sozial-Politik

Prostitution

Hintergrund

Das skandinavische Sexkaufverbot und Prostitution in Deutschland



Berlin (epd). Schweden hat 1999 als erstes Land das später so bezeichnete „Nordische Modell“ eingeführt, um die Prostitution und die mit ihr verbundene Ausbeutung und Gewalt einzudämmen. Bis 2018 folgten sieben weitere Länder, darunter Norwegen, Frankreich, Kanada und Israel.

Kern des „Nordischen Modells“ ist ein Sexkaufverbot, also Strafen für Freier sowie Bordellbetreiber, Zimmervermieter oder Vermittler von sexuellen Dienstleistungen. Prostituierte machen sich hingegen nicht strafbar. Flankiert wird das Sexkaufverbot von Hilfen für den Ausstieg aus der Prostitution und Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung.

Umstrittene Wirkung

Die Wirkung des „Nordischen Modells“ wird von Befürwortern und Gegnern gegensätzlich eingeschätzt. Regierungsberichten zufolge ist die Prostitution in Schweden und Norwegen zurückgegangen, auch infolge einer nachlassenden Nachfrage. Nichtregierungsorganisationen, Polizei, Prostituierten- und Ärzteverbände aus Ländern mit einem Sexkaufverbot beobachten hingegen eine Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen weiterhin tätiger Prostituierter.

In Deutschland lehnen nahezu alle Sozial- und Fachverbände das „Nordische Modell“ ab, darunter die Spitzen des Caritasverbandes und der Diakonie, die Aids-Hilfe und der Juristinnenbund. Das Deutsche Institut für Menschenrechte bilanziert, der Menschenhandel verringere sich nicht. Für ein Sexkaufverbot sind Frauenrechtsorganisationen und die Hilfsorganisation Solwodi (Solidarität mit Frauen in Not) sowie prominente Aussteigerinnen. Die Frauen Union der CDU fordert „perspektivisch ein Sexkaufverbot“.

In Deutschland ist Prostitution seit 2002 eine Dienstleistung. Das Prostitutionsgesetz der damaligen rot-grünen Bundesregierung regelt, dass Prostituierte ihren Lohn einklagen, sich gesetzlich krankenversichern und in die Arbeitslosen- und Rentenversicherung einzahlen können. Die Liberalisierung begünstigte aber auch ausbeuterische Geschäftspraktiken und führte zu einem Boom, der Deutschland den Ruf als „Bordell Europas“ eintrug. Union und SPD einigten sich 2014 in der damaligen großen Koalition auf mehr Reglementierungen für Bordelle, Verbote bestimmter Praktiken, eine Kondompflicht sowie eine Anmeldepflicht für Prostituierte.

Strafen für Freier verschärft

Das Prostituiertenschutzgesetz trat gegen die Kritik der Branche und der Opposition 2017 in Kraft. Sozialverbände kritisierten, das Ziel, Prostituierte besser vor Zwang und Gewalt zu schützen, werde so nicht erreicht. In der zurückliegenden Legislaturperiode wurden die Strafen für Freier verschärft, die eindeutige Hinweise auf Zwangsprostitution nicht weitergeben. Die Mittel für Beratung und Ausstiegshilfen wurden erhöht.

Die Union will im nächsten Schritt Prostitution für unter 21-Jährige und Schwangere verbieten, was auch in der SPD auf Zustimmung stößt. Grüne und Linke wollen die Rechte der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter stärken und, ebenso wie die FDP, eine effektivere Verfolgung von Zwang und Gewalt. Ein Sexkaufverbot lehnen alle im Bundestag vertretenen Parteien derzeit ab. Prostituierte würden damit wieder in die Illegalität gedrängt, lautet das zentrale Argument.

Die Bundesfamilienministerium hat nach eigenen Angaben „keine belastbaren Daten“ zu den Umsätzen in der Branche und den in Deutschland tatsächlich tätigen Prostituierten. Schätzungen kommen auf 200.000 oder mehr Personen. Ende 2020 waren dem Statistischen Bundesamt zufolge rund 24.900 Prostituierte offiziell angemeldet, 38 Prozent weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019, in dem 40.400 Menschen als Prostituierte registriert waren. Unter den gemeldeten Prostituierten sind vier Fünftel Ausländerinnen. 2020 ermittelte die Polizei 406 Opfer von Menschenhandel, zu 95 Prozent Frauen. Knapp 20 Prozent waren laut Bundeskriminalamt als Prostituierte angemeldet, zwei Drittel waren es nicht.

Bettina Markmeyer


Weiterführende Links

Vorstandsbeschluss der Frauen Union der CDU (PDF)


Beschluss der 34. Delegiertenversammlung der Frauen Union zum Sexkaufverbot (Seite 5, PDF)


Positionspapier der Unionsfraktion (PDF)


Beschluss des SPD-Parteivorstands (PDF)


Zwischenbericht des Bundesfamilienministeriums zum Prostitutionsgesetz und Prostituiertenschutzgesetz vom Mai 2020


Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte (PDF)


Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts


Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2020 des Bundeskriminalamts

Mehr zum Thema

Parlamentskreis will weiter für Sexkaufverbot werben

Seit Jahren treiben sie die Missstände in der Prostitution um: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier will sich weiter für ein Sexkaufverbot in Deutschland einsetzen. Dass sie bisher nur wenig Unterstützung findet, ficht sie nicht an.

» Hier weiterlesen