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Gesundheit

Gastbeitrag

Fachverband: Dezentrale Klinikstrukturen weiterentwickeln




Bernadette Rümmelin
epd-bild/Kirsten Breustedt/kkvd
Die Debatte, wie die Kliniklandschaft künftig aussehen soll, ist im Zuge der Corona-Krise voll entbrannt. Bernadette Rümmelin vom Katholischen Krankenhausverband Deutschland (KKVD) setzt weiter auf dezentrale Strukturen, wie sie in ihrem Gastbeitrag ausführt.

Die Krankenhausversorgung steht vor entscheidenden Weichenstellungen. Schon vor der Corona-Pandemie wurde heiß diskutiert, wie die Klinikstruktur reformiert werden soll. Von einer Seite kommt der Ruf nach einer rigorosen Reduzierung und Konzentration auf große Klinikstandorte. Weniger als die Hälfte der jetzigen Krankenhäuser werde für eine gute Versorgung in Deutschland genügen.

Auf der anderen Seite steht das Konzept einer Weiterentwicklung bestehender dezentraler Strukturen, so dass Krankenhäuser flächendeckend wohnortnah erreichbar bleiben. Auch das wird zur Schließung weiterer Standorte führen, aber eben nicht zu einem Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft.

Die bisherigen Erfahrungen in der Corona-Pandemie geben Grund, die Debatte mit einem frischen Blick zu betrachten. Eine solche Pandemie kann sich jederzeit wiederholen. Die Politik wäre schlecht beraten, das Gesundheitssystem darauf nicht vorzubereiten.

"Protektiv und krisenfest"

In der ersten COVID-19-Infektionswelle hat sich unsere dezentrale und hoch flexible Klinikstruktur als protektiv und krisenfest erwiesen. Vor Ort wurden über Trägergrenzen und Konkurrenzen hinweg schnell Netzwerke zwischen den Kliniken geknüpft, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. In wenigen Tagen zogen sie Betten für einen zu befürchtenden Anstieg von COVID-19-Patienten frei. Die Krankenhäuser sprangen Pflegeheimen bei, wenn dort eine Infektionswelle ausbrach, und nahmen die Pflegebedürftigen in Isolierstationen auf. Und sie kooperierten eng mit niedergelassenen Ärzten und den Gesundheitsämtern. Als diese zu Beginn der Pandemie Schwierigkeiten zeigten, sich auf die neue Situation einzustellen, halfen vielerorts Kliniken mit dem schnellen Aufbau von COVID-19-Ambulanzen und Teststellen aus.

In der Rückschau wird nun argumentiert, nur ein Drittel der Kliniken habe die Hauptlast der COVID-19-Behandlungen getragen. Zwei Drittel hätten wenige bis keine Corona-Fälle versorgt. Auch heißt es, die kleinen Krankenhäuser hätten sich aus der COVID-19-Versorgung verabschiedet und den Maximalversorgern die Behandlung überlassen.

Diese holzschnittartigen Argumente werden der Realität in den Regionen nicht gerecht. Das Infektionsgeschehen war regional sehr unterschiedlich. So hatten mancherorts auch Maximalversorger kaum Corona-Patienten. Insbesondere in ländlichen Regionen behandelten die wohnortnahen Kliniken der Grund- und Regelversorgung zahlreiche COVID-19-Erkrankte.

In Potsdam mussten die konfessionellen Kliniken den Großteil der Versorgung übernehmen, als der örtliche Schwerpunktversorger kurzfristig ausfiel. Vielerorts wurde den Maximalversorgern der Rücken freigehalten, so dass sie sich um die Patienten mit besonders komplexen Verläufen kümmern konnten.

Wenige Mega-Kliniken sind nicht flexibel

Daher ist es wichtig, an einer dezentralen Krankenhausstruktur festzuhalten und in Versorgungsnetzwerken zu denken. Wenige Mega-Kliniken hätten nicht so flexibel reagieren können. Fiele eines dieser Häuser wegen einer Infektionswelle aus, wäre das Loch in der Versorgungskette ungleich größer.

Fraglich ist auch, ob eine Konzentration auf wenige Großkliniken den Fachkräftemangel in der Pflege beheben kann. Denn der Versorgungsbedarf der Bevölkerung orientiert sich nicht an der Anzahl der Klinikstandorte. Zudem sind größere Kliniken nicht zwingend attraktivere Arbeitsplätze.

Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, muss er mehr Kompetenzen erhalten. Und die Pflege braucht eine Personalbemessung, die sich am Bedarf der Patienten und den dafür notwendigen Pflegeleistungen orientiert. Das bestehende Modell der Pflegepersonaluntergrenzen stellt diesen Bezug nicht her, ist bürokratisch und praxisfern. Mit der "Pflegepersonal-Regelung 2.0" liegt ein Konzept vor, das zeitnah den Übergang zu einer bedarfsorientierten Pflegeplanung bietet und die Selbstorganisation der Pflege stärkt. Schließlich ist eine angemessene, faire Bezahlung notwendig, unabhängig von der Trägerschaft eines Hauses.

DRG-Pauschalen sind nicht krisenfest

Die bisherige Corona-Pandemie hat gezeigt, das Finanzierungssystem mit seinen DRG-Pauschalen ist nicht krisenfest. Durch Ausgleichspauschalen für frei gehaltene Betten und neu eingerichtete Intensivplätze mit Beatmungsgeräten und entsprechendem Fachpersonal wurden die DRGs flankiert. Das war notwendig, denn im System ist kein Krisenmechanismus vorgesehen, der die Vorhaltung von freien (Intensiv-)Betten und Fachpersonal auf Abruf für den Ernstfall ermöglicht. Auch die wichtige Rolle der Kliniken für die Daseinsvorsorge spiegelt sich im System nicht wieder.

Vor diesem Hintergrund gehört die bisherige Krankenhausfinanzierungsstruktur auf den Prüfstand. Das DRG-System setzt Fehlanreize, die verstärkt werden, weil die Länder ihrer Pflicht zur Investitionsfinanzierung nicht vollumfänglich nachkommen. Viele Kliniken sehen sich daher unter Druck, die Leistungsmengen immer mehr auszuweiten. Wer dem hohen Wettbewerb nicht standhält, rutscht in die Insolvenz. Das kann auch Kliniken treffen, die regional für eine bedarfsgerechte Versorgung notwendig sind.

Die vorgehaltene Infrastruktur für die Grund- und Regelversorgung muss daher insbesondere bei bedarfsnotwendigen Kliniken pauschal und adäquat vergütet werden. Eine flächendeckende, gesundheitliche Daseinsvorsorge ist nicht möglich, wenn sie letztlich nur über Leistungsentgelte für ihre Nutzung finanziert wird. Um den konkreten Versorgungsbedarf in den Regionen zu ermitteln, ist zudem die Planung der Krankenhausstrukturen neu auszugestalten.

Umfrage: Wohnortnahe Kliniken sehr wichtig

Im Juni ergab eine forsa-Umfrage im Auftrag unseres Verbands, dass 93 Prozent der Befragten ein wohnortnahes Krankenhaus sehr wichtig oder wichtig ist. Der aktuelle Krankenhaus-Rating-Report zeigt zudem, die Patientenzufriedenheit mit einer Klinik sinkt, je größer das Haus ist. Nimmt die Politik den Anspruch ernst, bei der Planung der zukünftigen Krankenhausstrukturen die Patienten und ihre bestmögliche Versorgung in den Mittelpunkt zu stellen, darf sie das nicht außer Acht lassen.

Ein Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft würde den wichtigen Vorteil verspielen, den unsere Klinikstruktur in der aktuellen Pandemie an den Tag gelegt hat. Statt eine Konzentration auf wenige, aufgerüstete Großkliniken zu verfolgen, ist es zielführender, die vorhandene und bewährte dezentrale Struktur intelligent weiterzuentwickeln, gegebenenfalls mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Der regionale Versorgungsbedarf muss hierbei Maßstab sein.

Auch sollten die ambulanten und stationären Leistungsangebote besser vernetzt werden. So können Krankenhäuser einen wichtigen Beitrag leisten, die ambulanten Strukturen zu stärken und deutlich auszuweiten. Telemedizinische Anwendungen werden hier eine wichtige Rolle spielen. Darauf sollten wir auch bei den Klinikstrukturen der Zukunft setzen, anstatt die wohnortnahe Versorgung den Propheten des Zentralismus zu opfern.

Bernadette Rümmelin ist Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands.


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