Darmstadt (epd). Erben einer verstorbenen Rentnerin müssen wegen einer zu viel gezahlten Rente nicht beliebig als „Gesamtschuldner“ dafür bei der Rentenversicherung einstehen. Bei der Frage, welcher Erbe wie viel zurückerstatten soll, muss die Rentenversicherung eine vom Einzelfall abhängige Ermessensentscheidung treffen, entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt in einem am 12. Mai veröffentlichten Urteil. Allein die pauschal zur Hälfte vorgenommene Aufteilung der Schuld auf zwei Erben sei nicht erlaubt, befand das Gericht.
Konkret ging es um eine Rentnerin, die wegen eines zu hohen Hinzuverdienstes 5.230 Euro zu viel Rente erhalten hatte. Der Rentenversicherungsträger forderte das Geld zurück. Als die Frau während des Klageverfahrens starb, sollte der Ehemann als Erbe dafür einstehen. Doch auch dieser starb, so dass die gemeinsame Tochter des Paares sowie die Klägerin, die Tochter des verstorbenen Vaters, dafür als Erbinnen und „Gesamtschuldner“ eintreten sollten.
Während die gemeinsame Tochter die Hälfte der überzahlten Rente, insgesamt 2.615 Euro überwies, lehnte es die Klägerin ab, die andere Hälfte zu bezahlen. Sie sei mit der Verstorbenen weder verwandt noch verschwägert. Sie sei allenfalls gesetzliche Erbin in Höhe von einem Viertel des Nachlasses ihres Vaters. Doch auch diesen Teil wolle sie nicht bezahlen. In der Vergangenheit habe ihr Vater ihr auch kein Unterhalt gewährt. Die Rentenversicherung habe von ihr nicht pauschal einfach die Hälfte der überzahlten Rente verlangen dürfen, lautete ihre Argumentation.
Dem stimmte auch das LSG zu. Zwar hafteten Erben regelmäßig als Gesamtschuldner für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten. Dazu gehöre auch die Erstattung einer überzahlten Rente. Welcher Erbe wie viel zahlt, müsse die Rentenversicherung aber in einer „Ermessensentscheidung“ festlegen. Einfach alles pauschal ohne Begründung aufzuteilen, gehe nicht.
„Im Fall der Gesamtschuldnerschaft kann der einzelne Beitragspflichtige (…) nur aufgrund einer Ermessensentscheidung unter Beachtung seiner Freiheitsgrundrechte, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots in Anspruch genommen werden“, betonte das LSG. Erforderlich sei eine „Auswahlentscheidung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls“. Hier habe der Rentenversicherungsträger aber gar keine Ermessensentscheidung getroffen. Gegen das Urteil wurde beim Bundessozialgericht mittlerweile Revision eingelegt.
Az.: L 2 R 411/18