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Pflege

Corona schiebt Digitalisierung in Heimen an




Pflegerin der Johanniter mit einem Patienten
epd-bild/Juergen Blume
Das Krisenmanagement von Pflegeheimen wurde durch das Coronavirus auf eine besonders harte Probe gestellt. Die Johanniter haben als bundesweit größter gemeinnütziger Träger von Altenhilfe-Einrichtungen aus der Pandemie Konsequenzen gezogen.

Mit digitaler Technik hatten die meisten Senioren im Johanniter-Stift Erkelenz keine Erfahrung. Doch als Ende Februar die ersten Corona-Infizierten in das Krankenhaus der Stadt im Kreis Heinsberg eingeliefert wurden, änderte sich das schlagartig. "Wir haben uns dann sofort entschlossen, die Türen weitgehend zu schließen", sagt Einrichtungsleiterin Astrid Hadick. Die rund 100 Bewohner waren von einem Tag auf den anderen isoliert. Ein Trost waren da die Tablets, die die Heimleitung schnell beschaffte. "Es war total spannend zu sehen, wie unsere 80- oder 90-jährigen Bewohner erstmals so ein Tablet in der Hand hielten und es nicht fassen konnten, darüber Tochter oder Sohn zu sehen", beobachtete Hadick. Sehr schnell hätten die Senioren die Berührungsängste verloren und seien stolz gewesen, mit der neuen Technik umzugehen.

In jedem Wohnbereich Internet-Zugang

Nicht nur in Erkelenz, sondern auch in anderen Johanniter-Pflegeheimen habe die Corona-Krise die Digitalisierung vorangetrieben, sagt Georg Hammann, einer der Krisen-Beauftragten der Johanniter Seniorenhäuser GmbH. Eine flächendeckende WLAN-Ausstattung habe es vor der Pandemie nur in den wenigsten Häusern des Trägers gegeben. In Erkelenz war es nach längeren Bemühungen zufällig kurz vor der Krise noch gelungen, die Gemeinschaftsräume mit WLAN auszustatten. "In anderen Häusern haben die Heimleitungen anfangs teilweise mit Dienst- oder Privathandys den Kontakt zu Angehörigen hergestellt", weiß Hammann. Doch das habe sich geändert. Inzwischen seien mobile WLAN-Hotspots und Tablets angeschafft worden, so dass es in jedem Wohnbereich der Johanniter-Heime einen Internet-Zugang gebe. "Corona hat dem Thema Digitalisierung noch einmal einen Schub gegeben", sagt Hammann, der im Regionalzentrum West der Johanniter in Köln für Unternehmensentwicklung zuständig ist. Auch für die Mitarbeiter habe sich einiges geändert. Viele Treffen und Besprechungen fänden nun online statt. "Das spart viel Reiserei. Eine Erfahrung, die wir mit in die Zukunft nehmen werden."

Doch die Corona-Krise erforderte noch weitreichendere langfristige Konsequenzen für Alltag und Organisation der Pflege-Einrichtungen. "Wir haben ja eigentlich Erfahrung mit Infektionskrankheiten und sind darauf vorbereitet, aber Corona hat eine ganz neue Dimension", erklärt Hadick. So hatte das Erkelenzer Heim Schutzmaterialien wie Masken oder Kittel bislang nur in kleinem Umfang vorrätig. "Jetzt haben wir Material für vier Wochen eingelagert", sagt die Leiterin. Dass ihre Einrichtung auch auf dem Höhepunkt der Krise immer mit Schutzmaterial versorgt worden sei, sei auch dem Träger, der Johanniter Seniorenhäuser GmbH, zu verdanken, sagt Hadick.

200 Liter Desinfektionsmittel auf Lager

Möglich sei das gewesen, weil als Reaktion auf die Krise kurzfristig regionale Zwischenlager geschaffen worden seien, um die bundesweit 120 Standorte mit Schutzmaterial zu versorgen, erklärt Hammann. Im Kölner Lager, das die 30 Einrichtungen der Region West beliefert, sei inzwischen ein Vorrat von etwa 50.000 FFP2-Masken, 100.000 OP-Masken, 10.000 Schutzkittel und etwa 200 Liter Desinfektionsmittel angelegt. Die dezentrale Organisation in bundesweit vier Regionen habe sich für die Johanniter in dieser Situation bewährt, sagt Hammann. "Das ist eine ganz wesentliche Erfahrung, die Einfluss auf unsere künftige Führungs- und Krisenstruktur hat."

Eine Erkenntnis aus der Krise sei auch die gestiegene Anerkennung des Pflegeberufs, betont Hammann. Für die Johanniter sei noch einmal deutlich geworden, wie wichtig es sei, in die Qualifizierung von Mitarbeitern zu investieren. Sie hätten daraus die Konsequenz gezogen, die Professionalisierung und Akademisierung der Pflege in ihren Häusern noch entschiedener voranzutreiben. Ziel sei es unter anderem, Pflegewissenschaftler, die bislang hauptsächlich in Leitungspositionen tätig seien, künftig auch bei der direkten Versorgung der Bewohner einzusetzen. Schon vor der Corona-Krise hätten die Johanniter begonnen, in einem gemeinsamen Projekt mit der Robert Bosch Stiftung entsprechende Konzepte zu erarbeiten. "Durch Corona hat sich noch einmal gezeigt, wie wichtig das ist." Das Thema Aus- und Weiterbildung werde künftig bei den Johannitern eine noch größere Rolle spielen als bisher. Auch Themen wie Familienfreundlichkeit oder Work-Life-Balance bekämen noch mehr Gewicht. "Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein," betont Hammann.

Das ist auch notwendig, denn der Bedarf an Pflegepersonal sei durch die Krise noch einmal gestiegen, berichtet Heimleiterin Hadick. "Wir mussten bei der personellen Besetzung einen Puffer einbauen." Um gegen Ausfälle gewappnet zu sein - etwa wenn Mitarbeiter in Quarantäne gehen müssen – stellte Hadick zusätzliche Pflegekräfte ein. Ein Teil der Mehrkosten werde wohl über den Corona-Rettungsschirm erstattet. "Aber längst nicht alles," befürchtet Hadick. Doch das nehme das Haus in Kauf. "Unsere Krisenstrategie lautet: Maximaler Schutz."

Claudia Rometsch