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Kinder

"Meine Eltern sind nicht begeistert vom Berufswunsch Erzieher"




Simon Jaehn
epd-bild/Stefanie Unbehauen
Der Erzieher Simon Jaehn sieht, dass viele Kinder ohne Vater aufwachsen und teilweise von der Geburt bis zur Grundschule keine männlichen Vorbilder haben. Auch deshalb hält er es für notwendig, mehr Jungs für den Beruf des Erziehers zu begeistern.

Nürnberg (epd). Simon Jaehn hat 2017 eine vierjährige Ausbildung als Erzieher begonnen. Dabei sind ihm viele Vorurteile begegnet. Stefanie Unbehauen hat mit ihm über seine Sonderstellung als Mann in einer weiblichen Domäne gesprochen.

epd sozial: Simon, du bist seit Mitte letzten Jahres mit deiner Ausbildung fertig. Mit welchen Vorurteilen hattest du während deiner Lehre zu kämpfen und wenn ja. Von wem kamen diese?

Simon Jaehn: Aus meinem Freundeskreis kamen direkt die klassischen Klischees von wegen „Frauenberuf“ oder „unmännlich“. Auch meine Eltern waren zunächst wenig begeistert von meinem Berufswunsch. Dann kommt noch hinzu, dass die Ausbildung in Baden-Württemberg, wo ich von Rheinland-Pfalz aus jeden Tag hin gependelt bin, vier Jahre dauert, drei davon unbezahlt. In anderen Bundesländern sind es sogar fünf. Das schreckt viele Jungs natürlich ab. Von 27 Schülern waren sieben männlich, doch nur drei haben letztendlich ihren Abschluss gemacht.

epd: Gibt es spezielle negative Erinnerungen?

Jaehn: Ich erinnere mich noch an eine Situation, da hat das Kind gerade das Wort „Mann“ gelernt und es deswegen immer wieder gesagt. „Mann, Mann, Mann.“ Die Eltern zogen daraus leider die falschen Schlüsse und dachten, es wolle ihnen damit etwas sagen. Sie forderten daher, dass kein Mann mehr die Schlafwache machen dürfe. Bei der Schlafwache ist es eben dunkel, die Kinder ruhen und ein Erzieher ist mit im Raum und passt auf. Ich kann schon verstehen, dass sich da manche Elternteile Sorgen machen. Wir Männer haben auch ein Wickelverbot, dürfen also die kleinen Kinder nicht wickeln. Das wird dann von unseren weiblichen Kolleginnen übernommen. Dieses Verbot ist aber auch zu unserem eigenen Schutz da, damit uns eben nichts angedichtet werden kann.

epd: Erschweren dir die Vorurteile die Arbeit? Und wie reagieren die Kinder auf dich?

Jaehn: Ja, sehr. Man kann sich leider nicht zu 100 Prozent auf seine Arbeit konzentrieren. Ich tat mich zum Beispiel immer schwer mit Körperkontakt, obwohl die kleinen Kinder das ja gerade in dem Alter besonders brauchen. Außerdem hat man immer im Hinterkopf, was die Eltern denken könnten. Wenn ich mit der Schlafwache dran war und einem Kind ist die Decke runtergefallen, habe ich mich immer sehr beeilt, sie ihm schnell wieder über den Körper zu legen und wegzugehen. Ich hatte immer den Gedanken: „Was, wenn genau jetzt jemand hereinkommt und sieht, wie ich über das Kind gebeugt dastehe?“ Es ist schade, dass so viele Eltern denken, Männer würden mit Hintergedanken diesen Beruf ergreifen, damit sie einfacher an Kinder herankämen. Wir werden hochgradig diskriminiert. Die meisten Vorurteile kommen aber immer noch von den Eltern. Bei den Kindern sind wir männlichen Erzieher besonders beliebt, wahrscheinlich weil wir in ihren Augen etwas Besonderes sind. Kinder kennen keine Vorurteile.

epd: Du bist Mitglied bei den Jusos. Inwiefern siehst du die Politik hier in der Pflicht und wie bringst du dich selbst dafür ein?

Jaehn: Also ich bin sowohl bei der Bildungsgewerkschaft GEW als auch bei den Jusos, habe aber kein Amt inne. Ich sehe das schon als Aufgabe der Arbeiterparteien, mehr Jungs für dieses Berufsfeld zu begeistern. 2010 gab es das Programm „Männer in die Kitas“, es war aber nicht so erfolgreich. Da müssen einfach weitere Pilotprojekte und Aktionen folgen. Aber in erster Linie sehe ich die Kindergartenleitung in der Pflicht, sich hinter ihre männlichen Erzieher zu stellen und standhaft zu bleiben. Gerade in Großstädten, ich wohne mittlerweile in Nürnberg, wachsen viele Kinder ohne Vater auf und haben von der Geburt bis zur Grundschule keine männlichen Vorbilder. Umso wichtiger ist es, dass wir mehr Jungs für diesen tollen Beruf begeistern. Die Gesellschaft entwickelt sich weiter, aber zu langsam. Es herrscht Personalmangel, wir können nicht auf ein Geschlecht verzichten. Kürzlich hat eine Erzieherin zu mir gesagt: „Die meisten Eltern wünschen sich mehr männliche Erzieher - nur bitte nicht für die eigenen Kinder“. Diesen Eindruck teile ich.



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