sozial-Branche

Pflege

Gastbeitrag

bpa: Höhere Löhne in der Pflege führen nicht zu mehr Personal




Joachim Görtz
epd-bild/bpa/Peter Bergmann
Alle Welt schaut mit Blick auf die Gewinnung von mehr Fachpersonal in der Pflege auf die Lohnhöhe. Doch das sei falsch, wolle man das Dilemma fehlender Fachkräfte lösen, schreibt Joachim Görtz, Leiter der Landesgeschäftsstelle des bpa Bayern, in seinem Gastbeitrag für epd sozial. Er wirbt dafür, vor allem gesunde Arbeitsplätze zu bieten - die Grundlage dafür, dass das vorhandene Personal im Job bleibt.

Es ist ein Irrglauben, dass Fachkräftesicherung allein aufgrund steigender Löhne und Gehälter gelingt. Um das Dilemma in der Pflege zu lösen, braucht es vor allem eines: gesunde Arbeitsplätze.

Hochrechnungen für Bayern prognostizieren: Im Jahr 2050 könnten 880.000 Menschen auf Pflege und Betreuung angewiesen sein, bereits heute sind es über 500.000. Diese Zahlen treffen auf ein Personalloch, das immer größer wird. Im Jahr 2020 fehlten bereits 3.000 Pflegefachkräfte, im Jahr 2025 werden es bereits 7.500 sein - jeweils in Vollzeitstellen gerechnet. Die gleiche Menge an Pflegehilfskräften kommt noch einmal oben drauf.

Ausbildung und Zuwanderung reichen nicht aus

Unbestritten ist auch, dass dieser enorme Bedarf nicht allein durch Ausbildung oder durch Zuzug von Pflegefachkräften aus dem Ausland gedeckt werden kann. So bleibt wohl nur, den Blick zu schärfen und verstärkt an diejenigen zu denken, die heute professionell die Verantwortung übernehmen und tagein, tagaus die Pflege und Betreuung im Land sicherstellen.

Viele meinen reflexartig, dass als Zeichen der Wertschätzung beziehungsweise als Anerkennung für diese Leistung die Löhne in der Pflege erhöht werden müssten. Dabei sind die Löhne in der Pflege in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen als in der Gesamtwirtschaft.

Auch die Beschäftigungsbilanz der letzten Jahre kann sich sehen lassen: Laut einer aktuellen Studie steigt in Bayern die Zahl der Beschäftigten in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft mit durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr fast doppelt so stark wie in der Gesamtwirtschaft (1,3 Prozent). Und schließlich ist ebenso verbreitet wie irrig die Annahme, dass Pflegekräfte ihren Beruf nur wenige Jahre ausüben würden - genau das Gegenteil ist der Fall. Im Vergleich zu anderen Berufsfeldern wechseln Beschäftigte in der Pflege sogar seltener ihren Beruf. Tatsächlich aber reicht das alles nicht, denn es ist schlicht die demografische Herausforderung, die sich schneller und stärker entwickelt als die Zahl der Pflegekräfte.

Starke Belastungen im Job schnell senken

Woran also anknüpfen, was hilft wirklich, was nützt? Schnell wird zunächst klar, dass insbesondere in der Corona-Krise die Belastung bei den Pflegekräften noch einmal stark angestiegen ist. Hier muss unbedingt für Entlastung gesorgt werden, auch mit Blick auf das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen.

Besonders viele Fehltage in den Pflegeberufen gingen 2019 auf das Konto von psychischen Störungen und Krankheiten des Bewegungsapparats. In den Pflegeberufen waren die Beschäftigten aufgrund von psychischen Diagnosen und Muskelskeletterkrankungen deutlich länger krankgeschrieben und lagen 80 Prozent über dem Durchschnitt aller Berufe. Dem gilt es den Kampf anzusagen.

Besonders nötig und von den Pflegekräften ausdrücklich erwünscht sind Schulungen zur Stressbewältigung und Teamarbeit sowie praktische Maßnahmen wie Rückenschulung und Entspannung. Das ist das Ergebnis einer Expertenbefragung und Teil des Projektes „PFLEGEprevent“, ein Gemeinschaftsprojekt der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Bayerischen Heilbäder-Verbands und des bpa - Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V.

Alarmierend ist das Ergebnis, dass die Pflegekräfte selbst ihre Arbeitsfähigkeit kritisch bis mäßig einschätzen. Sie brauchen dringend ein Präventionsprogramm, um ihre Belastungen besser zu bewältigen, auch nach der Corona-Krise. Betriebliche Gesundheitsförderung und die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements gelten als der Königsweg, will man die Pflegekräfte hier wirklich wirkungsvoll unterstützen.

Vorbilder aus der Praxis nutzen

Dazu gibt es Vorbilder aus der Praxis und viele gute Angebote der Krankenkassen und der Rentenversicherung. Beispielsweise das Programm RV Fit, ein Angebot der Rentenversicherung, das grundsätzlich von allen Beschäftigten -also auch von Pflegekräften- in Anspruch genommen werden kann. Durch frühzeitige präventiv-therapeutische Intervention sollen die Beschäftigten gesund und leistungsfähig bleiben sowie die Gefahr einer vorzeitigen Erwerbsminderung verringert werden. Das ist auch zum Vorteil des Betriebs, weil die qualifizierten Kräfte erhalten bleiben und sich das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen insgesamt reduzieren lässt.

Und dann wäre da das Programm des Verbands der Ersatzkassen e.V. (vdek), MEHRWERT:PFLEGE genannt. Hierüber werden Organisationen wie Pflegeeinrichtungen im Auf- und Ausbau ihres Gesundheitsmanagements begleitet. Über einen sogenannten Gesundheitsbaukasten werden verschiedene Maßnahmen angeboten und auf die individuellen Bedürfnisse der Einrichtung angepasst, beispielsweise in der Arbeits- und Organisationsstruktur.

Der bpa steht mit diesen beiden Organisationen im engen Austausch, um den Pflegekräften und den Pflegeeinrichtungen ein Angebot aus einem Guss machen zu können. Ziel ist der Auf- und Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung für Pflegekräfte durch eine Verbindung von primärpräventiven Angeboten der Kranken- und Pflegekassen mit Maßnahmen der Rentenversicherung.

Joachim Görtz ist Leiter der Landesgeschäftsstelle des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) Bayern