Berlin (epd). Ein Zusammenschluss von Frauenverbänden hat mangelnde Hilfsstrukturen und politische Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen in Deutschland beklagt. Es fehle an Konzepten, Institutionen und Ressourcen, kritisierte das Bündnis Istanbul-Konvention am 1. September in Berlin. Die Bundesregierung reichte am Dienstag ihren ersten Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention beim Europarat ein. Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlich verbindliches Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.
Die Hilfsstrukturen seien hierzulande weiterhin lückenhaft und unterfinanziert, obwohl die Konvention bereits im Februar 2018 in Deutschland in Kraft trat, kritisierte das Bündnis. Frauenhäuser müssten immer wieder schutzsuchende Frauen und Kinder abweisen. In Beratungsstellen würden Frauen auf Termine im nächsten Monat vertröstet. Vielerorts bleibe es dem Zufall überlassen, ob eine vergewaltigte Frau in der Notaufnahme einer Klinik auf Personal trifft, das sie qualifiziert versorgt und Beweismittel sichert.
Auch bei der Gewaltprävention sieht das Bündnis Verbesserungsbedarf. Mit Kindern und Jugendlichen müsse an Rollenbildern, Konfliktlösungsstrategien und Selbstbehauptung gearbeitet werden, damit künftig weniger Männer zu Tätern und Frauen zu Betroffenen werden. Zudem stehe ein umfassendes Gewaltschutzkonzept für Frauen und Mädchen mit Behinderung aus, die besonders häufig unter Gewalt litten.
Auch Frauen mit Fluchthintergrund und Migrantinnen würden nicht ausreichend geschützt. Geflohene Frauen hätten nur einen eingeschränkten Zugang zum Hilfesystem. Geschlechtsspezifische Fluchtgründe würden in der Praxis nicht ausreichend berücksichtigt.
Das Bündnis fordert einen Aktionsplan gegen geschlechtsspezifische Gewalt, der für alle betroffenen Ministerien überprüfbare Ziele, Zeitschienen und Verantwortlichkeiten festlegt. Dafür brauche es eine staatliche Koordinierungsstelle mit entsprechenden Kompetenzen und Mitteln.
Im Bündnis Istanbul Konvention haben sich mehr als 20 Frauenrechtsorganisationen, Bundesverbände und Einzelpersonen zusammengetan. Der Zusammenschluss will nach eigenen Angaben die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland vorantreiben und das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung des Übereinkommens stärken.