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Studie: 20.000 weitere Fachkräfte pro Jahr durch Ausbildungsgarantie




Auch dem Steinbildhauergewerbe fehlt der Nachwuchs.
epd-bild/Jens Schulze
Fast 80.000 junge Menschen sollen in Deutschland ohne Ausbildungsplatz sein. Eine Ausbildungsgarantie wie in Österreich könnte laut der Bertelsmann Stiftung nicht nur mehr Fachkräfte bringen, sondern auch das Bruttoinlandsprodukt steigern.

Gütersloh, Berlin (epd). Eine Ausbildungsgarantie für Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben, könnte laut einer aktuellen Studie in Deutschland bis zu 20.000 zusätzliche Fachkräfte pro Jahr bringen. Diese Berechnung basiere auf der Annahme, dass von den 78.000 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz in Deutschland etwa 40 Prozent die Ausbildungsgarantie nutzen und zwei Drittel von ihnen auch zu einem erfolgreichen Abschluss kommen, erklärte die Bertelsmann Stiftung in einer am 12. August in Gütersloh veröffentlichten Studie. Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte die künftige Bundesregierung auf, eine solche Ausbildungsgarantie auf die Agenda zu nehmen.

In Österreich gibt es bereits seit 2008 eine Ausbildungsgarantie, wie die Stiftung erläuterte. Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben, bekommen den Angaben zufolge dort das Angebot einer überbetrieblichen Ausbildung. Die Jugendlichen wechselten entweder nach einem Jahr in eine reguläre Ausbildungsstelle in der Wirtschaft oder sie erhielten am Ende der überbetrieblichen Ausbildung einen vollwertigen Abschluss. In Deutschland sind laut Berufsbildungsbericht des Bundesbildungsministeriums zuletzt rund 78.000 junge Menschen ohne einen Ausbildungsplatz geblieben.

Höherer Bildungsstand und steigende Produktivität

Werde eine Ausbildungsgarantie umgesetzt, führe dies zu einem höheren Bildungsstand und damit zu einer höheren Produktivität, erklärte die Bertelsmann Stiftung. Bei 20.000 zusätzlichen Absolventen steige das Bruttoinlandsprodukt nach zehn Jahren bereits um 2,6 Milliarden Euro pro Jahr. Nach 20 Jahren würden sich mehr als acht Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich ergeben.

Die Kosten einer Ausbildungsgarantie für die öffentlichen Haushalte werden von der Studie mit rund 1,44 Milliarden Euro pro Jahr beziffert: Das seien 72.000 Euro pro Absolvent. Zugleich stiegen die staatlichen Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, sodass sich die Investition aus staatlicher Sicht bereits ab dem neunten Jahr auszahlten. Die Arbeitslosenquote würde demnach langfristig um 0,26 Prozentpunkte sinken. Die effektive Beschäftigung würde um 0,69 Prozent steigen.

Wirksames Mittel gegen Fachkräftemangel

„Die Ausbildungsgarantie ist das Gebot der Stunde“, erklärte das Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger., Die Zahl der Ausbildungsplätze gehe drastisch zurück und der Fachkräftebedarf sei drängender denn je.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte: „ Die Ausbildungsgarantie muss ein Top-Punkt im 100 Tage-Programm der nächsten Bundesregierung sein.“ Die jungen Menschen benötigten verlässliche Ausbildungsperspektiven, die Wirtschaft brauche Fachkräfte, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Die Ausbildungsgarantie sei das richtige Instrument, um den Ausbildungsmarkt zu stabilisieren. „Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, mehr als zwei Millionen junge Menschen ohne Ausbildung zu lassen“, mahnte er.

„Wir brauchen dringend eine Ausbildungsgarantie“, erklärte auch der der DGB in Nordrhein-Westfalen. Gerade in NRW gebe es dringenden Handlungsbedarf, sagte die Vorsitzende Anja Weber. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung halte NRW gemeinsam mit Bremen „die rote Laterne beim Anteil der jungen Menschen ohne Berufsabschluss“. Jeder fünfte junge Mensch in NRW habe keine abgeschlossene Berufsausbildung. „Das bedeutet fast immer den direkten Weg in die Langzeitarbeitslosigkeit“, mahnte Weber.

Für die Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat das Institut für Höhere Studien in Wien das österreichische System auf Deutschland übertragen. So wurden empirische Kennzahlen und Indikatoren zur Ausbildungssituation in Österreich ermittelt und mit einem quantitativen makroökonomischen Modell in verschiedenen Szenarien auf die deutsche Situation übertragen.

Holger Spierig