sozial-Recht

Bundesverfassungsgericht

Impfpflicht für Pflegepersonal ist zulässig




Impfspritzen bei einer Impfaktion in Hannover
epd-bild/Harald Koch
Das Bundesverfassungsgericht hat die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht gebilligt. Der Gesetzgeber durfte wegen des Schutzes besonders kranker und pflegebedürftiger Menschen eine gesetzliche Teil-Impfpflicht festlegen, entschied das Gericht am 19. Mai.

Karlsruhe (epd). Dem Beschluss aus Karlsruhe zufolge ist es verfassungsgemäß, dass Pflegepersonal in Krankenhäusern, Pflege- und Altenheimen oder auch ambulanten Einrichtungen den Nachweis einer Covid-19-Impfung oder der Genesung von der Krankheit vorlegen müssen. Die Verfassungsbeschwerde von 54 Betroffenen und Einrichtungen scheiterte. Das Gesetz läuft Ende des Jahres aus.

Im Gesundheits- und Pflegebereich tätige Beschäftigte müssen nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis Ende 2022 weiter eine Covid-19-Impfung oder eine Genesung von der Krankheit nachweisen. Die Nachweispflicht stellt zwar einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit der betroffenen Beschäftigten sowie einen Eingriff in ihre Berufsfreiheit dar, sie ist aber zum Schutz besonders kranker und immungeschwächter Menschen gerechtfertigt und daher mit dem Grundgesetz vereinbar, entschied das Gericht.

Verstoß gegen Berufsfreiheit moniert

Die am 10. Februar 2022 im Eilverfahren geäußerten Bedenken der Verfassungsrichter wegen eines formalen Fehlers im Gesetz hatte der Gesetzgeber zwischenzeitlich ausgeräumt und spielte nun keine Rolle mehr.

Anlass des Rechtsstreits ist die im Dezember 2021 beschlossene und seit 15. März 2022 geltende Pflicht, dass medizinisches und pflegerisches Personal zum Schutz von Pflegebedürftigen und Kranken eine Impfung gegen das Sars-CoV-2-Virus nachweisen müssen. Ein Nachweis über eine Genesung von Covid 19 oder ein ärztliches Attest, dass man sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann, ist ebenfalls möglich.

Liegt solch ein Nachweis nicht vor, muss der Arbeitgeber das Gesundheitsamt informieren, das dann ein Betretungs- oder auch Tätigkeitsverbot verfügen kann. Für Personen, die erst ab dem 16. März in den Gesundheitseinrichtungen tätig sein wollen, gilt seither ohne einen Impf- oder Genesenen-Nachweis ein Beschäftigungsverbot. Die gesetzliche Nachweispflicht läuft Ende 2022 wieder aus.

An den Regelungen wurde zahlreich Kritik geäußert. Das betroffene Pflegepersonal sah sein Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt, da es - um weiter arbeiten zu können - mit der Nachweispflicht faktisch gezwungen werde, sich impfen zu lassen. Pflege- und Gesundheitseinrichtungen befürchteten, dass die Nachweispflicht zu weiteren Personalengpässen führen könnte, wenn Beschäftigte sich beharrlich einer Impfung verweigern und nicht mehr tätig werden dürfen. Die im Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit von Personal und Einrichtungen werde verletzt.

Karlsruhe hat keine Bedenken

Das Bundesverfassungsgericht hielt die Nachweispflicht einer Covid-19-Impfung oder einer Genesung mit dem Grundgesetz für vereinbar. Zwar liege ein mittelbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten vor, da von ihnen letztlich eine Impfung verlangt werde. Die Nachweispflicht einer Impfung oder Genesung sei „zum Schutz vulnerabler Menschen“ aber erforderlich. Die grundrechtlich geschützten Interessen von Einrichtungen und Pflegepersonal müssten hier zurücktreten.

Denn gerade immungeschwächte und alte Menschen könnten sich vielfach „weder selbst durch eine Impfung wirksam schützen noch den Kontakt zu den im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Personen vermeiden“. Im Fall einer Ansteckung hätten diese Menschen ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlauf. Sei eine Impfung möglich, würden diese Menschen häufig weniger gut darauf ansprechen. Der Gesetzgeber durfte daher auch angesichts der schwer vorhersehbaren Infektionsdynamik davon ausgehen, dass eine „besondere Gefahrenlage“ bestehe. Er habe in solch einem Fall einen weiten Einschätzungsspielraum. Neue Entwicklungen, die die Annahmen des Gesetzgebers erschüttern, lägen nicht vor.

Einschränkungen seien hinzunehmen

Für die betroffenen Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich seien die Auswirkungen einer Impfung und dem damit verbundenen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit und in ihr Selbstbestimmungsrecht hinzunehmen. Schwerwiegende Impfnebenwirkungen oder gravierende Folgen seien sehr selten und würden zudem fortlaufend vom Paul-Ehrlich-Institut und der Ständigen Impfkommission beobachtet.

Auch der mit der Nachweispflicht verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit sei wegen der „Schutzbedürftigkeit vulnerabler Personen“ gerechtfertigt, so das Bundesverfassungsgericht. Das besonders betroffene Personal in Heil- und Pflegeberufen stehe regelmäßig in engem Kontakt zu den Kranken und Pflegebedürftigen. Deren Ansteckungsrisiko würde „ungleich steigen“, wenn kein Nachweis einer Covid-19-Impfung oder Genesung verlangt werde. Zwar könne auch Verwaltungs-, Reinigungs- und Küchenpersonal einer Einrichtung von der Nachweispflicht betroffen sein. Lehnten diese den Nachweis ab, könnten sie ihre berufliche Tätigkeit nach einem Arbeitsplatzwechsel aber weiter ausüben.

Az.: 1 BvR 2649/21

Frank Leth