf von E-Autos. Aber muss das nicht alles Stückwerk bleiben, wenn der große Plan, die Systematik eines alle Bereiche umfassenden Handelns fehlt?

Bangert: Vor dem Hintergrund unserer ehrgeizigen verbandlichen Zielsetzung, bis 2030 klimaneutral zu werden, gilt es, das Stückwerk hinter sich zu lassen und Klimaschutz umfassend anzugehen. Diese Weichenstellung ist erfolgt.

epd: Und nun?

Bangert: Jeder Rechtsträger muss im Rahmen einer Bestandsaufnahme die wesentlichen Hebel erfassen und ein Maßnahmenkonzept zur Erreichung der Klimaschutzziele aufsetzen. Die verbandlichen Gliederungen und hier vor allem der Deutsche Caritasverband mit seiner Verbandszentrale, die Diözesan-Caritasverbände und die Fachverbände der Caritas haben dabei eine koordinierende und unterstützende Aufgabe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir ein föderaler Verband mit circa 6.200 selbstständigen Rechtsträgern haben, die in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen auch mit unterschiedlichen Anforderungen an Klimaschutz zu tun haben. Genau hier setzen wir mit unserer im Jahr 2021 gestarteten Klimaschutzinitiative im Verband an.

epd: Was bedeutet das konkret?

Bangert: Wichtige Schritte sind die Aktivierung im Verband, der Aufbau von Kompetenz, die Schaffung von Netzwerken innerhalb des Verbandes, die Beantragung eines Pilotprojektes bei der Nationalen Klimaschutzinitiative zur Entwicklung einer systematischen Herangehensweise, die Vernetzung mit weiteren Akteuren aus der Sozialwirtschaft und der Austausch mit der Politik zur Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen. Eine Arbeitshilfe für die Einführung von Klimaschutzmanagement wurde erstellt und im Verband verbreitet. Das Caritas-Netzwerk wurde aktiviert und involviert und Netzwerkveranstaltungen für die Klimaschutzhandlungsfelder Gebäude, Mobilität, Beschaffung und Solaranlagen fanden bereits statt.

epd: Würden Sie sagen, um wirklich erfolgreich zu sein bei der Klimatransformation braucht es zunächst Expertise, dann einen systematischen Umbau und natürlich auch finanzielle Hilfsprogramme?

Bangert: Alle drei von Ihnen genannten Punkte sind erforderlich. Die klimaneutrale Umgestaltung unseres Wirtschaftens erfordert erhebliche Anstrengungen und finanzielle Mittel auf Ebene der einzelnen Unternehmen und Organisationen sowie auch gesamtgesellschaftlich. Damit diese möglichst wirksam eingesetzt werden können, sind der Aufbau von Kompetenzen im Klimaschutz und die strategischen Weichenstellungen zu Beginn zentral. Wichtig ist aber, dass beim Schnüren eines Maßnahmenpaketes auf Unternehmensebene so schnell wie möglich die großen Hebel für die Einsparung von CO2 angepackt werden. Das sind in der Regel die energieeffiziente Modernisierung von Immobilien, die Umstellung auf regenerative Energien aber je nach Ausgangssituation auch E-Mobilität und die Umstellung der Beschaffung.

epd: Wo steht die Caritas aus Ihrer Sicht? Ist sie weiter als Diakonie, AWO und Co.?

Bangert: Wir fassen die Transformation nicht als Wettbewerb unter den Wohlfahrtsverbänden auf, sondern als Herausforderung, die wir alle möglichst zeitnah, umfassend und in weiten Teilen auch gemeinsam zu gestalten haben. Gegenseitige Unterstützung steht auf der Tagesordnung - und nicht Konkurrenzdenken. Wir sind auf einem guten Weg, aber systematisch betrachtet noch am Anfang. Seit dem Grundsatzbeschluss im Jahr 2020 haben die Aktivitäten in der Caritas deutlich an Fahrt aufgenommen und das Thema Klimaschutz ist im Caritas-Netzwerk angekommen. Wir arbeiten an einem verbandlichen Projekt, um noch mehr Systematik und Breite bei der verbandlichen Umsetzung zu erreichen. Hier sind wir zuversichtlich.

epd: Lassen sich ihre erklärten Ziele wirklich bis zum Jahr 2030 erreichen?

Bangert: Das Ziel ist sportlich, die Herausforderung angesichts der weiter fortschreitenden Klimakrise ist enorm. Das gilt im Übrigen für alle Bereiche der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Sie ist für uns Ansporn, mit großer Kraft daran zu arbeiten.



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