sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

für viele Familien ist es ein noch immer unerfüllter Traum: das sogenannte 50/50-Modell zu realisieren, bei dem Eltern sowohl Job als auch Sorgearbeit für die Kinder gleichberechtigt unter sich aufteilen. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass der Trend bei Paaren vermehrt in diese Richtung geht. Aber noch immer sind die Hürden hoch. Hanna und Martin Drechsler aus Hamburg haben sie überwunden. Sie führen eine gleichberechtigte Elternschaft, beide arbeiten gleich viel. Wie das funktioniert und welche Erfahrungen das Paar gemacht hat, hat sich Patricia Averesch angesehen.

Sie sorgen sich um ihre Familie, Freunde, Bekannte und auch um ihre eigene Zukunft: junge Flüchtlinge aus Afghanistan. Die Ungewissheit über ihre Angehörigen unter dem Regime der Taliban und über den eigenen, oft unsicheren Asylstatus erschwerten ihre Integration in Deutschland, sagen Expertinnen und Experten. Nicht selten scheitern sie an den Anforderungen in der Schule oder in ihrem Ausbildungsbetrieb.

Es ist ein Wunsch, den viele ältere Menschen äußern: Sie wollen friedlich zu Hause sterben. Doch das gelingt oft nur mittels ambulanter Palliativbetreuung. Worauf es dabei ankommt, hat sich Susanne Schröder angeschaut. Sie hat ein Team des Münchner Hospizdienstes „DaSein e.V.“ begleitet.

Der Deutsche Pflegerat nimmt die künftige Bundesregierung in die Pflicht. „Vier weitere Jahre ohne konsequente Veränderungen für die Pflegenden und Pflegebedürftigen sind keine Option“, schreibt Präsidentin Christine Vogler in ihrem Gastbeitrag für epd sozial. Es brauche dringend Reformen, um das Ziel einer angemessenen Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und eine starke Vertretung der Fachkräfte zu erreichen.

Der Bundesgerichtshof hat ein wichtiges Urteil zur Selbstbestimmung von Demenzpatienten gefällt. Sie und psychisch kranke Menschen dürfen für sich eine bestimmte Person als Betreuer vorschlagen. Weder ist dafür eine Geschäftsfähigkeit noch eine natürliche Einsichtsfähigkeit des Kranken erforderlich, entschieden die Richterinnen und Richter in Karlsruhe.

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Dirk Baas




sozial-Politik

Familie

Als Eltern fair zueinander sein




Familie Drechsler in ihrer Wohnküche in Hamburg
epd-bild/Philipp Reiss
Der Vater arbeitet in Vollzeit, die Mutter in Teilzeit. So sieht der Alltag in den meisten Familien mit Kindern in Deutschland aus. Hanna und Martin Drechsler haben sich gegen dieses Modell und für eine gleichberechtigte Elternschaft entschieden.

Hamburg (epd). Hanna Drechsler war früh klar, dass sie zwar irgendwann Kinder haben, aber nicht Mutter in Vollzeit sein möchte. Der Gedanke, nicht erwerbstätig und „nur noch Mutter“ zu sein, löste bei der heute 36-Jährigen ein ungutes Gefühl aus. „Ich war dazu nicht bereit“, sagt sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Heute hat Drechsler zwei Söhne und teilt sich mit ihrem Mann Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung hälftig - also zu gleichen Anteilen - auf. Das heißt: Sowohl Hanna als auch Martin Drechsler arbeiten in Teilzeit. Arbeitet Hanna, kümmert sich Martin um die Kinder. Arbeitet Martin, kümmert sich Hanna um die Kinder. Die Familie lebt das sogenannte 50/50-Familienmodell, bei dem die Eltern sowohl Job als auch Sorgearbeit gleichberechtigt unter sich aufteilen.

Im Hause Drechsler auf St. Pauli in Hamburg gehören zum Modell feste „Verantwortungszeiten“ für die Kinderbetreuung: Da die Söhne - zwei und fünf Jahre alt - morgens im Kindergarten sind, teilen Hanna und Martin werktags die Nachmittage unter sich auf. Jeder übernimmt zwei Nachmittage, den dritten teilen sie nochmal stundenweise auf. Zusätzlich besprechen sie bei ihrem wöchentlichen „Eltern-Team-Meeting“, welche Arbeiten im Haushalt und für die Kinder anfallen. Allgemein gilt bei ihnen: Martin kümmert sich um die Kita-Organisation und die täglichen Brotdosen der Kinder. Hanna macht die Wäsche der Familie. Was strikt klingt, wirft der Alltag auch mal durcheinander, fügt Hanna hinzu. „Es kommt auch mal vor, dass Martin die Wäsche aufhängt, aber uns ist dann auch klar, dass er eigentlich nicht dafür zuständig ist.“

Die Frau als „Zuverdienerin“

Nur wenige Eltern in Deutschland teilen sich - so wie die Drechslers - Sorge- und Erwerbsarbeit zu gleichen Anteilen auf. In den meisten Familien mit Kleinkindern dominiert das sogenannte „Zuverdiener“-Modell: Der Mann arbeitet in Vollzeit und die Frau in Teilzeit. 2019 waren rund 93 Prozent der erwerbstätigen Väter in Vollzeit tätig, nur knapp sieben Prozent in Teilzeit, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Bei den Müttern war es umgekehrt: Es gingen nur rund 27 Prozent einer Vollzeit-, aber 73 Prozent einer Teilzeit-Beschäftigung nach.

Die Corona-Krise mit Schul- und Kita-Schließungen hat die Lage vermutlich verschärft: In einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung gab gut ein Viertel der Frauen mit Kindern unter 14 Jahren an, ihre Arbeitszeit reduziert zu haben, um die weggebrochene Kinderbetreuung aufzufangen. Bei den Vätern war es nur ein Sechstel.

Es ist nach wie vor meist die Mutter für die unbezahlte Sorgearbeit zuständig, also für Kinderbetreuung und für Arbeiten im Haushalt wie Kochen, Putzen und Wäschewaschen. Dem Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ zufolge wenden Mütter pro Tag im Durchschnitt 83 Prozent mehr Zeit für diese Arbeiten auf als Väter.

Geburt eines Kindes wirft Frau in traditionelle Rolle zurück

Eine gleichberechtigte Elternschaft scheitert nicht immer am fehlenden Willen der Paare. Prinzipiell wünschten sich viele werdende Eltern, Erwerbs- und Sorgearbeit fair unter sich aufzuteilen, sagt Bettina Rainer vom Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“, dem unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Deutsche Frauenrat angehören. Es gelinge allerdings nur wenigen Paaren, diesen Wunsch auch umzusetzen. „Mit der Geburt des ersten Kindes findet vielfach eine deutliche Traditionalisierung der Aufgabenteilung statt, die sich über den Lebensverlauf meist nicht mehr ändert“, sagt Rainer. Obwohl mehr als zwei Drittel der heterosexuellen Paare vor der Geburt des ersten Kindes ein Doppelverdienst-Modell lebten, täten dies nach der Geburt eines Kindes nur noch etwa 15 Prozent.

Auch Ruth Abramowski, die an der Universität Bremen zu Arbeitsteilungs-Arrangements von Paaren forscht, sieht in der Geburt des ersten Kindes eine „Traditionalisierungs-Falle“. Oft sei es ausschließlich die Mutter, die nach der Geburt ihre Arbeitszeit verkürze oder ihren Job aufgebe. Die Gründe dafür seien vielfältig: Sorgearbeit werde noch häufig als eine Aufgabe der Frau angesehen, die Frau habe aufgrund der geschlechtsspezifischen Lohnlücke ein niedrigeres Einkommen und fehlende Kita-Plätze verhinderten, dass beide Eltern erwerbstätig sind, sagt Abramowski.

Es gibt kein perfektes Arbeitsteilungsmodell

In dem 50/50-Familienmodell sieht Abramowski eine gute Lösung. Sie warnt aber davor, dies zu idealisieren: „Es gibt nicht das eine perfekte Arbeitsteilungsmodell.“ Auch sei es nicht für jedes Paar sinnvoll, in jeder Lebensphase nach einer hälftigen Arbeitsteilung zu streben. Viel wichtiger ist es nach ihrer Einschätzung, dass „Chancen und Risiken“ unbezahlter Sorgearbeit im Lebensverlauf gleich zwischen den Elternteilen verteilt sind. Die Übernahme von unbezahlter Sorgearbeit dürfe für die sorgetragende Person langfristig nicht zu Nachteilen oder Einbußen wie etwa bei der Rente führen, mahnt Abramowksi.

Das „Bündnis Sorgearbeit fair teilen“ kritisiert, dass staatliche Strukturen das „Zuverdiener“-Modell förderten, etwa durch das steuerliche Ehegatten-Splitting, die kostenfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung oder durch Minijobs. Das Bündnis fordert die nächste Bundesregierung auf, unter anderem eine Individual-Besteuerung einzuführen und flexiblere Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen.

Hanna Drechsler rät allen Paaren, sich „wirklich frühzeitig und möglichst vor der Schwangerschaft“ mit ihren jeweiligen Vorstellungen des Eltern-Seins auseinanderzusetzen und eine gemeinsame „Vision des Familienlebens“ zu kreieren. „Viele Paare haben eine romantische Vorstellung von Schwangerschaft und Co“, sagt sie. Für ein gleichberechtigtes Familienlieben sei es aber wichtig, „gleich zu Beginn ein paar Weichen zu stellen“.

Patricia Averesch


Familie

Väter arbeiten Vollzeit, wünschen sich aber einen Rollenwandel




Vater mit seiner Tochter
epd-bild/Jürgen Blume
Der Väterreport der Regierung zeigt, wie sich das Rollenbild der Männer wandelt, wie Paare aber auch in der traditionellen Arbeitsaufteilung feststecken. Im Lockdown und Homeoffice haben die Väter aufgeholt, die Mütter aber keineswegs überholt.

Berlin (epd). Beruf und Familie zu vereinbaren ist nicht nur für Mütter schwierig, sondern auch für Väter, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Das geht aus dem Väterreport 2021 hervor, den das Bundesfamilienministerium am 6. Oktober in Berlin veröffentlichte. Der Report zeigt auch Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Inzwischen wünschen sich mehr als die Hälfte der Väter (55 Prozent), dass sich die Paare die Betreuung der Kinder teilen. Nur jeder vierte Vater sagt dem Report zufolge aber, dass er und die Mutter dies auch wirklich tun. Noch anders fällt der Blick auf die tatsächliche Arbeitsteilung in Familien mit Kindern unter zehn Jahren aus, wo weniger als ein Fünftel (17 Prozent) der Eltern etwa zu gleichen Teilen ihre Kinder versorgen, obwohl 45 Prozent es sich wünschen.

Nur 19 Prozent der Paare arbeiten gleich viel

Beim Aufteilen der Berufsarbeit sieht es ähnlich aus. In 66 Prozent der Paarfamilien sind beide Partner berufstätig, aber nur 19 Prozent der Elternpaare arbeiten jeweils gleich viele Wochenstunden in ihrem Job. Mehr als zwei Drittel der Mütter arbeiten in Teilzeit, aber nur sieben Prozent der Väter. 92 Prozent der Väter haben eine Vollzeitstelle. Dem Report zufolge würde gut die Hälfte ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. Demgegenüber würden 42 Prozent der Mütter ihre Berufstätigkeit gern ausweiten oder wieder aufnehmen.

Kurzarbeit und Homeoffice haben in der Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass der Anteil der väterlichen Familienarbeit von durchschnittlich 2,8 auf 5,3 Stunden gestiegen ist. Gleichwohl hatten die Mütter auch in der Ausnahmesituation deutlich mehr zu schultern: Sie betreuten die Kinder nun im Durchschnitt fast zehn Stunden statt der vorherigen durchschnittlich sieben Stunden.

Ministerin sieht „täglichen Spagat“

Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, Corona habe trotz aller Belastungen gezeigt, dass eine andere Aufgabenaufteilung möglich sei. Daran könnten Familien und die gesamte Gesellschaft anknüpfen. Die meisten Eltern wünschten sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Familie und Beruf und mehr Zeit für ihre Kinder. Dies zu erreichen sei „ein täglicher Spagat“, erklärte die Familienministerin.

Der Väterreport 2021 beruht hauptsächlich auf repräsentativen Befragungsergebnissen des Instituts für Demoskopie Allensbach, darunter auch aktuelle Erkenntnisse zu „Elternzeit, Elterngeld und Partnerschaftlichkeit“. Die meisten Väter, die Elternzeit und Elterngeld in Anspruch nehmen, wollen möglichst viel Zeit mit dem Kind verbringen (65 Prozent). Knapp die Hälfte sieht diese Erfahrung hinterher als Gewinn für die partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungsarbeit und für ihre Beziehung zu den eigenen Kindern.

Bettina Markmeyer


Prostitution

Parlamentskreis will weiter für Sexkaufverbot werben




Bordell in Frankfurt am Main
epd-bild/Heike Lyding
Seit Jahren treiben sie die Missstände in der Prostitution um: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier will sich weiter für ein Sexkaufverbot in Deutschland einsetzen. Dass sie bisher nur wenig Unterstützung findet, ficht sie nicht an.

Berlin (epd). Rund 20 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus allen Fraktionen hatten die SPD-Abgeordnete Leni Breymaier und der CDU-Abgeordnete Frank Heinrich im letzten Bundestag um sich geschart. Sie wollen die Gesetzgebung für Prostitution verändern und machen sich für ein Sexkaufverbot stark. Dass sie bisher kaum Unterstützung haben, ficht sie nicht an. Im neu gewählten Parlament werde der Arbeitskreis „Pornografie und Prostitution“ heißen und weitermachen, sagt Breymaier. Heinrich ist nicht mehr dabei, er wurde in seinem Wahlkreis in Chemnitz nicht wiedergewählt.

Prostitution als Dienstleistung

Die SPD-Politikerin Breymaier hält die Anerkennung der Prostitution als Dienstleistung für falsch. Sie wurde von der damaligen rot-grünen Regierung vor 20 Jahren beschlossen. „Das Problem ist, dass an der Prostitution alle verdienen, nur nicht die Frauen“, sagt sie. Diese aber machten eine Arbeit, die Menschen so kaputtmache wie keine andere, ist die frühere Vize-Vorsitzende des DGB Baden-Württemberg überzeugt. Sie beschäftigt sich seit 15 Jahren mit dem Thema und hat in Stuttgart den Verein „Sisters e.V.“ mitgegründet, der sich für den Ausstieg aus der Prostitution einsetzt.

Für die 61-jährige Politikerin ist Prostitution ein Menschenrechtsthema: „Es geht darum, dass die Frauen als Ware behandelt werden, dass sie gedemütigt werden, dass ihnen Gewalt angetan wird - und dass diese Gesellschaft das weiß und zuschaut“, sagt Breymaier: „Die freie, selbstbestimmte Sexarbeiterin ist ein Mythos.“

Für die Verbände der Prostitutionsbranche sind Breymaiers Aktivitäten eine Provokation. Als sie im vorigen Jahr staatliche Corona-Hilfen für Bordelle als Unterstützung für Kriminelle bezeichnete, die in ihren Betrieben Frauen zur Prostitution zwängen, zeigten Bordellbesitzer sie wegen Verleumdung an. Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte die Verfahren ein.

Frauen der CDU „perspektivisch“ für Sexkaufverbot

Breymaier weiß um ihr „Nervpotenzial“, wie sie selbst sagt, auch in der eigenen Partei, die derzeit ein Sexkaufverbot ablehnt, wie auch alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Danach machen sich Freier und Bordellbetreiber strafbar, Prostituierte hingegen nicht. Schweden hat eine solche Gesetzgebung 1999 eingeführt, daher die Bezeichnung „Nordisches Modell“; sieben weitere Länder sind gefolgt.

Am hörbarsten rumort es bei dem Thema in der Union. Die Frauen Union der CDU ist „perspektivisch“ für ein Sexkaufverbot. Die Bundestagsfraktion präsentierte im März dieses Jahres einen Katalog für restriktivere Regelungen. Die meisten Vorschläge waren mit der SPD nicht umzusetzen, bedauerte die bisherige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU). Die Saarländerin wurde nicht wiedergewählt, damit verliert die Fraktion auch eine Expertin für das Thema Prostitution.

Eine Ampel-Koalition wird eher nicht auf neue Restriktionen setzen. SPD, FDP und Grüne wollen zwar Gewalt, Zwang und Menschenhandel schärfer verfolgen, nicht aber die Prostitution im Ganzen kriminalisieren. Vielmehr wollen sie die Rechte der Prostituierten stärken. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, sagt, eine Debatte über ein Sexkaufverbot werde wohl auch in der neuen Legislaturperiode nicht geführt werden.

„Da bricht etwas auf“

Die FDP-Frauenpolitikerin Nicole Bauer bilanziert, die bisherigen Gesetze hätten nicht „den erhofften Erfolg gebracht“. Es brauche aber kein Sexkaufverbot, sondern Prävention und die Sanktion strafbarer Handlungen wie Menschenhandel. Die AfD-Familienpolitikerin Mariana Harder-Kühnel spricht sich dagegen aus, „freiwillige Prostitution zu kriminalisieren“. Die Linken wollen die soziale Absicherung der Sexarbeiterinnen verbessern und an der Anerkennung von Prostitution als Beruf festhalten, sagt die Frauenpolitikerin Cornelia Möhring. Sie bescheinigt den Befürwortern eines Sexkaufverbots zwar „laut und wahrnehmbar“ zu sein, bezweifelt aber, „dass es mittlerweile mehr Zustimmung zum nordischen Modell gibt“.

Leni Breymaier glaubt gleichwohl, dass seit der Liberalisierung Anfang der 2000er Jahre einiges in Bewegung gekommen ist. Man könne nicht ignorieren, „was in der Prostitution tatsächlich läuft“, sagt sie: „Da bricht etwas auf“.

Bettina Markmeyer


Prostitution

Hintergrund

Das skandinavische Sexkaufverbot und Prostitution in Deutschland



Berlin (epd). Schweden hat 1999 als erstes Land das später so bezeichnete „Nordische Modell“ eingeführt, um die Prostitution und die mit ihr verbundene Ausbeutung und Gewalt einzudämmen. Bis 2018 folgten sieben weitere Länder, darunter Norwegen, Frankreich, Kanada und Israel.

Kern des „Nordischen Modells“ ist ein Sexkaufverbot, also Strafen für Freier sowie Bordellbetreiber, Zimmervermieter oder Vermittler von sexuellen Dienstleistungen. Prostituierte machen sich hingegen nicht strafbar. Flankiert wird das Sexkaufverbot von Hilfen für den Ausstieg aus der Prostitution und Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung.

Umstrittene Wirkung

Die Wirkung des „Nordischen Modells“ wird von Befürwortern und Gegnern gegensätzlich eingeschätzt. Regierungsberichten zufolge ist die Prostitution in Schweden und Norwegen zurückgegangen, auch infolge einer nachlassenden Nachfrage. Nichtregierungsorganisationen, Polizei, Prostituierten- und Ärzteverbände aus Ländern mit einem Sexkaufverbot beobachten hingegen eine Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen weiterhin tätiger Prostituierter.

In Deutschland lehnen nahezu alle Sozial- und Fachverbände das „Nordische Modell“ ab, darunter die Spitzen des Caritasverbandes und der Diakonie, die Aids-Hilfe und der Juristinnenbund. Das Deutsche Institut für Menschenrechte bilanziert, der Menschenhandel verringere sich nicht. Für ein Sexkaufverbot sind Frauenrechtsorganisationen und die Hilfsorganisation Solwodi (Solidarität mit Frauen in Not) sowie prominente Aussteigerinnen. Die Frauen Union der CDU fordert „perspektivisch ein Sexkaufverbot“.

In Deutschland ist Prostitution seit 2002 eine Dienstleistung. Das Prostitutionsgesetz der damaligen rot-grünen Bundesregierung regelt, dass Prostituierte ihren Lohn einklagen, sich gesetzlich krankenversichern und in die Arbeitslosen- und Rentenversicherung einzahlen können. Die Liberalisierung begünstigte aber auch ausbeuterische Geschäftspraktiken und führte zu einem Boom, der Deutschland den Ruf als „Bordell Europas“ eintrug. Union und SPD einigten sich 2014 in der damaligen großen Koalition auf mehr Reglementierungen für Bordelle, Verbote bestimmter Praktiken, eine Kondompflicht sowie eine Anmeldepflicht für Prostituierte.

Strafen für Freier verschärft

Das Prostituiertenschutzgesetz trat gegen die Kritik der Branche und der Opposition 2017 in Kraft. Sozialverbände kritisierten, das Ziel, Prostituierte besser vor Zwang und Gewalt zu schützen, werde so nicht erreicht. In der zurückliegenden Legislaturperiode wurden die Strafen für Freier verschärft, die eindeutige Hinweise auf Zwangsprostitution nicht weitergeben. Die Mittel für Beratung und Ausstiegshilfen wurden erhöht.

Die Union will im nächsten Schritt Prostitution für unter 21-Jährige und Schwangere verbieten, was auch in der SPD auf Zustimmung stößt. Grüne und Linke wollen die Rechte der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter stärken und, ebenso wie die FDP, eine effektivere Verfolgung von Zwang und Gewalt. Ein Sexkaufverbot lehnen alle im Bundestag vertretenen Parteien derzeit ab. Prostituierte würden damit wieder in die Illegalität gedrängt, lautet das zentrale Argument.

Die Bundesfamilienministerium hat nach eigenen Angaben „keine belastbaren Daten“ zu den Umsätzen in der Branche und den in Deutschland tatsächlich tätigen Prostituierten. Schätzungen kommen auf 200.000 oder mehr Personen. Ende 2020 waren dem Statistischen Bundesamt zufolge rund 24.900 Prostituierte offiziell angemeldet, 38 Prozent weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019, in dem 40.400 Menschen als Prostituierte registriert waren. Unter den gemeldeten Prostituierten sind vier Fünftel Ausländerinnen. 2020 ermittelte die Polizei 406 Opfer von Menschenhandel, zu 95 Prozent Frauen. Knapp 20 Prozent waren laut Bundeskriminalamt als Prostituierte angemeldet, zwei Drittel waren es nicht.

Bettina Markmeyer


Flüchtlinge

Ungewissheit erschwert Integration junger Afghanen




Demonstration für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan
epd-bild/Rolf Zöllner
Die aktuelle Lage in Afghanistan lastet schwer auf den Schultern unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter, die bereits in Deutschland leben. Die Ungewissheit über ihre Familie und den eigenen Asylstatus erschweren die Integration der Jugendlichen.

Berlin, Frankfurt a.M. (epd). Sie sorgen sich - um ihre Familie, Freunde, Bekannte und auch um ihre eigene Zukunft. „Auf jungen afghanischen Geflüchteten liegt mit Blick auf die jüngsten Ereignisse eine echte Doppelbelastung“, sagte Helen Sundermeyer vom Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ihre Heimat, in der die Taliban Mitte August die Herrschaft übernommen haben, befinde sich im Ausnahmezustand. Das hinterlasse tiefe Spuren.

Viele Menschen fürchteten dort um ihr Leben, versuchten zu fliehen. Unter ihnen seien auch Angehörige von bereits in Deutschland lebenden Minderjährigen - der Kontakt nach Afghanistan gestalte sich jedoch oft schwierig, erzählt Sundermeyer. Ein Gefühl der Hilflosigkeit entstehe.

Anforderungen der Schule

„Oft versuchen die Jugendlichen Tag und Nacht auf dem neuesten Stand zur Lage in Afghanistan zu bleiben - beispielsweise schauen sie oft You-Tube-Videos, um etwas zu erfahren“, berichtet Sundermeyer aus ihrem Alltag mit jungen Geflüchteten. „Dieser Zustand der Ungewissheit ist momentan für viele schwer auszuhalten.“ Das habe auch Auswirkungen auf ihre Integration. Die Jugendlichen können Sundermeyer zufolge nur schwer den Anforderungen etwa der Schule oder des Ausbildungsbetriebes gerecht werden.

„Stress mit der Schule, Stress mit dem Arbeitsamt, Stress mit der Familie - das ist echt schwer“, beschreibt Mohammed Jouni die Lage der Betroffenen. Er selbst kam als Minderjähriger aus dem Libanon nach Deutschland, ist heute Sozialarbeiter am Berliner Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten (BBZ).

Um auf ihre Lage aufmerksam zu machen, versammelten sich rund 80 afghanische Familien zwischen dem 20. und 24. September über eine Protestaktion vor dem Auswärtigen Amt in Berlin. Auch Jouni und weitere Kolleginnen und Kollegen waren vor Ort, um Hilfesuchende zu beraten. „Seit Wochen kommen hier immer wieder Menschen unter Tränen her, klammern sich an jeden Strohhalm der Hoffnung“, beschreibt der Sozialarbeiter die Situation. Täglich habe Jouni dort mit Menschen gesprochen, „die oft selbst nicht so richtig wissen, was sie hier wollen“.

Warten auf einen neuen Lagebericht

Unter den Afghaninnen und Afghanen vor dem Auswärtigen Amt waren Jouni zufolge auch minderjährige unbegleitete Geflüchtete. „Sie sprechen die deutsche Sprache oft besser als andere, schon etwas ältere Geflüchtete. Also helfen sie beim Verfassen von Briefen oder Anträgen“, berichtete er. Auch das Warten auf einen neuen Lagebericht für Afghanistan des Auswärtigen Amtes erschwere ihre momentane Situation. Entscheidungen in Asylverfahren ließen derzeit auf sich warten, die Jugendlichen versetze das in eine „schwierige Warteposition“, sagt Sundermeyer. „Sie wollen ja irgendwann mal hier ankommen, das geht aber nicht, wenn man nicht weiß, ob man überhaupt bleiben darf.“

Junge Geflüchtete aus Afghanistan brauchen Sundermeyer und Jouni zufolge besondere Betreuung - dem stimmt auch die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Bettina Stein vom Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil (FATRA) zu. Jedoch sei die Situation der Ungewissheit nicht unbedingt neu für die Jugendlichen. „Die Betroffenen schweben während der Dauer ihres Asylverfahrens oft jahrelang in einem Zustand, in dem immer wieder neue Probleme auftauchen“, sagt Stein. Jede schlechte Nachricht führe sinnbildlich dazu, dass Wunden wieder aufgerissen werden. „Das macht eine Heilung nur schwer möglich“, erklärt Stein.

Ende 2020 lebten nach Angaben des Mediendienstes Integration rund 8.800 unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Deutschland. Von allen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die seit 2015 in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, kamen nach Angaben des BumF ein Drittel aus Afghanistan.

Inga Jahn


Wohnen

Corona hat Interesse an Tiny Houses verstärkt




Rohbau eines Tiny Houses in Bad Wildungen
epd-bild/Heike Lyding
Auf wenigen Quadratmetern schlafen, essen oder arbeiten: Immer mehr Menschen in Deutschland interessieren sich für Tiny Houses. Die Suche nach einem Grundstück ist dabei schwieriger als das Abwerfen von unnötigem Ballast.

Speyer (epd). Wolfgang Barthel löst einen Riegel an der Wand über dem Esstisch. Scheinbar aus dem Nichts klappt ein Bett hervor, die Tischplatte verschwindet unter der Matratze. „Ein italienisches Patent“, sagt der Architekt. Die Idee ist platzsparend. Schließlich hat das Tiny House nur 20 Quadratmeter auf zwei Ebenen. Und das barrierefreie Bad und die Küchenzeile brauchen auch Platz. Zwei solcher Häuser haben Barthel und seine Frau Annette, ebenfalls Architektin, im rheinland-pfälzischen Dorf Altleiningen konzipiert und bauen lassen, um sie an Geschäftsreisende oder Touristen zu vermieten.

Tiny Houses - auf nur wenigen Quadratmetern leben und eine gewisse Mobilität behalten: Seit einigen Jahren ist der Trend in Deutschland angekommen. Rund 500 Häuser kommen pro Jahr dazu. „Corona hat den Trend noch einmal verstärkt“, sagt Regina Schleyer, Architektin und Vorsitzende des deutschen Tiny House Verbands: „Homeoffice hat die Menschen über andere Wohnformen und Wohnorte nachdenken lassen.“

Es fehlt an Grundstücken

2018 organisierte der Verband eine erste Messe für Hersteller und Interessenten in Karlsruhe: „Mit fünf, sechs Häusern als Teil einer Designmesse.“ 2019 waren es schon dreimal so viele Häuser, 2022 soll ein erstes Tiny-House-Festival stattfinden. Der Verband will Berater, Dienstleister, Architekten, Versicherer, Banken und Tiny-House-Vereine vernetzen.

Wobei mangelnde Nachfrage nach den Häusern nicht das große Problem ist. Ob in Bielefeld, im bayerischen Zwiesel, in Bremen oder im hessischen Trebur: Überall träumen Einzelpersonen oder gleich ganze Vereine offenbar vom großen Tiny-House-Glück. Nur fehlen oft geeignete Grundstücke. Dass der Begriff rechtlich nicht klar definiert ist, macht es nicht einfacher.

Baurecht und die Dauernutzung von Grundstücken sind in Internetforen häufige Themen. Denn ein Tiny House, das dauerhaft bewohnt wird, braucht fast immer eine Baugenehmigung. „Wir sind an einer Legaldefinition des Begriffs für eine Baurechtsänderung bei mobilen Wohnformen dran“, sagt Schleyer. Sie freut sich über jede Kommune, die Grundstücke für Tiny Houses anbiete, zuletzt Offenbach an der Queich und Unterammergau. Doch noch seien es zu wenige.

Das spürt auch Madeleine Krenzlin. Mit ihrem Unternehmen IndiViva berät sie seit vier Jahren Interessenten und Hersteller in ganz Deutschland. Für Kommunen bietet sie eine Sprechstunde an. Schließlich sei das Thema Grundstück bei der Beratung der künftigen Bewohner ein Knackpunkt.

„Viele haben anfangs unrealistische Vorstellungen“, sagt Krenzlin. Nicht wenige träumten von einem Ort am Waldrand oder in den Weinreben, fernab der Zivilisation. Fotogeshoppte Bilder auf Instagram tun ihr Übriges. „Das entspricht nicht der Realität“, sagt Krenzlin. Standorte bräuchten immer eine Anbindung, allein wegen der Versorgungsleitungen. „In den Gesprächen muss ich da manchmal den Buhmann spielen.“ Die Frage sei außerdem: „Wollen wir denn eine total zersiedelte Welt?“

Gelebte Nachbarschaft

Ballast abwerfen, kostengünstiger wohnen, mit diesen Wünschen kommen die meisten. Oft sind es Menschen im dritten Lebensabschnitt. Etliche alleinstehende oder wieder alleinstehende Frauen sind darunter, die den finanziellen Einbruch mit Beginn der Rente abfedern möchten. Viele begleitet Krenzlin in der Loslösung von einer klassischen Wohnung. „Das geht teilweise über Jahre.“

Auch Krenzlin hat diesen Prozess hinter sich. Nach dem plötzlichen Tod ihres Bruders vor einigen Jahren stellte die Diplom-Kulturwirtin vieles infrage. Am Ende stand der Wunsch, „Zeit zu haben mit den Menschen, die mir wichtig sind“. Außerdem erinnerte sie sich an ihren Kindheitstraum, Architektin zu werden. Krenzlin kündigte ihren Job im Solarbereich, zog in den Ort ihrer Kindheit zurück. Unter anderem mit ihrem Vater baute sie dort ein Tiny House. Erstes Wissen hatte sie sich in einem Workshop in den USA angeeignet.

In einem kleinen Haus zu wohnen, bedeutet für sie nicht Rückzug von den Menschen, im Gegenteil. Ihr Haus hat sie so konzipiert, dass offene Küche und Esstisch zum gemeinsamen Kochen und Essen mit Freunden einladen. Überhaupt, sagt Krenzlin, brächten sich Tiny-House-Bewohner gerne ein in Vereine, in die Gesellschaft. „Sie brauchen ja Räume, um sich zu entfalten“, ist ihre Theorie. Größere Projekte wie das Ecovillage Hannover mischten so auch Tiny Houses, Wohngemeinschaften und Wohnungen. Immer geht es dabei um gelebte Nachbarschaft und Umweltbewusstsein.

Der reduzierte Platz führe auch zu einem überlegteren Konsum, sagt Krenzlin. Kürzlich entschied sie sich wegen eines Fernsehauftritts für eine neue schwarze Jeans: „Jetzt finde ich in den drei Regalfächern dafür keinen Platz.“ Auch das warme Duschen ist limitiert: „Die Therme hat nur Warmwasser für vier Minuten.“

Umfang des Hauses: 9,50 Meter mal 2,55 Meter

Geringere Verbrauchskosten machen sich auch bei anderen Tiny-House-Bewohnern bemerkbar. „Ich zahle nur noch halb so viel wie vorher“, sagt Michele Paldino. 9,50 Meter mal 2,55 Meter misst sein Tiny House mit Tonnendach auf dem Naturcampingplatz Albtal im Schwarzwald. Rund 36.000 Euro hat der 53-Jährige dafür bezahlt. Vieles allerdings, wie Bodenverlegen und Steckdoseninstallieren, erledigte er selbst. Er hat einen separaten Gefrierschrank und eine Waschmaschine, Internet und Fernsehen sowieso.

„Viele sind erstaunt, wenn sie das sehen“, sagt Paldino. Manch einer habe vielleicht noch Klischees von Wagenburgbewohnern im Kopf, mutmaßt er. Das Aussortieren vor dem Auszug aus einer 75-Quadratmeter-Wohnung habe aber auch wehgetan, gibt der Hobbymusiker zu. Viele Geräte seines Home-Recording-Studios hat er verkauft, einige bei einem Freund eingelagert. In seinem Tiny House singt und produziert er weiter: mit Mikrofon, einem kleinen Digitalpiano und einem Laptop. Bei den Kleidern tat er sich leichter. Sechs gelbe Säcke voll gingen an die Kleidersammlung.

Zwei Jahre lang hatte er zuvor nach einem Platz gesucht, Campingplätze dabei lange ausgeklammert. Jetzt ist er froh, dass er auf den Tiny-House-Verein Karlsruhe und sein Projekt bei Waldbronn gestoßen ist. Zehn Gleichgesinnte leben dort, mit zehn unterschiedlichen Häusern.

Lösung für spezielle Situationen

Dass Tiny Houses nicht die Lösung der Wohnungsnot sind, weiß Paldino - genauso wie Beraterin Krenzlin, Verbandsvorsitzende Schleyer oder das Architektenehepaar Barthel. Genauso differenziert muss man das Thema Nachhaltigkeit betrachten. „Ein Tiny House ist nicht per se gut“, sagt Krenzlin. „Wenn ich ein super gedämmtes Haus erbe, ist das ökologischer als der Bau eines neuen Tiny Houses.“

Dazu kommt, dass es viel Haustechnik für letztlich wenig Platz benötige, berichtet Architekt Barthel. Er sieht die Wohnform als Nische, Lösung für spezielle Situationen. Etwa für ein Paar, das seine Ehe rettet, indem es nahe beieinander lebt und dennoch getrennt wohnt. Oder für Kinder, die sich um die Eltern kümmern möchten, aber nicht unter einem Dach leben können oder möchten - das zumindest seien die Motive seiner aktuellen Tiny-House-Auftraggeber.

Florian Riesterer


Gesundheit

Hirnforscher Spitzer: Einsamkeit kann tödlich sein



Ulm (epd). Einsamkeit kann nach Aussage des Hirnforschers Manfred Spitzer tödlich enden. Einsamkeit sei etwas anderes als soziale Isolation, sagte der Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm dem Evangelischen Pressedienst (epd) zum Internationalen Tag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober. Man könne sich mitten in einer Menschenmenge einsam fühlen. Wenn dieses Gefühl der Einsamkeit als „dauerhafter Stress“ erlebt werde, entwickle sich die Einsamkeit zu einer Gefahr für die Gesundheit. Chronischer Stress wiederum sei Ursache zahlreicher körperlicher wie seelischer Krankheiten.

Ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall oder eine Depression könnten ihre Ursache in Einsamkeit haben, erklärte der Buchautor. Eine Studie aus dem Jahr 2009 habe sogar nachgewiesen, dass Einsamkeit ansteckend sei. Wer einen Freund habe, der einsam sei, laufe Gefahr, selbst zu vereinsamen. Räumliche Nähe begünstige diesen Prozess.

Besonders oft sind junge Frauen betroffen

Mit zunehmender Vereinzelung in der Gesellschaft nehme auch die Einsamkeit zu, fügte Spitzer hinzu. Immer mehr Menschen seien davon betroffen, gleich welchen Alters oder Geschlechts. Am häufigsten seien jedoch junge Frauen betroffen. Auch Kinder könnten unter Einsamkeit leiden, ebenso Ehepartner.

Die Lockdowns während der Corona-Pandemie hätten das subjektiv erlebte Einsamkeitsgefühl vielfach noch verstärkt, da sie als eine Art „verordnete Einsamkeit“ wahrgenommen worden seien, erklärte der Hirnforscher. Gemeint gewesen sei jedoch lediglich die Wahrung von körperlichem Abstand. Hilfreich gegen Einsamkeit sind nach den Worten Spitzers Telefonate, Chats oder reale Begegnungen. Telefonieren koste weniger Energie als zu chatten.

Susanne Lohse


Niedersachsen

Angebote der häuslichen Pflege werden ausgeweitet



Hannover (epd). Das Land Niedersachsen will die Möglichkeiten unterstützender Leistungen in der häuslichen Pflege sowohl für Angehörige als auch für Pflegebedürftige selbst ausweiten und verbessern. Die Landesregierung gab am 5. Oktober den Entwurf einer neuen Verordnung für die Verbandsbeteiligung frei.

Danach könnten ab 2022 in Niedersachsen neben juristischen Personen und Personengesellschaften auch gewerblich tätige Einzelpersonen sowie ehrenamtliche Nachbarschaftshelferinnen und Nachbarschaftshelfer als sogenannte „unterstützende Personen“ anerkannt und gegen Entgelt im hauswirtschaftlichen Umfeld tätig werden. „Im Alltag der häuslichen Pflege gibt es viel mehr zu tun als die reine Pflegeleistung selbst“, sagte Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens (SPD). Pflegebedürftige müssten betreut und beaufsichtigt, ihre Tage gestaltet werden.

2.000 bis 5.000 neue Anbieter erwartet

Pflegende Angehörige benötigten oft eine helfende Hand im Haushalt, sei es beim Einkaufen oder Wäsche waschen, sagte Behrens weiter. Hierfür brauche es vor allem Menschen mit Zeit und Empathie. Das könnten neben Anbietern in der ambulanten Pflege auch Nachbarn oder Personen sein, die als Einzelunternehmer selbstständig sind. Zu rechnen sei mit einer Zahl von 2.000 bis 5.000 zusätzlichen Anbietern, hieß es.

Die Pflegekassen sollen für haushaltsnahe Dienstleistungen den sogenannten Entlastungbetrag von bis zu 125 Euro monatlich erstatten. Voraussetzung ist, dass die Leistungen von nach Landesrecht anerkannten Angeboten erbracht wurden.

Derzeit gibt es in Niedersachsen dem Kabinett zufolge rund 740 anerkannte Angebotsträger mit hochgerechnet 20.000 eingesetzten Kräften. Dennoch stünden aktuell nicht an jedem Ort und nicht für alle Pflegebedürftigen Anbieterinnen oder Anbieter in ausreichender Zahl zur Verfügung. Im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen wurde deshalb vereinbart, die Anerkennungskriterien zu aktualisieren.



Auszeichnung

Arbeitgeber können sich um Inklusionspreis "JobErfolg" bewerben



München (epd). Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Bayern können sich wieder um den Inklusionspreis „JobErfolg“ bewerben. „Potenziale und Talente von Menschen mit Behinderung werden von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern immer noch zu wenig erkannt und genutzt“, betonte Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) am 1. Oktober. Die Bewerbungsfrist endet am 16. Dezember.

Mit dem Preis wolle man daher gezielt die Aufmerksamkeit auf die Fähigkeiten der Menschen mit Behinderung lenken. Außerdem werde durch den Preis das bereits vorhandene Engagement von Arbeitgebern in Sachen Inklusion sichtbarer. „Inklusion lebt von der Strahlkraft gelingender Praxis und trägt somit für ein gutes Miteinander unserer Gesellschaft bei“, sagte Trautner.

Der Bayerische Behindertenbeauftragte und das Sozialministerium verleihen die Auszeichnung seit 2005. Ausgezeichnet werden Arbeitgeber, die Inklusion herausragend und beispielhaft vorleben. Die Preise werden am 13. Juli 2022 verliehen, erstmals dann auch ein Innovationspreis. Die weiteren Kategorien sind „Öffentlicher Dienst“, „Privatwirtschaft“ und ein Ehrenpreis.




sozial-Branche

Gesundheit

Palliativmedizin mit Rucksack und Handventilator




Ärztin Martina Rössler (li.) und Palliative-Care-Fachkraft Carina Hutterer vom Team der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) des Hospizdiensts "DaSein e.V."
epd-bild/Susanne Schröder
Friedlich zu Hause sterben: Das wünschen sich viele Menschen. Das Angebot der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung macht das möglich. Ein Tag mit einem Palliativteam des Münchner Hospizdiensts "DaSein e.V.".

München (epd). Hubert M. liegt mit halbgeschlossenen Augen auf der Couch. Trotz der Sauerstoffschläuche in seiner Nase atmet er schwer. Ein Teller mit Wurstbroten auf dem niedrigen Tisch ist unberührt. Der 85-Jährige, der Lungenkrebs mit Metastasen in Leber und Milz hat, ist am Vortag von der Palliativstation nach Hause entlassen worden. „Da ging's ihm gut“, sagt sein Schwiegersohn Stefan L. und schüttelt ratlos den Kopf. Jetzt sei dem Schwiegervater ständig übel, er bekomme schlecht Luft und schlafe dauernd. Martina Rössler und Carina Hutterer vom Team der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) des Hospizdiensts „DaSein e.V.“ hören zu. Sie sind da, um Hubert M. zu Hause so zu begleiten, dass das Leiden vor seinem Tod gering und die Lebensqualität möglichst groß ist.

361 SAPV-Teams gibt es nach Angaben des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands (DHPV) deutschlandweit, für rund 126.000 Patienten haben die Krankenkassen im Jahr 2019 den Einsatz der SAPV bewilligt. Im Vergleich dazu begleiten die bundesweit rund 250 stationären Hospize etwa 33.500 Menschen pro Jahr. Allgemein steige die Nachfrage nach Angeboten der Hospizarbeit, sagt der stellvertretende DHPV-Vorsitzende Paul Herrlein. Außerhalb der Ballungsräume gebe es sowohl „bei SAPV und stationären Hospizen noch Lücken“. Der Welthospiztag am 9. Oktober macht jedes Jahr auf die Belange der Hospizarbeit aufmerksam.

Erstbesuch dauert anderthalb Stunden

Im Wohnzimmer von Hubert M. machen sich Rössler und Hutterer routiniert an die Arbeit. Alles, was die beiden dafür brauchen, passt in Rösslers schwarzen Arztrucksack und in die Notfalltasche der Palliative-Care-Fachkraft Hutterer: Ein Stethoskop, ein kleines Ultraschallgerät, ein paar Medikamente, ein Notizblock - und ein batteriebetriebener rosa Handventilator. Wovon sie am meisten mitbringen, ist Erfahrung und Zeit: Rund 90 Minuten investieren sie in einen Erstbesuch wie bei Hubert M. „Wir nehmen uns diese Zeit, weil wir Vertrauen aufbauen wollen und dadurch später auch Zeit und Komplikationen sparen“, sagt Rössler, die seit zwei Jahren Leitende Ärztin des SAPV-Teams von „DaSein“ ist.

Aufgabe der SAPV ist es, neben der medizinischen Versorgung alle Hilfen zu organisieren, die die Patienten in ihrer Situation benötigen: Vom Pflegedienst über Hilfsmittel bis zur Kooperation mit Hausärzten, Apotheken, Physiotherapeuten oder Seelsorgern. Jedes Mitglied der SAPV ist multiprofessionell ausgebildet. Wie wichtig neben dem medizinischen und pflegerischen Know-how die psychosoziale Kompetenz ist, betont DHPV-Funktionär Herrlein: „Es geht ja darum, dass die Menschen trotz der hohen Symptomlast, die bei Weitem nicht nur körperlich ist, zu Hause bis zuletzt leben können.“

Aufklärung Schritt für Schritt

Weil Hubert M. nach einer Spritze gegen Übelkeit bald friedlich auf dem Sofa schnarcht, ist Stefan L. derjenige, dem die Aufmerksamkeit der Palliativexpertinnen gehört. Ist es in Ordnung, dass der Schwiegervater so viel schläft? Kann man Schmerztropfen auch portionsweise abfüllen? Was hilft gegen die Atemnot und die Übelkeit? Wie geht es jetzt weiter? Der Mittfünfziger hat mindestens so viele Fragen, wie Arztbriefe, Krankenkassenschreiben und Beipackzettel vor ihm liegen.

Schritt für Schritt sortieren Rössler und Hutterer die Anliegen und räumen dabei kräftig auf: Statt der störenden Sauerstoffschläuche bekommt M. künftig ein Medikament, das ihn leichter atmen lässt - und der Schwiegersohn den rosa Handventilator. „Wenn der Patient einen Luftzug im Gesicht spürt, ist das Gehirn oft schon beruhigt - und die Atemnot, die viel mit Angst zu tun hat, lässt nach“, erklärt die Ärztin. Palliativmedizin hat nicht nur mit schmerzstillenden Opiaten zu tun, sondern viel mit Tricks wie Duftöl, Sprayfläschchen gegen Mundtrockenheit oder eben der Luftmaschine im Taschenformat.

Konkreter Fahrplan für die nächsten Tage

Aus der Arzneikiste sortiert Rössler ein Drittel der Schachteln aus: Sekretlöser hilft nicht bei Lungenkrebs, und ein Magensäureblocker führt zu Unwohlsein, wenn es gar kein Magenproblem gibt. Stattdessen kommt ein Notfallmedikament für akute Atemnot in die Box. Als das SAPV-Duo nach eineinhalb Stunden die Wohnung verlässt, weiß es viel über die Nöte, Sorgen und Geschichte der Familie - und der pflegende Schwiegersohn hat einen konkreten Fahrplan für die nächsten Tage an der Hand und eine 24-Stunden-Notfallnummer.

Das SAPV-Team von „DaSein e.V.“ ist das kleinste der fünf Münchner Teams. Zu zehnt betreut es derzeit 30 Patienten, die an einer unheilbaren, weit fortgeschrittenen Krankheit leiden. Meist ist das Krebs, aber auch Patienten mit der Nervenkrankheit ALS, Herzerkrankungen oder Demenz im Endstadium sind dabei.

Dass all ihre Patienten in ihrer Obhut sterben, gehört für Rössler und Hutterer dazu. Sie nehme Alltagsdinge oft anders wahr, sagt Hutterer, die schon ihre ganze Berufslaufbahn im Palliativbereich verbracht hat. „Ich lebe bewusster und über manche Kleinigkeiten rege ich mich nicht mehr auf“, sagt die 31-Jährige gelassen. Rössler sagt, ihre Angst vor dem Sterben sei durch die Arbeit kleiner geworden.

Susanne Schröder


Gesundheit

Ärztin: "Das Sterben kann ein friedlicher Prozess sein"



München (epd). Viel Zeit und maßgeschneiderte Hilfe für die Patienten: Das schätzt die Palliativmedizinerin Martina Rössler an ihrer Arbeit in der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV). „In der SAPV schauen wir den ganzen Menschen mit all seinen Problemen an, sei es medizinisch, seelisch oder familiär“, sagt die 50-jährige, die seit zwei Jahren Leitende Ärztin im SAPV-Team des Münchner Hospizdiensts „DaSein e.V.“ ist.

Das zehnköpfige Team betreut sterbenskranke Menschen mit starken Symptomen wie Schmerzen oder Übelkeit zu Hause. Die bundesweit 361 SAPV-Teams sind neben den rund 250 stationären Hospizen sowie dem Ambulanten Hospizdienst ein Teilbereich der Hospiz- und Palliativbewegung, die am 9. Oktober den Welthospiztag begeht.

Im Vordergrund der SAPV stehe die Symptomkontrolle der Kranken. „Uns leitet nicht die Frage, welche Therapien noch möglich wären, sondern die Frage: Was hilft in der aktuellen Situation?“ Dabei handle das multiprofessionelle Team aus Ärzten, Pflegekräften und Sozialarbeitern nicht nur strikt nach Leitlinien. „Wir überlegen, was der Patient will und wie wir ihm dabei helfen können“, sagt die Fachärztin für Geriatrie und Palliativmedizin. Dazu brauche man weder komplizierte Diagnostik oder Laborwerte, aber viel Erfahrung und Pragmatismus. „Wir schauen uns den Patienten an: Hat er eine Luftnot? Dann wird die behandelt - unabhängig vom Sauerstoffwert“, erläutert Rössler.

Versorgung erlebte einen Aufschwung

Die Expertin ist froh, dass die Palliativmedizin in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erfahren hat. Allerdings werde der palliative Gedanke im ärztlichen Alltag oft noch nicht gelebt. „Mediziner möchten Patienten heilen und Leben verlängern - das ist auch richtig so“, sagt die Ärztin. Sie selbst habe Medizin studiert, „um mit Blaulicht leben zu retten“. Allerdings würden manche Ärzte übersehen, dass ihr Therapieziel längst nicht mehr zu erreichen sei. Palliativmedizin sei immer noch keine Pflichtstation in der Ausbildung von Fachärzten, die oft mit Patienten am Lebensende zu tun hätten. „Mein Traum wäre, dass zum Beispiel Onkologen, Neurologen oder Intensivmediziner ein halbes Jahr palliativ arbeiten müssen“, sagt Rössler.

Durch die Arbeit in der SAPV habe sie selbst mehr und mehr die Angst vor dem Sterben verloren. „Ich weiß, dass es nicht mit Leid und Angst einhergehen muss, sondern ein friedlicher Prozess sein kann“, sagt die Medizinerin. Würdevolles Sterben bedeute für sie, im Einklang mit sich selber zu sterben. Dann sein das Sterben „kein Kampf, sondern ein Schritt, den andere schon vor einem gemacht haben. Und den man jetzt auch gehen kann“, so Rössler.

Susanne Schröder


Pflege

Gastbeitrag

Neue Bundesregierung muss bei der Pflege dringend handeln




Christine Vogler
epd-bild/Gudrun Arndt/Deutscher Pflegerat
Im Wahlkampf war es erstaunlich still um das Thema Pflege. Damit müsse jetzt Schluss sein, fordert die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, in ihrem Gastbeitrag für epd sozial. Vier weitere Jahre ohne konsequente Veränderungen für die Pflegenden und Pflegebedürftigen seien keine Option: "Wenn wir jetzt nicht handeln, verlassen noch mehr Menschen den Beruf."

Eine gute und bedarfsgerechte Pflege betrifft nicht nur die knapp 1,8 Millionen professionell Pflegenden in Deutschland, sie geht uns alle an. Der Deutsche Pflegerat hat vier Kernforderungen an die neue Regierung formuliert: mehr Eigenständigkeit und Verantwortung für die Pflegeprofession, eine angemessene Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und eine starke Vertretung. Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt: Die Pflege ist am Limit. Wenn wir jetzt nicht handeln, verlassen noch mehr Menschen den Beruf.

4.000 Euro Einstiegsgehalt sind angemessen

Schon jetzt fehlt es überall an Personal. Bessere Arbeitsbedingungen sind nicht nur wünschenswert, sondern die Grundvoraussetzung dafür, die pflegerische Versorgung in Zukunft zu gewährleisten. Dafür muss der Pflegeberuf eine deutliche Aufwertung erfahren. Und der Hebel dafür ist die Bezahlung. Für junge Menschen ist ganz klar: Nur dort, wo ein angemessener Lohn in Aussicht steht, kann eine berufliche Perspektive entstehen.

In Zahlen übersetzt heißt das: Das Einstiegsgehalt nach Ausbildungsabschluss muss bei mindestens 4.000 Euro brutto liegen. Die Gründe liegen auf der Hand: Der Beruf bringt eine hohe Verantwortung mit sich und deutliche Belastungen, zum Beispiel durch Schichtdienste. Untersuchungen zeigen, dass das Anforderungsprofil in der Pflege vergleichbar ist mit dem von Ingenieurinnen und Ingenieuren. Doch bislang schlägt sich das auf dem Lohnzettel keineswegs nieder.

Flucht aus dem Beruf

Vielen ist nicht in aller Deutlichkeit bewusst, was es für die Versorgung konkret bedeutet, wenn die Rede von der überlasteten Pflege ist. Zeitdruck in der Pflege heißt, dass in der ambulanten Versorgung, in der Klinik und in der Altenpflege die Menschlichkeit, die soziale Fürsorge, unter den Tisch fällt. Im Grunde geht es dann nur noch darum, die grundlegenden Vitalfunktionen aufrecht zu erhalten.

Ein Beispiel: Eine Pflegekraft in der Klinik auf einer akut chirurgischen Station ist nachmittags allein oder höchstens mit einer weiteren Person für 34 Patientinnen und Patienten zuständig. Das ist keineswegs unüblich. Was ist in dieser Situation möglich? Bei Schmerzen bekommt der Patient seine Tabletten. Einen Wickel anlegen, Ablenkung bieten oder auf den Gesprächsbedarf von Angehörigen eingehen - für all das ist keine Zeit. Solch ein Umgang mit Menschen läuft dem Versorgungsverständnis der Pflegenden vollkommen zuwider. Und genau dieser Widerspruch treibt viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Beruf.

Wer in der Pflege bleibt, trägt die Anspannung häufig mit in den Feierabend. Ein enormes Problem für den Berufsstand ist die kurzfristige Dienstplanung, die keinerlei Sicherheit bietet. Soziale Aktivitäten mit festen Terminen sind nahezu unmöglich. Wer an seinem freien Tag damit rechnen muss, bei Anruf spontan einspringen zu müssen, kann freie Zeit weder aktiv planen noch sich erholen. Es geht soweit, dass Kolleginnen und Kollegen manchmal einfach nicht ans Telefon gehen, um einen Tag Ruhe zu haben. Aber wohl fühlt sich damit natürlich niemand.

Dem Nachwuchs eine Perspektive bieten

Wir brauchen jetzt dringend bessere Arbeitsbedingungen, um Pflegende im Beruf zu halten und gleichermaßen für nachfolgende Generationen Perspektiven zu schaffen. Pflege muss für junge Menschen attraktiv sein. Doch wenn es an Zeit für Praxisanleitung fehlt und erfahrene Kolleginnen und Kollegen selbst nicht vorleben können, was den Beruf ausmacht, beginnt das Berufsleben heute eher mit einem Gefühl der Ernüchterung und Überforderung.

Und das hat Konsequenzen: Die Abbruchsquote in den Ausbildungsjahrgängen seit 2020 beträgt rund 15 Prozent, Tendenz steigend. Solch vergebenes Potenzial können wir uns nicht leisten. Und dabei starten die Auszubildenden mit hohen Idealen. Sie wollen sich Menschen zuwenden, sie versorgen und mit hoher Fachlichkeit unterstützen. Und sie fordern ein, was in der Pflege selbstverständlich sein sollte: Selbstständigkeit und Autonomie.

Eine Pflegekraft, die einen Patienten mit offenem Bein zu Hause versorgt, weiß, was zu tun ist. Problemlos könnte sie schnelle Abhilfe schaffen, indem sie die nötigen Heilmittel verschreibt. Doch dies ist Ärztinnen und Ärzten vorbehalten. Wenn wir wollen, dass Pflegende ihre beruflichen Kompetenzen zum Wohle der Patientinnen und Patienten einsetzen, muss es ihnen auch möglich sein, Verantwortung für die Versorgung zu übernehmen. Das ist ein überfälliger Schritt.

Der Pflegeberuf muss im Sinne der Menschen umgestaltet werden: Es gibt bereits das Konzept der Community Health Nurses, also Pflegenden, die in ihrer Region für Familien und für Menschen mit Unterstützungsbedarf ansprechbar sind. Ein größeres Kompetenzfeld würde es erlauben, dass Pflege auch Prävention betreibt und nicht nur das Überleben sichert. Deutschland braucht selbstständig agierende Pflegekräfte und die ganze Profession braucht eine Zukunftsperspektive - nicht zum Selbstzweck, sondern weil es die Gesellschaft im Ganzen betrifft. Die neue Bundesregierung, egal in welcher Zusammensetzung, ist jetzt gefordert, diese Perspektive in klare Maßnahmen zu überführen.

Christine Vogler ist Präsidentin des Deutschen Pflegerates.


Behinderung

Studie: Bei der Behindertenhilfe haben beide deutschen Staaten versagt



Jahrzehntelang haben Kinder und Jugendliche in Behinderteneinrichtungen und der Psychiatrie in der Bundesrepublik und der DDR gelitten. Eine umfangreiche Studie untersucht das Ausmaß von Mangel, Unrecht und Gewalt in beiden deutschen Ländern.

Berlin (epd). Behinderten Kindern und Jugendlichen ist in Heimen und psychiatrischen Kliniken in der frühen Bundesrepublik und in der DDR vielfaches Leid und Unrecht zugefügt worden. Eine umfangreiche Studie im Auftrag der Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis, dass trotz unterschiedlicher politischer Systeme die Kinder in beiden deutschen Ländern unter Mangel, Härte, Gewalt, fehlender Förderung, Isolation und Zwang gelitten haben. Sie wurde am 30. September in Berlin der Stiftung Anerkennung und Hilfe übergeben, die beim Bundessozialministerium angesiedelt und für Entschädigungszahlungen an die Betroffenen zuständig ist.

Alle Formen der Gewalt

Der Leiter des Forschungsteams, der Düsseldorfer Medizinhistoriker und Ethiker Heiner Fangerau, sagte, den behinderten Kindern und Jugendlichen sei es noch schlechter ergangen als anderen Heimkindern, weil sie „noch mehr vernachlässigt worden“ seien. Er rief die heutigen Einrichtungen auf, die Beschäftigung mit der Vergangenheit lokal fortzusetzen: „Das darf mit dieser Studie nicht zu Ende sein“, sagte Fangerau.

Die Forscherinnen und Forscher fanden alle Formen körperlicher und psychischer Gewalt im Umgang mit den Kindern und Jugendlichen. Kliniken und Heime seien schlecht ausgestattet, das Personal häufig überfordert und die Ruhigstellung der Kinder durch Medikamente vielfach üblich gewesen. Dokumentiert werden Straf- und Zwangsmaßnahmen, körperliche Gewalt, Isolation, jede Form von Demütigungen, Fixierungen, Essenszwang oder Essenentzug. In einigen Einrichtungen seien Medikamente getestet worden, sagte Fangerau. Eine angemessene Förderung der behinderten Kinder habe es nicht gegeben.

Die Kontrollen durch Behörden seien mangelhaft gewesen, bilanziert die Studie, die an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität koordiniert wurde. Die Gesellschaften beider Länder hätten der Situation von behinderten und psychisch kranken Kindern überwiegend gleichgültig gegenüber gestanden. Erst ab den 1970er Jahren habe sich in der Bundesrepublik die Betreuung verbessert und seien die Reformbemühungen auch von kirchlichen Einrichtungen in der DDR aufgegriffen worden. In staatlichen Heimen und Kliniken habe sich dagegen bis zum Ende der DDR wenig verbessert.

Zu lange nicht gehört worden

Für die Kirchen sagte der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Martin Dutzmann, die Betroffenen seien zu lange nicht gehört worden. Das sei vorbei. Alle Beteiligten müssten sich dafür einsetzen, dass Derartiges nicht mehr passiere, sagte Dutzmann.

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten den Angaben zufolge 17 Behindertenheime und psychiatrische Kliniken in der Bundesrepublik und der DDR. Die Einrichtungen waren in öffentlicher, katholischer oder evangelischer Trägerschaft. Sie werteten 1.500 Fallakten aus, führten 60 Interviews mit Betroffenen und Zeitzeuginnen und -zeugen und berücksichtigten weitere 170 Berichte, darunter auch Schilderungen von Angehörigen und damaligen Beschäftigten.

Die Stiftung Anerkennung und Hilfe zahlt Leistungen an Menschen, die in der Psychiatrie oder in Behinderteneinrichtungen der Bundesrepublik (1949-1975) und der DDR (1949-1990) als Kinder und Jugendliche Leid und Unrecht erfahren haben. Sie wurde 2017 vom Bund und den Ländern, den Kirchen und deren Wohlfahrtsverbänden errichtet. Von insgesamt 305 Millionen wurden bisher 204 Millionen Euro an rund 20.000 Menschen ausgezahlt. Die Zahlungen sollen helfen, die Folgewirkungen des Leids in ihrer Kindheit zu mildern und sind Teil der Anerkennung jahrzehntelangen Unrechts. Die Aufarbeitung der Missstände in der Behindertenhilfe und Psychiatrie hatte analog zur Auseinandersetzung mit dem Schicksal früherer Heimkinder begonnen.

Bettina Markmeyer


Behinderung

Die Stiftung Anerkennung und Hilfe



Berlin (epd). Die Stiftung Anerkennung und Hilfe zahlt Leistungen an Menschen, die in der Psychiatrie oder in Behinderteneinrichtungen der frühen Bundesrepublik (1949-1975) und der DDR (1949-1990) als Kinder und Jugendliche Leid und Unrecht erfahren haben. Sie wurde 2017 vom Bund und den Ländern, den Kirchen und deren Wohlfahrtsverbänden als Träger der Einrichtungen errichtet. Von insgesamt 305 Millionen wurden bisher 204 Millionen Euro an 19.698 Menschen gezahlt. Anträge konnten bis Ende Juni 2021 gestellt werden. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums, bei dem die Stiftung angesiedelt ist, müssen noch 5.858 Verfahren abgeschlossen werden.

Im Durchschnitt erhalten die Betroffenen eine Einmalzahlung von rund 9.000 Euro. Neben dieser Zahlung für die Folgewirkungen des Unrechts gibt es eine Rentenersatzleistung von bis zu 5.000 Euro für Menschen, die als Jugendliche in den Einrichtungen arbeiten mussten, ohne dass Rentenbeiträge für sie entrichtet wurden. Im Durchschnitt werden 4.500 Euro gezahlt. Die finanziellen Hilfen werden nicht auf die Sozialleistungen angerechnet, auf die viele Betroffene angewiesen sind.

Die Zahlungen sind Teil der Anerkennung des Unrechts und Leids in den Behindertenheimen und Psychiatrien der Bundesrepublik und der DDR. Die Aufarbeitung hatte analog zur Auseinandersetzung mit dem Schicksal früherer Heimkinder begonnen.



Behinderung

Ausstellung zu sexueller Gewalt an Behinderten



Hamburg (epd). Unter dem Titel „Echt Mein Recht“ ist am 1. Oktober im Hamburger Bezirksamt Mitte eine interaktive Ausstellung eröffnet worden, die sexuelle Gewalt an Menschen mit Behinderung thematisiert. Sie informiert in leichter Sprache bis zum 31. Oktober über die Rechte von behinderten Menschen und lädt bei einem Rundgang zu Diskussionen in Gruppen ein.

Gegliedert ist die Ausstellung des Kieler Petze-Instituts in die fünf Themenbereiche Gefühle, Körper und Sexualität, Mein Alltag, Alles Liebe und Beratung. Hintergrund ist, dass Menschen mit Behinderung etwa drei Mal so häufig sexuelle Gewalt erleiden müssen wie nicht behinderte Menschen. Gefährdet sind vor allem behinderte Frauen.

Mangelhafte Sexualaufklärung

Menschen mit Behinderungen seien auch deshalb so gefährdet, weil sie häufig von anderen Menschen gesagt bekommen, wie sie ihr Leben zu gestalten haben, sagte Ralf Specht vom Petze-Institut. Zudem seien sie in ihrer Kindheit meist sehr viel schlechter über Sexualität aufgeklärt worden als andere Kinder. Ziel der Ausstellung sei es auch, das Thema in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Dafür sei ein stark frequentiertes Bezirksamt genau der richtige Ort.

Entwickelt wurde die Ausstellung vom Petze-Institut für Gewaltprävention. Sie wird erstmals nach der Corona-Pandemie gezeigt und geht danach bundesweit auf Reisen. Sie kann einzeln oder in Gruppen besucht werden. Menschen mit Behinderung stehen bereit, um durch die Ausstellung zu führen. Organisiert wurde sie von Hamburger Behinderteneinrichtungen, darunter die Ev. Stiftung Alsterdorf, Elbe Werkstätten, Leben mit Behinderung, Sozialkontor und das Rauhe Haus. Finanziert wird sie von der Aktion Mensch. Schirmherrin ist Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD).



Gesundheit

Digitale Betreuung Schwangerer hat sich in der Pandemie gut bewährt



Berlin (epd). Die Betreuung Schwangerer durch Hebammen mithilfe digitaler Technik hat sich laut der Barmer Krankenkasse in der Corona-Pandemie gut bewährt. Das zeigt ein aktueller Forschungsbericht der Hochschule für Gesundheit in Bochum in Kooperation mit dem Institut für Gesundheitssystemforschung der Barmer-Krankenkasse und dem Deutschen Hebammenverband, den die Krankenkasse am 30. September in Berlin vorstellte.

In der Studie zum Angebot und der Akzeptanz digitaler Hebammenbetreuung wurden 1.821 Frauen, die zwischen Mai und November 2020 Kinder geboren haben, sowie 1.551 freiberuflich tätige Hebammen befragt. Demnach beurteilt eine Mehrheit der Frauen, die digitale Hebammenversorgung in Anspruch genommen hat, solche Angebote mit „sehr gut“ (74,1 Prozent) und „gut“ (18,8 Prozent). „Wie vieles andere, hat Corona auch die bisher übliche Präsenzbetreuung werdender Mütter durch Hebammen aufgrund der Kontaktbeschränkungen erschwert“, sagte Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Kasse. Digitale Hebammenbetreuung habe sich während dieser Zeit als Ergänzung zum persönlichen Kontakt etabliert, sagte er.

Überwiegend zufriedene Frauen

Jede zweite Schwangere gab demzufolge an, ihre Hebamme habe ihr ein digitales Betreuungsangebot gemacht. 62,7 Prozent der Hebammen würden es begrüßen, wenn es auch nach der Pandemie solche Betreuungsmöglichkeiten gäbe. Auch über die Hälfte der jungen Mütter (53,3 Prozent) sprach sich für einen zukünftigen Ausbau dieser Angebote während der Schwangerschaft und dem Wochenbett aus.

Nicola Bauer, Professorin für Hebammenwissenschaft an der Hochschule für Gesundheit in Bochum und Leiterin des Autorinnenteams der Studie, merkte jedoch an: „Nicht alle Hebammenleistungen sind gleich gut digital zu erbringen“. Jedoch seien Kurse und Beratung „prädestiniert für die Digitalisierung“.



Kirchen

Diakonische Werke Westmünsterland und Tecklenburg fusionieren



Steinfurt/Lengerich (epd). Die Diakonischen Werke in den Evangelischen Kirchenkreisen Tecklenburg und Steinfurt-Coesfeld-Borken arbeitet künftig als „Diakonie WesT e.V.“ zusammen. Das haben die Mitgliederversammlungen der beiden Werke einstimmig beschlossen, wie der Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken in Steinfurt mitteilte. Der gewählte Name stehe für die Diakonie im westlichen Münsterland und Tecklenburger Land.

Durch die Fusion zur „Diakonie WesT“ sind demnach in der Region mehr als 600 Mitarbeitende in der in den Bereichen Pflege, Beratung, Betreuung und Versorgung tätig. Stefan Zimmermann hat den kaufmännischer Vorstand übernommen, der Tecklenburger Pastor Jürgen Nass und Pfarrer Mathias Hövelmann aus dem Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken sind theologische Vorstände.

Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden fördern

Die Diakonie ist der soziale Dienst der evangelischen Kirche. „Diakonie und Kirche sind untrennbar“, betonte Superintendent Joachim Anicker in Steinfurt. Er sei froh, „dass wir im neuen Werk zwei theologische Vorstände haben, welche die Zusammenarbeit zwischen den Kirchengemeinden und ihrer Diakonie fördern und daran arbeiten, dass wir im Geist der christlich begründeten Nächstenliebe tätig bleiben.“

„Das Generalistentum ist an seine Grenzen gekommen“, sagte der Tecklenburger Superintendent André Ost zur Fusion. In einer gemeinsamen Diakonie ließen sich die Kompetenzen vieler Mitarbeitenden bündeln.

Die Weichen für eine Verschmelzung beider Werke wurden den Angaben zufolge bereits 2019 durch die Zusammenarbeit der damaligen Vorstände Stefan Zimmermann und Heinz van Goer gestellt. Van Goer ist im April in den Ruhestand gegangen. Die beiden benachbarten Kirchenkreise haben seit 2020 zusammen mit Münster eine zentrale kreiskirchliche Verwaltung mit Sitz in Münster.



Diakonie

Vesperkirchen-Saison startet ohne große Corona-Beschränkungen



Stuttgart (epd). Die ersten Vesperkirchen in Baden-Württemberg haben ihre Tore geöffnet. Erste Angebote gebe es bereits in Freudenstadt, Kirchheim unter Teck und Sigmaringen, teilten die württembergische Landeskirche und das Diakonische Werk Württemberg am 5. Oktober gemeinsam mit. Die Vesperkirchen-Saison werde im April 2022 in Esslingen enden. Insgesamt soll es in 34 Gemeinden Vesperkirchen geben - genauso viele wie vor der Corona-Pandemie. In der vergangenen Saison mussten coronabedingt einige Vesperkirchen abgesagt werden, vielen waren nur stark eingeschränkt möglich.

In einem gemeinsamen Wort zum Vesperkirchen-Auftakt dankten Landesbischof Frank Otfried July und die Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks, Annette Noller, den Mitarbeitenden für deren kreative Ideen und hohes Engagement. Die Schirmherrin der Vesperkirche, Gerlinde Kretschmann, würdigte, dass bedürftige Menschen Nähe und Zuwendung bekämen. „Menschen zu helfen, die in Armut leben, die einsam sind, die häufig nichts und niemanden haben, ist ein selbstverständliches Gebot der Nächstenliebe“, sagte sie.

Corona-Auswirkungen weiter spürbar

Die Corona-Pandemie hat auch in diesem Jahr noch Auswirkungen auf die Vesperkirchen, wenn auch nicht mehr so stark wie zuletzt: Ein Teil der Gemeinden plant den Angaben zufolge, je nach Pandemie-Bedingung flexibel zwischen Indoor-Bewirtung und reiner Essensausgabe umschalten zu können. Andere Gemeinden sehen von vornherein eine Mischung beider Formate vor. Auch ein Rahmenprogramm ist wieder möglich: Vielen Gemeinde bieten wieder Andachten, Gottesdienste, Konzerte, Haareschneiden sowie seelsorgerliche Gespräche und ärztliche Beratung an.

Vesperkirchen sind vor allem in Württemberg verbreitet. Die erste Vesperkirche öffnete Mitte der 1990er Jahre in der Stuttgarter Leonhardskirche.




sozial-Recht

Bundesgerichtshof

Demenzkranke dürfen selbst konkreten Betreuer vorschlagen




"Flurtanz" für Demenzkranke
epd-bild/Jörn Neumann
Demenzkranke Menschen dürfen auch bei Geschäftsunfähigkeit einen konkreten Betreuer für sich vorschlagen. Nur wenn konkrete Hinweise für eine fehlende Eignung oder Redlichkeit bei der gewünschten Person vorliegen, darf der Vorschlag übergangen werden, entschied der Bundesgerichtshof.

Karlsruhe (epd). Demente und psychisch kranke Menschen dürfen trotz ihrer Erkrankung für sich selbst eine bestimmte Person als Betreuer vorschlagen. Weder ist für das Recht auf einen Betreuervorschlag eine Geschäftsfähigkeit noch eine natürliche Einsichtsfähigkeit des Kranken erforderlich, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 27. September veröffentlichten Beschluss. Gerichte dürften den Wunsch des Kranken nur ablehnen, wenn damit eine konkrete Gefahr besteht, dass die gewünschte Person dem Wohl des betreuungsbedürftigen Menschen zuwiderläuft, erklärten die Karlsruher Richter.

Amtsgericht setzt sich über Wunsch hinweg

Konkret ging es um einen 1922 geborenen verwitweten Vater von vier Kindern aus dem Raum Marl. Bei dem Mann besteht eine fortgeschrittene Demenz. Im Juni 2015 hatte er in einer notariellen Vorsorgevollmacht noch verfügt, dass zwei seiner Kinder sich um seine rechtlichen Angelegenheiten als Betreuer kümmern sollen. Bereits damals war er schon geschäftsunfähig. Seit März 2019 lebt der Rentner in einem Seniorenheim.

Das Amtsgericht Marl setzte sich über den Betreuerwunsch des Mannes hinweg. Es bestellte, nach Aufgabenkreisen differenziert, einen Berufsbetreuer sowie eine Tochter zum Betreuer des Demenzkranken.

Die dagegen eingelegte Beschwerde einer weiteren Tochter hatte vor dem Landgericht Essen Erfolg. Dieses stellte klar, dass die beiden in der Vorsorgevollmacht bestimmten Geschwister Vorrang bei der Betreuerbestellung haben. Der Betroffene habe sich dies ausdrücklich so gewünscht. Grundsätzlich müsse solch ein Vorschlag im Betreuungsverfahren beachtet werden. Dabei sei es nicht erforderlich, dass der Betroffene zum Zeitpunkt seines geäußerten Betreuerwunsches geschäftsfähig war oder über eine „natürliche Einsichtsfähigkeit“ verfügte.

Dies bestätigte nun auch der BGH. Grundsätzlich sei diejenige Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene sich wünscht. Es reiche aus, wenn hier der demenzkranke Vater seinen Willen oder Wunsch kundgetan hat, welche Personen seine Betreuer sein sollen.

Vorrang für Verwandte

Verwandtschaftliche Beziehungen hätten bei der Bestellung eines Betreuers generell zunächst Vorrang vor einem Berufsbetreuer, erklärte der BGH mit Verweis auf die gesetzlichen Regelungen. Nur wenn die Bestellung eines Familienangehörigen dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft, könne ein Gericht einen Berufsbetreuer bestellen.

Bereits am 19. Juli 2017 hatte hierzu das Karlsruher Gericht entschieden, dass die in einer Vorsorgevollmacht bestimmten Betreuer übergangen werden können, wenn es „erhebliche Bedenken“ an der Geeignetheit und Redlichkeit der Bevollmächtigten gebe. Das zuständige Betreuungsgericht müsse bei der Prüfung über die Geeignetheit eines Betreuers eine „Gesamtschau“ vornehmen.

Im damaligen Fall monierte der BGH, dass zwei in einer Vorsorgevollmacht als Betreuerinnen vorgeschlagene Töchter sich bereits während des laufenden Betreuungsverfahrens für ihre demenzkranke Mutter nahezu sämtliche Vermögenswerte der alten Frau „gesichert“ hatten. Neben der Vermögensübertragung hatten sie zudem verhindert, dass sich eine Verfahrenspflegerin, die sich für die Interessen der Mutter einsetzen soll, alleine mit der Betroffenen unterhalten konnte.

Massiver Streit in der Familie

Das Landgericht sollte daher die Redlichkeit und Geeignetheit der Töchter als Betreuerinnen sowie mögliche Ansprüche zur Rückübertragung des Vermögens erneut prüfen. Es sei nicht klar, ob die Töchter die Vollmacht „zum Wohle der Betroffenen“ ausüben, entschied der BGH.

Führe der Wunsch eines Betroffenen nach einem Angehörigen als Betreuer zu einem massiven Streit in der Familie, könne auch dies der Bestellung von Verwandten als Betreuer entgegenstehen, betonte im aktuellen Streit der BGH mit Verweis auf eine weitere Entscheidung vom 12. Februar 2020. Dies gelte dann, wenn der Betroffene „entweder persönlich unter den Spannungen zwischen seinen Familienangehörigen leidet oder wenn die Regelung seiner wirtschaftlichen oder sonstigen Verhältnisse wegen der Spannungen innerhalb der Familie nicht gewährleistet ist“.

Davon könne hier jedoch keine Rede sein, betonten die Karlsruher Richter. Hier habe es zwar einen Familienstreit über die Betreuung des Mannes gegeben. Das Wohl des Betroffenen sei dadurch aber nicht besonders beeinträchtigt gewesen. So habe der demenzkranke Vater bei zwei gerichtlichen Anhörungen seinen Wunsch nach Betreuung durch seine zwei in der Vorsorgevollmacht benannten Kinder bekräftigt, erklärte der BGH. Dass diese die Betreuung nicht oder nur fehlerhaft ausüben könnten, sei nicht ersichtlich.

Az.: XII ZB 151/20 (Geschäftsfähigkeit)

Az.: XII ZB 141/16 (Betreuereignung)

Az.: XII ZB 475/19 (Familienstreit)

Frank Leth


Verwaltungsgerichtshof

Kein Nachweis bei Corona-Impfung mit Sputnik V



Kassel (epd). Eine zweifach mit dem russischen Vakzin Sputnik V gegen Corona geimpfte Person hat keinen Anspruch auf die Ausstellung eines deutschen Impfnachweises. Die Beschwerde des Antragstellers gegen einen gleichlautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 1. September sei zurückgewiesen worden, teilte der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) am 1. Oktober in Kassel mit.

Den Angaben zufolge war der Antragsteller am 10. Mai dieses Jahres in Moskau und am 19. Juli in San Marino mit dem Vakzin Sputnik V geimpft worden. Er begehrte deshalb vom Gesundheitsamt des Landkreises Fulda die Ausstellung eines deutschen Impfzertifikats, was das Amt aber mit der Begründung ablehnte, dass das Vakzin nicht zu den vom Paul-Ehrlich-Institut aufgelisteten Impfstoffen gehöre.

Dies bestätigte jetzt auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof. Der russische Impfstoff sei in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassen. Auch europarechtliche Bestimmungen würden die Ausstellung eines inländischen Nachweises nicht gebieten. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Az.: 8 B 1885/21



Verwaltungsgericht

Behörden müssen keine Genesenenausweise ausstellen



Cottbus (epd). Die brandenburgischen Gesundheitsämter sind nicht dazu verpflichtet, nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung sogenannte behördliche Genesenenausweise auszustellen. Die Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung vom 8. Mai 2021 sehe eine Ausstellung von entsprechenden behördlichen Nachweisen auf Antrag nicht vor, entschied das Verwaltungsgericht Cottbus in einem am 5. Oktober veröffentlichten Beschluss vom 28. September.

Als Genesenennachweis sei vielmehr ein positiver PCR-Test anzusehen, wenn die Testung mindestens 28 Tage und maximal sechs Monate zurückliegt. Antikörpertests reichten dagegen für den Nachweis einer Genesung nicht aus.

In dem konkreten Fall wollte der Antragsteller von den Behörden eine amtliche Bestätigung seiner Genesung haben. Als Nachweis verwies er auf mehrere erfolgreiche Antikörpertests. Zwar könnten Antikörpertests einen Hinweis auf eine durchgemachte Erkrankung geben, als alleiniger Nachweis genügten sie aber nicht, urteilten die Verwaltungsrichter. Das entspreche dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Az.: VG 8 L 237/21



Landgericht

Früherer ASB-Geschäftsführer erneut wegen Untreue verurteilt



Hildesheim (epd). Das Landgericht Hildesheim hat einen früheren Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes wegen Untreue in drei Fällen schuldig gesprochen. In das Urteil wurde eine Strafe aus einer früheren Verurteilung aus dem Jahr 2019 in Zusammenhang mit einem Millionenbetrug mit Flüchtlingsheimen einbezogen, wie das Gericht am 30. September mitteilte. Wegen der weiteren Fälle wurde die damals ausgesprochene Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren um weitere sechs Monate verlängert.

Dem Angeklagten wurde im aktuellen Verfahren vorgeworfen, in zehn Fällen jeweils eine Untreue im besonders schweren Fall sowie darüber hinaus eine Untreue in Tateinheit mit Urkundenfälschung begangen zu haben. Das Gericht stellte den Angaben zufolge acht Fälle ein. Der Angeklagte wurde allerdings im Zusammenhang mit ungerechtfertigten Gehaltszahlungen, die er als Geschäftsführer selbst veranlasst hatte, wegen Untreue in den verbleibenden zwei Fällen schuldig gesprochen. Insgesamt habe er einen Geldbetrag von rund 110.000 Euro erlangt oder sich entsprechende Kosten erspart.

Mit dem Urteil aus 2019 habe die Kammer auch die darin enthaltene Einziehung der aus den schon abgeurteilten Taten erlangten Gelder in Höhe von rund 6, 85 Millionen Euro angeordnet, hieß es. Die Staatsanwaltschaft Hannover sei bereits mit der Vollstreckung beschäftigt und habe Teilbeträge etwa durch den Verkauf einer Eigentumswohnung eingezogen. Ein Großteil der Summe soll sich aber im Libanon befinden.

Az.: 22 KLs 4252 Js 110911/19




sozial-Köpfe

Bundesarbeitsgericht

BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt im Ruhestand




Ingrid Schmidt
epd-bild/Matthias F. Schmidt
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, in den Ruhestand verabschiedet.

Erfurt (epd). Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Ingrid Schmidt, ist am 30. September in den Ruhestand getreten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach ihr im Rahmen einer Feierstunde im Namen des Bundespräsidenten für die dem deutschen Volk geleisteten treuen Dienste Dank und Anerkennung aus.

Schmidt wurde zum 1. August 1994 zur Richterin am Bundesarbeitsgericht ernannt. Im März 2005 wurde Schmidt zur Präsidentin des BAG berufen und übernahm den Vorsitz des Ersten Senats. Mit diesem entwickelte sie die Rechtsprechung zur Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit von Arbeitnehmervereinigungen und deren Spitzenorganisationen, zum Arbeitskampfrecht, Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmungsrecht weiter und trug in einer Vielzahl von rechtsfortbildenden Entscheidungen wesentlich zur Sicherung der kollektiven Ordnung bei.

So hob Schmidt im Urteil vom 20. November 2011 das absolute Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen auf, gab aber zugleich den Kirchen und ihren Einrichtungen im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts Instrumente an die Hand, um Streiks in kirchlichen Einrichtungen auszuschließen.

Als Herausgeberin und Autorin bedeutsamer arbeitsrechtlicher Publikationen, vornehmlich zum Betriebsverfassungs- und Befristungsrecht, hat Schmidt den wissenschaftlichen Diskurs bereichert. Sie ist Mitherausgeberin der „Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht“ und von „Recht der Arbeit“.



Weitere Personalien



Bernadette Klapper hat die Bundesgeschäftsführung des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) in Berlin übernommen. Sie ist die Nachfolgerin von Franz Wagner, der 22 Jahre lang für die Organisation tätig war und in den Ruhgestand geht. Im Oktober leiten Klapper und Wagner den Fachverband noch gemeinsam. Klapper ist gelernte Krankenschwester und Soziologin. Sie hatte zuletzt die Bereichsleitung Gesundheit der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart inne. Dort verantwortete sie unter anderem zusammen mit der Agnes-Karll-Gesellschaft und dem DBfK das Projekt "Community Health Nursing.

Sabine Walper, Psychologin und Professorin für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung, ist neue Direktorin und Vorstandsvorsitzende am Deutschen Jugendinstitut (DJI). Seit fast zehn Jahren ist sie dort bereits als Forschungsdirektorin tätig. Sie folgt auf Thomas Rauschenbach, der in den Ruhestand geht. verabschiedet. Forschungsschwerpunkt von Sabine Walper ist die Familienforschung, immer mit engem Bezug zur Kindheits- und Jugendforschung. Unter der Führung von Rauschenbach expandierte das DJI stark und war entscheidend an gesellschaftspolitischen Weichenstellungen wie Kita-Ausbau, dem Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder und auch dem Kinderschutz beteiligt. Das 1963 entstandene DJI ist eines der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute Europas. Es beschäftigt derzeit nach eigenen Angaben knapp 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den beiden Standorten München und Halle (Saale).

Peter Weiß (65) ist zum Bundeswahlbeauftragten für die Sozialversicherungswahlen ernannt worden. Der bisherige CDU-Bundestagsabgeordnete wurde durch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in sein neues Amt eingeführt. Bundesminister Heil lobte Weiß, der seit 1998 dem Bundestag angehörte und zur Wahl am 26. September nicht mehr antrat, als einen Charakterkopf der Sozialpolitik. Weiß bezeichnete die ihm übertragene neue Aufgabe als gute Fortsetzung seiner bisherigen parlamentarischen Schwerpunktthemen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die deutschen Sozialversicherungen und deren Selbstverwaltung zu stärken, ist für den bisherigen Abgeordneten und Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU Bundestagsfraktion „eine grundlegende Säule des modernen Sozialstaats“.

Katharina Spieß (55), Ökonomin, hat die Leitung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden übernommen, das zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministerium gehört. Sie bringe beste Voraussetzungen mit, das Institut auf seinem erfolgreichen Weg weiter zu begleiten, neue Impulse zu setzen und die Weichen für die Zukunft zu stellen, sagte Staatssekretär Markus Kerber. Die Forschungsschwerpunkte von Professorin Spieß liegen im Bereich der Familien- und Bildungsforschung sowie anderen Feldern der empirisch ausgerichteten Bevölkerungsforschung. Ihre wissenschaftliche Laufbahn startete sie an der Universität Mannheim und promovierte 1996 an der Ruhr-Universität Bochum. 2005 habilitierte sie sich an der TU Berlin und übernahm 2006 die Professur zur Familien- und Bildungsökonomie an der Freien Universität Berlin. Seit 2012 leitet sie die Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Birgit Apitzsch hat den Ruf der Ruhr-Universität Bochum angenommen und am 1. Oktober den Lehrstuhl für Soziologie/Arbeit, Wirtschaft und Wohlfahrt an der Fakultät Sozialwissenschaft angetreten. Sie war über vier Jahre Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI). Apitzsch promovierte 2009 an der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen sowie International Max Planck Research School on the Social and Political Constitution of the Economy in Köln. Danach war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie an der Universität Duisburg-Essen. Seit Mai 2017 war Apitzsch für das SOFI tätig.

Wolfgang Tyrychter, Leiter des Vorstandsressorts Teilhabe und Assistenz im Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW), ist neuer Vorsitzender des Fachverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP). Er folgt auf Johannes Magin, der das Amt seit 2011 innehatte. Der Vorstand, den der Fachverband alle fünf Jahre wählt, setzt sich aus insgesamt acht Personen zusammen. Tyrychter ist seit mehr als zwei Jahrzehnten für DRW tätig. Dort war er zunächst als Heimleiter beschäftigt, später für das Projekt Zukunftsentwicklung verantwortlich und danach für den Aufgabenbereich „Entwicklung, Bildung, Marketing“ zuständig. Seit 2017 leitet der Diplom-Pädagoge das Ressort „Teilhabe und Assistenz“ im DRW. Im CBP leitet Tyrychter seit 2014 den Fachausschuss „Kinder und Jugendliche“.

Andreas Bock ist neuer Präsident der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften. Der Professor für Politikwissenschaft und Unsicherheitsforschung ist im Akademischen Senat der Hochschule mit 89 Prozent der Stimmen in das Amt gewählt worden. Bock gehört der Hochschulleitung bereits seit 2019 als Vizepräsident an und hat die gemeinnützig geführte Hochschule der Johanniter-Unfall-Hilfe nach Ausscheiden seines Vorgängers in Vertretung des Präsidenten geleitet. „Wir Johanniter wissen unsere Hochschule in den guten Händen eines Präsidenten, dem eine nachhaltige, soziale und menschenzentrierte Weiterentwicklung besonders am Herzen liegt“, sagte Geschäftsführer Jürgen Wanat. Die Akkon Hochschule ist eine staatlich anerkannte private Hochschule in Berlin, die spezialisiert ist auf humanwissenschaftliche Fächer.

Hermann Sollfrank ist neuer Direktor des Caritasverbandes der Erzdiözese München und Freising. Der Professor für Sozialpädagogik in der Sozialen Arbeit an der Katholischen Stiftungshochschule (KSH) hat sein Amt am 1. Oktober angetreten. Damit folgt er auf Georg Falterbaum, der seit 2018 im Amt war. Sollfrank studierte Soziale Arbeit an der KHS in München und Erziehungswissenschaften an der Universität Augsburg. Zudem promovierte er im Bereich der historischen Bildungsforschung zum Thema „Katholische Jugendpflege von 1819-1926“. Zwischen seinem Studium an der KHS und in Augsburg war er rund zehn Jahre als Sozialpädagoge in der Jugendpflege tätig. In dieser Zeit arbeitete der 57-Jährige in der pädagogischen Leitung und im Management des Jugendamtes der Erzdiözese München-Freising. Seit Oktober 2014 ist Sollfrank Präsident der KHS in zweiter Amtszeit.

Karsten Neumann ist seit 1. Oktober Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Das Präsidium des BAG hat Neumann dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts zugeteilt. Der Vierte Senat ist insbesondere zuständig für das Tarifvertragsrecht und für Streitigkeiten über Eingruppierungen. Neumann, bisher Richter am Sächsischen Landessozialgericht (LSG), wurde 1971 in Brehna geboren. Er arbeitete am Arbeitsgericht Leipzig, ab September 2001 war er als Richter am Landgericht Leipzig und ab September 2002 als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Leipzig tätig. Von Oktober 2005 bis Dezember 2007 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Bundesarbeitsgericht abgeordnet. Ab 2008 war er dem Sozialgericht Leipzig zugewiesen. Zum 1. Mai 2020 wurde Neumann zum Richter am Sächsischen LSG berufen.

Luise Dirscherl hat zum Oktober die Leitung des Geschäftsbereichs Unternehmenskommunikation bei der Diakonie München und Oberbayern übernommen. Mit ihrem Antritt der von der Diakonie neu geschaffenen Stelle verantwortet die 52-Jährige künftig die strategische und operative Entwicklung der Kommunikation des größten diakonischen Trägers in Oberbayern nach außen und innen. Zuvor war Dirscherl als Leiterin und Pressesprecherin der Universität München tätig. Zuletzt hat sie bei einer international arbeitenden NGO die Öffentlichkeitsarbeit und Positionierung der Marke in Deutschland verantwortet.

Jan Wolff (41), Gesundheitsökonom, ist neuer Geschäftsführer im evangelischen Krankenhaus Marienstift in Braunschweig. Er bildet ab sofort gemeinsam mit dem Ärztlichen Direktor Udo Rudolf Schwippel und Pflegedirektorin Rosemarie Ölschlager die Krankenhaus-Leitung, wie die Evangelische Stiftung Neuerkerode, zu der die Klinik gehört, mitteilte. Wolff ist bereits seit 2016 im Krankenhaus Marienstift tätig, seit 2017 leitete er die Abteilung Controlling, seit 2019 die Abteilung Unternehmensentwicklung. Darüber hinaus ist er seit September 2020 Geschäftsführer der Babybauch GmbH, einer Gesellschaft des Krankenhauses Marienstift und des Städtischen Klinikums Braunschweig. Wolff wird als Geschäftsführer Nachfolger von Rüdiger Becker, der im September an den Folgen eines schweren Fahrradunfalls gestorben war.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis November



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, das zu beachten.

Oktober

20.-22.10.:

Seminar „Leiten im Duo - Caritasverbände gemeinsam führen“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200 1700

25.-27.10. Berlin:

Workshop „Alte Hasen und junge Hüpfer“ - Altersgemischte Teams erfolgreich führen Praxisworkshop"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139

26.10. Köln:

Seminar „Vergütungsverhandlungen in der Behindertenhilfe - Vorbereitung, Strategie und Verhandlungsführung“

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 02203/8997-221

27.-29.10. Hannover:

Fortbildung (Auftakt) „Hilfe für wohnungslose Männer und Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0173/5105498

November

4.11.:

Online-Kurs „Der Weg zur Niederlassungserlaubnis und Einbürgerung für Geflüchtete“

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139

4.11.:

Webinar „Wichtige Kennzahlen für ambulante Pflegedienste in der Krise - und danach“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

9.11. Würzburg:

Seminar „Der Jahresabschluss gemeinnütziger Einrichtungen - Grundlagen, Besonderheiten, Vorbereitung und Gestaltungsmöglichkeiten“

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 0931/30540

10.11. Würzburg:

Seminar „Steuer-Update für Non-Profit-Organisationen: Kurzprogramm“

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 02203/8997-221

15.-16.11.:

Seminar „Datenschutz in sozialen Einrichtungen: Einführung in das KDG - rechtliche Anforderungen und Umsetzungen im operativen Tagesgeschäft“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

16.11.:

Webinar „Sicherer Umgang mit den Corona-Schutzschirmen“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

22.-23.11. Frankfurt a.M.:

Seminar „Von der Anstalt zum inklusiven Quartier“

der Bundesakademie für >Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

22.-24.11. Berlin:

Seminar „Digital Leadership: Führen im digitalen Wandel“

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139

23.11. Köln:

Seminar „Basiswissen Altenhilfe: Kurzprogramm“

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 02203/8997-221

29.11.:

Online-Fortbildung „Flucht und Behinderung - Rechtliche Möglichkeiten in der Flüchtlings- und Behindertenhilfe“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0174/3473485

29.11.:

Online-Seminar „Führung auf Distanz - Praxiserprobte Werkzeuge für erfolgreiche Führungsleistung in verteilt arbeitenden Teams“

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/286976-10