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Gesundheit

Ärztin: "Das Sterben kann ein friedlicher Prozess sein"



München (epd). Viel Zeit und maßgeschneiderte Hilfe für die Patienten: Das schätzt die Palliativmedizinerin Martina Rössler an ihrer Arbeit in der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV). „In der SAPV schauen wir den ganzen Menschen mit all seinen Problemen an, sei es medizinisch, seelisch oder familiär“, sagt die 50-jährige, die seit zwei Jahren Leitende Ärztin im SAPV-Team des Münchner Hospizdiensts „DaSein e.V.“ ist.

Das zehnköpfige Team betreut sterbenskranke Menschen mit starken Symptomen wie Schmerzen oder Übelkeit zu Hause. Die bundesweit 361 SAPV-Teams sind neben den rund 250 stationären Hospizen sowie dem Ambulanten Hospizdienst ein Teilbereich der Hospiz- und Palliativbewegung, die am 9. Oktober den Welthospiztag begeht.

Im Vordergrund der SAPV stehe die Symptomkontrolle der Kranken. „Uns leitet nicht die Frage, welche Therapien noch möglich wären, sondern die Frage: Was hilft in der aktuellen Situation?“ Dabei handle das multiprofessionelle Team aus Ärzten, Pflegekräften und Sozialarbeitern nicht nur strikt nach Leitlinien. „Wir überlegen, was der Patient will und wie wir ihm dabei helfen können“, sagt die Fachärztin für Geriatrie und Palliativmedizin. Dazu brauche man weder komplizierte Diagnostik oder Laborwerte, aber viel Erfahrung und Pragmatismus. „Wir schauen uns den Patienten an: Hat er eine Luftnot? Dann wird die behandelt - unabhängig vom Sauerstoffwert“, erläutert Rössler.

Versorgung erlebte einen Aufschwung

Die Expertin ist froh, dass die Palliativmedizin in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erfahren hat. Allerdings werde der palliative Gedanke im ärztlichen Alltag oft noch nicht gelebt. „Mediziner möchten Patienten heilen und Leben verlängern - das ist auch richtig so“, sagt die Ärztin. Sie selbst habe Medizin studiert, „um mit Blaulicht leben zu retten“. Allerdings würden manche Ärzte übersehen, dass ihr Therapieziel längst nicht mehr zu erreichen sei. Palliativmedizin sei immer noch keine Pflichtstation in der Ausbildung von Fachärzten, die oft mit Patienten am Lebensende zu tun hätten. „Mein Traum wäre, dass zum Beispiel Onkologen, Neurologen oder Intensivmediziner ein halbes Jahr palliativ arbeiten müssen“, sagt Rössler.

Durch die Arbeit in der SAPV habe sie selbst mehr und mehr die Angst vor dem Sterben verloren. „Ich weiß, dass es nicht mit Leid und Angst einhergehen muss, sondern ein friedlicher Prozess sein kann“, sagt die Medizinerin. Würdevolles Sterben bedeute für sie, im Einklang mit sich selber zu sterben. Dann sein das Sterben „kein Kampf, sondern ein Schritt, den andere schon vor einem gemacht haben. Und den man jetzt auch gehen kann“, so Rössler.

Susanne Schröder


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