sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

wenn am 26. September der neue Bundestag gewählt wird, werden damit auch die Weichen für die künftige Sozialpolitik gestellt. Mittelbar zumindest, denn Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen weichen ja oft erheblich von dem ab, was die beteiligten Parteien zuvor den Wählern versprochen haben. epd sozial nimmt in den kommenden Wochen ausgewählte Aspekte möglicher künftiger Reformen in den Blick - den Auftakt macht das zähe und noch erfolglose Ringen um eine Kindergrundsicherung. Warum viele Sozialverbände sie für unumgänglich halten, lesen Sie in einer Analyse. Heinz Hilgers, Chef des Kinderschutzbundes und Mitgründer des Bündnisses Kindergrundsicherung, äußert sich im Interview.

Viele Anbieter ambulanter Pflegedienste ringen nicht nur mit den Folgen von Corona. Auch fehlt es an Personal, die Bezahlung der Fachkräfte gilt oft als schlecht und sie müssen sich immer wieder des Vorwurfes erwehren, nur Pflege mit der Stechuhr bieten zu können. Doch das muss offenbar nicht so sein: Der Pflegedienstanbieter Buurtzorg, bewährt in den Niederlanden, verspricht zufriedene Kunden und glückliche Mitarbeiter - und will dem Gesundheitssystem langfristig auch noch Kosten ersparen. epd sozial hat sich angeschaut, wie das funktioniert.

Dass viele Experten beim Anwerben von mehr Fachpersonal für die Pflege zuerst auf die Lohnhöhe schauen, hält Joachim Görtz, Leiter der Landesgeschäftsstelle des bpa Bayern, für falsch. In seinem Gastbeitrag erläutert er, worauf es wirklich ankommt: gesunde Arbeitsplätze. Denn sie seien die Grundlage dafür, dass das Personal langfristig im Job bleibt.

Als die Corona-Pandemie für geschlossene Werkstätten sorgte und Wohngruppen nur eingeschränkt arbeiten konnten, war kreative Hilfe nötig. Die Berliner Donnersmarck-Stiftung hat schnell gehandelt, wie Christian Kägel, Kaufmännischer Leiter, und Sebastian Weinert, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, im Interview mit epd sozial berichten. Ohne „intensive interne Kommunikation“ gehe in so einer Krise nichts. Das sei eine „wichtige Aufgaben für uns und andere Träger der Behindertenhilfe, die auch in Zukunft unsere Arbeit prägen werden“, sind die Führungskräfte überzeugt.

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Dirk Baas




sozial-Politik

Armut

Kindergrundsicherung: Hoffnung auf radikalen Systemwechsel




Alleinerziehende gehören zu den Gruppen mit dem höchsten Armutsrisiko in Deutschland.
epd-bild/Maike Glöckner
Seit 2009 kämpfen die Sozialverbände für die Grundsicherung. Ihr Ziel: die Kinderarmut überwinden. Ohne Erfolg. Jetzt hoffen sie erneut auf Einsicht in der künftigen Bundesregierung. Mehrere Wahlprogramme der Parteien seien "anschlussfähig", heißt es vorsichtig optimistisch.

Frankfurt am Main (epd). Das Ambiente ist festlich. Strahlende Gesichter. 15 Frauen und Männer haben sich im April 2019 um einen Tisch mit einer gigantischen, rechteckigen Jubiläumstorte versammelt. Darauf der Schriftzug aus buntem Zuckerguss: „Grundsicherung für Kinder. Jetzt!“ Gefeiert wird der zehnte Jahrestag der Gründung des Bündnisses Kindergrundsicherung. Ein fast makabrer Anlass: Denn trotz ungezählter Appelle, Aktionstage und vorgelegten Studien gibt es die Kindergrundsicherung nicht. Doch inzwischen finden sich erste Pläne dazu in den Programmen mehrerer Parteien zur Bundestagswahl.

Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, redet zwei weitere Jahre später nicht um den heißen Brei herum: „Leider sind wir immer noch nicht am Ziel. Und das ist nicht nur für mich sehr enttäuschend“, sagte Hilgers, der das Bündnis 2009 mitgegründet hat, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe das Problem 2017 zwar benannt, es aber nicht gelöst: „Es wurden lediglich einige kleine Verbesserungen beim Kinderzuschlag beschlossen.“ Doch das seien Tippelschritte. Damit lasse sich das Problem nicht lösen, betonte Hilgers.

Paritätischer: Einkommensarmut steigt

Gestützt wird diese Kritik durch eine Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die die Entwicklung der Kinderarmut in Deutschland über einen Zehn-Jahres-Zeitraum untersucht. Während weniger Kinder und Jugendliche Hartz IV-Leistungen bekommen, ist die Einkommensarmut gestiegen, lautet ein zentraler Befund. "Jüngere Reformen bei Leistungen wie Kinderzuschlag und Unterhaltsvorschuss holen zwar verstärkt Familien mit Kindern aus dem SGB-II-Bezug, aber sind nicht armutsfest”, erläutert der Autor der Studie, Andreas Aust.

Bei der Analyse der Einkommensarmut zeige sich klar: Sowohl die Anzahl als auch die Quote der Kinder und Jugendlichen in Einkommensarmut nimmt deutlich zu. „Lag die Anzahl 2010 noch deutlich unter 2,5 Millionen, so stieg sie bis 2019 auf fast 2,8 Millionen - ein Zuwachs von mehr als 250.000. Die Armutsquote stieg in dem betrachteten Zeitraum um mehr als zwei Prozentpunkte von 18,2 Prozent auf 20,5 Prozent“, heißt es in der Untersuchung.

Der Blick in die Programme der Parteien für die Bundestagswahl am 27. September nährt bei Heinz Hilgers ein Fünkchen Hoffnung, dass sich angesichts dieser alarmierenden Zahlen künftig etwas tut im Kampf gegen die Kinderarmut. Er entdecke „sowohl bei den Grünen als auch bei der SPD und den Linken anschlussfähige Vorhaben“, mit denen die Kinderarmut eingedämmt werden soll. Würden diese über eine Koalition verhandeln, dann könnte da ein vernünftiges Konzept bei rauskommen: „Da wäre zumindest eine gewisse Nähe zu unserem Vorhaben erkennbar.“

Maximal 695 Euro je Kind im Monat

Das Bündnis wirbt für eine Grundsicherung für alle Kinder in Höhe von 330 bis 695 Euro monatlich, je nach der Höhe des Einkommens der Eltern. Damit werde der grundlegende Bedarf, den Kinder für ihre Entwicklung und für Teilhabe benötigen und den das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, gedeckt.

Auch die Arbeiterwohlfahrt wirbt für radikale Reformen. Denn heute stünden die existenzsichernde Leistungen wie Kindergeld, Kinder-Regelsatz, Kinderzuschlag und Kinderfreibetrag sowie die Pauschalen des Bildungs- und Teilhabepaketes nebeneinander. „So laufen viele Leistungsansprüche ins Leere“, sagt Vorstandsvorsitzender Jens M. Schubert: Zwar sehe man, „dass die Kindergrundsicherung in den Wahlprogrammen angekommen ist. Die Ideen reichen aber unterschiedlich weit und nicht alle können überzeugen.“ Deshalb sagt er: „Die Kindergrundsicherung gehört verbindlich in den nächsten Koalitionsvertrag.“

Das sieht auch der Deutsche Städtetag so. Es müsse endlich gelingen, Kinderarmut zu überwinden, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Etwa jedes fünfte Kind lebe in Familien mit Armutsrisiko und sei von sozialen Transferleistungen abhängig: „Für gleiche Chancen von allen Kindern und Jugendlichen reicht es eben nicht, das bloße Existenzminimum zu sichern.“

Städtetag: Leistung aus einer Hand einführen

Konkret schlägt der Städtetag eine Kindergrundsicherung „aus einer Hand” als Bundesleistung vor. Sie soll Kindergeld, Kinderzuschlag sowie ALG-II- und Sozialhilfe-Leistungen zusammenfassen. “So könnten aufwändige Doppelstrukturen aufgelöst und die Verwaltungen entlastet werden", sagt Dedy.

Dass ein solcher Systemwechsel aber kommt, ist alles andere als ausgemacht. Auch, weil keine der wahlkämpfenden Parteien eine so weitgehende Grundsicherung, wie sie das Bündnis fordert, in ihre Programme geschrieben hat. Dazu kommt: Koalitionsbildung, nach heutigem Stand mit drei Parteien, geht nur über Kompromisse. Und so könnte die Grundsicherung in den Mühlen zäher Verhandlungen zerrieben werden.

SPD, Linke und Grüne wollen im Falle einer Regierungsbildung Sicherungssysteme einführen, denen man irgendwie das Etikett Grundsicherung aufkleben kann. Die Grünen werben für eine „einfache und gerechte“ Kinder- und Familienförderung. Konkret sollen Kindergeld, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe in einer neuen, eigenständigen Leistung zusammengefasst werden: Jedes Kind bekäme demnach einen festen Garantiebetrag. Zudem soll das Kindergeld auf einheitlich 290 Euro im Monat steigen.

SPD will existenzsicherndes Kindergeld

Die SPD hat ein „existenzsicherndes, automatisch ausgezahltes Kindergeld“, das nach Einkommen der Eltern gestaffelt ist, in ihr Programm geschrieben, dessen „Basisbetrag“ bei 250 Euro liegen soll. Der Höchstbetrag könne aber mindestens doppelt so hoch sein. Das ist quasi der Sockel, auf den weitere Hilfen aufgesetzt werden, etwa bundesweit beitragsfreie Kitas, Ganztagsbetreuung für Schulkinder oder freie Fahrt in Bussen und Bahnen: „Das neue Kindergeld ersetzt den Kinderfreibetrag und bündelt bisherige Leistungen“, so die Sozialdemokraten.

Auch die Linkspartei hält eine „armutsfeste Kindergrundsicherung“ für nötig - einkommensabhängig bis maximal 630 Euro je Kind und Monat. Erster Schritt: Die Erhöhung des Kindergeldes für alle Kinder auf 328 Euro monatlich - unabhängig vom Einkommen der Eltern. Dazu kommen freie Fahrt im ÖPNV und der - möglichst gebührenfreie - Ausbau von Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, Musikschulen und Bibliotheken. Tatsächliche Unterkunftskosten für Kinder sowie einmaliger und besonderer Bedarf von Familien sollen ebenfalls staatlich finanziert werden. „Die Kindergrundsicherung ist eine Leistung ausschließlich für das Kind. Sie wird weder beim Bezug von Sozialleistungen noch innerhalb des Steuerrechts als Einkommen der Eltern oder anderer Haushaltsangehöriger angerechnet“, heißt es im Wahlprogramm.

FDP für „Kinderchancengeld“

Die FDP plädiert für ein „Kinderchancengeld“, für das Kindergeld, der Kinderzuschlag und das Bildungs- und Teilhabepaket zusammengefasst werden sollen. Die CDU/CSU hält nichts von einer Grundsicherung, die nicht gegen die Ursachen von Kinderarmut wirke. „Der beste Schutz gegen Kinderarmut ist ohnehin ein regelmäßiges und gutes Arbeitseinkommen der Eltern“, so die Union. Daher setzten sich CDU und CSU für gute Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein.

Im Wahlprogramm der AfD findet sich der Begriff „Kinderarmut“ nicht. Sie wirbt für eine Anhebung des Kinderfreibetrages und die „volle steuerliche Absetzbarkeit von kinderbezogenen Ausgaben und eine Absenkung der Mehrwertsteuer für Artikel des Kinderbedarfs auf den reduzierten Satz“. Und weiter: „Das Kindergeld soll beibehalten, Missbrauchsmöglichkeiten müssen aber unterbunden werden. So ist zum Beispiel für im Ausland lebende Kinder nur der dort übliche Betrag zu zahlen.“

Marion von zur Gathen, Leiterin der Abteilung Soziale Arbeit beim Paritätischen Bundesverband, bleibt skeptisch. Nicht die Wahlprogramme seien entscheidend, sagte sie dem epd. „Wichtiger ist das, was letztendlich im Koalitionsvertrag steht und dann auch umgesetzt wird.“ Auch die jetzt endende Legislaturperiode habe keinen Durchbruch gebracht, sagte die Expertin. „Der Bundesregierung fehlte es am politischen Willen, Kinderarmut konsequent zu beseitigen.“

Und so hofft auch von zur Gathen auf den sozialpolitischen Systemwechsel, denn dadurch verändere sich die Sicht auf Familien. „Sie brauchen kein Misstrauen, sondern Respekt und Wertschätzung sowie das Vertrauen zum Wohle ihrer Kinder zu handeln.“

Dirk Baas


Armut

Interview

Verbandspräsident: Systemfehler bei Familienleistungen beseitigen




Heinz Hilgers
epd-bild/DKSB
Wenn die Leistungen des Staates für Familien nicht komplett anders berechnet und ausgezahlt werden, lässt sich nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, Kinderarmut nicht überwinden. Seit über zwölf Jahren ringt er gemeinsam mit seinen Mitstreitern im Bündnis Kindergrundsicherung um eine grundlegende Reform der Familienleistungen. Noch immer ohne Erfolg, wie er im Interview mit epd sozial bekennt.

Frankfurt a.M. (epd). Weil Armut vererbt werde, kämen viele Kinder aus ihrem Milieu nicht heraus, so Hilgers. Deutschland müsse endlich umsteuern, denn dass es rund drei Millionen Kinder in Armut gebe, sei beschämend. Das derzeitige Sozialsystem „ist voller Widersprüche“, so der Präsident. Es gebe eine große Diskrepanz zwischen dem steuerrechtlichen und dem sozialrechtlichen Existenzminimum. „Das ist die Crux, die man überwinden muss.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Seit Jahren wird hierzulande über die Kindergrundsicherung diskutiert, liegen durchgerechnete Konzepte auf dem Tisch. Warum geht es nicht wirklich voran oder sehen Sie schon Fortschritte in der Debatte?

Heinz Hilgers: Nein, die gibt es nicht. Das muss man klar sagen. Denn die Kindergrundsicherung ist ja der Vorschlag für einen grundlegenden Systemwechsel im Kampf gegen Kinderarmut. Dazu ist die Politik bislang nicht willens gewesen. Sie hat an ein paar Stellschrauben innerhalb des bestehenden Systems gedreht, und das war es. Das ist auch deswegen verheerend, weil die Kinderarmut in den zurückliegenden Jahren ständig gestiegen ist. Das gilt übrigens auch für die Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit gesunken ist.

epd: Das Bündnis Kindergrundsicherung, das Sie vor zwölf Jahren mitgegründet haben, ist noch immer nicht am Ziel ...

Hilgers: Ja, leider. Und das ist nicht nur für mich sehr enttäuschend. Auch, weil Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Problem 2017 zwar benannt, es aber nicht gelöst hat. Es wurden lediglich einige kleine Verbesserungen beim Kinderzuschlag beschlossen. Aber, und da sieht man, wie die Politik das Problem letztlich einordnet: Die Kosten dafür durften eine Milliarde Euro innerhalb von vier Jahren nicht überschreiten. So kann man Kinderarmut nicht mal im Ansatz beseitigen. Das ist und bleibt eine Mammutaufgabe, denn aktuell gelten rund drei Millionen Kinder hierzulande als arm.

epd: Was sind die Hintergründe dieses Stillstandes?

Hilgers: Das ist eine Haltungsfrage. Die Bundesregierungen der vergangenen Jahre haben nicht verstanden, dass die Kinder ihre Armut nicht selbst gewählt haben. Weder politisch noch persönlich. Sie werden hineingeboren in ein bestimmtes Milieu, aus dem sie sich nur ganz selten befreien können. Viele Studien weisen nach, dass Armut vererbt wird. Kinder aus armen Familien bleiben in diesem System gefangen. Sie kommen da einfach nicht raus. Auch, und das ist besonders schlimm, weil die Sozialsysteme so angelegt sind. Dazu kommt die hohe Dunkelziffer Betroffener. Millionen Berechtigte stellen keine Anträge auf staatliche Leistungen.

epd: Und das hat Folgen ...

Hilgers: Sicher. Denn das sind ja keine Einzelfälle. Wir gehen davon aus, dass bis zu 65 Prozent der Berechtigten keinen Kinderzuschlag beantragen und nur bis zu 50 Prozent Aufstockerleistungen beziehen. Auch wenn die das natürlich nicht wollen, verfälschen sie die Statistiken und damit die Berechnungen des nötigen Existenzminimums. Auch deshalb sagen wir: Es muss zunächst eine seriöse und transparente Neuberechnung des sogenannten soziokulturellen Existenzminimums für Kinder geben.

epd: Der Staat wird da nicht ranwollen ..

Hilgers: Vermutlich. Deshalb fordert unser Bündnis ja auch, eine unabhängige Expertenkommission auf Bundesebene einzusetzen, die diese Berechnungen anstellt. Da sollten Wissenschaftlerinnen, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie Gewerkschaften und Vertreter von Kinderorganisationen drin sitzen.

epd: Es gibt über ein Dutzend Studien aus dem zurückliegenden Jahrzehnt zum Thema Kinderarmut. Die Daten, wie viel Geld pro Kind und Monat gebraucht würde, um aus der Armut zu kommen, schwanken aber deutlich. Wie ist das zu erklären?

Hilgers: Das ist in der Tat ein schwieriges Feld. Natürlich gilt zunächst mal die fragwürdige Messlatte des Staates, der, etwa bei Hartz IV, festlegt, was im Regelsatz drin ist. Schon das ist in vielen Posten viel zu wenig. Wie wollen Sie für sieben Euro im Monat die komplette Säuglingspflege hinkriegen? Wer so etwas festlegt, hat noch nie in seinem Leben Windeln gekauft. Oder vier Euro täglich für die Ernährung eines 13-Jährigen. Das ist völlig weltfern. Dann hat die EU eine andere Festlegung der Armutsgrenze. Das Existenzminimum, das der Staat festsetzt, ist der Fixpunkt, den auch viele Forscher im Blick haben, die aber nicht nur unterschiedliche Daten haben und auswerten, sondern auch unterschiedliche Ansichten haben, wieviel Geld nötig ist, um Kinderarmut zu überwinden. In der Öffentlichkeit ist das oft schwer zu vermitteln, aber so funktioniert Forschung.

epd: Das Bündnis Kindergrundsicherung hat eigene Forderungen vorgelegt. Wie sehen die aus und wie lassen sie sich begründen?

Hilgers: Wir wollen als Zusammenschluss von 16 großen Verbänden alle Kinder mit einer Grundsicherung in Höhe von 695 Euro bis 330 Euro monatlich absichern, je nach der Höhe des Einkommens der Eltern. Damit wird der grundlegende Bedarf, den Kinder für ihre Entwicklung und für Teilhabe benötigen und den das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, gedeckt. Je höher das Einkommen, desto geringer fällt die Zahlung aus. Wir fordern das Niveau als Hilfen zu gewähren, das man im Steuerrecht anwendet, und zwar so lange, bis die staatliche Neuberechnung des Existenzminimums vorliegt und entsprechende Regelungen dann vom Bundestag beschlossen sind.

epd: Der Hinweis auf die Diskrepanz zum Steuerrecht ist interessant. Das sollten Sie noch mal erläutern.

Hilgers: Das heutige Sozialsystem ist voller Widersprüche ist. Der Staat stellt diejenigen Eltern mit Blick auf die Förderung ihrer Kinder besser, die viel verdienen. Das ist im Steuerrecht so geregelt. Im Gegensatz dazu gibt es viel weniger Geld für Familien mit kleinem Einkommen oder Erwerbslose, die auf staatliche Transfers wie das Kindergeld oder das Sozialgeld angewiesen sind. Das ist die Crux, die wir überwinden müssen. Denn alle Kinder sollten in gleichem Maße gefördert werden. Das steuerrechtliche Existenzminimum liegt bei knapp 700 Euro und damit deutlich höher als das sozialrechtliche Existenzminimum. Hier liegt ein Systemfehler. Deutschland ist das einzige Land, das denen, die viel Geld haben, am meisten für ihre Kinder gibt. Das tut niemand sonst auf der Welt.

epd: Warum braucht es so dringend diese Systemwechsel?

Hilgers: Wir haben zwei Millionen Kinder, die bei Personen leben, die erwerbstätig sind. Und trotzdem sind sie arm. Und warum? Nur weil sie Kinder haben. Mit jedem Kind steigt das Existenzminimum der Eltern. Die werden dann zu Hartz-IV-Aufstockern, weil ihr Verdienst etwa als Erzieherin oder Pflegekraft in Ballungsräumen mit hohen Mieten schlicht nicht ausreicht. Wären sie kinderlos, würde ihnen ihr Verdienst reichen und es wäre sogar ein Urlaub drin. Es ist auch Unsinn zu sagen, das müsse der Arbeitsmarkt regeln, Stichwort Mindestlohn. Es zahlt kein Unternehmen einen höheren Lohn, nur weil die Mitarbeiter Kinder haben. Das ist allein die Aufgabe eines gerechten Familienleistungsausgleichs. Das lässt sich nur durch einen kompletten Umbau erreichen, der zu einer einfachen automatischen Auszahlung der Hilfen führt. Aber das geschieht nicht.

epd: Reden wir über die Bundestagswahl, die Parteiprogramme und die Aufgaben einer künftigen Regierung. Wird sich etwas tun in Sachen Grundsicherung?

Hilgers: Ich hoffe es. Wenn man die Programme bewertet, dann sieht man sowohl bei den Grünen als auch bei der SPD und den Linken anschlussfähige Vorhaben, mit denen die Kinderarmut eingedämmt werden soll. Würden die über eine Koalition verhandeln, dann könnte da ein vernünftiges Konzept bei rauskommen. Da wäre zumindest eine gewisse Nähe zu unserem Vorhaben erkennbar. Bei der FDP ist immerhin im Wahlprogramm zu erkennen, dass sie das Problem erkannt hat. Aber das, was die Liberalen vorschlagen, nämlich ein „Kinderchancengeld“, ist von dem großen Misstrauen gegenüber den Eltern geprägt, dass die Geld, das man ihnen für die Kinder gibt, zweckentfremden. Dabei gibt es keine einzige seriöse Studie die das belegt. Hier scheint wieder eine Haltung bis in die höchste Politik hinein durch, die zutiefst menschenfeindlich ist. Man gibt prinzipiell den Betroffenen die Schuld an ihrer eigenen Armut. Die werden als Schmarotzer gesehen.

epd: Sie fordern wegen der hohen Dunkelziffer an Personen, die ein Recht auf staatliche Hilfen haben, sie aber nicht nutzen, eine automatische Auszahlung der Gelder. Gibt es da ebenfalls Anknüpfungspunkte in den Wahlprogrammen?

Hilgers: Bis jetzt hatte die SPD damit so ihre Schwierigkeiten. Vielleicht zieht sie ja Lehren aus der automatischen Auszahlung der Mindestrente. Bei den Grünen findet sich dieser Vorschlag. Das ist gut, denn so lässt sich die Dunkelziffer ein für allemal beseitigen.

Internet: Informationen des Bündnisses: http://www.kinderarmut-hat-folgen.de/



Armut

Expertin: Grundsicherung führt zu neuem Blick auf Familien



Frankfurt a.M. (epd). Der Bundesregierung fehlt es nach Ansicht des Paritätischen Gesamtverbandes am politischen Willen, Kinderarmut konsequent zu beseitigen. Deshalb kämen nachhaltige Lösungen wie die Kindergrundsicherung nicht auf dem Weg, sagte Marion von zur Gathen, Leiterin der Abteilung Soziale Arbeit, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine solche Reform „verlangt eine komplette Neuausrichtung in der Unterstützung und Förderung von Kindern und deren Familien“. Gefordert werden Beträge je nach Einkommen der Eltern von bis zu 695 Euro pro Kind im Monat.

Eine solcher sozialpolitischer Systemwechsel sei aber auch deshalb geboten, weil sich dadurch „die Sicht auf Familien verändert. Sie brauchen kein Misstrauen, sondern Respekt und Wertschätzung sowie das Vertrauen zum Wohle ihrer Kinder zu handeln“, sagte die Expertin.

Debatte reicht zurück bis ins Jahr 1998

Sie erinnerte daran, dass ihr Verband den Begriff einer bedarfsorientierten „Kindergrundsicherung“ schon 1998 in die politische Debatte eingeführt habe. 2009 sei dann das Bündnis Kindergrundsicherung entstanden, dem auch ihr Verband angehöre. Doch sei es dem Bündnis bis heute nicht gelungen sei, Politikerinnen und Politiker in Bund und Ländern zu von den Vorzügen einer solchen Reform zu überzeugen. Mittlerweile gehörten der Initiative vierzehn Verbände und Organisationen sowie dreizehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an.

Zwar gebe es in den Programmen einzelner Parteien zur Bundestagswahl Ansätze, die in die richtige Richtung gingen, sagte von zur Gathen. „Wichtiger als die Wahlprogramme ist das, was letztendlich im Koalitionsvertrag steht und dann auch umgesetzt wird.“ Die Zeit sei reif für eine Neuorientierung in der monetären Förderung und Unterstützung von Familien. „Deutschland darf es nicht länger hinnehmen, dass in unserem reichen Land Kinder in Armut aufwachsen“, sagte die Expertin.



Arbeit

Studie: 20.000 weitere Fachkräfte pro Jahr durch Ausbildungsgarantie




Auch dem Steinbildhauergewerbe fehlt der Nachwuchs.
epd-bild/Jens Schulze
Fast 80.000 junge Menschen sollen in Deutschland ohne Ausbildungsplatz sein. Eine Ausbildungsgarantie wie in Österreich könnte laut der Bertelsmann Stiftung nicht nur mehr Fachkräfte bringen, sondern auch das Bruttoinlandsprodukt steigern.

Gütersloh, Berlin (epd). Eine Ausbildungsgarantie für Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben, könnte laut einer aktuellen Studie in Deutschland bis zu 20.000 zusätzliche Fachkräfte pro Jahr bringen. Diese Berechnung basiere auf der Annahme, dass von den 78.000 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz in Deutschland etwa 40 Prozent die Ausbildungsgarantie nutzen und zwei Drittel von ihnen auch zu einem erfolgreichen Abschluss kommen, erklärte die Bertelsmann Stiftung in einer am 12. August in Gütersloh veröffentlichten Studie. Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte die künftige Bundesregierung auf, eine solche Ausbildungsgarantie auf die Agenda zu nehmen.

In Österreich gibt es bereits seit 2008 eine Ausbildungsgarantie, wie die Stiftung erläuterte. Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben, bekommen den Angaben zufolge dort das Angebot einer überbetrieblichen Ausbildung. Die Jugendlichen wechselten entweder nach einem Jahr in eine reguläre Ausbildungsstelle in der Wirtschaft oder sie erhielten am Ende der überbetrieblichen Ausbildung einen vollwertigen Abschluss. In Deutschland sind laut Berufsbildungsbericht des Bundesbildungsministeriums zuletzt rund 78.000 junge Menschen ohne einen Ausbildungsplatz geblieben.

Höherer Bildungsstand und steigende Produktivität

Werde eine Ausbildungsgarantie umgesetzt, führe dies zu einem höheren Bildungsstand und damit zu einer höheren Produktivität, erklärte die Bertelsmann Stiftung. Bei 20.000 zusätzlichen Absolventen steige das Bruttoinlandsprodukt nach zehn Jahren bereits um 2,6 Milliarden Euro pro Jahr. Nach 20 Jahren würden sich mehr als acht Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich ergeben.

Die Kosten einer Ausbildungsgarantie für die öffentlichen Haushalte werden von der Studie mit rund 1,44 Milliarden Euro pro Jahr beziffert: Das seien 72.000 Euro pro Absolvent. Zugleich stiegen die staatlichen Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, sodass sich die Investition aus staatlicher Sicht bereits ab dem neunten Jahr auszahlten. Die Arbeitslosenquote würde demnach langfristig um 0,26 Prozentpunkte sinken. Die effektive Beschäftigung würde um 0,69 Prozent steigen.

Wirksames Mittel gegen Fachkräftemangel

„Die Ausbildungsgarantie ist das Gebot der Stunde“, erklärte das Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger., Die Zahl der Ausbildungsplätze gehe drastisch zurück und der Fachkräftebedarf sei drängender denn je.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte: „ Die Ausbildungsgarantie muss ein Top-Punkt im 100 Tage-Programm der nächsten Bundesregierung sein.“ Die jungen Menschen benötigten verlässliche Ausbildungsperspektiven, die Wirtschaft brauche Fachkräfte, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Die Ausbildungsgarantie sei das richtige Instrument, um den Ausbildungsmarkt zu stabilisieren. „Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, mehr als zwei Millionen junge Menschen ohne Ausbildung zu lassen“, mahnte er.

„Wir brauchen dringend eine Ausbildungsgarantie“, erklärte auch der der DGB in Nordrhein-Westfalen. Gerade in NRW gebe es dringenden Handlungsbedarf, sagte die Vorsitzende Anja Weber. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung halte NRW gemeinsam mit Bremen „die rote Laterne beim Anteil der jungen Menschen ohne Berufsabschluss“. Jeder fünfte junge Mensch in NRW habe keine abgeschlossene Berufsausbildung. „Das bedeutet fast immer den direkten Weg in die Langzeitarbeitslosigkeit“, mahnte Weber.

Für die Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat das Institut für Höhere Studien in Wien das österreichische System auf Deutschland übertragen. So wurden empirische Kennzahlen und Indikatoren zur Ausbildungssituation in Österreich ermittelt und mit einem quantitativen makroökonomischen Modell in verschiedenen Szenarien auf die deutsche Situation übertragen.

Holger Spierig


Corona

Forscher: Häusliche Gewalt nahm während Pandemie nicht zu



Hildesheim (epd). Häusliche Gewalt hat während der Corona-Pandemie einer neuen Untersuchung zufolge entgegen ursprünglichen Erwartungen nicht zugenommen. „Die Studie legt nahe, dass die elterliche und partnerschaftliche Gewalt während der Pandemie in der Allgemeinbevölkerung nicht gestiegen ist“, sagte der Hildesheimer Psychologie-Professor Christoph Kröger am 6. August. Allerdings könne es Teilgruppen der Bevölkerung geben, zum Beispiel junge einkommensschwache Paare, für die das nicht gelte.

Ein Forschungsteam um Kröger sowie Wissenschaftler aus Jena und Zürich hatte repräsentative Dunkelfeldumfragen zum Thema aus den Jahren 2016 und 2021 miteinander verglichen. Diese lieferten ein vollständigeres Bild als Hellfeldanalysen, die nur den Anteil der häuslichen Gewalt erfassten, der Polizei oder Beratungsstellen gemeldet werde, hieß es. In Dunkelfeldumfragen würden auch Personen zu ihrer eigenen Täter- beziehungsweise Opferschaft befragt.

Forschungen müssen vertieft werden

Nicht klären konnten die Forscher nach eigenen Angaben, ob in Familien, die bereits von häuslicher Gewalt betroffen sind, die Häufigkeit oder Intensität von Übergriffen während der Maßnahmen zugenommen hat. In jedem Fall bleibe häusliche Gewalt auch nach der Corona-Pandemie ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagte Kröger. Es seien hier weitere Forschungsbemühungen erforderlich.

Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, wurden ab März 2020 in Deutschland weitreichende Infektionsschutzmaßnahmen angeordnet. Hierzu zählten unter anderem Kontaktbeschränkungen, Home Office und Schulschließungen. Diese Maßnahmen können tiefgreifende Auswirkungen auf das soziale Miteinander haben. Unter anderem wurde erwartet, dass aufgrund der pandemiebedingten Kontakteinschränkungen ein Anstieg häuslicher Gewalt erfolgen würde.



Gesundheit

Wissenschaftliche Empfehlungen zu künftigen Pandemien



Halle (epd). Die Wissenschaftsakademien der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer haben gemeinsame Empfehlungen zur Vorbereitung auf künftige Pandemien vorgelegt. Die Stellungnahme baut auf den Erfahrungen mit der Coronavirus-Pandemie auf, wie die beteiligte Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina am 6. August in Halle erklärte. Das Papier wurde für das für Ende Oktober in Rom geplanten Gipfeltreffen der G20-Staaten erstellt.

Die Akademien empfehlen etwa ein weltweites Netzwerk zur Überwachung von Krankheitsausbrüchen. Dieses solle auf gemeinsam vereinbarten Kriterien basieren. Ein gehäuftes Auftreten von Krankheits- und Todesfällen solle so frühzeitig erkannt und rasch auf mögliche Pandemieausbrüche reagiert werden können.

Plattformen sollen Datenaustausch erleichtern

Des Weiteren werden verlässliche Richtlinien und Plattformen für die Sammlung und den weltweiten Austausch detaillierter Daten angemahnt. Medikamente, Impfstoffe und medizinisches Verbrauchsmaterial sollte dezentral hergestellt und ausgeliefert werden. Dabei gelte es, Technologie- und Fertigungskapazitäten für Produkte des medizinischen Bedarfs weltweit zu fördern, jedoch besonders in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

Die Zulassung von Produkten sollte laut den Akademien zeitlich gestrafft werden. Der Zugang zu neuen Technologien müsse unter Wahrung von geistigem Eigentum, Patenten und Preisbildungsmechanismen beschleunigt werden.



Missbrauch

Neues Hilfe-Portal für Betroffene sexualisierter Gewalt



Berlin (epd). Ein neues Internetangebot soll Hilfesuchenden Ansprechpartner und Informationen zum Thema sexueller Missbrauch vermitteln. Die Internetseite www.hilfe-portal-missbrach.de richte sich an Betroffene, Angehörige und Fachkräfte, teilte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, am 10. August in Berlin mit. Es unterstütze auch dabei, Hilfsangebote in der Region zu finden. „Wer Hilfe sucht, muss auch Hilfe finden können. Genau das ist das Ziel des neuen Hilfe-Portals“, sagte Rörig.

Das Hilfe-Portal lotse die Nutzerinnen und Nutzer über eine deutschlandweite Datenbank zu passenden Unterstützungs- und Hilfeangeboten, hieß es weiter. Es könne Kontakt zu spezialisierten Beratungsstellen und Krisendiensten wie das anonyme Hilfe-Telefon vermitteln und schließe auch lokale Ansprechpartner für therapeutische und juristische Maßnahmen mit ein. „Betroffene und Helfende sind meist in einer Ausnahmesituation. Langes Suchen nach Hilfe oder das Durchforsten verschiedener Internetseiten sind dabei oft große Hürden“, erklärte der Betroffenenbeirat beim Unabhängigen Beauftragten.




sozial-Branche

Pflege

Buurtzorg: Ambulante Versorgung anders




Pfleger Mark Adolph (re.) vom Pflegedienstanbieter Buurtzorg betreut den 86-jährigen Hermann Brüggemeyer aus Hörstel.
epd-bild/Detlef Heese
Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Der Pflegedienstanbieter Buurtzorg verspricht zufriedene Kunden und glückliche Mitarbeiter - und will dem Gesundheitssystem langfristig auch noch Kosten ersparen. Wie soll das gehen?

Hörstel (epd). Wenn morgens eine Mitarbeiterin von Buurtzorg an der Haustür klingelt, um ihrem Mann die Beine zu verbinden, ruft Martha Adolf: „Die Wickeltante kommt!“ Ein halbes Jahr ist es her, dass sich das Rentnerpaar aus dem nordrhein-westfälischen Hörstel für den ambulanten Pflegedienst entschieden hat. Sie haben es nie bereut, sagt die 78-Jährige: „Das sind nette Leute, die sich die Zeit nehmen, die sie brauchen. Und gut wickeln können sie auch!“ Selbstverständlich ist das nicht, weiß Martha Adolf. Der Dienst, der ihren Mann Jürgen vorher versorgte, hat sie das gelehrt: „Die waren rabiat, nach dem Motto: ,Das wird so gemacht und fertig!‘“

Einer der Menschen, die sich neuerdings um Jürgen Adolf kümmern, ist Mark Adolph. Der 31-Jährige gehörte 2017 zu den ersten Buurtzorg-Teams hierzulande. Den Unterschied zwischen seinem Arbeitgeber und einem herkömmlichen ambulanten Pflegedienst beschreibt der Krankenpfleger so: „Normale Anbieter versuchen oft, möglichst teure Leistungen zu verkaufen und die in möglichst wenig Zeit zu erledigen. Wir schauen, was der Patient wirklich braucht: Ist es die Nagelpflege, oder will er an diesem Tag lieber unter die Dusche gehen?“

Eine Pflegedienstleitung gibt es nicht

Weitere Besonderheit: Buurtzorg-Angestellte arbeiten in weitgehend selbstständigen, kleinen Teams mit höchstens zehn Leuten. Eine Pflegedienstleitung gibt es nicht, „innerhalb des Teams sind alle gleichberechtigt“, sagt Adolph. Die Idee dahinter: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen die finanzielle Lage des Pflegedienstes jederzeit nachvollziehen können. Idealerweise arbeiten sie genau so, dass die Kosten gedeckt sind. Benötigen sie Hilfe, stehen ihnen Coaches des Unternehmens zur Seite.

In den Niederlanden ist Buurtzorg ein Erfolgsmodell: Mehr als 1.000 Teams seien innerhalb von zehn Jahren entstanden, sagt Gunnar Sander. Der 43-Jährige führt die Geschäfte von Buurtzorg Deutschland. Mehr als ein Dutzend Teams bundesweit hat er in den vergangenen drei Jahren allerdings noch nicht aufbauen können. „Vielleicht ist das auch eine kulturelle Frage“, sagt Sander. „Vielleicht sind die Niederländer wagemutiger, risikofreudiger, und vielleicht gibt es hier mehr Bedenkentum?“ Wachstumspläne habe er nicht. „Ein Team entsteht nur dort, wo Menschen Lust haben. Wir brauchen mindestens eine Ankerperson.“

Buurtzorg rechne mit den Pflegekassen ausschließlich tatsächlich geleistete Arbeitszeit ab, sagt der Geschäftsführer. Durchschnittlich 42 Euro bekomme das Unternehmen pro Stunde erstattet, kostendeckend sei das nicht. „50 Euro benötigen wir, und ich hoffe, dass wir sie irgendwann auch bekommen.“ In den Niederlanden erhalte Buurtzorg 63 Euro pro Stunde. „Die Kassen haben Angst, dass unser Modell ein Anreiz wäre, viele Stunden abzurechnen“, sagt Sander. Das Gegenteil sei aber der Fall: „Gutachten in den Niederlanden zeigen, dass die Kosten langfristig um 30 Prozent sinken.“

Vorbild wird wissenschaftlich untersucht

Ob und wie das niederländische Vorbild die ambulante Pflege in Deutschland verbessern könnte, untersuchen derzeit Forschende der Fachhochschule Münster und der Hochschule Osnabrück. Ende kommenden Jahres sollen ihre Ergebnisse vorliegen. Gut möglich, dass die Ideen von Buurtzorg bald mehr Verbreitung finden werden. Immerhin hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits im November 2019 persönlich über das Modell und seine Qualitäten informiert.

In Fachkreisen wird die Entwicklung von Buurtzorg mit Interesse beobachtet. „Ich finde es nachvollziehbar, dass es gut läuft, wenn Mitarbeiter Verantwortung übernehmen“, sagt Katrin Kell, Fachbereichsleiterin Pflege und Senioren beim Diakonischen Werk Hamburg. Gerade für junge Menschen, die den Beruf neu erlernen, sei das ein gutes Modell. Und auch bei der Finanzierung habe Buurtzorg eine Vorbildfunktion: „Es wäre sehr gut, wenn die Pflegekassen nur noch nach Zeit abrechnen würden.“

Rentner Hermann Brüggemeyer ist von der Arbeit von Buurtzorg begeistert: „Pünktlich, sauber, fleißig“, fasst der 84-Jährige aus Hörstel die Vorzüge seines Pflegedienstes zusammen und fügt an: „Andere stehen viel mehr unter Druck. Buurtzorg nimmt sich Zeit.“

Ulrich Jonas


Corona

Ministerium: Tests für Altenheim-Besucher bleiben kostenlos



Berlin (epd). Wer einen Corona-Test zum Besuch eines Alten- oder Pflegeheims braucht, muss auch nach der Abschaffung der kostenlosen Bürgertests zum 11. Oktober dafür nicht bezahlen. Der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Hanno Kautz, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 11. August in Berlin: „Die Regelungen für Pflegeheime bleiben, wie sie sind. Der Besuchertest bleibt kostenlos.“ Tests böten einen guten Schutz für Altenheime und Pflegeeinrichtungen und machten den Alltag dort sicherer.

Sozialverbände hatten nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten-Konferenz vom 10. August verlangt, die Tests von Besucherinnen und Besuchern, Personal sowie Heimbewohnerinnen und -bewohnern müssten kostenlos bleiben und auch Geimpfte und Genesene einbeziehen. VdK-Präsidentin Verena Bentele warnte, 40 Corona-Ausbrüche allein im Juni dieses Jahres zeigten, wie wichtig es sei, weiterhin alle Mitarbeiter, Bewohner und Besucher kostenlos vor Ort testen lassen zu können.

3G-Regel gilt auch für Heime

Noch bis Ende September sind kostenlose Tests durch den Corona-Schutzschirm für Pflegeeinrichtungen sichergestellt. Die Einrichtungen bekommen die Ausgaben erstattet. Die Regelungen werden dem Gesundheitsministerium zufolge nun auch im Herbst beibehalten. Nach dem jüngsten Bund-Länder-Beschluss gilt vom 23. August an zudem bundesweit die sogenannte 3G-Regel, wonach nur Geimpfte, Genesene oder negativ getestete Personen Alten- und Pflegeheime betreten dürfen.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, sagte, es müsse auch künftig sichergestellt werden, „dass Besucher von Pflegeeinrichtungen, aber auch von Einrichtungen der Behinderten- und Jugendhilfe, weiterhin kostenlos getestet werden können“. Nur so könne die uneingeschränkte soziale Teilhabe der Menschen, die in Einrichtungen leben, gesichert werden.

Auch Zugang zu anderen Hilfsdiensten sichern

Auch der Zugang zu anderen Hilfen, wie etwa einem Frauenhaus oder von Beratungsdienste dürfe nicht an den Kosten für einen Test scheitern. „Deshalb muss der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz dringend konkretisiert und die Auswirkungen geprüft werden. Es darf kein Schaden für die Menschen entstehen“, sagte Loheide.

Der Deutsche Caritasverband sagte dem epd, ungeimpfte Besucher der Heime, die heute noch die Bürgertests nutzen könnten, müssten im Oktober dann vor Ort getestet werden. Die Tests seien notwendig, damit nicht die Delta-Variante des Coronavirus in die Einrichtungen gelange, sagte eine Sprecherin. Auch der Verbandspräsident der privaten Pflegeheimbetreiber (bpa), Bernd Meurer, erklärte, wenn Tests für den Zutritt zu Heimen erforderlich seien, müssten sie weiterhin erstattet werden.

Auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, übte Kritik an den Beschlüssen der Ministerpräsidenten und der Kanzlerin: „Bund und Länder haben es nicht geschafft, das Besuchsrecht für Geimpfte, Genesene und Getestete in Pflegeheimen und Krankenhäusern einheitlich festzuschreiben. Nichts wird sich daran ändern, dass Krankenbesuche selbst für geimpfte und genesene Angehörige oft erst nach Tagen erlaubt sind.“ Auch die Begrenzung auf einen Besuch am Tag für eine Stunde sei nicht mehr hinnehmbar. „Solche Regelungen sind erst recht in Pflegeeinrichtungen inakzeptabel“, so Brysch.



Corona

Die neuen Beschlüsse von Bund und Ländern



Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder haben sich am 10. August auf einen weiteren Fahrplan zur Bewältigung der Corona-Pandemie verständigt. Die wichtigsten Beschlüsse:

3G-REGEL: Zutritt zu öffentlichen Innenräumen nur für geimpfte, genesene oder getestete Personen heißt es spätestens vom 23. August an. Das gilt für Besuche in Krankenhäusern und Heimen, für Feste und für Sportwettbewerbe in Innenräumen, für die Innengastronomie sowie für Friseur- und Kosmetiktermine, für Fitness-Studios, Schwimmbäder und Sporthallen sowie für Übernachtungen in Hotels.

Personen ab sechs Jahre, die nicht geimpft oder von einer Covid-Erkrankung genesen sind, müssen einen negativen Antigen-Schnelltest vorlegen, der nicht älter sein darf als 24 Stunden, oder einen PCR-Test, der nicht mehr als 48 Stunden zurückliegen darf. Ausnahmen gibt es für Schülerinnen und Schüler, sofern sie regelmäßig getestet werden. Die Länder können Regionen mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 (Ansteckungen auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen) von der 3G-Regel ausnehmen.

CORONA-TESTS: Vom 11. Oktober an soll es keine kostenlosen Bürgertests mehr geben. Nur Menschen, die nicht geimpft werden können oder für die keine Impfempfehlung vorliegt (vor allem Schwangere, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren), können sich weiter kostenlos testen lassen.

INZIDENZEN UND INDIKATOREN: Neben den Inzidenzen (Infektionen bezogen auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen) wollen Bund und Länder künftig Indikatoren wie die Impfquote und die Zahl schwerer Krankheitsverläufe sowie die Auslastung der Kliniken einbeziehen, wenn sie über weitere Corona-Schutzmaßnahmen entscheiden.

EPIDEMISCHE LAGE: Das Parlament wird gebeten, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite über den 11. September hinaus zu verlängern. Der Grund: Die meisten Anti-Corona-Maßnahmen beruhen auf Rechtsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz, die wiederum eine epidemische Lage voraussetzen. Der Bundestag müsste dafür vor der Bundestagswahl am 26. September zu einer Sondersitzung zusammenkommen.



Corona

Stadtmission: Pandemie zeigte Bildungsnachteile



Nürnberg (epd). Online- und Distanzunterricht hängen ohnehin benachteiligte Schülerinnen und Schüler weiter ab. Diese Erfahrung hat die Stadtmission Nürnberg im vergangenen Schuljahr mit ihren Schulförderkursen gemacht. Im Vergleich zu den Schuljahren vor der Pandemie habe man in den Kursen nur halb so viele Jugendliche beim Lernen für den Schulabschluss unterstützen können, sagte der Leiter der Schulförderkurse, Herbert Biebl, am 9. August. Es mangele an technischer Ausstattung oder einem ruhigen Ort zum Lernen.

„Wieder andere Jugendliche waren vom Distanzlernen einfach emotional und sozial überfordert und schafften es nicht, sich über Monate hinweg selbst zu strukturieren und zu konzentrieren“, so Biebl. Selbst mit regelmäßiger Eins-zu-Eins-Betreuung per Telefon oder Video sei dies nicht zu überwinden gewesen.

13 Online-Kurse mit telefonischer Einzelbetreuung habe das Stadtmissions-Team der Schulförderkurse im vergangenen Schuljahr entwickelt, heißt es in der Mitteilung. 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die sich auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiteten, hätten ihre Prüfungen erfolgreich bestanden, hieß es. 81 Prozent der Teilnehmenden hätten einen Ausbildungsvertrag in der Tasche ober besuchten weiterführende Schulen. Die Quote jener Jugendlicher, die einen höheren Schulabschluss anstreben bevor sie ihre Berufslaufbahn starten, sei 2021 von 35 Prozent auf 52 Prozent gestiegen.



Pflege

Gastbeitrag

bpa: Höhere Löhne in der Pflege führen nicht zu mehr Personal




Joachim Görtz
epd-bild/bpa/Peter Bergmann
Alle Welt schaut mit Blick auf die Gewinnung von mehr Fachpersonal in der Pflege auf die Lohnhöhe. Doch das sei falsch, wolle man das Dilemma fehlender Fachkräfte lösen, schreibt Joachim Görtz, Leiter der Landesgeschäftsstelle des bpa Bayern, in seinem Gastbeitrag für epd sozial. Er wirbt dafür, vor allem gesunde Arbeitsplätze zu bieten - die Grundlage dafür, dass das vorhandene Personal im Job bleibt.

Es ist ein Irrglauben, dass Fachkräftesicherung allein aufgrund steigender Löhne und Gehälter gelingt. Um das Dilemma in der Pflege zu lösen, braucht es vor allem eines: gesunde Arbeitsplätze.

Hochrechnungen für Bayern prognostizieren: Im Jahr 2050 könnten 880.000 Menschen auf Pflege und Betreuung angewiesen sein, bereits heute sind es über 500.000. Diese Zahlen treffen auf ein Personalloch, das immer größer wird. Im Jahr 2020 fehlten bereits 3.000 Pflegefachkräfte, im Jahr 2025 werden es bereits 7.500 sein - jeweils in Vollzeitstellen gerechnet. Die gleiche Menge an Pflegehilfskräften kommt noch einmal oben drauf.

Ausbildung und Zuwanderung reichen nicht aus

Unbestritten ist auch, dass dieser enorme Bedarf nicht allein durch Ausbildung oder durch Zuzug von Pflegefachkräften aus dem Ausland gedeckt werden kann. So bleibt wohl nur, den Blick zu schärfen und verstärkt an diejenigen zu denken, die heute professionell die Verantwortung übernehmen und tagein, tagaus die Pflege und Betreuung im Land sicherstellen.

Viele meinen reflexartig, dass als Zeichen der Wertschätzung beziehungsweise als Anerkennung für diese Leistung die Löhne in der Pflege erhöht werden müssten. Dabei sind die Löhne in der Pflege in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen als in der Gesamtwirtschaft.

Auch die Beschäftigungsbilanz der letzten Jahre kann sich sehen lassen: Laut einer aktuellen Studie steigt in Bayern die Zahl der Beschäftigten in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft mit durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr fast doppelt so stark wie in der Gesamtwirtschaft (1,3 Prozent). Und schließlich ist ebenso verbreitet wie irrig die Annahme, dass Pflegekräfte ihren Beruf nur wenige Jahre ausüben würden - genau das Gegenteil ist der Fall. Im Vergleich zu anderen Berufsfeldern wechseln Beschäftigte in der Pflege sogar seltener ihren Beruf. Tatsächlich aber reicht das alles nicht, denn es ist schlicht die demografische Herausforderung, die sich schneller und stärker entwickelt als die Zahl der Pflegekräfte.

Starke Belastungen im Job schnell senken

Woran also anknüpfen, was hilft wirklich, was nützt? Schnell wird zunächst klar, dass insbesondere in der Corona-Krise die Belastung bei den Pflegekräften noch einmal stark angestiegen ist. Hier muss unbedingt für Entlastung gesorgt werden, auch mit Blick auf das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen.

Besonders viele Fehltage in den Pflegeberufen gingen 2019 auf das Konto von psychischen Störungen und Krankheiten des Bewegungsapparats. In den Pflegeberufen waren die Beschäftigten aufgrund von psychischen Diagnosen und Muskelskeletterkrankungen deutlich länger krankgeschrieben und lagen 80 Prozent über dem Durchschnitt aller Berufe. Dem gilt es den Kampf anzusagen.

Besonders nötig und von den Pflegekräften ausdrücklich erwünscht sind Schulungen zur Stressbewältigung und Teamarbeit sowie praktische Maßnahmen wie Rückenschulung und Entspannung. Das ist das Ergebnis einer Expertenbefragung und Teil des Projektes „PFLEGEprevent“, ein Gemeinschaftsprojekt der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Bayerischen Heilbäder-Verbands und des bpa - Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V.

Alarmierend ist das Ergebnis, dass die Pflegekräfte selbst ihre Arbeitsfähigkeit kritisch bis mäßig einschätzen. Sie brauchen dringend ein Präventionsprogramm, um ihre Belastungen besser zu bewältigen, auch nach der Corona-Krise. Betriebliche Gesundheitsförderung und die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements gelten als der Königsweg, will man die Pflegekräfte hier wirklich wirkungsvoll unterstützen.

Vorbilder aus der Praxis nutzen

Dazu gibt es Vorbilder aus der Praxis und viele gute Angebote der Krankenkassen und der Rentenversicherung. Beispielsweise das Programm RV Fit, ein Angebot der Rentenversicherung, das grundsätzlich von allen Beschäftigten -also auch von Pflegekräften- in Anspruch genommen werden kann. Durch frühzeitige präventiv-therapeutische Intervention sollen die Beschäftigten gesund und leistungsfähig bleiben sowie die Gefahr einer vorzeitigen Erwerbsminderung verringert werden. Das ist auch zum Vorteil des Betriebs, weil die qualifizierten Kräfte erhalten bleiben und sich das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen insgesamt reduzieren lässt.

Und dann wäre da das Programm des Verbands der Ersatzkassen e.V. (vdek), MEHRWERT:PFLEGE genannt. Hierüber werden Organisationen wie Pflegeeinrichtungen im Auf- und Ausbau ihres Gesundheitsmanagements begleitet. Über einen sogenannten Gesundheitsbaukasten werden verschiedene Maßnahmen angeboten und auf die individuellen Bedürfnisse der Einrichtung angepasst, beispielsweise in der Arbeits- und Organisationsstruktur.

Der bpa steht mit diesen beiden Organisationen im engen Austausch, um den Pflegekräften und den Pflegeeinrichtungen ein Angebot aus einem Guss machen zu können. Ziel ist der Auf- und Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung für Pflegekräfte durch eine Verbindung von primärpräventiven Angeboten der Kranken- und Pflegekassen mit Maßnahmen der Rentenversicherung.

Joachim Görtz ist Leiter der Landesgeschäftsstelle des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) Bayern


Pflege

Verband: Klimakatastrophe ist Gesundheitskatastrophe



Berlin (epd). Aus dem aktuellen Bericht des Weltklimarates leitet der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) zwei Herausforderungen für die Gesundheits- und Pflegebranche ab: „Zum einen muss der Beitrag zum Klimawandel minimiert werden, zum anderen müssen die Menschen vor gesundheitlichen Risiken geschützt werden“, heißt es in einer Mitteilung vom 11. August.

Der DBfK fordert für die Einrichtungen im Gesundheitswesen finanzielle Mittel, um explizit klimafreundliche Investitionen zu ermöglichen und die Umstellung auf eine nachhaltige Materialwirtschaft zu realisieren. Pflegefachpersonen benötigten außerdem Unterstützungs- und Schulungsangebote, um klimafreundlicher pflegen und die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels auf Menschen reduzieren zu können. Dieses Wissen müsse auch obligatorisch in den Pflegeausbildungen und -studiengängen vermittelt werden, so der Fachverband.

Probleme werden sich zuspitzen

Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels werden laut DBfK bestehende Probleme in der Versorgung der Patienten verschärfen. „Die Menschen brauchen mehr Beratung, wie sie gesundheitlichen Problemen vorbeugen und ihr Zuhause anpassen können“, sagte Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des DBfK.

„Pflegefachpersonen können eine tragende Rolle in der Beratung und der Vermittlung von Gesundheitskompetenz, auch in Bezug auf den Klimawandel, einnehmen.“ Hier liege das Potenzial, um die Gesundheitsversorgung insgesamt zu verbessern und bereits bestehende Versorgungslücken zu kompensieren. All das könnten die Fachkräfte aber nur leisten, wenn diese neuen Aufgaben in Personalschlüsseln und der Finanzierung berücksichtigt würden, so Wagner.



Wohnen

Augsburger Fuggerei: Ein Ave Maria statt Miete




Die Fuggerei in Augsburg
epd-bild/Annette Zöpf
Eine minimale Miete, dafür drei Gebete am Tag: Seit 500 Jahren leben in der Augsburger Fuggerei bedürftige Menschen. Die Warteliste für eine Wohnung ist in den vergangenen Jahren immer länger geworden.

Augsburg (epd). Wenn sich alle dran halten, dann sind vergangene Woche wieder an die Tausend Ave Maria-Gebete auf das jenseitige Seelenkonto von Jakob Fugger eingegangen. Der wohlhabende Augsburger Kaufmann stiftete 1521 die Armensiedlung Fuggerei, wo Bedürftige umsonst wohnten und wohnen - bis auf einen symbolischen Gulden, was heute 88 Cent entspricht, und drei Gebeten pro Tag. Im August feiert die Siedlung ihr 500-jähriges Bestehen. Das Verblüffendste daran ist wohl, dass sie Anfang des 21. Jahrhunderts noch gebraucht wird, weil es wieder vermehrt Armut gibt.

Die Jakoberstraße in der Augsburger Innenstadt ist gesäumt von kleinen Kneipen und Läden, an denen die Trambahn vorüberfährt. Bei der Hausnummer 26 allerdings führt ein Torbogen die Besucher in die Vergangenheit, in die Wohnsiedlung aus dem Spätmittelalter. Wer einen Eintrittspreis von 6,50 Euro bezahlt, kann durch die Gassen schlendern und die kleinen Gärten hinter den einstöckigen, gelb gestrichenen Häusern mit den grünen Türen und den Klingelzügen besichtigen.

Echte Bewohner, keine Statisten

An einer Gassenkreuzung sprudelt ein Brunnen, Efeu rankt sich die Hauswände empor. Autos gibt es keine und hie und da sitzen ältere Frauen im Schatten der Bäume. Manche Touristen glauben, bei ihnen handelt es sich um Statisten, die das Museum beleben sollen. Doch die Fuggerei ist kein Museum sondern soziale Realität: Heute wohnen hier an die 150 bedürftige Menschen, die es wegen ihres geringen Einkommens auf dem normalen Mietmarkt sehr schwer hätten.

Zu ihnen gehört Christine Thoma, die 70-Jährige ist vor neun Jahren in die Fuggerei gezogen. An die 60 Quadratmeter hat die Wohnung im ersten Stock: ein Wohnzimmer mit Küchenzeile, Bad, Schlafzimmer. Die Treppe nach oben ist etwas steil. Auf dem Sofa sitzen Plüschtiere, eine Wand ist rosa bemalt. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt die Augsburgerin.

Wie die anderen Bewohner musste sie nach dem Stiftungsstatut drei Bedingungen erfüllen: In Augsburg wohnen, katholisch sein - und bedürftig. Letzteres heißt kein Vermögen über 5.000 Euro zu besitzen, die meisten Einkommen liegen um die 900 Euro. Christine Thoma arbeitete zeitlebens in der Gastronomie bis ihr klar wurde, dass sie eine Rente von 700 Euro zu erwarten hätte: „Da ist mir schwindlig geworden.“ Eine Wohnung hätte sie sich damit nicht mehr leisten können.

Heute moderner Wohnstandard

Zwei Freundinnen brachten sie auf die Idee, sich bei der Fuggerei für eine Wohnung zu bewerben. Das war nicht selbstverständlich, denn früher galt die Fuggerei als „Asozialen-Siedlung“ mit geringstem Wohnstandard - heute haben alle Wohnungen Bäder.

Der ursprüngliche Stiftungszweck war, in Not geratenen Taglöhnern ein Dach über dem Kopf zu geben. Die Kaufmannsfamilie Fugger war im 15. Jahrhundert durch Tuchhandel und andere Geschäften enorm reich geworden. Stifter Jakob Fugger (1459 - 1525) sorgte um sein Seelenheil, indem er den Bewohnern der Fuggerei statt einer Miete drei Gebete pro Tag für seine Familie auferlegte. Im Laufe der Jahrhunderte ist so ein erkleckliches Gebetskonto zusammengekommen.

Auch Christine Thoma erfüllt diese Pflicht: „Wenn ich nicht in die Kirche gehe, dann bete ich daheim.“ Ansonsten bezahlt sie einmal jährlich die symbolischen 88 Cent, hinzu kommen 90 Euro Nebenkosten im Monat. In der Nachbarschaft ist sie aktiv, jeden Dienstag organisiert sie das Frühstück im Gemeinschaftstreff.

Verschärfter Wohnungsmarkt

Warum wollen zu Beginn des 21. Jahrhunderts Menschen zu den Bedingungen wohnen, wie sie die Fuggerei bietet, zum Beispiel Touristen, die durch das Küchenfenster sehen? „Die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich schon sehr verschärft“, sagt Stiftungssprecherin Astrid Gabler. Die Zahl der Bewerber auf die rund fünf Wohnungen, die jährlich frei werden, habe sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt, momentan stehen 100 Augsburger auf der Liste.

Nach 500 Jahren Geschichte blickt die Stiftung - sie finanziert sich überwiegend durch Forstbesitz - anlässlich des Jubiläums in die Zukunft. „Next 500“ heißt ein einjähriges Veranstaltungsprogramm, das am 23. August seinen Anfang nimmt. Im Mittelpunkt steht die Idee, Unternehmen und Wohlhabende weltweit dazu anzuregen, eigene Fuggereien zu gründen.

Rudolf Stumberger


Corona

Serie

Donnersmarck-Stiftung: Fachkräfte händeringend gesucht




Sebastian Weinert (li.), Christian Kägel
epd-bild/Donnersmarck-Stiftung
Wenn wegen der Pandemie Werkstätten geschlossen und Wohngruppen nur eingeschränkt arbeiten können, ist kreative Hilfe dringend nötig. Das hat auch die Berliner Donnersmarck-Stiftung in der Corona-Krise erfahren, berichten Christian Kägel, Kaufmännischer Leiter, und Sebastian Weinert, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, in der Interview-Reihe. Ihre Erkenntnis für die Zukunft: Eine Umkehr in der Sozialraumorientierung: belastbare soziale Netze müssen aufgebaut werden.

Auch die Donnersmarck-Stiftung hat es geschafft, ihre Reha- und Betreuungsangebote für Menschen mit Behinderung voll, wenn auch eingeschränkt, weiterlaufen zu lassen. Dazu waren durch die Schutzmaßnahmen deutliche Einschränkungen für die betreuten Menschen verbunden. All das sei nur möglich gewesen durch „intensive interne Kommunikation“. Das sei eine „wichtige Aufgaben für uns und andere Träger der Behindertenhilfe, die auch in Zukunft unsere Arbeit prägen werden“, so die Experten.

epd sozial: Durch die Pandemie kamen auch viele Angebote der Sozialträger zum Erliegen oder wurden stark eingeschränkt. Hat das Virus Ihre Arbeit auch für die Zukunft grundlegend verändert?

Christian Kägel: Zunächst möchte ich sagen, dass unsere Rehabilitations- und Betreuungsangebote sind auch während der Corona-Pandemie voll weitergelaufen, wenn auch unter erhöhten Schutzmaßnahmen und mit deutlichen Einschränkungen für die betreuten Menschen. Wir betreiben vor allem unterschiedliche Rehabilitationsangebote von der post-akuten Neurorehabilitation bis hin zu ambulanten Wohnmöglichkeiten. Dazu kommen zwei barrierefreie Hotels und ein inklusiver Begegnungsort für Menschen mit und ohne Behinderung. Die Pandemie hat uns an einigen Stellen deutliche Handlungsbedarfe vor Augen geführt: Die Digitalisierung wird auch in der Betreuung und Pflege von Menschen mit Behinderung eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Und zu sehen war auch, dass der Fachkräftemangel in den sozialen Berufen sich in den letzten Monaten nochmals verschärft hat. Und: in der Krise war eine intensive interne Kommunikation nötig. Hier sehe ich wichtige Aufgaben für uns und andere Träger der Behindertenhilfe, die auch in Zukunft unsere Arbeit prägen werden.

Sebastian Weinert: Insbesondere im ambulanten Sektor wurde noch eine weitere Aufgabe sehr deutlich: Die Sozialraumorientierung wird in der Behindertenhilfe leider immer noch stark institutionell gedacht - Sozialraumvernetzung bedeutet Vernetzung zwischen Institutionen. Wenn, wie es während der Pandemie der Fall war, das institutionelle Netzwerk aus äußeren Gründen wegbricht, weil etwa Werkstätten schließen müssen, dann reißt auch das soziale Netz der Klientinnen und Klienten. Hier gilt es noch genauer hinzuschauen und individuelle, soziale Netze aufzubauen, die dann auch Krisen wie die Corona-Pandemie überstehen können. Das hat bei einigen Klientinnen und Klienten sehr gut geklappt, aber hier haben wir auch noch Arbeit vor uns.

epd: Klienten können wieder betreut, begleitet und beraten werden. Doch sind finanzielle Löcher entstanden, die sich meist nicht schließen lassen. Wie ist Ihre heutige wirtschaftliche Situation?

Kägel: Die Finanzierung der Fürst Donnersmarck-Stiftung basiert vor allem auf der Leistungserbringung in der Eingliederungshilfe und Rehabilitations- sowie den Pflegeleistungen sowie Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Immobilien. Aus diesem Grund haben wir eine sehr solide Finanzierungsgrundlage und konnten die wirtschaftlichen Einschränkungen besser kompensieren als andere Organisationen. Nichtsdestotrotz bedeutete die Corona-Pandemie auch für uns erhebliche Mindereinnahmen auf der einen Seite sowie Mehrausgaben auf der anderen Seite, die auch negative Auswirkungen auf unser wirtschaftliches Ergebnis hatten.

epd: Viele Sozialträger richten sich neu aus, etwa bei der Digitalisierung. Welche Wünsche oder Forderungen haben Sie an die Politik, wenn es darum geht, auch in Zukunft krisensicher arbeiten zu können?

Weinert: Aus unserer Sicht sind drei Punkte wesentlich: Erstens müssen wir Lehren aus der Pandemie ziehen und uns auf vergleichbare Situationen vorbereiten. Probleme wie die mangelhafte Versorgung sozialer Einrichtungen mit Persönlicher Schutzausrüstung zu Beginn der Pandemie dürfen nicht noch einmal vorkommen. Hier müssen wir für die Zukunft vorsorgen. Zweitens sind durch die Pandemie viele Prozesse wie etwa die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ins Stocken gekommen. Hier müssen wir schauen, dass wir zügig die verlorengegangene Zeit aufholen. Drittens hat die Pandemie eindrücklich gezeigt, dass soziale Berufe uneingeschränkt systemrelevant sind und welchen wesentlichen Beitrag sie für eine gelingende Gesellschaft leisten. Gleichzeitig sind gerade die sozialen Berufe von einem zunehmenden Fachkräftemangel betroffen, der sich innerhalb der nächsten zehn Jahre, insbesondere durch weitere Ruhestandseintritte, nochmals verschärfen wird.

Die Attraktivität sozialer Berufe muss also gefördert werden - und das geht nur durch eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung, die politisch unterstützt werden muss.



Hochwasserkatastrophe

Bank für Sozialwirtschaft gibt zinslose Kredite



Köln (epd). Die Bank für Sozialwirtschaft (BFS) in Köln unterstützt mit zinslosen Sonderkrediten Sozial- und Gesundheitseinrichtungen, die von der Flut in NRW und Rheinland-Pfalz geschädigt wurden. Dazu stünden 250 Millionen Euro abrufbereit, heißt es in einer Mitteilung vom 6. August.

Bis zu zwei Monatsumsätze werden den Angaben nach als widerrufliche Kontokorrentkredite zinslos vergeben. „Die Laufzeit beträgt 24 Monate. Voraussetzung ist ein Nachweis über erhöhten Liquiditätsbedarf, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe steht“, so die Bank, die damit helfen will, Liquiditätsengpässe zu vermeiden.

Viele Einrichtungen und Dienste der Sozial- und Gesundheitswirtschaft seien von der Katastrophe betroffen: Pflegeheime oder Kitas mussten geschlossen oder geräumt werden, ambulante Pflege kann durch die Zerstörung der Infrastruktur nicht in gewohnter Form geleistet werden, Geschäftsstellen der Träger wurden zerstört. Die BFS wolle deshalb auf mehreren Wegen helfen, sagte Vorstandsvorsitzender Harald Schmitz.



Behinderung

Augustinum übernimmt heilpädagogischen Tagesstätte in Bad Tölz



Bad Tölz (epd). Die heilpädagogische Tagesstätte für Kinder mit geistiger oder mehrfacher Behinderung in Bad Tölz wird ab dem 1. September von der Münchner Augustinum Gruppe getragen. Wie der neue Träger am 12. August mitteilte, übernehme man die Einrichtung, die derzeit 70 Kinder und Jugendliche besuchen, von der Lebenshilfe. Die 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden alle zum Augustinum wechseln.

Zum Augustinum gehörten bereits vier heilpädagogische Tagesstätten, die von rund 350 Kindern und Jugendlichen besucht würden, heißt es in der Mitteilung. Die Gruppe mit etwa 5.300 Beschäftigten betreibe bundesweit vor allem Seniorenresidenzen, zwei stationäre Pflegeeinrichtungen vorwiegend für Menschen mit Demenz, eine Fachklinik für Innere Medizin, Schulen und Internate.




sozial-Recht

Bundessozialgericht

Hartz IV-Anspruch bei dauerhaftem "Urlaub" vom Maßregelvollzug




Häftlinge im Maßregelvollzug haben unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Hartz IV.
epd-bild/Heike Lyding
Überörtliche Sozialhilfeträger sind für die Resozialisierung von formal noch dem Maßregelvollzug angehörenden suchtkranken Straftätern nicht immer zuständig. So muss beim "Probewohnen" in einer eigenen angemieteten Wohnung das zuständige Jobcenter Hilfen leisten, urteilte das Bundessozialgericht.

Kassel (epd). Jobcenter dürfen psychisch kranken und suchtkranken Straftätern beim Übergang vom Maßregelvollzug hin zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht alleine lassen. Sieht der Maßregelvollzug als Lockerungs- und Resozialisierungsmaßnahme ein dauerhaftes „Probewohnen“ in einer eigens dafür angemieteten Wohnung vor, muss das Jobcenter den mittellosen Betroffenen Hartz IV-Leistungen gewähren, urteilte am 5. August das Bundessozialgericht in Kassel.

Kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestehe aber, wenn der suchtkranke Straftäter aus der Justizvollzugsanstalt einer stationären Entwöhnungsbehandlung in einer Fachklinik und einer weiteren medizinischen Rehabilitation im betreuten Wohnen zugewiesen wird, so die obersten Sozialrichter in einem zweiten Urteil. In diesem Fall liege im weiteren Sinne eine Fortsetzung der Strafvollstreckung vor, bei der ein Hartz IV-Anspruch ausgeschlossen ist, so die Begründung.

Eigenständiges Wohnen im Zuge eines Lockerungskonzeptes

Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ausgeschlossen, wenn der Antragsteller in einer „stationären Einrichtung untergebracht ist“. „Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt“, heißt es dazu im Sozialgesetzbuch II.

Im ersten Verfahren ging es um einen suchtkranken Mann aus Krefeld, der Ende 2015 in den Maßregelvollzug einer Klinik im niederrheinischen Bedburg-Hau kam. Mitte 2017 erhielt er die höchste Lockerungsstufe des achtstufigen Lockerungskonzepts. Damit einher ging auch die Möglichkeit einer Langzeitbeurlaubung, um in eine eigene Wohnung zu beziehen, die er Im August 2017 in Krefeld mietete.

Ganz eigenständig war er jedoch nicht. Das Lockerungskonzept der Klinik sah unter anderem vor, dass der Mann alle zwei Wochen noch einmal bei den Ärzten vorstellig wird, er ständig telefonisch erreichbar ist und er jeglichen Kontakt zu anderen suchtkranken Personen meidet. Im Rahmen seines dauerhaften Probewohnens durfte er auch keine Ausgaben von über 300 Euro tätigen.

Nur Anspruch auf wenig Bargeld

Zur Deckung seines Lebensunterhaltes beantragte er beim Jobcenter Krefeld Hartz IV. Er hoffte auf die Übernahme der Unterkunftskosten und den Erhalt von Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. So sind etwa die Übernahme von Lehrgangskosten oder auch im Fall einer Einstellung Zuschüsse für den Arbeitgeber möglich. Bei einer Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers, hier des Landschaftsverbandes Rheinland, bestand nach Angaben des Anwalts des Klägers dagegen lediglich ein Anspruch auf einen Bargeldbetrag in Höhe von 127 Euro.

Das Jobcenter meinte, dass der Mann von Hartz IV-Leistungen ausgeschlossen sei. Zwar wohne er probeweise in einer eigenen Wohnung. Er gehöre aber dennoch formal dem Maßregelvollzug und damit einer „stationären Einrichtung“ noch an.

Das BSG urteilte jedoch, dass dem Kläger Arbeitslosengeld II zusteht. Bei einer Unterbringung im Maßregelvollzug sei zwar ein Leistungsanspruch ausgeschlossen, wenn die „Unterkunft des Berechtigten der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers zugeordnet ist“. Beim „Probewohnen“ in einer vom Kläger angemieteten Wohnung, „die räumlich keinem Träger zugeordnet werden konnte“, bestehe solch eine Bindung zum Träger der Einrichtung nicht. Dann müsse das Jobcenter Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts gewähren.

Kein Hartz IV bei stationärer Entwöhnungstherapie

Kein Arbeitslosengeld II-Anspruch bestehe aber, wenn die Strafvollstreckung eines suchtkranken Straftäters zurückgestellt und dieser zur stationären Entwöhnungsbehandlung zunächst in eine Fachklinik und anschließend in einer dreimonatigen sogenannten Adaptionsphase in ein betreutes Wohnen untergebracht ist, entschied das BSG im zweiten Fall.

Der überörtliche Sozialhilfeträger hatte argumentiert, dass diese Form der Rehabilitation einem normalen Krankenhausaufenthalt gleichzusetzen sei. Bei Klinikaufenthalten von unter sechs Monaten könnten Hartz IV-Leistungen beansprucht werden. Während der Adaptionsphase könnten Betroffene zudem mit Praktika die Rückkehr in das Arbeitsleben vorbereiten. Das Jobcenter sei hier damit zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt zuständig.

Das BSG urteilte, dass der Kläger trotz seiner Überstellung in die Klinik und dem betreuten Wohnen sich noch im „Vollzug“ einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung befand. Es habe eine enge Verbindung zum Strafvollzug bestanden. Ein Arbeitslosengeld II-Anspruch bestehe daher nicht. Vielmehr sei der überörtliche Sozialhilfeträger für den Suchtkranken zuständig, so das Gericht.

Az.: B 4 AS 26/20 R (Probewohnen)

Az.: B 4 AS 58/20 R (Entwöhnungstherapie)

Frank Leth


Bundessozialgericht

Vom Arbeitgeber bereitgestellte Mahlzeit mindert Hartz IV



Kassel (epd). Eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mahlzeit pro Arbeitstag mindert bei Hartz-IV-Aufstockern das Arbeitslosengeld II. Ist die Verpflegung im Arbeitsvertrag vereinbart worden, liegt ein geldwerter Vorteil vor, selbst wenn der Hartz-IV-Bezieher das bereitgestellte Essen gar nicht in Anspruch nimmt, wie am 5. August das Bundessozialgericht in Kassel urteilte.

Im konkreten Fall ging es um eine Berliner Familie mit drei Kindern. Der Mann arbeitete als Kellner, konnte aber mit seinem Einkommen nicht den Lebensunterhalt decken. Das Jobcenter gewährte der Familie daher aufstockendes Arbeitslosengeld II. Laut Arbeitsvertrag stand dem Mann neben seiner regulären Vergütung auch an jedem Werktag eine Mahlzeit an der Arbeit zu. Der Arbeitgeber rechnete dies in Höhe von 3,17 Euro pro Arbeitstag als „Sachbezug“ ab.

Jobcenter sah „Einnahmen in Geldeswert“

Das Jobcenter sah in der bereitgestellten Verpflegung ein auf das Arbeitslosengeld II mindernd anzurechnendes Einkommen. Es handele sich um „Einnahmen in Geldeswert“. Entsprechend der Arbeitslosengeld-II-Verordnung berücksichtigte die Behörde die Verpflegung als Einkommen in Höhe von monatlich 30,18 Euro. Ohne Erfolg verwies die Familie darauf, dass der Mann die Verpflegung gar nicht in Anspruch nehme.

Das Bundessozialgericht urteilte, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Verpflegung sei eine „Einnahme in Geldeswert“. Der Anspruch auf eine Verpflegungsleistung sei verfügbar und müsse damit mindernd als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. Dies gelte auch dann, wenn die Verpflegung nicht in Anspruch genommen werde. Der Kellner könne allenfalls beim Arbeitgeber auf eine Änderung des Arbeitsvertrages dringen.

Az: B 4 AS 83/20 R



Landesarbeitsgericht

"Nächstmöglicher Kündigungstermin" gilt nicht bei falschem Datum



Hamm (epd). Mit der Kündigung eines Arbeitgebers zum „nächstmöglichen Termin“ muss die Kündigungsfrist für den betroffenen Arbeitnehmer auch wirklich klar sein. Benennt der Arbeitgeber zusätzlich ein konkretes, aber falsches späteres Datum, ist der Arbeitnehmer erst zu diesem Tag seinen Job los, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 16. Juni.

Damit bekam eine frühere angestellte Haushaltshilfe recht. Ihr Arbeitgeber hatte sie verdächtigt, Gegenstände aus dem Haushalt gestohlen zu haben. Er kündigte ihr daraufhin hin fristlos, hilfsweise „fristgerecht zum nächstmöglichen Termin, das ist der 30. April 2020“.

Weil der Arbeitgeber keine ausreichenden Belege für den Diebstahl vorweisen konnte, war die fristlose Kündigung vom Tisch. Gegen die ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“ zog die Haushaltshilfe dann jedoch vor Gericht.

Aus Versehen zu lange Frist gewährt

Weil es sich hier um ein Arbeitsverhältnis in einem privaten Haushalt handelte, betrug die Kündigungsfrist „zum nächstmöglichen Termin“, einen Monat bis zum 15. März 2020. Die Haushaltshilfe pochte jedoch darauf, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 30. April 2020 beendet wurde. Schließlich sei dieses Datum konkret genannt worden.

Das LAG stimmte dem zu. Bei einer Kündigung müsse der Arbeitnehmer erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis beendet sein soll. Grundsätzlich sei eine ordentliche Kündigung zum „nächstmöglichen Termin“ nach der Rechtsprechung des BAG zwar möglich, wenn die geltenden gesetzlichen Kündigungsfristen erläutert werden.

Hier sei jedoch zusätzlich eine versehentlich mit dem 30. April 2020 eine zu lang gewählte Kündigungsfrist gewählt worden. Die gekündigte Haushaltshilfe konnte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben „vernünftigerweise“ von dieser Kündigungsfrist ausgehen. Die konkrete Datumsangabe dürfe nicht einfach ausgeblendet werden, so das Gericht.

Az.: 10 Sa 122/21



Oberverwaltungsgericht

Für Wohngeldanspruch kann Vorlage von Kontoauszügen nötig sein



Bautzen (epd). Bedürftige Menschen müssen für einen Wohngeldanspruch auch tatsächlich Miete bezahlen. Wohnen sie gegen Bezahlung bei Familienangehörigen, so reicht für einen Wohngeldanspruch die Vorlage eines Mietvertrages nicht ohne Weiteres aus, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen mit Beschluss vom 23. Juli. Bestehen Zweifel, dass der Hilfebedürftige überhaupt über ausreichendes Einkommen verfügt und er die Miete möglicherweise gar nicht an seine Angehörigen entrichtet, kann die Wohngeldstelle die Vorlage von Kontoauszügen verlangen, befanden die Bautzener Richter, die damit den Antrag eines Studenten auf Prozesskostenhilfe ablehnten.

Der junge Mann hatte bei der Kreisstadt Annaberg-Buchholz im Erzgebirge Wohngeld beantragt. Er gab an, dass er eine Wohnung seiner Schwester gemietet habe und Miet- und Nebenkostenzahlungen leistet. Die monatliche Warmmiete belief sich auf 299 Euro. Er legte auf Nachfrage einen Mietvertrag und ein Quittungsbuch vor, welches die Mietzahlungen belegen sollte.

Zu wenig Einkünfte für die Miete

Doch die Kommune hatte Zweifel, ob tatsächlich ein Wohngeldanspruch besteht und auch wirklich Mietzahlungen an die Schwester flossen. Der Student habe einen Bedarf von 715 Euro, aber nach einer Einkünfteprüfung nur monatliche Einnahmen von 225 Euro. Die Wohngeldstelle verlangte daher die Vorlage lückenloser Kontoauszüge der letzten drei Monate.

Der Student lehnte das ab und meinte, dass er nach der Datenschutzgrundverordnung nicht zur Vorlage der Kontoauszüge verpflichtet sei. Er lebe zudem von einem Darlehen seiner Eltern. Der Mietvertrag und das Quittungsbuch müssten als Beleg für Mietzahlungen ausreichen, lautete seine Argumentation. Das Verwaltungsgericht Chemnitz stellte jedoch fest, dass der Student für seinen Wohngeldanspruch seine Kontobewegungen offenlegen muss.

Seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Fortsetzung des Rechtsstreits lehnte das OVG nun ab. Bei einem Näheverhältnis zwischen Mieter und Vermieter müssten für den Erhalt von Wohngeld die Mietzahlungen tatsächlich geflossen sein. Gebe es Zweifel, ob die Miete regelmäßig gezahlt wurde, reiche die Vorlage des Mietvertrages und eines Quittungsbuchs nicht aus. Dann könnten die Kontoauszüge verlangt werden, ohne dass dies gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht verstößt, so das OVG. Weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, könne Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden.

Az.: 3 D 1/21



Landessozialgericht

Sozialamt muss Miete für Häftling zahlen



Celle, Stade (epd). Das Sozialamt muss in besonderen Fällen die Miete für Menschen übernehmen, die eine Haftstrafe absitzen. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Sitz in Celle entschied in einem Fall aus Stade, dass das dortige Sozialamt nicht nur Mietkosten, sondern auch die Kosten für die Verteidigung gegen eine Räumungsklage von rund 2.000 Euro tragen muss, wie das Gericht am 9. August mitteilte.

In dem Fall ging es dem Gericht zufolge um einen 43-jährigen Mann, der 2014 eine siebenmonatige Haftstrafe antreten musste. Die 225 Euro Kaltmiete für seine Wohnung hatte seit 2005 das Jobcenter übernommen. Der Mann stehe wegen einer instabilen Persönlichkeitsstörung und seiner Alkoholsucht unter Betreuung. Als er ins Gefängnis musste, beantragte er beim Sozialamt, die Miete während der Haft zu übernehmen. Doch das lehnte die Behörde ab, weil die Haftzeit sechs Monate überschreite.

Wohnungsverlust hätte massive Folgen

Nach Überzeugung der Richter hätte der Mann jedoch durch den drohenden Wohnungsverlust nach der Haft vor Problemen gestanden, die er selbst nicht hätte bewältigen können. Bei ihm bestehe eine instabile Persönlichkeit mit geminderter Frustrationstoleranz und Affektstörung. Ohne geordnete Verhältnisse, wie eine vertraute Wohnung, hätte eine Verschärfung seiner Schwierigkeiten gedroht. Außerdem wären durch einen Umzug spürbare Kosten angefallen.

Ob die Miete vom Sozialamt übernommen werden muss, hänge immer vom Einzelfall ab, erläuterte Pressesprecher Carsten Kreschel: „Je näher die Entlassung rückt, desto konkreter kann ein Anspruch werden und je länger die Haft noch dauert, desto schwieriger wird es für die Betroffenen.“ Grundsätzlich gebe es aber keine starren Grenzen.

Az..: L 8 SO 50/18




sozial-Köpfe

Kirchen

Pia Theresia Franke tritt in Stiftungsvorstand ein




Pia Theresia Franke
epd-bild/Thomas Berberich/Keppler-Stiftung
Pia Theresia Franke (55) hat ihr Amt als Vorständin der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung in Sindelfingen übernommen. Sie tritt die Nachfolge von Alfons Maurer an, der in den Ruhestand gegangen ist.

Pia Theresia Franke war zuletzt Caritasdirektorin des Caritasverbandes der Diözese Würzburg, wo sie auch für die Altenhilfe zuständig war. Sie ist staatlich anerkannte Erzieherin und diplomierte Sozialpädagogin. An an der Technischen Universität in Kaiserslautern erwarb sie einen Master of Arts im Bereich Personalentwicklung. Umfassende berufliche Erfahrungen sammelte Franke als Geschäftsführerin des Verbandes katholischer Kindertageseinrichtungen in Bayern, im Katholischen Büro Bayern in München, an der Caritas Fachakademie für Sozialpädagogik in München sowie als Verwaltungsdirektorin beim Deutschen Orden in Weyarn.

Mehrere Jahre war Franke zudem freiberuflich in der Organisations- und Personalentwicklung und als Lehrbeauftragte der katholischen Stiftungsfachhochschule München tätig.

Alfons Maurer war seit der Gründung der Keppler-Stiftung im Jahre 2000 Vorstand und leitete die Stiftung zusammen mit Andreas Kuhn. „Mit Pia Theresia Franke“, so Aufsichtsratsvorsitzende Almut Satrapa-Schill, „sind wir zuversichtlich, die vielfältigen Aktivitäten fortsetzen und diesen hohen Standard, der in den letzten zwanzig Jahren in den Dienstleistungen der Keppler-Stiftung erreicht wurde, weiterentwickeln zu können“.

Die Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung ist nach eigenen Angaben einer der großen Dienstleister in der Altenhilfe und Krankenpflege in Baden-Württemberg. Gegründet am 1. Januar 2000, ist sie heute in 17 Altenzentren mit 1.750 Pflegeplätzen, zwei ambulanten Diensten, einem stationären Hospiz sowie an sieben Standorten in Betreuten Wohnanlagen tätig. An einem Standort bietet sie individuelle Schwerstbehinderten-Betreuung an. Die Stiftung beschäftigt rund 1.650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.



Weitere Personalien



Volker Sasse (53) aus Lemgo hat am 1. August als Geschäftsführer die alleinige Leitung des Bereichs der ambulanten Pflege von Eben-Ezer übernommen, den seit mehr als vier Jahren die Partner Diakonie ambulant und Eben-Ezer bilden. Sasse folgt auf Marianne Ulbrich, die in den Ruhestand getreten ist. Sie blickt auf 50 Jahre Berufstätigkeit zurück, davon 19 Jahre als Vorstand von Diakonie ambulant e.V. und später als Geschäftsführerin der heutigen Diakonie ambulant gGmbH sowie dem Intensiv- und Palliativ-Pflegedienst Lippe gGmbH. Sasse war zuvor sechs Jahre geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens NISI tätig.

Michael Winkler (47) wird ab November Geschäftsführer des Pius-Hospitals in Oldenburg. Er folgt auf Elisabeth Sandbrink, die Ende des Jahres in den Ruhestand eintritt. Winkler kommt aus Bad Oeynhausen, wo er bis dahin als Geschäftsführer des Krankenhaus Bad Oeynhausen, der Mühlenkreiskliniken und der Auguste Viktoria Klinik Bad Oeynhausen, wirkt. Vor seinem Studium des Krankenpflegemanagements im Fachbereich Wirtschaft an der Hochschule Osnabrück startete er seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung zum Krankenpfleger. Elisabeth Sandbrink leitet das Pius-Hospital Oldenburg seit August 2007 als Geschäftsführerin.

Juliana Seelmann, Schwester aus dem Kloster Oberzell, erhält für ihren Einsatz für geflüchtete Menschen den Würzburger Friedenspreis. Seit vielen Jahren setze sie sich hartnäckig und beispielhaft für Asylsuchende ein und habe in besonderen Härtefällen Kirchenasyl gewährt, teilte das Komitee Würzburger Friedenspreis mit. Sie stehe damit beispielhaft für das vielfältige Engagement für geflüchtete Menschen. Seelmann ist in der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg als Krankenschwester tätig. In besonderen Härtefällen ermöglichte sie gemeinsam mit ihren Mitschwestern der franziskanischen Ordensgemeinschaft in Oberzell von Abschiebung bedrohten Frauen Kirchenasyl. Kürzlich wurde sie vom Amtsgericht Würzburg wegen eines Kirchenasylfalls zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Preis ist in diesem Jahr mit 3.000 Euro dotiert. Die Verleihung findet am 10. Oktober im Burkardushaus statt.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis September



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

August

19.8-20.9.:

Online-Kurs: „Meetings per Video oder Telefon moderieren: online miteinander im Kontakt sein und effektiv arbeiten“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

23.-27.8. Freiburg:

Fortbildung „Projektmanagement - Effektiv planen und erfolgreich zusammenarbeiten“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

23.8.-1.9.:

Fortbildung im Hybridformat: „Integrierte Schuldnerberatung in Sucht- und Straffälligenhilfe, Sozialberatung und Betreuung“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/7392885

26.8. Berlin:

Fortbildung „Veränderung initiieren - wirksame Führungsimpulse setzen“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828227

31.8.:

Webinar „Einstieg in die Welt der öffentlichen Fördermittel: EU, Bund, Länder und Kommune“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-160

31.8. Berlin:

Seminar „Grundlagen des Arbeitsrechtes in Einrichtungen der Sozialwirtschaft - Gestaltungsspielräume nutzen“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-160

September:

1.-2.9.:

Online-Fortbildung „Die Anwendung der ICF in der Hilfeplanung“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

6.-8.9. Freiburg:

Seminar „ Wenn das Miteinander zur Herausforderung wird - Fach- und Führungskräfte als Vermittelnde bei Konflikt und Mobbing“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

7.9.:

Webinar „Datenschutzunterweisung für Mitarbeitende in sozialen Einrichtungen“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

8.-10.9. Berlin:

Seminar „Ältere Mitarbeitende binden und wertschätzend verabschieden“

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139

8.9.-26.10.:

Seminar „Qualität in stationären Hospizen sorgsam gestalten - Fortbildung zur nachhaltig erfolgreichen Arbeit mit dem Bundesrahmenhandbuch stationäre Hospize“

der Fortbildungsakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/739 28 85

14.9. Berlin:

Seminar „Controlling für Einrichtungen der Eingliederungshilfe“

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 02203/8997-221

20.9-1.11.:

Online-Fortbildung „Rechtliche Beratung in der Wohnungslosenhilfe Mehr GeRECHTigkeit auf der Straße“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0173/5105498

24.9.:

Online-Seminar „Wirtschaftlichkeit ambulanter Pflegedienste“

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 02203/8997-221

27.-29.9. Netphen:

Seminar „Gesunde Führung - Fehlzeiten reduzieren und Mitarbeiter/Innen motivieren“

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139