sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Markus Jantzer
epd-bild/Heike Lyding

die Corona-Krise belastet die Menschen psychisch. Mit dem Abstandsgebot und weiteren sozialen Einschränkungen wächst die Angst vor Einsamkeit, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge in vielen Gesprächen erfahren. "Uns haben vor allem Menschen angerufen, die schon vor Corona psychisch labil oder einsam waren", berichtet die Leiterin der Telefonseelsorge in Hannover, Annemarie Denecke. In den schlimmsten Fällen vertiefen sich Depressionen und tragen sich Menschen mit Suizidgedanken. Doch leider gibt es für Menschen, die sich in einer ausweglosen Lage sehen, zu wenige geeignete Hilfsangebote, woran auch in diesem Jahr wieder Experten am Welttag der Suizidprävention erinnern.

Der Bund will die Digitalisierung in den Krankenhäusern beschleunigen: Dazu hat das Kabinett beschlossen, den Kliniken für entsprechende Investitionen Milliarden zur Verfügung zu stellen. Im dritten Teil unserer Serie zu den digitalen Anforderungen an die Branche berichten wir außerdem, welche Konsequenzen die Johanniter aus den Defiziten in ihren Häusern gezogen haben. Der bundesweit größte gemeinnützige Träger von Altenhilfe-Einrichtungen hat flächendeckend mobile WLAN-Hotspots und Tablets angeschafft, so dass es in jedem Wohnbereich aller Johanniter-Heime einen Internet-Zugang gibt.

Hartz-IV-Bezieher, die fast zwei Meter lang sind, haben Anspruch auf ein besonders großes Bett. In solch einem Fall muss das Jobcenter dem Leistungsempfänger im Rahmen einer Erstausstattung einen Zuschuss für ein Bett in Überlänge sowie für Matratze und entsprechende Bettwäsche gewähren. Das entschied das Landessozialgericht Hamburg.

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Markus Jantzer




sozial-Politik

Gesundheit

Bund startet Investitionsprogramm für Krankenhäuser




Coronapatient in der Notaufnahme
epd-bild/Steffen Schellhorn
Masken, Schutzkleidung, mehr Abstände: Krankenhäusern entstehen durch die Pandemie ungewöhnlich hohe Kosten. Mit einem neuen Gesetz will Gesundheitsminister Spahn den Kliniken unter die Arme greifen. Auch für den digitalen Ausbau soll es Geld geben.

Die Bundesregierung will mit drei Milliarden Euro den baulichen und digitalen Fortschritt der Krankenhäuser fördern. Das Bundeskabinett stimmte am 2. September in Berlin dem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Entwurf des Krankenhauszukunftsgesetzes zu. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums soll das Geld überwiegend für Notfallkapazitäten, die Digitalisierung und die IT-Sicherheit der Kliniken genutzt werden. Die Länder sollen weitere 1,3 Milliarden Euro beisteuern. Das Gesetz braucht nicht die Zustimmung des Bundesrates und wird den Angaben nach voraussichtlich im Oktober in Kraft treten.

Erlösrückgänge aufgrund der Pandemie

Beim Bundesamt für Soziale Sicherung wird ein Krankenhauszukunftsfonds eingerichtet. Die Länder könnten bis zum 31. Dezember 2021 Förderanträge an das Bundesamt stellen, hieß es. Auch länderübergreifende Vorhaben würden gefördert. Normalerweise übernehmen die Länder die Investitionskosten der Krankenhäuser in voller Höhe.

Die im Krankenhausfonds bereitgestellten Gelder sollen dem Bundesministerium zufolge unter anderem für Patientenportale im Internet und für digitales Medikationsmanagement genutzt werden. Auch personelle Maßnahmen könnten durch den Fonds finanziert werden.

Darüber hinaus wird der bereits bestehende Krankenhausstrukturfonds nach Regierungsangaben um zwei Jahre verlängert. Erlösrückgänge aufgrund der Pandemie könnten in Verhandlungen zwischen Krankenhäusern und Kostenträgern individuell ermittelt und ausgeglichen werden. Für nicht anderweitig finanzierte zusätzliche Kosten wie zum Beispiel für Schutzausrüstung könnten ebenfalls Zuschläge vereinbart werden.

Akuthilfen für pflegende Angehörige

Auch wesentliche Regelungen zur finanziellen Entlastung und Unterstützung im Bereich der Pflege werden nach dem Kabinettsbeschluss verlängert. Zudem gelten die Akuthilfen für pflegende Angehörige weiter. "Wer coronabedingt Angehörige pflegt und erwerbstätig ist, erhält durch die Verlängerung auch weiterhin bis zum 31.12.2020 das Recht, bis zu 20 Arbeitstage pro Akutfall der Arbeit fernzubleiben", sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Auch das Pflegeunterstützungsgeld werde für diesen Zeitraum ausgezahlt. Außerdem soll die verlängerte Bezugszeit für das Kinderkrankengeld von zehn auf 15 Tage beziehungsweise 30 Tage für Alleinerziehende bis zum Jahresende gelten.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sagte, die Verlängerung der Unterstützungsgeldes sei "fast schon ein Affront". Der allergrößte Teil der Pflegenden sei nicht mehr berufstätig. Es brauche ein pauschales Covid-19-Pflegegeld und einen Ausbau der Entlastungsangebote für pflegende Angehörige.

Schutzschirm für Pflegeeinrichtungen

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßte die Verlängerung des Schutzschirms für Pflegeeinrichtungen bis März 2021. Angesichts der im Herbst zu erwartenden steigenden Infektionszahlen müsse die Versorgung der Pflegebedürftigen auch für diese Zeit sichergestellt werden, sagte Geschäftsführer Gerhard Timm. Die Kosten durch notwendige Schutz- und Hygienemaßnahmen wie Masken und der erhöhte Reinigungsaufwand müssten daher refinanziert werden.

Die Bundesgelder seien dringend notwendige Modernisierungsinvestitionen, hieß es von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Für Kliniken sei besonders wichtig, dass der Schutzschirm gegen Corona-bedingte Mehrkosten und Erlösverluste verlängert und neukonzipiert wurde. Die Einrichtungen erhielten so die für die weitere Pandemiebewältigung notwendige Planungssicherheit.

Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, bezeichnete das Gesetz als unzureichend. Eine bessere Versorgung und die langfristige Sicherstellung der stationären Versorgung können nur erreicht werden, wenn die Bundesregierung das Problem der Unterfinanzierung bei Investitionen und der mangelnden Krankenhausplanung in Angriff nehme, erklärte sie.

Jana-Sophie Brüntjen


Corona

Wenn das Virus die Seele quält




Kerstin Häusler, Leiterin der Telefonseelsorge Hannover, in einem Büro der Beratungseinrichtung
epd-bild/Daniel Behrendt
Die Corona-Krise macht sich auch in den rund 100 Telefonseelsorge-Stellen in Deutschland bemerkbar: Seit der Einführung von Abstandsgebot und Kontaktbeschränkungen haben Themen wie Einsamkeit, Depression und Existenzangst an Dringlichkeit gewonnen.

Annemarie Denecke erinnert sich noch gut an jene Tage, als die Corona-Krise die hannoversche Telefonseelsorge erreichte. Anfangs sei es vor allem um ganz handfeste Fragen gegangen: Soll ich mich auf Corona testen lassen, weil ich seit drei Tagen huste? Wie groß ist das Infektionsrisiko? Wie schütze ich mich am besten? Doch dann, Ende März, kamen mit Shutdown, Kontaktbeschränkungen und Abstandsgebot verstärkt seelische Nöte ins Spiel: Angst vor zermürbender Einsamkeit. Die Sorge, den ohnehin beschwerlichen Alltag nicht mehr meistern zu können, weil die sonst so hilfsbereiten Nachbarn auf Abstand gehen. Wut darüber, nicht zum schwer kranken Vater ins Pflegeheim zu dürfen. Quälende Ohnmacht bei dem Gedanken, dass er mutterseelenallein sterben könnte.

Schwierige Lebenssituation

"Uns haben vor allem Menschen angerufen, die schon vor Corona psychisch labil oder einsam waren. Die plötzlichen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie haben für viele von ihnen eine ohnehin schwierige Lebenssituation zusätzlich verschärft", berichtet Denecke, die zu den rund 100 ehrenamtlich Engagierten im Team der Telefonseelsorge Hannover gehört. Wie ihre Kolleginnen und Kollegen gibt auch die 68-Jährige ihren wirklichen Namen nicht preis. Denn die Anonymität schützt die Seelsorgerinnen und Seelsorger einerseits vor persönlichen Verstrickungen in die oftmals schweren Schicksale der Anrufer und andererseits vor allzu distanzlosen Klienten.

Fragen zu Corona selbst, Depressionen, Ängste, Suizidgedanken - und eben ganz besonders die Einsamkeit: Das seien die beherrschenden Themen der zurückliegenden Monate gewesen, sagt Denecke. "Gerade die Einsamen wollen in dieser Zeit oft einfach nur Nähe spüren." Besonders um Ostern, in einer Zeit, die nicht nur Christen üblicherweise mit Gemeinschaft und Freude verbinden, seien die Telefone förmlich heiß gelaufen.

Und das gilt nicht nur in der Dachgeschosswohnung unweit des hannoverschen Stadtzentrums, in der die Beratungseinrichtung ihren Sitz hat. Bundesweit verzeichnete die gemeinsam von evangelischer und katholischer Kirche getragene Telefonseelsorge seit Beginn der Corona-Maßnahmen einen deutlichen Anstieg der Kontaktaufnahmen. Führten die Telefonseelsorger im Februar noch rund 97.000 Gespräche, waren es im März bereits rund 113.000 und im April, also unmittelbar nach dem Shutdown, mehr als 117.000. Auch jetzt, da der einstige Ausnahmezustand längst als "neue Normalität" bezeichnet wird, liegen die Zahlen noch immer deutlich über dem Üblichen.

Aus der Bahn geworfen

"Die Sorgen und Nöte der Menschen sind in Corona-Zeiten zunächst keine anderen als sonst auch. Aber manche davon treten gerade jetzt mit erhöhter Dringlichkeit zutage", sagt Pastorin Kerstin Häusler, die die hannoversche Telefonseelsorge leitet. "Was hier bei uns im kleinen Maßstab an Themen aufläuft, sagt auch etwas über die Großwetterlage", ist die Theologin überzeugt. "Derzeit fallen Schlaglichter auf die Nöte der Einsamen, auf die Menschen in den Pflegeheimen, auf Eltern, die sich zwischen Home-Office und Home-Schooling aufreiben, auf Kinder, die sich lange Zeit kaum mit Gleichaltrigen treffen konnten und auch jetzt noch längst keinen normalen Alltag haben." Deutlicher als zuvor werde sichtbar, wie fragil sicher geglaubte Verhältnisse seien. "Allein das führt dazu, dass viele Menschen schneller aus der Bahn geworfen werden und nach Hilfe suchen", sagt Häusler.

Pastor Bernd Blömeke, Referent für Telefonseelsorge im Diakonie Bundesverband, stellt ebenfalls direkte Effekte der Corona-Situation auf das Arbeitsaufkommen der bundesweit etwa 6.500 Freiwilligen in den 104 Telefonseelsorge-Stellen fest. Er verweist auf eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Freiburg, die im Auftrag der Vereinten Nationen beleuchtet, inwieweit sich der Bedarf nach psychologischer Hilfe seit dem Ausbruch der Pandemie verändert hat. Dort, wo lokale Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19-Virus besonders streng und umfassend ausfallen, hätten die örtlichen Telefonseelsorger besonders viel zu tun.

Annemarie Denecke sitzt mal tagsüber, mal die ganze Nacht lang im schlichten Beratungszimmer der hannoverschen Telefonseesorge. In einer Ecke des kleinen Raums steht eine gemütliche Polsterliege. Auf der könnte sie sich zwischendurch mal langmachen. Doch daran ist nicht zu denken. Das beigefarbene Tastentelefon auf dem Schreibtisch klingelt nahezu ununterbrochen. "Klar, manche Schicht ist stressig, mitunter belastend, aber ich bekomme von den Menschen unendlich viel Zuspruch und Dankbarkeit zurück", sagt Denecke. "Und manchmal muss ich überhaupt nicht viel tun. Oft reicht es, einfach zuzuhören."

Daniel Behrendt


Suizid

Es fehlt an professionellen Krisendiensten




Dunkler Schatten eines Menschen (Symbolbild)
epd-bild/Norbert Neetz
Angesichts der hohen Zahl von Selbsttötungen in Deutschland fordern Experten mehr Angebote für Menschen, die sich in einer persönlichen Krise befinden. Auch Depressionen würden als ernsthafte Gefahr für das Leben unterschätzt.

Eine plötzliche Trennung vom Lebenspartner kann eine ganze Kaskade von verheerenden Gedanken auslösen. Ängste wie "Jetzt werde ich lebenslang alleine sein" oder "Ohne den anderen kann ich nicht leben" schießen durch den Kopf. Auch eine schlimme ärztliche Diagnose vermag einen Menschen bis ins Mark zu erschüttern. Manche Menschen stürzen dann in eine so tiefe Krise, dass sie sich das Leben nehmen wollen. Der Welttag der Suizidprävention am 10. September macht darauf aufmerksam, dass es selbst in ausweglos erscheinenden Lebenslagen Hilfe gibt.

Seelische Probleme in der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie, die auch zu massiven seelischen Problemen geführt habe, könne persönliche Krisen verschärfen und das Suizidrisiko erhöhen, sagt Sonja Liebig vom Würzburger Krisendienst. "Es wird gerade sehr viele Menschen geben, die am Rande ihrer finanziellen Möglichkeiten sind oder die nicht wissen, wie sie ihren Beruf weiter ausüben oder ihr Geschäft weiterführen können." Der ökumenische Krisendienst hilft seit 30 Jahren verzweifelten Menschen, die ernsthaft darüber nachdenken, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

Manche Menschen beginnen in einer suizidalen Krise, bis ins Detail zu planen, wie sie sich töten werden. Sie ziehen sich in dieser Phase entweder stark zurück oder erscheinen sehr umtriebig, wie Liebig erläutert: "Bis sie in einer trügerischen Ruhe so wirken, als hätten sie die Situation wieder im Griff." Dabei ist der Suizidplan fix und fertig und der Zeitpunkt exakt bestimmt. "Selbst Fachleute erkennen dann manchmal nicht die akute Todesabsicht." Deswegen sei es gerade hier wichtig, im Gespräch zu bleiben, unterstreicht die Sozialpädagogin.

Für Menschen, die nicht mehr am Leben hängen, müsse mehr getan werden, sagte die Suizidpräventionsforscherin Ute Lewitzka vom Uniklinikum Dresden dem Evangelischen Pressedienst (epd). So gebe es in Psychiatrien kaum spezielle Ambulanzen für suizidgefährdete Menschen. Auch sollte die niedrigschwellige Krisenintervention ausgebaut werden: "Leider haben fast keine Krisendienste die Ressourcen, ihr Angebot rund um die Uhr oder sogar aufsuchend vorzuhalten." Dabei sei das zur Suizidprävention äußerst wichtig: "Denn Krisen halten sich nicht an Öffnungszeiten, und die Hemmschwelle, sich in einer Klinik vorzustellen, ist oft riesengroß", sagt Lewitzka.

"Hier läuft viel ehrenamtlich"

Deutschlandweit nahmen sich nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2018 fast 9.400 Menschen durch Suizid das Leben. Damit entscheiden sich im Schnitt täglich mehr als 25 Personen, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Angesichts dieser hohen Zahl fordert auch Barbara Schneider, Leiterin des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, einen Ausbau der Krisendienste in Deutschland. "Bisher läuft hier viel ehrenamtlich", sagt sie. Das freiwillige Engagement sei zwar gut, aber es könne nicht regelmäßige fachliche Angebote ersetzen.

Ob jemand das Leben in vollen Zügen genießen kann oder ob er das Dasein als eine einzige Last empfindet, hängt nicht zwingend mit den konkreten Lebensumständen zusammen. Darauf verweist Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Depressionen können das Leben verleiden, auch wenn die äußeren Umstände alles andere als schlecht sind. "Depressionen werden als Erkrankung unterschätzt und nicht konsequent behandelt", beklagt der Frankfurter Psychiater.

Suizidgedanken sind laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ein "sehr häufiges" Symptom bei Depressionen. Sie machten dieses Leiden darum zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Die Quote der psychiatrisch Erkrankten unter allen Menschen, die durch Suizid sterben, liegt nach Angaben der Stiftung bei 90 Prozent. In mehr als jedem zweiten Fall handle es sich um eine Depression.

Pat Christ


Psychiatrie

"Malt ständig auf Toilettenpapier"




Mit braunen Haaren gesticktes "Porträt eines Geliebten" in der Sammlung Prinzhorn
epd-bild/Uwe Anspach
Zeichnungen mit erbettelten Arztstiften, ein Bild des Geliebten, gestickt mit den eigenen Haaren: Die Sammlung Prinzhorn zeigt Kunstwerke, die in der Psychiatrie entstanden sind. Sie sind Zeugnisse von Inspiration, aber auch von seelischer Not.

Ein Jäckchen aus grobem Leinen, über und über bestickt mit autobiografischen Texten: Die Näherin Agnes Richter (1844-1918) hat das Kleidungsstück 1895 angefertigt. Heute ist die gestickte Kurrentschrift außen und innen kaum mehr lesbar, das Jäckchen brüchig geworden. Während ihres Aufenthalts in einer Nervenheilanstalt hat Agnes Richter die Jacke immer weiter bestickt, gewendet und wieder zusammengenäht. Heute ist sie eines von rund 30.000 Kunstwerken der Heidelberger Sammlung Prinzhorn, einem Museum für "Kunst von Menschen mit psychischen Ausnahmeerfahrungen".

Werke von Psychiatrie-Erfahrenen von 1800 bis heute

Das Haus, eine Einrichtung des Universitätsklinikums Heidelberg, ist international bekannt für seine Sammlungsgröße: Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Installationen aus der Zeit von 1800 bis heute, geschaffen von Psychiatrie-Erfahrenen aus ganz Europa.

Der Arzt und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn (1886-1933) baute nach dem Ersten Weltkrieg eine einzigartige Sammlung von Werken auf, die zwischen 1880 und 1920 entstanden. Heute will die Sammlung Prinzhorn Kunst bewahren und erforschen sowie zur Entstigmatisierung und gesellschaftlichen Inklusion von Psychiatrie-Erfahrenen beitragen.

Prinzhorn verfasste 1922 das Buch "Bildnerei der Geisteskranken" und gilt als Pionier einer ästhetischen Wertschätzung von "Irrenkunst", wie es damals hieß. Die von ihm untersuchten Werke bezeichnete er als "ursprünglich" und "echt".

Inspiration für Surrealisten und Expressionisten

Als erster habe er die Patienten nicht nur als Kranke, sondern auch als Künstler gesehen, erläutert Kuratorin Ingrid von Beyme beim Museumsrundgang. Doch nicht immer stieß die Kunstbegeisterung von Patienten auf Zustimmung oder Begeisterung von Ärzten, wie etwa folgender Kommentar über einen Patienten zeigt: "Malt ständig auf Toilettenpapier". In der Zeit um 1900 sei dies als schlichtes Gekritzel abgetan worden, erklärt von Beyme. Von Surrealisten und Expressionisten allerdings wurde das künstlerische Schaffen psychisch Kranker als Inspiration aufgegriffen.

Heute werden Werke, die von Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger Behinderung geschaffen werden, als "Art brut" (rohe Kunst) oder "Outsider Art" (Außenseiterkunst) bezeichnet. Oft sehen die Schöpfer ihre Werke selbst nicht als Kunst an, sagt der Leiter der Sammlung, Thomas Röske. Der unablässige künstlerische Prozess habe für sie die Funktion einer alternativen Verbindung zur Realität.

Besonders schlecht ging es Frauen, die im 19. Jahrhundert in damals so genannte "Irrenanstalten" eingeliefert wurden. Manche waren gar nicht krank, sondern einfach nur unangepasst und entsprachen den Erwartungen ihrer Umgebung nicht. Oft wurden sie entmündigt und ihrer Privatheit und Individualität beraubt. Sie verbrachten ihre Tage mit Tätigkeiten wie Sticken oder Nähen.

Ein Porträt mit den eigenen Haaren gestickt

Die Materialien zur eigenen, künstlerischen Ausdrucksweise waren rar. Sie waren angewiesen auf Zeitungs- oder Packpapier und erbettelte Arzststifte. Oder sie verwendeten gar das eigene Blut oder Kopfhaar: Mit ihren braunen Haaren statt mit Garn stickte etwa Elisa K. ein Porträt ihres Geliebten.

Kunst diente hier als eine Art Selbstheilungsversuch - zu einer Zeit, als es noch keine Kunsttherapie gab, sagt Kuratorin Ingrid von Beyme. Die Kunstwerke wurden von Medizinern in den Krankenakten aufgehoben, um später vielleicht einen Schlüssel zu der Krankheit zu finden. Anders als heute habe es damals keine Psychopharmaka gegeben, viele Menschen wurden einfach lebenslang weggesperrt.

Die Zwangssterilisation in der NS-Zeit hat Wilhelm Werner aus Patientensicht gezeichnet: eine überdimensionierte Diakonisse mit Spritze. 44 Zeichnungen des jungen Mannes mit der Diagnose "Idiotie" sind erhalten. Er starb in der Gaskammer.

Zwischen Vision und Wahnvorstellung

Was Vision, was Wahnvorstellung der Patienten sei, das sei ein Graubereich, sagt von Beyme. Da sind etwa die "Schweißbilder" von Carl Lange, entstanden um 1900: Die aneinandergereihten Zeichnungen in halbrunden Bildfeldern stellen Schuheinlegesohlen dar. Zuvor hatte er die Bilder als Schweißflecken in seinen Schuhen gesehen. Sie erschienen ihm so real, dass er sie nachzeichnete, erzählt die Kuratorin.

Zu den ungewöhnlichen Werken der Sammlung gehört etwa ein 260 Zentimeter langes Collageband, von "Frau St.", zusammengesetzt aus unbedruckten Randspalten der Zeitung. Darauf malte und zeichnete sie mit Bleistift, Buntstiften, Deckfarben und Tinte verschiedene Muster und klebte zudem kleine Bildelemente aus Zeitungsausgaben von 1890/91- zu einer Zeit, als die Kunstwelt die Collagetechnik noch gar nicht entdeckt hatte.

Christine Süß-Demuth


Corona

Jugendliche machen sich Sorgen über ihre Ausbildungschancen




Ein Jugendlicher in der Ausbildung zum Krankenpfleger
epd-bild/Jürgen Blume
Wegen der Corona-Krise bangen viele junge Menschen um ihre Ausbildung. Von der Politik fühlen sie sich laut einer Umfrage alleingelassen. Besonders skeptisch blicken Jugendliche mit niedrigen und mittleren Schulabschlüssen in die Zukunft.

Die Corona-Krise führt zu einer massiven Verunsicherung von jungen Menschen mit Blick auf ihre Chancen am Ausbildungsmarkt. Mehr als 60 Prozent der befragten jungen Menschen zwischen 14 und 20 Jahren sind der Ansicht, dass sich ihre Ausbildungschancen durch die Pandemie verschlechtert hätten, wie aus einer Umfrage hervorgeht, die die Bertelsmann Stiftung am 28. August in Gütersloh vorstellte. Vor allem Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen bangen um ihre Zukunft. Die Politik müsse hier jungen Menschen eine Perspektive bieten, forderte die Stiftung.

Verbreitete Enttäuschung

Ein Drittel der Befragten hat der Umfrage zufolge den Eindruck, es gebe zu wenig Ausbildungsplätze. Bei jungen Menschen mit niedriger Schulbildung teilte sogar fast die Hälfte (44 Prozent) diese Sorge. Auch wenn sie bereits einen Ausbildungsplatz hätten, äußerte sich mehr als jeder Zweite mit einem niedrigeren Abschluss verunsichert, ob die Ausbildung abgeschlossen werden könne. Junge Menschen mit höherem Schulabschluss machen sich laut der Umfrage weniger Sorgen. Bezogen auf ein Studium teilte weniger als ein Viertel (23 Prozent) der Befragten diese Befürchtung.

Die Befragung zeige eine verbreitete Enttäuschung der jungen Menschen, erklärte die Stiftung. Die Hälfte von ihnen sei der Auffassung, dass die Politik wenig bis gar nichts für Ausbildungsplatzsuchende tue. Weitere 30 Prozent sähen zwar Anstrengungen aufseiten der Politik, bewerteten sie aber als unzureichend.

Mehr als jeder zweite Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz (56 Prozent) gab demnach an, vor Corona positiv in die Zukunft geschaut zu haben. Aktuell seien es nur noch 46 Prozent. Noch extremer habe Corona die persönliche Einschätzung der Jugendlichen beeinflusst, die aktuell in Ausbildung sind, erklärte die Stiftung. Von ursprünglich fast 70 Prozent (68 Prozent) vor Corona blickten nun lediglich 50 Prozent positiv in die Zukunft. Bei einem Drittel der Befragten habe Corona Pläne platzen lassen, etwa weil der Ausbildungsvertrag aufgelöst worden sei oder der geplante Auslandsaufenthalt nicht zustande gekommen sei.

Forderung nach einer Ausbildungsgarantie

Stiftungsvorstand Jörg Dräger mahnte berufliche Perspektiven für junge Menschen an. "Wir brauchen eine Ausbildungsgarantie für all diejenigen, die keinen Ausbildungsbetrieb finden", erklärte er. Wer das Abitur mache, habe in Deutschland eine weitgehende Studiengarantie, die die staatlich finanzierten Hochschulen einlösen. "Jungen Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz müssen wir eine ebenbürtige Sicherheit bieten", forderte Dräger.

Ingesamt bewerteten junge Menschen die berufliche Ausbildung trotz der Corona-Pandemie als einen attraktiven Bildungsweg. Rund zwei Drittel der Befragten mit niedriger und mittlerer Schulbildung wollten demnach eine Ausbildung machen. Auch junge Menschen mit höherer Schulbildung gaben an, eine Ausbildung machen zu wollen (22 Prozent) oder sie in Erwägung zu ziehen (43 Prozent). Mehr als 80 Prozent der befragten Azubis seien mit ihrem Ausbildungsplatz zufrieden.

Für die repräsentative Umfrage befragte das Meinungsforschungsinstitut iconkids & youth im Auftrag der Stiftung vom 7. bis 27. Juli 1.700 junge Menschen von 14 bis 20 Jahren.

Holger Spierig


Corona

Kampf gegen den sozialen Absturz in Spanien




Eine Menschenschlange vor einer Kleiderkammer in Madrid (Archivbild)
epd-bild/Hans-Günter Kellner
Schon vor der Corona-Pandemie war in Spanien jeder Vierte von Armut bedroht, wie offizielle Statistiken zeigen. In der aktuellen Krise gewährt die Regierung großzügig Kurzarbeitergeld und führt eine neue Sozialhilfeleistung ein.

Die Schlange ist lang. Im Madrider Stadtteil Villaverde warten etwa 50 Menschen darauf, dass die "Gelbe Ente" öffnet. So heißt eine Bürgerinitiative, die hier schon seit mehr als zehn Jahren Lebensmittel an Bedürftige verteilt. Auch Verónica Fuentes steht an. Die Spanierin lebt mit ihrem Mann, sechs Kindern und einer Enkelin in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Seit sie arbeitslos ist, ist die Sozialhilfe der Madrider Regionalregierung und das Kindergeld das einzige Einkommen der Familie, insgesamt sind es 800 Euro. Sie gehört zu den 25 Prozent der Menschen in Spanien, die nach Statistiken aus dem Jahr 2019 als von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht gelten. Die sozialen Hilfswerke gehen davon aus, dass es mit der Coronakrise noch mehr geworden sind.

Kurzarbeitergeld für drei Millionen Spanier

Denn mit der Pandemie haben mehr als eine Million Menschen ihren Job verloren. Um diese Entwicklung abzufedern, hatte die spanische Regierung großzügig Kurzarbeit genehmigt, nicht nur für Angestellte, sondern auch für Selbstständige. Fast 3,4 Millionen Spanier bekamen im Juni Kurzarbeitergeld. Im Juli ist ihre Zahl um etwas mehr als eine halbe Million gesunken, vor allem die Gastronomie und Hotels hatten im Sommer auf die Reisewelle gehofft und Leute eingestellt.

Mit dem Kurzarbeiterprogramm behalten die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz und erhalten während der Kurzarbeit 70 Prozent ihres Gehalts von den Arbeitsämtern. Das Programm läuft Ende September aus. Über die Fortführung der Kurzarbeit wollen die Tarifpartner und die Regierung miteinander verhandeln.

Zwar lag die Arbeitslosenquote in Spanien im Zuge der Immobilienkrise deutlich höher: 2013 lag sie bei fast 27 Prozent, während die offizielle Arbeitslosenquote derzeit mit 15,33 Prozent angegeben wird. Doch damals konnten sich viele Spanier durch Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Mit der Pandemie gibt es diese Möglichkeiten kaum noch.

Verónica Fuentes in der Schlange vor der Lebensmittelausgabe hatte einst geputzt, Obst verkauft, alte Menschen versorgt, doch nie hatte sie einen Arbeitsvertrag und somit auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Kurzarbeit. Für solche Fälle gibt es bei den 17 autonomen spanischen Regionen schon lange ein sogenanntes "Minimales Integrationseinkommen" (renta mínima de inserción – RMI). Doch in jeder Region sind die Höhe der Zahlungen und auch die Anspruchsvoraussetzungen unterschiedlich. In Navarra gibt es am meisten, zwischen 610,80 und 1.221,60 Euro, ausgerechnet im teuren Ballungsraum Madrid hingegen nur zwischen 400 und 735,90 Euro.

Eine neue, zentrale Sozialleistung

Die spanische Regierung hat früh erkannt, dass mit der Pandemie viele Familien vor dem sozialen Absturz stehen. Sie hat darum im Juni eine weitere Sozialhilfe eingeführt, das sogenannte "Lebens-Mindesteinkommen" (ingreso mínimo vital-IMV). Je nach Größe der Familie sind es zwischen 461,50 und 1.015 Euro, eine staatliche Sozialhilfe zusätzlich zu den Zahlungen der Regionen.

In der Schlange vor der Lebensmittelausgabe in Villaverde hätten wohl die meisten einen Anspruch auf Leistungen, doch bislang konnten sie nicht einmal einen Antrag stellen. Die Bürokratie scheint sich übernommen zu haben. Die Sozialämter vergeben Antragstellern Termine, doch die Wartezeiten sind enorm. Grund ist für die Gewerkschaften der Personalmangel. Die Sozialämter haben durch die Haushaltskürzungen in den letzten zehn Jahren 6.000 Beamte verloren. Bislang sind nur 80.000 Anträge positiv beschieden.

Jobs sind nicht in Aussicht, im Gegenteil: Mit den wachsenden Infektionszahlen wird sich die Wirtschaftskrise vertiefen. So wird auch die neunköpfige Familie von Verónica Fuentes noch länger von den Lebensmittelspenden abhängig sein - und mit den 800 Euro zurechtkommen müssen, die sie bislang bekommt.

Hans-Günter Kellner


Bundesregierung

Neuer Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch



Das Bundesjustizministerium hat einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder vorgelegt. Der Entwurf, der am 31. August in Berlin veröffentlicht wurde, sieht schärfere Strafen, eine effektivere Strafverfolgung, Prävention und eine bessere Qualifizierung der Justizbehörden vor.

Künftig soll es im Strafgesetzbuch nicht mehr "sexueller Missbrauch von Kindern", sondern "sexualisierte Gewalt gegen Kinder" heißen. Die Verbreitung und der Besitz von Bildern und Filmen, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder zeigen, sollen zum Verbrechen hochgestuft und härter bestraft werden. Entsprechende Straftaten sollen künftig mit einem Freiheitsentzug zwischen einem Jahr und 15 Jahren geahndet werden. Vorher drohte Täterinnen und Tätern eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.

Der Entwurf sieht zudem eine Ergänzung der Paragrafen zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen um Handlungen mit oder von Dritten vor. Darüber hinaus soll die Verjährungsfrist bei der Herstellung von Inhalten, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder zeigen, künftig erst mit Vollendung des 30. Lebensjahrs der Opfer beginnen. Zusätzlich will das Ministerium unter anderem die Anordnung von Untersuchungshaft erleichtern.

Im Juli hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) angesichts immer neuer Fälle von organisierter sexueller Ausbeutung von Kindern ein Reformpaket der entsprechenden Gesetze vorgestellt. Sie ging damit auch auf die Forderung der Union ein, sexuellen Kindesmissbrauch grundsätzlich als Verbrechen einzustufen.



Bundestag

Zahl der Sozialwohnungen sinkt weiter



Die Zahl der Sozialwohnungen geht weiter zurück. Der Bestand lag Ende 2019 bundesweit bei 1.137.166 Wohnungen. Im Jahr zuvor waren es noch rund 40.000 mehr gewesen, wie aus einer Antwort der Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Caren Lay hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Einzig in den Bundesländern Bremen, Hamburg und dem Saarland ist die Zahl der Sozialwohnungen im vergangenen Jahr leicht gestiegen.

Im Jahr 2007 hatte es noch rund zwei Millionen gebundene Sozialwohnungen gegeben. Mitte 2019 forderte ein Bündnis aus Sozial- und Bauverbänden, diesen Bestand spätestens 2030 wieder zu erreichen. Bund und Länder hatten bis 2021 insgesamt 100.000 zusätzliche Sozialwohnungen in Aussicht gestellt. Vielerorts geht der Bau aber nur schleppend voran. Im Bundeshaushalt 2020 sind eine Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau und somit 500 Millionen Euro weniger als 2019 vorgesehen.

Preis- und Belegungsbindung

"Der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus geht unbegrenzt weiter", beklagte Lay am 1. September in Berlin. Angesichts der starken Mietsteigerungen in Großstädten seien Sozialwohnungen wichtiger denn je. Die Kürzung der Bundesförderung für den sozialen Wohnungsbau bezeichnete sie als unverantwortlich.

Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, bescheinigte dem zuständigen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Überforderung. Aktuell brauche es 100.000 neue belegungs- und preisgebundene Wohnungen jährlich. "Die öffentliche Hand sollte wieder mehr selbst bauen, um dauerhaft preisgünstigen Wohnraum zu schaffen", forderte der DGB-Vorstand. Kommunen müssten das Recht haben, Bauland bevorzugt und zu günstigen Preisen anzukaufen.

Für Wohnungen, die mit öffentlicher Förderung im sozialen Wohnungsbau errichtet worden sind, gelten für eine bestimmte Zeit besondere Bindungen. Dazu gehören insbesondere die Preis- und Belegungsbindung. Die Miete darf also eine bestimmte Höhe nicht überschreiten und es können nur Personen einziehen, die einen Wohnungsberechtigungsschein haben.

Innenminister Seehofer wies darauf hin, dass Mieter nicht automatisch eine Kündigung erhielten oder einer starken Mietpreissteigerung ausgesetzt seien, wenn die Bindung einer Sozialwohnung endet. "Sozialwohnungen erfüllen auch nach dem Auslaufen der Bindung ihren Zweck", sagte er. Auch über den sozialen Wohnungsbau hinaus lasse sich die Preisentwicklung stabilisieren, wenn ausreichend neue Wohnungen gebaut werden, sagte der Minister.



Forschung

Soziale Teilhabe Pflegebedürftiger in Corona-Zeiten: Uni gibt Tipps



Gleich in zwei Forschungsprojekten haben sich Wissenschaftler der Privat-Universität Witten/Herdecke mit der Verbesserung der Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen während der Corona-Quarantäne befasst. Dabei erarbeiteten sie zum einen eine Leitlinie für das Personal in Altenpflegeeinrichtungen, mit der die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner bei bestmöglichem Infektionsschutz gesichert werden soll, wie die Hochschule am 27. August mitteilte. Im zweiten Projekt wurde eine Internetseite erstellt, auf der Mitarbeitende von Pflegeeinrichtungen praktische Tipps zur Förderung der sozialen Teilhabe der Bewohner finden.

Die neue Leitlinie umfasst 22 Handlungsempfehlungen, die im Zeichen der Corona-Pandemie dafür sorgen sollen, dass auch Bewohner mit Verdacht auf eine Corona-Infektion nicht komplett vereinsamen. "Es war uns besonders wichtig, dass auch in dieser herausfordernden Zeit soziale Teilhabe und Lebensqualität im Zentrum der pflegerischen Arbeit stehen", betonte die Pflegewissenschaftlerin Margareta Halek. Die Autoren der Leitlinie empfehlen unter anderem die Erstellung eines Pandemieplans, der die Wahrung der Würde der Bewohnerinnen und Bewohner mit Pflegebedarf in den Mittelpunkt stellen soll.

Auf der im Rahmen des zweiten Projekts erstellten Internetseite www.gemeinschaft-gestalten.de können Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen Informationen über die Verbesserung der soziale Teilhabe unter den Bewohnern abrufen. So sei zum Beispiel deutlich geworden, dass Videotelefonie ein wichtiger Baustein zum Erhalten von Kontakten sei, dafür zugleich aber neue Kompetenzen bei den Pflegenden notwendig sind, hieß es.




sozial-Branche

Pflege

Corona schiebt Digitalisierung in Heimen an




Pflegerin der Johanniter mit einem Patienten
epd-bild/Juergen Blume
Das Krisenmanagement von Pflegeheimen wurde durch das Coronavirus auf eine besonders harte Probe gestellt. Die Johanniter haben als bundesweit größter gemeinnütziger Träger von Altenhilfe-Einrichtungen aus der Pandemie Konsequenzen gezogen.

Mit digitaler Technik hatten die meisten Senioren im Johanniter-Stift Erkelenz keine Erfahrung. Doch als Ende Februar die ersten Corona-Infizierten in das Krankenhaus der Stadt im Kreis Heinsberg eingeliefert wurden, änderte sich das schlagartig. "Wir haben uns dann sofort entschlossen, die Türen weitgehend zu schließen", sagt Einrichtungsleiterin Astrid Hadick. Die rund 100 Bewohner waren von einem Tag auf den anderen isoliert. Ein Trost waren da die Tablets, die die Heimleitung schnell beschaffte. "Es war total spannend zu sehen, wie unsere 80- oder 90-jährigen Bewohner erstmals so ein Tablet in der Hand hielten und es nicht fassen konnten, darüber Tochter oder Sohn zu sehen", beobachtete Hadick. Sehr schnell hätten die Senioren die Berührungsängste verloren und seien stolz gewesen, mit der neuen Technik umzugehen.

In jedem Wohnbereich Internet-Zugang

Nicht nur in Erkelenz, sondern auch in anderen Johanniter-Pflegeheimen habe die Corona-Krise die Digitalisierung vorangetrieben, sagt Georg Hammann, einer der Krisen-Beauftragten der Johanniter Seniorenhäuser GmbH. Eine flächendeckende WLAN-Ausstattung habe es vor der Pandemie nur in den wenigsten Häusern des Trägers gegeben. In Erkelenz war es nach längeren Bemühungen zufällig kurz vor der Krise noch gelungen, die Gemeinschaftsräume mit WLAN auszustatten. "In anderen Häusern haben die Heimleitungen anfangs teilweise mit Dienst- oder Privathandys den Kontakt zu Angehörigen hergestellt", weiß Hammann. Doch das habe sich geändert. Inzwischen seien mobile WLAN-Hotspots und Tablets angeschafft worden, so dass es in jedem Wohnbereich der Johanniter-Heime einen Internet-Zugang gebe. "Corona hat dem Thema Digitalisierung noch einmal einen Schub gegeben", sagt Hammann, der im Regionalzentrum West der Johanniter in Köln für Unternehmensentwicklung zuständig ist. Auch für die Mitarbeiter habe sich einiges geändert. Viele Treffen und Besprechungen fänden nun online statt. "Das spart viel Reiserei. Eine Erfahrung, die wir mit in die Zukunft nehmen werden."

Doch die Corona-Krise erforderte noch weitreichendere langfristige Konsequenzen für Alltag und Organisation der Pflege-Einrichtungen. "Wir haben ja eigentlich Erfahrung mit Infektionskrankheiten und sind darauf vorbereitet, aber Corona hat eine ganz neue Dimension", erklärt Hadick. So hatte das Erkelenzer Heim Schutzmaterialien wie Masken oder Kittel bislang nur in kleinem Umfang vorrätig. "Jetzt haben wir Material für vier Wochen eingelagert", sagt die Leiterin. Dass ihre Einrichtung auch auf dem Höhepunkt der Krise immer mit Schutzmaterial versorgt worden sei, sei auch dem Träger, der Johanniter Seniorenhäuser GmbH, zu verdanken, sagt Hadick.

200 Liter Desinfektionsmittel auf Lager

Möglich sei das gewesen, weil als Reaktion auf die Krise kurzfristig regionale Zwischenlager geschaffen worden seien, um die bundesweit 120 Standorte mit Schutzmaterial zu versorgen, erklärt Hammann. Im Kölner Lager, das die 30 Einrichtungen der Region West beliefert, sei inzwischen ein Vorrat von etwa 50.000 FFP2-Masken, 100.000 OP-Masken, 10.000 Schutzkittel und etwa 200 Liter Desinfektionsmittel angelegt. Die dezentrale Organisation in bundesweit vier Regionen habe sich für die Johanniter in dieser Situation bewährt, sagt Hammann. "Das ist eine ganz wesentliche Erfahrung, die Einfluss auf unsere künftige Führungs- und Krisenstruktur hat."

Eine Erkenntnis aus der Krise sei auch die gestiegene Anerkennung des Pflegeberufs, betont Hammann. Für die Johanniter sei noch einmal deutlich geworden, wie wichtig es sei, in die Qualifizierung von Mitarbeitern zu investieren. Sie hätten daraus die Konsequenz gezogen, die Professionalisierung und Akademisierung der Pflege in ihren Häusern noch entschiedener voranzutreiben. Ziel sei es unter anderem, Pflegewissenschaftler, die bislang hauptsächlich in Leitungspositionen tätig seien, künftig auch bei der direkten Versorgung der Bewohner einzusetzen. Schon vor der Corona-Krise hätten die Johanniter begonnen, in einem gemeinsamen Projekt mit der Robert Bosch Stiftung entsprechende Konzepte zu erarbeiten. "Durch Corona hat sich noch einmal gezeigt, wie wichtig das ist." Das Thema Aus- und Weiterbildung werde künftig bei den Johannitern eine noch größere Rolle spielen als bisher. Auch Themen wie Familienfreundlichkeit oder Work-Life-Balance bekämen noch mehr Gewicht. "Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein," betont Hammann.

Das ist auch notwendig, denn der Bedarf an Pflegepersonal sei durch die Krise noch einmal gestiegen, berichtet Heimleiterin Hadick. "Wir mussten bei der personellen Besetzung einen Puffer einbauen." Um gegen Ausfälle gewappnet zu sein - etwa wenn Mitarbeiter in Quarantäne gehen müssen – stellte Hadick zusätzliche Pflegekräfte ein. Ein Teil der Mehrkosten werde wohl über den Corona-Rettungsschirm erstattet. "Aber längst nicht alles," befürchtet Hadick. Doch das nehme das Haus in Kauf. "Unsere Krisenstrategie lautet: Maximaler Schutz."

Claudia Rometsch


Behinderung

FSJler Tomas bringt Leben ins Pflegeheim




Tomas Hauck in seinem FSJ bei der Diakonie
epd-bild/Klaus Landry
Für Tomas Hauck war es ein tolles Jahr: Der junge Mann mit Down-Syndrom hat ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Pflegeheim gemacht. Das Pilotprojekt "FSJ Inklusion" der Pfälzer Diakonie ist erfolgreich gestartet.

Jetzt freut sich Tomas erst einmal auf seinen Urlaub. Radfahren in Südtirol mit seiner Familie und vor allem "die Füße hochlegen", das will er, erzählt der 19-jährige junge Mann aus Speyer. Er hat das Down-Syndrom und hat im August sein knapp einjähriges "Freiwilliges Jahr (FSJ) Inklusion" beendet, das er in einem Pflegeheim in Waldsee bei Speyer absolviert hat. Vor allem bei der Essensausgabe hat er mitgeholfen, angeleitet von einer Assistentin. Das von der "Aktion Mensch" geförderte Pilotprojekt wurde bundesweit beachtet: Tomas war einer von vier jungen Leuten mit geistiger Beeinträchtigung, die auf Vermittlung der pfälzischen Diakonie als Freiwillige in sozialen Einrichtungen in der Pfalz und Saarpfalz mitarbeiteten.

Geistig behindert und engagiert

Vieles habe ihm während seiner Dienstzeit gefallen, erzählt Tomas, der gerne lacht und scherzt. Besonders gut fand er die begleitenden Seminare der Diakonie, bei denen sich behinderte und nicht behinderte FSJler austauschen konnten.

20,5 Stunden in der Woche hat er vormittags das Team des Pflegeheims "Rhein-Pfalz-Stift" des privaten Seniorendienstleisters "avendi" unterstützt. Morgens fuhr er mit dem Bus zu seiner Einsatzstelle. Dort nahm ihn eine Assistentin in Empfang: Sie behielt im Blick, dass die Arbeitsabläufe funktionierten. Tomas brachte den teils dementen Heimbewohnern das Essen an den Tisch oder aufs Zimmer, kümmerte sich um die Geschirrspülmaschine.

Das FSJ Inklusion wolle auch jungen Menschen mit geistiger Behinderung die Chance geben, sich ehrenamtlich zu engagieren, erläutert Erika Münzer-Siefert vom Referat Freiwilligendienste der Diakonie. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter zwischen 15 und 26 Jahren könnten ihre persönlichen Fähigkeiten und beruflichen Perspektiven fördern. Die Einsatzstellen profitierten von der positiven Ausstrahlung der behinderten FSJler und ihrem oft großen Engagement. Sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebe es bereits für das neue Einsatzjahr, das im August begonnen hat.

Arbeiten ohne Assistenz "weitgehend utopisch"

"Tomas war klasse", sagt Margot Reis, die Leiterin des Pflegeheims. Mit seiner Lebensfreude habe er das Leben im Heim bereichert. Auch wenn ihn die nicht immer leichte Arbeit mit den älteren Menschen sichtlich habe ernster werden lassen. Grundsätzlich würde ihr Haus weiteren Absolventen des FSJ Inklusion eine Einsatzstelle anbieten, betont sie.

Während des Freiwilligenjahres habe Tomas seine Fähigkeiten austesten können, sagt sein Vater Norbert Hauck. Um wirkliche Inklusion - ein Miteinander von behinderten und nichtbehinderten Menschen - zu erreichen, müsste allerdings eine Arbeit weitgehend ohne fremde Assistenz möglich sein. Arbeitsstellen oder Schulen müssten den notwendigen Hilfebedarf bereitstellen. Dies sei aber eine "weitgehend utopische Vorstellung", sagt er.

Im Spätjahr wolle Tomas mit Gleichaltrigen eine Arbeit in einer Behinderteneinrichtung beginnen, den Maudacher Werkstätten in Ludwigshafen, erzählt Norbert Hauck. Zusätzlich kann er sich vorstellen, dass sein Sohn stundenweise in einer sozialen Einrichtung aushilft. Tomas besuchte statt Förderschulen integrative Klassen auf Regelschulen und in der Berufsschule.

Auch Andrea Schlosser, die bei der Diakonie für die Betreuung von Tomas zuständig war, findet, dass dieser einen tollen FSJ-Job gemacht hat. Im Altenheim sei er "einfach dabei" gewesen, Probleme bei der Arbeit habe es kaum gegeben. Bei der Essensausgabe habe sich Tomas etwa genau gemerkt, wer viel Soße oder keine Suppe wollte, erzählt sie.

Von den vier Freiwilligen des ersten Einsatzjahres "FSJ Inklusion" wolle einer seinen Dienst verlängern, eine geistig behinderte Teilnehmerin bekomme wohl eine unterstützte Beschäftigung in einer sozialen Einrichtung, sagt Schlosser. Das Pilotprojekt laufe zunächst noch zwei Jahre lang weiter. Tomas kann indes den Freiwilligendienst nur empfehlen: "Nochmal machen, von vorn!", sagt er.

Alexander Lang


Gesundheit

Gastbeitrag

Fachverband: Dezentrale Klinikstrukturen weiterentwickeln




Bernadette Rümmelin
epd-bild/Kirsten Breustedt/kkvd
Die Debatte, wie die Kliniklandschaft künftig aussehen soll, ist im Zuge der Corona-Krise voll entbrannt. Bernadette Rümmelin vom Katholischen Krankenhausverband Deutschland (KKVD) setzt weiter auf dezentrale Strukturen, wie sie in ihrem Gastbeitrag ausführt.

Die Krankenhausversorgung steht vor entscheidenden Weichenstellungen. Schon vor der Corona-Pandemie wurde heiß diskutiert, wie die Klinikstruktur reformiert werden soll. Von einer Seite kommt der Ruf nach einer rigorosen Reduzierung und Konzentration auf große Klinikstandorte. Weniger als die Hälfte der jetzigen Krankenhäuser werde für eine gute Versorgung in Deutschland genügen.

Auf der anderen Seite steht das Konzept einer Weiterentwicklung bestehender dezentraler Strukturen, so dass Krankenhäuser flächendeckend wohnortnah erreichbar bleiben. Auch das wird zur Schließung weiterer Standorte führen, aber eben nicht zu einem Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft.

Die bisherigen Erfahrungen in der Corona-Pandemie geben Grund, die Debatte mit einem frischen Blick zu betrachten. Eine solche Pandemie kann sich jederzeit wiederholen. Die Politik wäre schlecht beraten, das Gesundheitssystem darauf nicht vorzubereiten.

"Protektiv und krisenfest"

In der ersten COVID-19-Infektionswelle hat sich unsere dezentrale und hoch flexible Klinikstruktur als protektiv und krisenfest erwiesen. Vor Ort wurden über Trägergrenzen und Konkurrenzen hinweg schnell Netzwerke zwischen den Kliniken geknüpft, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. In wenigen Tagen zogen sie Betten für einen zu befürchtenden Anstieg von COVID-19-Patienten frei. Die Krankenhäuser sprangen Pflegeheimen bei, wenn dort eine Infektionswelle ausbrach, und nahmen die Pflegebedürftigen in Isolierstationen auf. Und sie kooperierten eng mit niedergelassenen Ärzten und den Gesundheitsämtern. Als diese zu Beginn der Pandemie Schwierigkeiten zeigten, sich auf die neue Situation einzustellen, halfen vielerorts Kliniken mit dem schnellen Aufbau von COVID-19-Ambulanzen und Teststellen aus.

In der Rückschau wird nun argumentiert, nur ein Drittel der Kliniken habe die Hauptlast der COVID-19-Behandlungen getragen. Zwei Drittel hätten wenige bis keine Corona-Fälle versorgt. Auch heißt es, die kleinen Krankenhäuser hätten sich aus der COVID-19-Versorgung verabschiedet und den Maximalversorgern die Behandlung überlassen.

Diese holzschnittartigen Argumente werden der Realität in den Regionen nicht gerecht. Das Infektionsgeschehen war regional sehr unterschiedlich. So hatten mancherorts auch Maximalversorger kaum Corona-Patienten. Insbesondere in ländlichen Regionen behandelten die wohnortnahen Kliniken der Grund- und Regelversorgung zahlreiche COVID-19-Erkrankte.

In Potsdam mussten die konfessionellen Kliniken den Großteil der Versorgung übernehmen, als der örtliche Schwerpunktversorger kurzfristig ausfiel. Vielerorts wurde den Maximalversorgern der Rücken freigehalten, so dass sie sich um die Patienten mit besonders komplexen Verläufen kümmern konnten.

Wenige Mega-Kliniken sind nicht flexibel

Daher ist es wichtig, an einer dezentralen Krankenhausstruktur festzuhalten und in Versorgungsnetzwerken zu denken. Wenige Mega-Kliniken hätten nicht so flexibel reagieren können. Fiele eines dieser Häuser wegen einer Infektionswelle aus, wäre das Loch in der Versorgungskette ungleich größer.

Fraglich ist auch, ob eine Konzentration auf wenige Großkliniken den Fachkräftemangel in der Pflege beheben kann. Denn der Versorgungsbedarf der Bevölkerung orientiert sich nicht an der Anzahl der Klinikstandorte. Zudem sind größere Kliniken nicht zwingend attraktivere Arbeitsplätze.

Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, muss er mehr Kompetenzen erhalten. Und die Pflege braucht eine Personalbemessung, die sich am Bedarf der Patienten und den dafür notwendigen Pflegeleistungen orientiert. Das bestehende Modell der Pflegepersonaluntergrenzen stellt diesen Bezug nicht her, ist bürokratisch und praxisfern. Mit der "Pflegepersonal-Regelung 2.0" liegt ein Konzept vor, das zeitnah den Übergang zu einer bedarfsorientierten Pflegeplanung bietet und die Selbstorganisation der Pflege stärkt. Schließlich ist eine angemessene, faire Bezahlung notwendig, unabhängig von der Trägerschaft eines Hauses.

DRG-Pauschalen sind nicht krisenfest

Die bisherige Corona-Pandemie hat gezeigt, das Finanzierungssystem mit seinen DRG-Pauschalen ist nicht krisenfest. Durch Ausgleichspauschalen für frei gehaltene Betten und neu eingerichtete Intensivplätze mit Beatmungsgeräten und entsprechendem Fachpersonal wurden die DRGs flankiert. Das war notwendig, denn im System ist kein Krisenmechanismus vorgesehen, der die Vorhaltung von freien (Intensiv-)Betten und Fachpersonal auf Abruf für den Ernstfall ermöglicht. Auch die wichtige Rolle der Kliniken für die Daseinsvorsorge spiegelt sich im System nicht wieder.

Vor diesem Hintergrund gehört die bisherige Krankenhausfinanzierungsstruktur auf den Prüfstand. Das DRG-System setzt Fehlanreize, die verstärkt werden, weil die Länder ihrer Pflicht zur Investitionsfinanzierung nicht vollumfänglich nachkommen. Viele Kliniken sehen sich daher unter Druck, die Leistungsmengen immer mehr auszuweiten. Wer dem hohen Wettbewerb nicht standhält, rutscht in die Insolvenz. Das kann auch Kliniken treffen, die regional für eine bedarfsgerechte Versorgung notwendig sind.

Die vorgehaltene Infrastruktur für die Grund- und Regelversorgung muss daher insbesondere bei bedarfsnotwendigen Kliniken pauschal und adäquat vergütet werden. Eine flächendeckende, gesundheitliche Daseinsvorsorge ist nicht möglich, wenn sie letztlich nur über Leistungsentgelte für ihre Nutzung finanziert wird. Um den konkreten Versorgungsbedarf in den Regionen zu ermitteln, ist zudem die Planung der Krankenhausstrukturen neu auszugestalten.

Umfrage: Wohnortnahe Kliniken sehr wichtig

Im Juni ergab eine forsa-Umfrage im Auftrag unseres Verbands, dass 93 Prozent der Befragten ein wohnortnahes Krankenhaus sehr wichtig oder wichtig ist. Der aktuelle Krankenhaus-Rating-Report zeigt zudem, die Patientenzufriedenheit mit einer Klinik sinkt, je größer das Haus ist. Nimmt die Politik den Anspruch ernst, bei der Planung der zukünftigen Krankenhausstrukturen die Patienten und ihre bestmögliche Versorgung in den Mittelpunkt zu stellen, darf sie das nicht außer Acht lassen.

Ein Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft würde den wichtigen Vorteil verspielen, den unsere Klinikstruktur in der aktuellen Pandemie an den Tag gelegt hat. Statt eine Konzentration auf wenige, aufgerüstete Großkliniken zu verfolgen, ist es zielführender, die vorhandene und bewährte dezentrale Struktur intelligent weiterzuentwickeln, gegebenenfalls mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Der regionale Versorgungsbedarf muss hierbei Maßstab sein.

Auch sollten die ambulanten und stationären Leistungsangebote besser vernetzt werden. So können Krankenhäuser einen wichtigen Beitrag leisten, die ambulanten Strukturen zu stärken und deutlich auszuweiten. Telemedizinische Anwendungen werden hier eine wichtige Rolle spielen. Darauf sollten wir auch bei den Klinikstrukturen der Zukunft setzen, anstatt die wohnortnahe Versorgung den Propheten des Zentralismus zu opfern.

Bernadette Rümmelin ist Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands.


Gesundheit

Interview

Verband: Bei Kliniken keine vorschnellen Lehren aus Corona ziehen




DEKV-Vorsitzender Radbruch fordert eine umfassende Klinikreform
epd-bild/Viktoria Kühne
Christoph Radbruch warnt davor, bereits jetzt Schlüsse für eine zukünftige Krankenhausstruktur aus den Erfahrungen in der Corona-Krise zu ziehen. Dazu "benötigen wir belastbare Daten und nicht nur subjektive Einschätzungen", sagte der Vorsitzende des evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV) im Interview.

Der Staat stellt in der Corona-Krise mit seinen finanziellen Hilfen für die Krankenhäuser sicher, "dass unser Gesundheitswesen funktioniert und arbeitsfähig ist". Nach Auffassung des Vorsitzenden des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV), Christoph Radbruch, kehren die Kliniken nun "aus einem Krisenmodus in den Alltagsbetrieb unter Pandemiebedingungen zurück", wie er dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Herr Radbruch, unter Experten ist es umstritten, ob es in Deutschland schon eine zweite Corona-Welle gibt oder sie zumindest droht. Was sagen Sie?

Christoph Radbruch: Da selbst die Experten keine Vorhersage wagen, ob es eine zweite Welle gibt oder nicht, bin ich als Nicht-Virologe eher zurückhaltend. Aus meiner Sicht ist das wahrscheinlichste Szenario, dass wir noch längere Zeit mit einer höheren Anzahl von Neuinfektionen leben müssen. Ob es eine zweite Welle geben wird, hängt davon ab, ob die Menschen weiterhin diszipliniert Abstand halten, Hygienemaßnahmen einhalten und eine Alltagsmaske tragen. Künftig wird die Möglichkeit, an COVID-19 zu erkranken, zu den Lebensrisiken gehören.

epd: Das hört sicher keine gerne ...

Radbruch: Die bisherigen Erfahrungen haben aber gezeigt, dass die Krankenhäuser und das gesamte Gesundheitssystem in der Lage sind, diese Kranken zu versorgen.

epd: Wie sind die Kliniken bisher wirtschaftlich durch die Krise gekommen?

Radbruch: Das Zusammenwirken der Einzelregelungen des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes ist komplex. Aber die Pauschale für freigehaltene Betten sowie die Verkürzung des Zahlungsziels der Krankenkassen auf fünf Tage hat die Liquidität vieler Krankenhäuser erst einmal kurzfristig gesichert.

epd: Was heißt das genau?

Radbruch: Durch die Pauschale von 50.000 Euro pro Intensiv-Beatmungsplatz wurde es möglich, zusätzliche Kapazitäten aufzubauen. Für die meisten Krankenhäuser wurde der Erlösausfall wegen leerstehender Betten durch die Pauschale von 560 Euro ausgeglichen. Kliniken mit einem hohen Case-Mix-Index (CMI), der die Fallschwere der behandelten Patienten abbildet, werden ihre Ausfälle durch die Pauschale jedoch nicht ausgleichen können. Das betrifft nicht nur die großen Maximalversorger, sondern auch Fachkliniken und kleinere Häuser mit einem hohen Spezialisierungsgrad.

epd: Hat der Staat die Kliniken gerettet, indem er Pauschalen für freigehaltene Betten bezahlt?

Radbruch: Nein. Der Staat hat die Kliniken nicht gerettet, sondern sichergestellt, dass unser Gesundheitswesen funktioniert und arbeitsfähig ist. Dabei musste schnell gehandelt werden, um die Liquidität der Krankenhäuser sicherzustellen. Der im Krankenhausentlastungsgesetz gewählte Ansatz der einheitlichen Pauschale für jedes freigehaltene Bett führt unweigerlich zu Verwerfungen. Daher hat der Deutsche Evangelische Krankenhausverband schon im Mai gefordert, dass die Differenzierung der 560-Euro-Leerstandspauschale anhand des Case-Mix-Index erfolgen sollte.

epd: Welche Wirkung hätte das?

Radbruch: Das ermöglicht unabhängig von der Bettenzahl bei einem höheren Aufwand in der Versorgung eine sachgerechte Refinanzierung über die Leerstandspauschale. Wäre darüber hinaus eine Bereinigung um den variablen Sachkostenanteil erfolgt, hätten Fehlanreize durch die Pauschale zum größten Teil ausgeschlossen werden können.

epd: Noch immer werden Intensivbetten für Covid-19-Fälle freigehalten. Ist das wirklich nötig?

Radbruch: Das ist eine Frage der Risikoabschätzung und der gesamtgesellschaftlichen Fürsorge. Letztendlich wird man die Frage aber erst in der Rückschau beantworten können. Wichtig ist, dass die Kapazitäten in den einzelnen Regionen je nach der örtlichen Entwicklung der Pandemie von den Ländern und den zuständigen regionalen Behörden bevölkerungsbezogen geplant werden.

epd: Viele Operationen und Therapien fanden nicht statt. Kehren die Kliniken jetzt wieder zurück in den Normalbetrieb?

Radbruch: Ich würde es so formulieren, die Kliniken kehren aus einem Krisenmodus in den Alltagsbetrieb unter Pandemiebedingungen zurück. Für die Krankenhäuser besteht nun die organisatorische Herausforderung unter anderem darin, die Abstandsregeln einzuhalten. Dadurch verringert sich die Zahl der verfügbaren Betten, weil Dreibett- in Zweibettzimmer umgestaltet werden müssen. Das bedeutet auch: Die Behandlungskapazitäten in den Häusern sinken.

epd: Inzwischen tobt ein Streit über die Pflegepersonaluntergrenzen, die ja ausgesetzt waren ...

Radbruch: Es ist Konsens, dass es eine Mindestanzahl an Pflegepersonal geben muss, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. Kritik an den aktuellen Regeln zu den Untergrenzen richtet sich gegen die starre, bürokratische Ausgestaltung und die pflegefachlich nicht begründete Berechnung einer statistischen Durchschnittsgröße.

epd: Welche Position hat der DEKV dazu?

Radbruch: Wir fordern, dass jede Pflegebemessungsregelung einen Mix an Qualifikationen ermöglicht, wie er in den Krankenhäusern bereits täglich gelebt wird. Das bedeutet vor allem eine arbeitsteilige Gestaltung, die darauf abzielt, die examinierten Pflegefachkräfte zu entlasten und zu unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden neben Pflegehilfskräften in den Krankenhäusern weitere Gesundheitsfachkräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen eingesetzt, etwa Medizinische Fachangestellte oder Anästhesietechnische Assistenzen. Dieser Mix an Qualifikationen trägt maßgeblich dazu bei, alle Patientengruppen bedarfsgerecht zu versorgen und die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.

epd: Corona hat die Debatte über die deutsche Kliniklandschaft neu befeuert. Stichwort Schließungen. Wäre die Krise mit der Hälfte an Krankenhäusern überhaupt zu überstehen gewesen?

Radbruch: Ich warne davor, bereits jetzt Lehren aus der Corona-Krise zu ziehen und vor allem Schlussfolgerungen für eine zukünftige Krankenhausstruktur abzuleiten. Damit das möglich wird, benötigen wir belastbare Daten und nicht nur subjektive Einschätzungen. Nur so können wir gemeinsam auch Lehren der Corona-Krise für die zukünftige Krankenhausstruktur diskutieren.

epd: Manche Experten fordern dennoch bereits mehr Zentralisierung und die Schließung kleiner Häuser. Mit wohnortnaher Versorgung, die den Bürgern Umfragen zufolge am Herzen liegt, hätte das nichts mehr zu tun. Wie sehen Sie das?

Radbruch: Qualifizierte Patientenversorgung in Krankenhäusern ist nicht automatisch an die Größe geknüpft. Wir haben auch viele evangelische Krankenhäuser mit einer hohen Spezialisierung und exzellenter Behandlungsqualität. Eine singuläre Betrachtung der Anzahl der Betten pro Haus ist für mich kein aussagekräftiger Parameter, um qualifizierte Versorgung beurteilen zu können.

epd: In fast allen Sozialbereichen werden nun Fortschritte bei der Digitalisierung gefordert. Sind die Kliniken da auch gefordert und welche Bereiche müssen da vor allem aufholen?

Radbruch: Im Bereich der Digitalisierung gibt es viele Zukunftsaufgaben für die Krankenhäuser. Zum einen wird es notwendig sein, die Möglichkeiten der Digitalisierung noch mehr als bisher für die effektive Steuerung von internen Prozessen einzusetzen. Es wird auch darauf ankommen, dass die vielen Insellösungen der unterschiedlichen Akteure zusammengeführt werden. Es gibt spannende Entwicklungen wie künstliche Intelligenz, aber auch Techniken, die für Computerspiele entwickelt wurden, könnten künftig in der medizinischen Behandlung einsetzt werden. Das Wichtigste sind aber die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Verbesserung der Patientenversorgung und dass diese konkret für die Patientinnen und Patienten erlebbar sind.

epd: Ist denn das Personal dazu schon in der Lage?

Radbruch: Wir müssen damit fortfahren, die digitalen Kompetenzen für pflegerische, therapeutische und medizinische Berufsgruppen konsequent zu entwickeln. Diese Querschnittskompetenz wird künftig in allen Bereichen eines Krankenhauses unverzichtbar sein.



Pädagogik

Das Kind als Baumeister seiner selbst




Lernmaterial nach Montessori
epd-bild/Birgit Vey
"Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen." Davon war Maria Montessori überzeugt. Noch immer folgen Erzieher und Lehrerinnen der Devise der Reformpädagogin, die nicht auf Drill setzte, sondern auf die Lernbegeisterung der Kinder.

Eine Perle in der Rechten und ein Kubus aus zehn mal zehn mal zehn Perlen in der Linken. Ein Leicht- und ein Schwergewicht. So lernen Montessori-Kinder die Zahl Eins von der Zahl Tausend zu unterscheiden: sinnlich, durch "Begreifen" mit den Händen. "Und das lernen sie, wenn sie wollen, schon mit vier Jahren", sagt der Diplompädagoge Rainer Völkel, der im Auftrag der Deutschen Montessori-Gesellschaft Lehrer und Erzieherinnen nach der Methode der italienischen Ärztin und Pädagogin Maria Montessori (1870-1952) ausbildet.

Spezialisierung auf Kinderheilkunde

Vor 150 Jahren, am 31. August 1870, wurde sie in Chiaravalle nahe der italienischen Adriaküste geboren. Ihr Vater arbeitete im Finanzministerium und leitete die staatliche Tabakmanufaktur. Seinem Widerstand zum Trotz besuchte Maria Montessori eine technische Oberschule. An der Universität in Rom studierte sie zunächst Naturwissenschaften, weil ihr als Frau der Zugang zum Medizinstudium verwehrt war.

Dann öffnete sich die medizinische Fakultät doch, und Montessori konnte 1896 promovieren. Sie spezialisierte sich auf Kinderheilkunde. Als Assistenzärztin für Kinderpsychiatrie an der Universitätsklinik kümmerte sie sich vor allem um geistig beeinträchtigte Kinder. Sie kam zu der Überzeugung, dass deren "Schwachsinn" - wie es damals hieß - nicht medizinisch begründet war, sondern eine Folge verwahrloster Erziehung.

1899 übernahm sie die Leitung eines heilpädagogischen Instituts in Rom und entwickelte didaktische Materialien zum Sprach- und Mathematikunterricht. 1901 begann sie ein zweites Studium der Anthropologie, Psychologie und Erziehungsphilosophie und hielt danach Vorlesungen im Pädagogischen Institut in Rom. 1907 schließlich hatte sie ihr eigenes pädagogisches Bildungskonzept entwickelt, das dem Grundsatz folgt: "Hilf mir, es selbst zu tun." Lehrer sollen die Selbstständigkeit des Kindes fördern, indem sie es dabei unterstützen, selbst aktiv zu werden.

"Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen"

"Die Aufgabe der Umgebung ist es nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren": Dieser Devise folgen noch heute die Kinderhäuser und Montessori-Schulen in aller Welt. "Niemand weiß, wie viele es gibt", sagt Völkel. "Es existiert für diese Graswurzelbewegung keine Zentrale." Für die Frankfurter Anna-Schmidt-Schule etwa bedeutet die Montessori-Devise, "das Kind als Individuum in seiner emotionalen Entwicklung, seiner sozialen Kompetenz und seinen kognitiven Fähigkeiten zu beobachten, es anzuregen, zu beraten und zu fördern".

"Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen", so formulierte es Montessori. Ihrer Theorie nach entwickeln sich Kinder in mehreren Stufen: Im ersten und wichtigsten Stadium bis zum sechsten Lebensjahr formten sich die Persönlichkeit und die Fähigkeiten eines Kindes. In der zweiten Phase bis zum zwölften Lebensjahr sei das Kind besonders empfänglich für Anreize aus der Umgebung. Montessori spricht von einer "Polarisation der Aufmerksamkeit", wenn das Kind in dieser sensiblen Periode eine Beschäftigung entsprechend seinen Bedürfnissen finde.

Dahinter stand ein Schlüsselerlebnis in der Kindertagesstätte Casa dei Bambini im römischen Arbeiterbezirk San Lorenzo, die sie ab 1907 wissenschaftlich leitete. Sie beobachtete ein Mädchen in völliger Versenkung mit einem Einsatzzylinder-Spiel, das sich durch nichts ablenken ließ. Aber sind solche Beobachtungen heute noch gültig? "Ja", sagt Völkel. Der Hirnforscher Manfred Spitzer nenne das "selektive Aufmerksamkeit". Neue Zeiten, neue Begriffe für dasselbe Phänomen, eine Selbstvergessenheit, die Völkel auch als "Flow" bezeichnet.

Zufriedenheit beim Lernen

Auch Anne Frank, der kolumbianische Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez oder Amazon-Gründer Jeff Bezos haben Montessori-Einrichtungen besucht. "Entscheidend ist das Gefühl der Zufriedenheit beim Lernen, damit sich die Persönlichkeit des Kindes entfalten kann", erläutert Völkel. "Wir wählen aus den Wissenschaften das aus, was dem Kind entspricht. Die Montessori-Schule ist eine interdisziplinäre Veranstaltung."

Erst 1916 publizierte Montessori ihr Buch "L'autoeducatione", das die Montessori-Methode begründete. Protegiert von Benito Mussolini, wurde diese 1924 an den italienischen Schulen eingeführt. Zehn Jahre später ging Montessori auf Distanz zum faschistischen Mussolini-Regime, die Methode wurde verboten.

Auf Einladung der esoterischen Theosophischen Gesellschaft reiste die Pädagogin 1939 in Begleitung ihres 1898 geborenen Sohnes Mario nach Indien. Dort wurde sie nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs von den Briten als "feindliche Ausländerin" interniert. In Indien entwickelte Montessori ihr Prinzip der "Kosmischen Erziehung", nach der jeder Mensch als Teil der Schöpfung und in Wechselbeziehung mit dem Ganzen eine besondere Aufgabe zu erfüllen habe.

Erst 1949 kehrte sie endgültig nach Europa zurück und lebte bis zu ihrem Tod am 6. Mai 1952 in den Niederlanden. Sie wurde auf dem katholischen Friedhof ihres letzten Wohnorts Noordwijk aan Zee begraben. Auf ihrem Grabstein steht: "Ich bitte die lieben Kinder, die alles können, mit mir zusammen für den Aufbau des Friedens zwischen den Menschen und in der Welt zu arbeiten."

Claudia Schülke


Armut

Paritätischer: Hartz IV führt in existenzielle Not



Die Hartz-IV-Sätze sollen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen: Das ist der Anspruch an das Arbeitslosengeld II. Eine Studie zeigt nun, dass die Zahlung nicht einmal für gesunde Ernährung reicht. Verbände fordern Konsequenzen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagt massive Defizite bei den aktuellen Hartz-IV-Leistungen. Den Empfängerinnen und Empfängern fehle es insbesondere an Geld für eine ausgewogene, gesunde Ernährung und ein Mindestmaß an sozialer, politischer und kultureller Teilhabe, kritisiert der Sozialverband in einer am 1. September in Berlin veröffentlichten Studie. Gerade in der Coronakrise bedeute ein Leben mit Hartz IV existenzielle Not.

Der Studie zufolge ist die Lage für alleinstehende Erwachsene besonders prekär. Diese Gruppe lebe in "strenger Armut". Ihr Einkommen liege 40 Prozent unter dem mittleren Einkommen in Deutschland. Bei den Familien seien es die Alleinerziehenden-Haushalte, die besonders unter Entbehrungen leiden.

Einsamkeit und soziale Isolierung

Der im Hartz-IV-Regelsatz berücksichtigte Anteil für Lebensmittel führe zu deutlich niedrigeren Standards bei der Ernährung, hieß es weiter. Durch mangelnde Teilhabe am gesellschaftlichen Leben seien die Bezieherinnen und Bezieher zudem stärker von Einsamkeit und sozialer Isolierung gefährdet. Auch hier sei das Problem bei Alleinstehenden am größten. So gebe es in mehr als einem Viertel aller Single-Haushalte aus Geldmangel keinen Internetanschluss.

Das Arbeitslosengeld II schütze nicht vor Armut, sondern manifestiere sie, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtsverbandes. "Millionen Menschen sind von der gesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung abgekoppelt, ausgegrenzt und werden immer weiter abgehängt", kritisierte er.

Mit Blick auf das momentane Gesetzgebungsverfahren zur Regelbedarfsermittlung fordert der Paritätische die sofortige Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV und Altergrundsicherung um 100 Euro pro Kopf und Monat, bis die Beiträge Anfang kommenden Jahres neu festgesetzt werden. Zudem brauche es eine Einmalzahlung an alle Grundsicherungsbeziehenden von 200 Euro sowie eine entsprechende Leistungsanpassung beim Bafög und im Asylbewerberleistungsgesetz.

"Nicht verhungern ist nicht genug"

Auch die Diakonie forderte eine Soforthilfe in Höhe von 100 Euro mehr pro Monat für Menschen, die Grundsicherung beziehen. Seit Jahren wachse der Abstand der Hartz-IV-Regelsätze zur Armutsgrenze, sagte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik. "Was für ein menschenwürdiges Leben nötig ist, findet sich im Regelsatz nicht wieder", sagte sie.

Die Ergebnisse der Studie müssten politische Konsequenzen im laufenden Gesetzgebungsverfahren zu den Hartz-IV-Regelsätzen haben, erklärte der VdK Sozialverband. "Nicht verhungern ist nicht genug", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Gerade wenn Kinder keine gesunde Ernährung bekämen, sei das verheerend für die Zukunft.

Jana-Sophie Brüntjen


Frauen

Verbände fordern konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention



Ein Zusammenschluss von Frauenverbänden hat mangelnde Hilfsstrukturen und politische Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen in Deutschland beklagt. Es fehle an Konzepten, Institutionen und Ressourcen, kritisierte das Bündnis Istanbul-Konvention am 1. September in Berlin. Die Bundesregierung reichte am Dienstag ihren ersten Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention beim Europarat ein. Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlich verbindliches Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Die Hilfsstrukturen seien hierzulande weiterhin lückenhaft und unterfinanziert, obwohl die Konvention bereits im Februar 2018 in Deutschland in Kraft trat, kritisierte das Bündnis. Frauenhäuser müssten immer wieder schutzsuchende Frauen und Kinder abweisen. In Beratungsstellen würden Frauen auf Termine im nächsten Monat vertröstet. Vielerorts bleibe es dem Zufall überlassen, ob eine vergewaltigte Frau in der Notaufnahme einer Klinik auf Personal trifft, das sie qualifiziert versorgt und Beweismittel sichert.

Umfassendes Gewaltschutzkonzept

Auch bei der Gewaltprävention sieht das Bündnis Verbesserungsbedarf. Mit Kindern und Jugendlichen müsse an Rollenbildern, Konfliktlösungsstrategien und Selbstbehauptung gearbeitet werden, damit künftig weniger Männer zu Tätern und Frauen zu Betroffenen werden. Zudem stehe ein umfassendes Gewaltschutzkonzept für Frauen und Mädchen mit Behinderung aus, die besonders häufig unter Gewalt litten.

Auch Frauen mit Fluchthintergrund und Migrantinnen würden nicht ausreichend geschützt. Geflohene Frauen hätten nur einen eingeschränkten Zugang zum Hilfesystem. Geschlechtsspezifische Fluchtgründe würden in der Praxis nicht ausreichend berücksichtigt.

Das Bündnis fordert einen Aktionsplan gegen geschlechtsspezifische Gewalt, der für alle betroffenen Ministerien überprüfbare Ziele, Zeitschienen und Verantwortlichkeiten festlegt. Dafür brauche es eine staatliche Koordinierungsstelle mit entsprechenden Kompetenzen und Mitteln.

Im Bündnis Istanbul Konvention haben sich mehr als 20 Frauenrechtsorganisationen, Bundesverbände und Einzelpersonen zusammengetan. Der Zusammenschluss will nach eigenen Angaben die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland vorantreiben und das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung des Übereinkommens stärken.



Psychiatrie

Medikamentenversuche an Kindern: Studie belegt erschreckendes Ausmaß



Die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wunstorf bei Hannover war zwischen 1945 und 1978 offenbar eines der Hauptzentren für Medikamentenversuche an Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen. Zwischen 1953 und 1976 seien etwa vier Prozent der aufgenommenen Jungen und Mädchen in Wunstorf von Arzneimittelversuchen betroffen gewesen, teilte das Sozialministerium am 1. September in Hannover mit.

Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung (IGM) im Auftrag des Ministeriums verfasst hat. Sie belege "sehr eindrücklich das erschreckende Ausmaß dieser illegalen und zutiefst unethischen Arzneimittelstudien in niedersächsischen Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken", sagte Ministerin Carola Reimann (SPD).

Kinder ohne Rechte

Der Bund, die Länder, die Kirchen sowie deren Wohlfahrtsverbände haben die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" ins Leben gerufen. Sie soll Personen unterstützen, die als Kinder oder Jugendliche in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe oder der Psychiatrie "Leid und Unrecht erfahren haben und heute noch an den Folgewirkungen leiden", sagte Reimann. Anträge für eine finanzielle Unterstützung könnten noch bis Ende 2020 gestellt werden.

Studienleiterin Christine Hartig betonte, dass die Versuche kein niedersächsisches Phänomen darstellten. In den 50er und 60er Jahren hätten Kinder kaum Rechte gehabt. Minderjährige seien in Heimen und psychiatrischen Einrichtungen von der Gesellschaft ausgeschlossen worden. Das habe derartige Arzneimittelstudien möglich gemacht.

Die Arzneimittelversuche hätten in der Regel dazu gedient, Indikationsbereiche von Arzneimittelgruppen wie Neuroleptika, Schlafmittel, Antidepressiva und Bromverbindungen auszudehnen und Dosierungsempfehlungen zu geben. Es sollte eine Medikation gefunden werden, mit der verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche leichter betreut werden konnten, heißt es in der Studie. Nebenwirkungen seien billigend in Kauf genommen. Das Einverständnis der Erziehungsberechtigten sei in der Regel nicht eingeholt worden.



Corona

Diakonie: Masken-Spende großzügig, aber nicht ausreichend



Der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF hat der Wohlfahrtspflege mehr als 100 Millionen Mund-Nasen-Schutzmasken gespendet. Die Diakonie in Niedersachsen hat davon 1,44 Millionen bekommen. Sie zu transportieren, zu lagern und an die Sozialeinrichtungen zu verteilen, ist logistisch eine Herausforderung, sagt Diakonie-Bereichsleiterin Andrea Hirsing. Mit ihr sprach Karen Miether.

epd sozial: Frau Hirsing, wie verteilen Sie 1,44 Millionen Masken?

Andrea Hirsing: Dafür haben wir mit einer Spedition zusammengearbeitet und zwei Sattelschlepper gebraucht. Die Masken wurden in Boxen und dann in Kartons verpackt auf insgesamt 64 Euro-Paletten geliefert, eine davon wiegt etwa 155 Kilo. Man kann die Paletten nicht hoch stapeln, weil das weiche Material dann platt gedrückt würde und beschädigt werden könnte. Jetzt lagern wir sie bei vier großen diakonischen Einrichtungen, die genügend Platz haben.

Die Masken sind nicht zweckgebunden etwa ausschließlich für Pflegeheime. Die Heime und Pflegedienste können ebenso welche bekommen wie alle anderen unserer Mitgliedseinrichtungen von Kindertagesstätten über Beratungsstellen bis zu Krankenhäusern. Wir haben vor, alle anzuschreiben. Sie können sich dann an den Lagerorten Masken abholen. Dabei handelt es sich um Einmal-Masken, auch als OP-Masken bekannt.

epd: Wie weit reicht eine solche Spende?

Hirsing: Die Spende ist großartig, und ich sage stellvertretend für unsere Mitgliedseinrichtungen danke. Derzeit muss man mit Masken nicht knapsen, anders als zu Beginn der Pandemie. Es stehen ausreichend zur Verfügung und zwar zu Preisen von unter 50 Cent und nicht mehr über das Doppelte. Aber die Masken sind Verbrauchsmaterial. Bei unseren 600 Mitgliedern mit über 3.000 Einrichtungen relativiert sich die Menge. Eine Pflegekraft etwa benötigt in einer Schicht mehrere Masken. Die Spende wird uns nicht über die Zeit der Erkrankungswelle helfen.

epd: Nicht nur Masken waren zunächst Mangelware, was wünschen Sie sich nach den Erfahrungen für die Zukunft?

Hirsing: Ich wünsche mir, dass wir auf Landesebene eine bessere Bevorratung haben. Nicht nur Masken, auch Schutzkittel und Desinfektionsmittel waren schnell knapp. Viele Pflegekräfte hat das in Hochrisikosituationen geführt, weil sie zum Beispiel gegen jede Empfehlung Masken mehrfach auf- und absetzen mussten. Außerdem wünsche ich mir regelmäßige Tests für Mitarbeiter von Pflege- oder auch Behinderteneinrichtungen. Bisher bleiben Träger dabei oft auf den Kosten sitzen.



Corona

Phineo verteilt Geld aus Hilfsfonds an Gemeinnützige



Gemeinnützige Organisationen und Vereine können sich ab sofort um Fördermittel aus dem Corona-Hilfsfonds des Beratungsinstituts Phineo bewerben. Bevorzugt gefördert werden kleine und mittelgroße Organisationen mit einem Jahresbudget von maximal bis 2,5 Millionen Euro, wie das Institut am 31. August in Berlin mitteilte. Die Gelder stammen aus Spenden von Privatpersonen, Unternehmen und anderen Förderpartnerinnen und -partnern, wie es hieß. Gesammelt werden die Spenden seit Juli.

Voraussetzung für die Bewerbung ist, dass die Organisationen und Vereine ihren Sitz in Deutschland haben, mehrheitlich privat finanziert sind, ihre wirtschaftliche Schieflage Corona-bedingt ist und sie eine "wirkungsorientierte und transparente Arbeit" nachweisen können. Die Gelder werden jeweils nach Bedarf an die Organisationen verteilt.

"Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise kommen in der Zivilgesellschaft mit zeitlicher Verzögerung an, dann aber mit Wucht", sagte Andreas Rickert, Vorstandsvorsitzender von Phineo. Gemeinnützige Organisationen hätten keine Rücklagen und lebten in der Regel von Projektförderungen. Um ihr wirtschaftliches Aus zu verhindern, brauche es zusätzliche Fördermittel und Spenden.



Publikationen

Broschüre: So können Zeugen bei Gewalt in der Pflege helfen



Mit einer neuen Broschüre will das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) Menschen anleiten, die Gewalt an Pflegebedürftigen beobachten. Die Publikation richte sich an Angehörige, Bekannte, ehrenamtlich Helfende und professionelle Pflegende, teilte die gemeinnützige Stiftung am 1. September in Berlin mit. Pflegebedürftige Menschen könnten sich häufig schlecht wehren oder gar nicht mitteilen, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind. Daher seien sie auf Hilfe von außen angewiesen. Die Veröffentlichung lässt sich gratis auf der Website des ZQP herunterladen.

In der Broschüre finden sich unter anderem zehn Tipps für die Betreuenden. Zum einen sollten sie genau hinschauen und Anzeichen von Gewalt wie Kratzer oder Platzwunden wahrnehmen. Auch ein deutlich verändertes Verhalten des oder der Pflegebedürftigen könne ein Indiz sein. Vernachlässigung müsse ebenfalls als Gewalt erkannt werden. So könne es durch mangelhafte Pflege zu Flüssigkeitsmangel oder Infektionen kommen.

Zivilcourage gefordert

Bei Verdacht sollte die pflegebedürftige Person soweit möglich angesprochen und ihr Hilfe angeboten. Zudem sei ein sachlicher und präziser Bericht an die Leitung der Pflegeeinrichtung oder des ambulanten Dienstes nötig. Die Beobachtungen sollten so genau wie möglich dokumentiert und bei körperlichen Verletzungen der Rat eines Arztes oder einer Ärztin gesucht werden. Zudem finden sich in der Broschüre den Angaben nach Kontakte zu entsprechenden Beratungs- und Beschwerdestellen.

"Gerade weil die Erscheinungsformen und die Folgen von Gewalt nicht immer eindeutig erkennbar sind, bedarf es mehr Aufklärung", sagte der Vorstandsvorsitzende des ZQP, Ralf Suhr. Von den Zeuginnen und Zeugen sei Zivilcourage gefordert. Nur so könne das Schweigen gebrochen, Gewalt erkannt und vor allem vorgebeugt werden.

In einer Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung und der B. Braun-Stiftung unter 402 Pflegefachkräften und Auszubildenden gab 2016 jeder Dritte an, dass Maßnahmen gegen den Willen von Pflegebedürftigen alltäglich seien. Rund ein Zehntel habe solche Erfahrungen in jüngerer Zeit gemacht. In den Einrichtungen werden den Befragten nach solche Vorfälle nur selten aufgearbeitet, heißt es in der Studie weiter.




sozial-Recht

Landessozialgericht

Zwei-Meter-Bett zu kurz für 1,97 Meter langen Hartz-IV-Bezieher




Doppelstockbetten
epd-bild/Heike Lyding
Jobcenter müssen beim Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen genau hinsehen. So ist weder einem 1,97 Meter großen Jugendlichen ein Zwei-Meter-Bett zuzumuten, noch müssen Schüler der 12. Klasse auf Laptop und Drucker verzichten, wie aus aktuellen sozialgerichtlichen Entscheidungen hervorgeht.

Ein jugendlicher Hartz-IV-Bezieher mit einer Körpergröße von 1,97 Metern muss nicht mit einem Zwei-Meter-Bett vorliebnehmen. In solch einem Fall muss das Jobcenter dem Jugendlichen im Rahmen einer Erstausstattung einen Zuschuss für ein Bett in Überlänge sowie für Matratze und entsprechende Bettwäsche gewähren, entschied das Landessozialgericht Hamburg in einem am 21. August veröffentlichten Urteil. Einen Mehrbedarf können zudem Schüler einer 12. Jahrgangsstufe auch für die Anschaffung eines Notebooks und eines Druckers geltend machen, entschied das Sozialgericht Köln in einem weiteren Urteil vom 11. August.

"Keine vernünftige Schlafstätte"

Im vom LSG Hamburg entschiedenen Verfahren erhielt der 1994 geborene Kläger weitgehend recht. 2012 machte dessen Mutter beim Jobcenter einen Mehrbedarf für ihren Sohn geltend. Dieser sei mittlerweile 1,97 Meter groß, sein zwei Meter langes Bett passe einfach nicht mehr. Sie verlangte einen Zuschuss für ein 2,20 Meter-Bett.

Das Jobcenter lehnte ab. Der Sohn habe bereits ein Bett mitsamt Matratze und Bettzeug. Das gewünschte Bett stelle keine zu übernehmende Erstausstattung dar.

Das LSG urteilte, dass das Bett in Übergröße mitsamt Matratze und Bettzeug als Erstausstattung anzusehen seien und das Jobcenter hierfür einen Zuschuss in Höhe von 424,50 Euro zahlen muss. "Denn ein Bett im Normalmaß von 2 Metern Länge deckt nicht den Bedarf eines Menschen von 1,97 Meter Körpergröße nach einer vernünftigen Schlafstätte ab".

Der Kläger könne ein Bett in Übergröße, die dazugehörige Matratze sowie entsprechendes Bettzeug als Erstausstattung verlangen. Bei einer Erstausstattung komme es entscheidend darauf an, ob der Anspruch bereits durch vorhandene Gegenstände abgedeckt ist. Hier sei das Bett des Klägers zu kurz, "um ein entspanntes und unterstütztes Liegen zu ermöglichen". Es handele sich bei dem gewünschten Bett in Übergröße daher nicht um einen Ersatzbedarf, sondern um eine Erstausstattung.

Gericht: Regelbedarf offenkundig

Einen Zuschuss können nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Köln Schüler der Jahrgangsstufe 12 auch für ein Laptop und einen Drucker beanspruchen. Im Streitfall waren dies 450 Euro.

Der klagende Schüler hatte angegeben, dass die Geräte für seinen Schulbesuch erforderlich seien, etwa für Referate, zur Unterrichtsvorbereitung oder für Präsentationen. Das Sozialgericht entschied, dass weder der Regelbedarf noch das Bildungspaket den erforderlichen Bedarf für ein Laptop und einen PC abdecken. Die Unabdingbarkeit der Ausstattung von Schülern mit Laptop und Drucker seien durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die Notwendigkeit des Unterrichts über digitale Medien von zu Hause aus am Unterricht teilhaben zu können, "offenkundig geworden".

Es handele sich hier auch nicht um einen einmaligen, sondern zu übernehmenden laufenden Bedarf. Zwar sei der Kauf einmalig, die Nutzung sei aber "laufend", so dass das Jobcenter einen Mehrbedarf anerkennen müsse.

Prostitutionsverbot in der Pandemie

Das Hessische LSG in Darmstadt sprach mit Beschluss vom 5. August einer seit Jahren in Deutschland tätigen Prostituierten aus Bulgarien zumindest vorläufig Arbeitslosengeld II zu, da diese ihre selbstständige Tätigkeit wegen der Corona-Pandemie nicht ausüben darf. Die nicht vorhandene Meldeadresse und die unterlassene Einzahlung in die Steuer- und Sozialkassen stünden dem Hartz-IV-Anspruch jedenfalls im Eilverfahren nicht entgegen.

Hier habe die Frau sich beim Ordnungsamt als Prostituierte registrieren lassen, ein "Milieu-Polizeibeamter" habe sie auch mehrfach kontrolliert. Daher könne davon ausgegangen werden, dass die Frau seit Jahren eine legale selbstständige Tätigkeit als Prostituierte nachging und sie sich als EU-Bürgerin nicht allein zur Arbeitsuche im Bundesgebiet aufgehalten habe. Letzteres würde einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II ausschließen.

Az.: L 4 AS 328/19 (LSG Hamburg)

Az.: S 15 AS 456/19 (Sozialgericht Köln)

Az.: L 6 AS 362/20 B ER (LSG Darmstadt)

Frank Leth


Bundesfinanzhof

Bonusprämien der Krankenkasse führen nicht zu Steuernachteil



Pauschale Geldprämien einer Krankenkasse für gesundheitsbewusstes Verhalten führen nicht automatisch zu einem Steuernachteil. Hat ein Steuerpflichtiger den Krankenkassenbonus für etwas bekommen, bei dem ihm tatsächlich Aufwendungen entstanden sind - etwa für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio - gilt die dafür gezahlte Prämie nicht als Rückerstattung von Kassenbeiträgen, wie der Bundesfinanzhof in einem am 27. August veröffentlichten Urteil entschied. Eine nachteilige steuerliche Minderung des Sonderausgabenabzugs für Krankenversicherungsbeiträge dürfe das Finanzamt dann nicht vornehmen, erklärten die Münchner Richter.

Der Kläger hatte von seiner Krankenkasse einen pauschalen Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten in Höhe von 230 Euro erhalten. Dieser enthielt etwa zehn Euro für einen Gesundheits-Check-up beim Hausarzt, 20 Euro für gesundes Körpergewicht und 30 Euro für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio. Das Finanzamt wertete die Geldprämie als Rückerstattung von Krankenkassenbeiträgen. Die ursprünglich gezahlten Kassenbeiträge könnten daher nicht mehr in voller Höhe als Sonderausgaben steuermindernd geltend machen. Der Bundesfinanzhof betonte, bei tatsächlichen Aufwendungen für eine Gesundheitsmaßnahme dürfe der Fiskus die dafür gezahlte Prämie der Krankenkasse nicht als Rückerstattung von Beiträgen ansehen. Der Bonus dürfe dann nicht zu einer Minderung des Sonderausgabenabzugs führen.

Anders sehe dies jedoch bei Prämien für gesundheitsbewusstes Verhalten aus, bei denen der Steuerpflichtige keine Aufwendungen hatte. Dies seien etwa Vorsorgeuntersuchungen, die die Krankenkasse sowieso bezahlt oder eine Prämie für gesundes Körpergewicht. Dafür gezahlte Boni seien als Beitragsrückerstattung anzusehen, die zu einer Minderung des Sonderausgabenabzugs für Krankenversicherungsbeiträge führen.

Az.: X R 16/18



Verwaltungsgerichtshof

Pflegekräfte müssen nicht generell ihre Arbeitskleidung waschen



Der Betreiber einer Pflegeeinrichtung darf nicht ohne weiteres von Pflegekräften das Waschen ihrer Arbeitskleidung verlangen. Besteht die Gefahr, dass die Arbeitskleidung mit Keimen oder Körperausscheidungen und -flüssigkeiten der Pflegebedürftigen verunreinigt wird, ist diese wie Schutzkleidung zu behandeln, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem am 1. September veröffentlichten Urteil. Für die Reinigung der Schutzkleidung sei dann aber aus Arbeitsschutzgründen allein der Betreiber der Pflegeeinrichtung zuständig, erklärten die Mannheimer Richter.

Konkret ging es um ein Pflegezentrum aus dem Raum Stuttgart. Die Einrichtung verfügt über 111 Kurzzeit- und Dauerpflegeplätze und betreut vorwiegend Demenz-Patienten. In einem ausgelagerten Wohnbereich werden 19 Personen mit schweren Schädel-Hirnverletzungen gepflegt, darunter auch Wachkomapatienten.

Hygiene-Anordnung der Heimaufsicht

Um die Hygiene zu gewährleisten, hat das Pflegezentrum einen Hygieneplan entwickelt. Danach sollten die Pflegekräfte ihre zur Verfügung gestellte Arbeitskleidung selbst zu Hause bei mindestens 60 Grad waschen. Bei der Pflege infektiöser Bewohner wird eine besondere Schutzkleidung vorgeschrieben, bestehend aus einer Einwegschutzschürze und Einmalhandschuhen.

Das Pflegepersonal liegt mit dem Arbeitgeber zur Frage der Waschpflicht bei der Arbeitskleidung seit Jahren im Streit. Die Heimaufsicht erließ schließlich eine hygienerechtliche Anordnung, wonach der Arbeitgeber für die Reinigung der Arbeitskleidung zuständig ist.

Dieser zog dagegen vor Gericht. Nach der Biostoffverordnung müsse er Arbeitskleidung nicht selber waschen. Dies sei erst bei Schutzkleidung der Fall. Schutzkleidung würde das Pflegepersonal in Form der Einmalschutzschürze und der Einmalhandschuhe erhalten.

Keime der Risikogruppe 2-3

Doch der VGH bestätigte nun die behördliche Anordnung. Nach den Zielen des Arbeitsschutzgesetzes müsse der Arbeitgeber Gefährdungen der Beschäftigten vermeiden oder zumindest minimieren. In Alten- und Pflegeheimen sei von Keimen der Risikogruppe 2-3 auszugehen. Nach der Biostoffverordnung müssten dann Maßnahmen der Schutzstufe 2 durchgeführt werden. Dazu gehöre, dass der Arbeitgeber Schutzkleidung entweder selbst wäscht oder eine zertifizierte Reinigung damit beauftragt.

Hier sei die von den Pflegekräften getragene Arbeitskleidung auch als Schutzkleidung anzusehen. Denn die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Einmal-Schutzkleidung bedecke die darunter liegende Kleidung nur unzureichend. Sobald aber die Arbeitskleidung mit Biostoffen kontaminiert werden könne, müsse diese wie Schutzausrüstung behandelt werden. Der Pflegeheimbetreiber müsse diese daher reinigen und von anderer Kleidung getrennt aufbewahren.

Az.: 6 S 1589/18



Landessozialgericht

Gehörlose erhält keine Unterstützung für Zweitausbildung



Die Integration gehörloser Menschen hat finanzielle Grenzen. So haben Betroffene zur Unterstützung ihrer Zweitausbildung keinen Anspruch auf Kostenübernahme für ein notwendiges Gebärdensprach-Dolmetscherteam in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz in einem am 27. August veröffentlichten Urteil.

Die Klägerin, eine 1978 geborene gehörlose Frau und Mutter von zwei Kindern, hatte bereits eine Ausbildung zur Zahntechnikerin absolviert. Da sie mit dem Beruf nicht zurechtkam und sich psychische Beschwerden einstellten, wechselte sie den Arbeitsplatz und arbeitete als ungelernte Kraft in einer Kita. Um das neue Berufsfeld besser absolvieren zu können, wollte sie sich zur staatlich anerkannten Heilerziehungspflegerin ausbilden lassen. Gebärdensprachdolmetscher sollten sie bei ihrer Zweitausbildung unterstützen. Sozialhilfe oder die Bundesagentur für Arbeit sollten dies finanzieren. Schließlich hätten auch nicht behinderte Menschen das Recht, eine Zweitausbildung zu wählen.

Kein Geld für Gebärdensprach-Dolmetscherteam

Doch der Frau steht die Kostenübernahme von rund 1,5 Millionen Euro nicht zu, urteilte das LSG. Zwar könne durchaus ein Anspruch auf Förderung und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bestehen, für den die Bundesagentur für Arbeit zuständig sei. Voraussetzung der Förderung sei, dass diese "erforderlich" ist.

Dies sei hier nicht der Fall. Die Klägerin sei bereits bei ihrer Ausbildung zur Zahntechnikerin gefördert worden. In diesem Beruf sei auch kein Verlust der Erwerbsfähigkeit zu befürchten.

Auch die Sozialhilfe müsse die Gebärdensprach-Dolmetscherkosten nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe und des Rechts auf Teilhabe an der Gesellschaft gewährt werden. Sei bereits ein angemessener Beruf erlangt, daher bestehe kein Anspruch auf Eingliederungshilfe für eine weitere Ausbildung.

Die Förderung der Zweitausbildung sei zudem nicht angemessen. So arbeite die Frau bereits in ihrer Wunsch-Kita. Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung würde sie etwa 80 Euro netto monatlich mehr verdienen. Dem stünden 1,5 Millionen Euro an Kosten für das Gebärdensprachdolmetscherteam gegenüber.

Az.: L 8 SO 101/18



Verwaltungsgericht

Corona-Pandemie in Italien steht Abschiebung nicht entgegen



Asylsuchende dürfen während der Corona-Pandemie nach Italien abgeschoben werden. Auch wenn sich in Italien fast 250.000 Menschen mit dem Sars-CoV-2-Virus ansteckten und mehr als 35.000 Infizierte starben, hat sich die Lage dort so entspannt, dass im Fall einer Abschiebung Flüchtlinge dort keine unvereinbaren Aufnahmebedingungen vorfinden, entschied das Verwaltungsgericht Freiburg in einem am 2. September veröffentlichten Urteil.

Im Streitfall hatte der aus Pakistan stammende Kläger wegen seiner Mitgliedschaft in der islamischen Ahmadiyya-Gemeinschaft Verfolgung in seinem Heimatland befürchtet. Er floh daraufhin 2011 nach Italien. Dort wurde ihm eingeschränkter, sogenannter subsidiärer Flüchtlingsschutz gewährt. 2014 reiste er in Deutschland ein und stellte erneut einen Asylantrag.

Ausreisefrist von einer Woche

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnte diesen als unzulässig ab, da der Mann bereits in Italien Schutz gefunden habe. Die Behörde setzte ihm eine Ausreisefrist von 30 Tagen und drohte die Abschiebung an.

Das Verwaltungsgericht urteilte, dass dem Flüchtling zu Recht die Abschiebung angedroht wurde. Allerdings sei die 30-Tagesfrist rechtswidrig gewesen. Bei unzulässigen Asylanträgen bestehe nur eine Ausreisefrist von einer Woche. Da hier die Frist zugunsten des Klägers verlängert wurde, spiele dies aber keine Rolle.

Einer Abschiebung nach Italien stehen auch nicht unmenschliche oder schlechte humanitäre Bedingungen entgegen. Zwar sei Italien von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen worden. So seien nicht nur mehr als 35.000 Menschen an einer Infektion gestorben, auch die Wirtschaft sei stark eingebrochen. Derzeit seien die Infektionszahlen aber heruntergegangen, eine Reisewarnung aus gesundheitlichen Gründen bestehe nicht mehr.

Es gebe zudem keine Anhaltspunkte, dass im Zuge der Corona-Pandemie Defizite in der Unterbringungssituation nicht durch karitative Einrichtungen ausgeglichen werden könnten. Zudem bestehe für anerkannte Schutzberechtigte auch Arbeitsmöglichkeiten wie etwa als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft. Ein Verstoß gegen das in der Grundrechte-Charta enthaltene Verbot einer unmenschlichen Behandlung sei bei einer Abschiebung nicht zu erwarten.

Az.: A 10 3159/18




sozial-Köpfe

Diakonie

Gerhard wird kaufmännischer Vorstand bei Hephata




Michael Gerhardt
epd-bild/Diakonie Hephata
Bei der Hephata Diakonie wird ein neuer Mann kaufmännischer Vorstand: Michael Gerhard tritt zum 1. Januar 2021 die Nachfolge von Klaus Dieter Horchem an. Gerhard wechselt von der Deutscher Gemeinschafts-Diakonieverband (DGD) GmbH.

Der Aufsichtsrat der Hephata Diakonie hat Michael Gerhard zum künftigen kaufmännischen Vorstand gewählt. Der bisherige Geschäftsführer der Deutscher Gemeinschafts-Diakonieverband (DGD) GmbH, die unter anderem Trägerin des Diakonie Krankenhauses Wehrda in Marburg ist, steigt zum 1. Januar 2021 bei Hephata ein.

Nach einer Einarbeitungs- und Übergabephase ab Anfang des neuen Jahres wird Gerhard die Nachfolge des langjährigen kaufmännischen Vorstands Klaus Dieter Horchem antreten, der Ende März 2021 in den Ruhestand geht. "Wir sind sehr froh darüber, dass wir mit einem guten zeitlichen Vorlauf schon jetzt einen sowohl fachlich wie auch persönlich überaus kompetenten Nachfolger für Herrn Horchem gefunden haben", sagte Eberhard Lindig, Aufsichtsratsvorsitzender der Hephata Diakonie. Der künftige kaufmännische Vorstand Gerhard wird die Geschicke Hephatas gemeinsam mit dem gleichberechtigten theologischen Vorstand und Vorstandssprecher Maik Dietrich-Gibhardt leiten.

Gerhard verfügt über langjährige Leitungserfahrungen sowohl als Geschäftsführer der DGD GmbH (seit 2004) als auch als Vorstand der DGD Stiftung (seit 2014) mit Verantwortung für einen Klinikverbund aus sechs Akutkrankenhäusern und zwei Rehakliniken in mehreren Bundesländern. Neben seiner betriebswirtschaftlichen Kompetenz als Master of Business Administration bringt Gerhard Diplom-Abschlüsse als Sozialarbeiter, Diakoniewissenschaftler und Religionspädagoge mit. Promoviert wurde der 52-Jährige als Doktor der Philosophie, wobei sich seine Dissertation mit diakonischem Handeln, ökonomischem Denken und ethischem Erwägen beschäftigt. Der zweifache Familienvater ist zudem 2006 in Hephata in das Diakonenamt der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck eingesegnet worden.



Weitere Personalien



Karsten Gebhardt, der frühere Chef des Evangelischen Johanneswerks in Bielefeld, ist tot. Er wurde 75 Jahre alt. Gebhardt war von 2008 bis 2010 Vorstandsvorsitzender des diakonischen Trägers, zuvor war er stellvertretender Vorsitzender. Ingesamt war der Diplom-Kaufmann 30 Jahre beim Johanneswerk, davon 25 Jahre im Vorstand. Gebhardt hat das Zusammenführen des Johanneskrankenhauses und der Betheler Kliniken zum damaligen Evangelischen Krankenhaus Bielefeld, dem heutigen Evangelischen Klinikum Bethel, gestaltet. Als Experte für Arbeits- und Tarifrecht habe er seine fachliche Kompetenz in verschiedenen Verbänden und Gremien eingebracht. Außerdem war er Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW. Im diakonischen Johanneswerk arbeiten rund 7.000 für alte und kranke Menschen sowie für Menschen mit Behinderung, Kinder und Jugendliche.

Hans-Jürgen Schrumpf hat am 1. September die Leitung des neuen Fachbereichs Ethik in der Immanuel Albertinen Diakonie in Hamburg übernommen. Der Pastor hat die Aufgabe, den Fachbereich Ethik zu konzipieren und zu entwickeln. Er vernetzt und berät die klinischen Ethikkomitees, unter anderem bei ethischer Verfahrens- und Leitlinienentwicklung und bei der Implementierung von ethischen Beratungsstrukturen in den verschiedenen Praxisfeldern. Zudem fördert er zusammen mit den anderen Konzernbereichen und Ausbildungsinstitutionen die Entwicklung von ethischen Fort- und Weiterbildungen. Hans-Jürgen Schrumpf leitet seit zwölf Jahren das Ethikkomitee im Albertinen Krankenhaus/Albertinen Haus in Hamburg. Er verfügt über eine zertifizierte Ausbildung als klinischer Ethikberater (CEKIB) und Erfahrung in den verschiedenen klinischen Praxisfeldern. 2016 absolvierte er eine akademische Ausbildung in Angewandter Ethik (MAE) an der Universität Münster. Er ist Gründungsmitglied des Hamburger Ethiknetzwerkes (HEN).

Markus Weyres ist seit 1. September neuer Geschäftsführer der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) im GKV-Spitzenverband. Der Verwaltungsrat hatte ihn im Juni als Nachfolger von Hans-Holger Bauer bestimmt, der den Verband altersbedingt verlässt. Weyres war seit 2006 sein Stellvertreter gewesen. Im GKV-Spitzenverband bildet die DVKA die Schnittstelle für die europäische und weltweite Umsetzung über- und zwischenstaatlicher Rechtsbeziehungen gegenüber Versicherten, Arbeitgebern, Sozialversicherungsträgern und ihren Verbänden sowie von international agierenden Institutionen. Die bei der DVKA angesiedelte Nationale Kontaktstelle informiert in- und ausländische Patientinnen und Patienten über Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland und den Mitgliedstaaten der EU.

Ingrid Strahmer, langjährige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), ist tot. Die frühere Senatorin und Berliner Bürgermeisterin starb am 30. August im Alter von 77 Jahren. Die SPD-Politikerin stand dem Vorstand der Stiftung DZI seit 1990 als Vertreterin des Berliner Senats vor. Strahmer hat wesentlich dazu beigetragen, das DZI zu einem Kompetenzzentrum für Soziale Literatur und Spenderberatung weiterzuentwickeln. Zudem hat sie die Einführung des Spendensiegels wesentlich begleitet. Das DZI prüft als unabhängige Instanz, wie soziale und karitative Nichtregierungsorganisationen ihre Spendengelder verwenden.

Anne Sophie Geier wird zum 1. Oktober Geschäftsführerin des Spitzenverbandes Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV). Zuvor war die promovierte Pharmazeutin als Sachgebietsleiterin beim GKV-Spitzenverband für die frühe Nutzenbewertung von neu zugelassenen Arzneimitteln zuständig. In ihrer neuen Rolle ist sie unter anderem für den Aufbau der Geschäftsstelle des Spitzenverbandes in Berlin verantwortlich. Zudem soll sie die Interessen der rund 80 E-Health-Unternehmen, die in dem Verband organisiert sind, auf politischer Ebene vertreten.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis Oktober



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

September

9.9. Kassel:

Seminar "Ausgliederung und Umstrukturierung beim Verein"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/25298921

8.-10.9. Berlin:

Seminar "Überzeugen können!"

der Fortbildungsakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/20355-582

14.9. Berlin:

Seminar "Datenschutz für Home-Office, Zoom und Microsoft Teams"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

14.9. Berlin:

Workshop "Wie wir Konflikte besser bewältigen - Qualifizierung für Migrationsfachdienste"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

14.-15.9.: Bergisch Gladbach:

Seminar "Krisen-PR in Verbänden und Einrichtungen - Vorbereitet sein und glaubwürdig bleiben"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

14.-15.9. Köln:

Seminar "Führung heute - ein Check-up für Führungskräfte"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

14.-17.9. Eisenach:

35. Bundesweite Streetworktagung "Seit Corona ist alles anders - Neue Herausforderungen, Konzepte, Strategien, Lösungen"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/488 37-488

17.9. Hamburg:

Seminar "Heute schon gelobt? Anerkennung als Führungsinstrument"

des Paritätischen Hamburg

Tel.: 040/415201-66

17.-18.9.:

Onlineseminar "Recht und Urheberrecht im Umgang mit Social Media und Internet"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

17.-18.9.:

Online-Seminar "Arbeitsrecht für Leitungskräfte"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/25298921

23.9.: Remagen-Rolandseck:

Seminar "Häusliche Gewalt: Hinsehen - Erkennen - Ansprechen - Vermitteln"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

28.-29.9. Berlin:

Aufbauschulung "Das deutsche Asyl- und Aufenthaltsrecht"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

29.9. Berlin:

Seminar "Grundlagen des Arbeitsrechtes in Einrichtungen der Sozialwirtschaft - Gestaltungsspielräume nutzen"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

30.9. Berlin:

Seminar "Betriebsverfassungsrecht aus Arbeitgebersicht

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

Oktober

1.10.

Online-Fachtagung "Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung -. Pflegebudget 2020"

des Bundesverbands Pflegemanagement

Tel.: 030/44037692