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Armut

Paritätischer: Hartz IV führt in existenzielle Not



Die Hartz-IV-Sätze sollen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen: Das ist der Anspruch an das Arbeitslosengeld II. Eine Studie zeigt nun, dass die Zahlung nicht einmal für gesunde Ernährung reicht. Verbände fordern Konsequenzen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagt massive Defizite bei den aktuellen Hartz-IV-Leistungen. Den Empfängerinnen und Empfängern fehle es insbesondere an Geld für eine ausgewogene, gesunde Ernährung und ein Mindestmaß an sozialer, politischer und kultureller Teilhabe, kritisiert der Sozialverband in einer am 1. September in Berlin veröffentlichten Studie. Gerade in der Coronakrise bedeute ein Leben mit Hartz IV existenzielle Not.

Der Studie zufolge ist die Lage für alleinstehende Erwachsene besonders prekär. Diese Gruppe lebe in "strenger Armut". Ihr Einkommen liege 40 Prozent unter dem mittleren Einkommen in Deutschland. Bei den Familien seien es die Alleinerziehenden-Haushalte, die besonders unter Entbehrungen leiden.

Einsamkeit und soziale Isolierung

Der im Hartz-IV-Regelsatz berücksichtigte Anteil für Lebensmittel führe zu deutlich niedrigeren Standards bei der Ernährung, hieß es weiter. Durch mangelnde Teilhabe am gesellschaftlichen Leben seien die Bezieherinnen und Bezieher zudem stärker von Einsamkeit und sozialer Isolierung gefährdet. Auch hier sei das Problem bei Alleinstehenden am größten. So gebe es in mehr als einem Viertel aller Single-Haushalte aus Geldmangel keinen Internetanschluss.

Das Arbeitslosengeld II schütze nicht vor Armut, sondern manifestiere sie, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtsverbandes. "Millionen Menschen sind von der gesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung abgekoppelt, ausgegrenzt und werden immer weiter abgehängt", kritisierte er.

Mit Blick auf das momentane Gesetzgebungsverfahren zur Regelbedarfsermittlung fordert der Paritätische die sofortige Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV und Altergrundsicherung um 100 Euro pro Kopf und Monat, bis die Beiträge Anfang kommenden Jahres neu festgesetzt werden. Zudem brauche es eine Einmalzahlung an alle Grundsicherungsbeziehenden von 200 Euro sowie eine entsprechende Leistungsanpassung beim Bafög und im Asylbewerberleistungsgesetz.

"Nicht verhungern ist nicht genug"

Auch die Diakonie forderte eine Soforthilfe in Höhe von 100 Euro mehr pro Monat für Menschen, die Grundsicherung beziehen. Seit Jahren wachse der Abstand der Hartz-IV-Regelsätze zur Armutsgrenze, sagte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik. "Was für ein menschenwürdiges Leben nötig ist, findet sich im Regelsatz nicht wieder", sagte sie.

Die Ergebnisse der Studie müssten politische Konsequenzen im laufenden Gesetzgebungsverfahren zu den Hartz-IV-Regelsätzen haben, erklärte der VdK Sozialverband. "Nicht verhungern ist nicht genug", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Gerade wenn Kinder keine gesunde Ernährung bekämen, sei das verheerend für die Zukunft.

Jana-Sophie Brüntjen