die gewaltigen Zerstörungen durch das Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden erst in Jahren beseitigt sein. Und Milliarden kosten. Auch viele soziale Einrichtungen, die Kliniken, Pflegeheime, Behinderteneinrichtungen stehen vor dem Nichts. Gebäude sind zerstört, die Einrichtungen und Autos weggespült, es gibt kein Wasser und keinen Strom. Wie es weitergeht, ist ungewiss. Sozialverbände hoffen auch auf schnelle staatliche Hilfe. Doch bis Geld fließt, wird es noch dauern.
Führungskräfte aus der Sozialbranche stellen sich den Fragen von epd sozial zu den Folgen der Corona-Krise und den Lehren aus der Pandemie. Den Auftakt der Interviewreihe in den nächsten Wochen macht Markus Eisele, Theologischer Vorstand der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf. Er betont, dass Corona noch längst nicht überwunden sei. Noch immer sei seine Stiftung weit entfernt von der altbekannten Normalität, litten viele betreute Personen erkennbar unter psychischen Belastungen. Die zu überwinden, „wird erhebliche Anstrengungen“ nötig machen, so der Pfarrer.
Die Prognosen sind düster: Ab 2035 wird es in Deutschland dramatisch wenige Hausärzte geben. Maciej Tomtala war Chefarzt in einer großen Klinik, jetzt arbeitet er als Landarzt in einem Dorf mit 600 Bewohnern in der Wesermarsch. Eine solche Entscheidung ist selten. Julia Penningsdorf hat den Mediziner getroffen. Sehen Sie dazu auch das Video in epd sozial an.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem für die Branche bedeutenden Urteil für Klarheit gesorgt: Pflegebedürftige müssen für ihren Heimplatz keine Reservierungs- oder Platzgebühr bezahlen. Sowohl bei privat als auch bei gesetzlich Versicherten müssen die anfallenden Heimkosten taggenau ab dem Einzug oder bis zum Auszug abgerechnet werden. Entsprechende Klauseln in Verträgen seien unwirksam, so das Karlsruher Gericht.
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Dirk Baas
Euskirchen (epd). Erst stiegen die Pegel der Erft und des Veybaches höher und höher. Dann gingen ganze Häuser in den reißenden braunen Fluten unter. Auch viele Einrichtungen der dortigen Caritas. Markus Lahrmann von der Caritas NRW holt tief Luft und zählt sie auf: Völlig ruiniert sind in Euskirchen die örtliche Geschäftsstelle, die Tagespflege für Senioren, in Bad Münstereifel die katholische Pflegestation, das Betreute Wohnen für Suchtkranke, ein Jugendzentrum und die Beratungs- und Begegnungsstätte für Flüchtlinge. Alle Gebäude versanken meterhoch in Wasser, Schlamm und Schutt. „Noch ist die Höhe der Schäden nicht zu beziffern“, berichtet Lahrmann. Fest stehe aber schon, dass sämtliche Räume, sofern sie nicht vom Einsturz bedroht seien, von Grund auf renoviert werden müssten.
Lahrmann hat noch viele weitere Caritas-Einrichtungen auf dem Zettel, die derzeit lahmgelegt sind: etwa die Caritas-Zentrale in Schleiden und die örtliche Sozialstation, der zudem vier Autos weggespült wurden. In Kall am Fluss Kyll sei die Sozialstation komplett zerstört, „Fußboden und Estrich sind weg“, berichtet Lahrmann. Alles Mobiliar, alle Technik, die ganze Einrichtung ist dahin. Auf Twitter schreibt der Verband: „Es steht völlig in den Sternen, wann wir in Kall wieder Beratungen in funktionierenden Büros anbieten können.“
Während Kliniken in evangelischer Trägerschaft nach Angaben des Dachverbandes DEKV von der Katastrophe nicht betroffen sind, hat es vier Kliniken der Caritas in Ahrweiler, Eschweiler, Erftstadt und Ehrang schwer erwischt. Sie wurden nach den Angaben ganz oder teilweise evakuiert, arbeiten nur noch im Notbetrieb. Allein in der Radiologie im St. Antonius Hospital Eschweiler flutete die Inde medizinische Geräte für zehn Millionen Euro. Frühestens im Herbst, sagt Uwe Janssens, Chefarzt der Klinik, sei wieder ein normaler Betrieb möglich. Doch in all dem Chaos der Aufräumarbeiten entdeckt der bekannte Intensivmediziner auch etwas Positives: „Ich hatte in der Corona-Krise das Gefühl, dass die Bevölkerung auseinanderdriftet. Wenn ich aber jetzt sehe, wie die Menschen hier zusammenstehen, dann macht mich das froh.“
Bislang gebe es keine zentrale Erfassung der Schäden, erläutert Lahrmann von der Caritas NRW weiter. „Jeder Diözesan-Caritasverband hat eine Koordinationsstelle für Fluthilfe eingerichtet, die sich um Verteilung von Hilfsgeldern, die über das zentrale Spendenkonto der Caritas eingehen, kümmern.“
Jetzt wird mit vielen freiwilligen Helfern zunächst entrümpelt. Zerstörtes Mobiliar und sämtliche Einrichtungsgegenstände müssten entsorgt werden, dann der Schlamm rausgebracht und die Wände getrocknet werden. „Erst danach wird zu klären sein, was Versicherungen übernehmen. Bis wann die baulichen Schäden behoben sein werden, ist noch nicht abzusehen.“ Handwerkerfirmen würden über Monate in Massen benötigt. Auch der Abriss ganzer Gebäude sei nicht ausgeschlossen.
Alle Evakuierten sind in anderen Einrichtungen untergebracht und gut versorgt, „es liegen keine Berichte über Versorgungsnotfälle vor“. Man helfe sich untereinander, so gut es gehe: „Die Solidarität im Verband ist hoch“, lobt Lahrmann. „Wir werden in den kommenden Tagen Lösungen für die betroffenen Dienste finden, soweit möglich. Die Kommunikation in Euskirchen ist immer noch stark eingeschränkt“, schreibt die Caritas Euskirchen auf Twitter.
Massive Schäden beklagt auch die Diakonie. So muss das überflutete und evakuierte Seniorenheim in Hagen vollständig saniert werden. Komplett zerstört sind laut Pressesprecherin Sabine Damaschke von der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe (RWL) im Kreis Ahrweiler auch Häuser, in denen Kinder- und Jugendwohngruppen der evangelischen Jugendhilfe Godesheim ihr Domizil haben. „Als Diakonie RWL bieten wir Kirchengemeinden und Sozialberatungsstellen an, pauschal mehrere tausend Euro zu überweisen, damit sie schnell und unbürokratisch direkt betroffenen Menschen vor Ort helfen können.“ Sachspenden seien für viele betroffene Einrichtungen ungünstig, denn den meisten fehlen die Logistik und auch der Lagerraum. „Spenden sind dagegen weiterhin willkommen.“ Bis zum 21. Juli waren auf den Konten von Kirche und Diakonie bereits 8,8 Millionen Euro eingegangen.
„Dort, wo die Räume nach und nach wieder trocken gelegt werden, kommen weitere Schäden zum Vorschein, die Wasser und Schlamm hinterlassen“, teilte der Paritätische Wohlfahrtsverband mit, der eine Spendenkampagne speziell für die sozialen Einrichtungen gestartet hat: „Ohne Hilfe werden gerade die vielen kleinen Vereine die Kosten zum Wiederaufbau nicht stemmen können.“ Es drohe die Gefahr, dass Hilfs-, Betreuungs- und Beratungsangebote eingestellt werden müssten - und damit die Verödung der sozialen Landschaft.
Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hofft auf schnelle staatliche Hilfen. Die Träger sozialer Arbeit in den betroffenen Gebieten stünden vor großen Herausforderungen. „Pflegeeinrichtungen oder Kitas mussten geschlossen oder geräumt werden, alternative Unterkunft ist zum Teil nur unter Schwierigkeiten zu finden. Auch die ambulante Betreuung ist angesichts gesperrter Regionen und evakuierter Pflegebedürftiger derzeit nur bedingt zu leisten“, sagte Jens M. Schubert, Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes.
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass die soziale Infrastruktur vor Ort erhalten bleibt: dass beispielsweise Pflegebedürftige weiter versorgt werden und Kitas kurzfristig anderweitig unterkommen können“, erläuterte Schubert. Das werde viel Geld kosten, weil neue Räumlichkeiten angemietet, lange Routen für die ambulante Versorgung gefahren oder die eigenen Helferinnen und Helfer psychologisch unterstützt werden müssten.
Kall (epd). Die Straßen sind zum Teil komplett weggespült, zwischen den Häusern liegen Bruchstücke von Möbeln und privater Habseligkeiten. „Die Menschen haben hier alles, was ihre Identität ausmacht, verloren“, sagt Diakoniepräsident Ulrich Lilie erschüttert bei seinem Besuch am 22. Juli in der Gemeinde Kall im Kreis Euskirchen. Gemeinsam mit der Diakonie Katastrophenhilfe und der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) hat er dort die ersten vier Trocknungsgeräte ausgeliefert. Weitere sollen in den nächsten Tagen folgen. Die Diakonie unterstützt die Menschen außerdem mit Auszahlungen von Soforthilfen.
Die Menschen, mit denen Lilie gesprochen hat, haben beim Erzählen ihrer Schicksale oft die Fassung verloren, wie der Diakoniepräsident dem Evangelischen Pressedienst (epd) berichtet. „Es gibt hier viele traumatisierte Menschen, die wirklich alles verloren haben“, sagte er. Deshalb brauche es viel seelsorgerliche und therapeutische Langzeitbegleitung. „Das haben wir den Menschen versprochen: 'Wir bleiben an eurer Seite, wir wollen Verbündete sein'“, unterstrich Lilie. Die Diakonie werde auch Fachleute vor Ort bringen, die den Aufbau und die Hilfen mit den Menschen vor Ort koordinieren.
Das Ausmaß dieses Katastrophenfalls werde erst richtig deutlich, wenn die Agenturen nicht mehr täglich berichten, ist Lilie überzeugt. Hier brauche es langfristige Unterstützung. „Das wird eine Frage von Jahren sein“, sagte er.
Jetzt stehe zunächst die schnelle Hilfe im Vordergrund: „Es geht darum, dass die Leute erstmal das Nötigste bekommen, um den täglichen Bedarf zu decken.“ Wer seine Adresse nennt und bedürftig ist, kann laut Lilie mit schneller Ersthilfe rechnen. „Wir haben uns gerade davon überzeugt, wie dringend notwendig das ist.“
Mit den Bargeldauszahlungen - rund 1.500 Euro für eine Einzelperson - könnten die Betroffenen selbst entscheiden, was sie am dringendsten benötigten, erläutert Lilie. Die Auszahlungen könnten für technisches Gerät zur Beseitigung der Flutschäden ebenso eingesetzt werden wie für eine Unterbringung, wenn das eigene Haus unbewohnbar sei, sowie für Lebensmittel oder Hausrat. Bei der Hilfe seien alle Bedürftigen im Blick - nicht nur diejenigen, die zur Kirche gehören.
Dass die Hilfen möglich wurden, sei auch der überwältigenden Spendenbereitschaft der Menschen zu verdanken, hob Lilie hervor. Die Diakonie RWL hatte bereits am 20. Juli berichtet, dass fünf Millionen Euro Spenden für die Opfer des Hochwassers in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eingegangen seien. Der Spendenaufruf von Diakonie und den drei evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen stoße auf eine enorme Hilfsbereitschaft.
Auch die Solidarität vor Ort sei gewaltig, sagte Lilie. Allerdings würden die Hilfen langfristig gebraucht. „Was die Menschen jetzt gerade leisten, das werden sie nicht lange durchhalten können“, erklärte der Theologe. Deshalb bräuchten sie zuverlässige Verbündete und nachhaltige Strukturen. Diese sollten ihnen helfen, das, was sie in den nächsten Jahren vorhaben, auch durchzuhalten, beschrieb Lilie die Aufgabe die Aufgabe für Kirche und Diakonie.
Köln, Düsseldorf (epd). Ärzteverbände warnen vor den Folgen des Unwetters auf die medizinische Versorgung in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. „Niemand hat aber bisher ein komplettes Bild von dem genauen Ausmaß der Zerstörungen der medizinischen Grundversorgung in beiden Bundesländern“, sagte der Vorsitzende des Marburger Bundes NRW/Rheinland-Pfalz, Hans-Albert Gehle, am 21. Juli in Köln. „Wir wissen derzeit von über 20 Arztpraxen alleine in Rheinland-Pfalz, die nicht mehr arbeitsfähig sind.“
Laut der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein sind in der Region etwa 80 Praxen nicht mehr oder nur bedingt arbeitsfähig. Am schwersten betroffen ist der Bereich Aachen mit 30 Praxen - hier vor allem Stolberg und Eschweiler. Aber auch der Kreis Euskirchen (16 Praxen) und der Rhein-Sieg-Kreis (13 Praxen) hätten stark unter den Wassermassen leiden müssen. In vielen Praxen gebe es weder fließendes Wasser noch Strom - außerdem wurden medizinische Geräte, Medikamente, Impfstoffe und Akten zerstört.
„Es ist unbegreiflich, welches Leid die Flutkatastrophe bei vielen Menschen verursacht hat. Für uns hat nun die Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung oberste Priorität“, sagte der KV-Vorstandsvorsitzende Frank Bergmann. Nun setze man auf „möglichst schnelle und unbürokratische Hilfe für unsere von den Hochwasserschäden betroffenen Praxen“.
Auch der Hausärzteverband Nordrhein warnt vor Versorgungslücken. „Wenn die Menschen in ihre Häuser zurückkehren, brauchen sie die Sicherheit, dass es auch wieder eine funktionierende ärztliche Versorgung im Ort gibt“, erklärte der Verband. Strom- und Telefonnetze seien immer noch sehr instabil, medizinische Geräte zerstört oder nicht einsatzfähig, Etliche Arztpraxen seien überdies nicht erreichbar und Medikamente könnten oft nur eingeschränkt in die betroffenen Gebiete geliefert werden.
Düsseldorf (epd). Hunderte Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger arbeiten aktuell in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, um den Betroffenen der Flutkatastrophe zu helfen. „Die Lage erschüttert selbst hartgesottene, ganz erfahrene Kräfte“, sagte die Landespfarrerin der rheinischen Kirche für Notfallseelsorge, Bianca van der Heyden, am 19. Juli dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Intensität und die geballte Masse der Ereignisse mit Tausenden von Betroffenen sei auch für die Notfallseelsorger eine Herausforderung. „Das ist Energie, mit der man auch als Seelsorger erstmal umgehen muss“, sagte die Seelsorgerin und betonte die große Bedeutung der Nachsorge für Einsatzkräfte und Notfallseelsorger.
Betroffene der aktuellen Flutkatastrophe müssten zuerst einmal wieder ein Gefühl von Sicherheit bekommen, erklärte die Seelsorgerin. „Das Wichtigste ist, zu vermitteln: jetzt bist du in Sicherheit.“ Durch die Katastrophe sei das Urvertrauen Tausender Menschen erschüttert worden, die in den Wassermassen ihr Hab und Gut oder gar geliebte Menschen verloren haben. Zudem sei es wichtig, wieder ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zurück zu erlangen und durch kleine Aktionen wieder aus der erlebten Machtlosigkeit herauszutreten wieder selbst etwas tun zu können.
Van der Heyden koordiniert die Notfallseelsorge der rheinischen Landeskirche. So könnten etwa kleine Seelsorge-Teams, wie im besonders schwer betroffenen Ahrweiler, die aktuelle Krisensituation nicht alleine stemmen, erklärte die evangelische Theologin. Deshalb habe es sie sehr berührt, dass die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung und auch die Unterstützung aus anderen Landeskirchen so enorm sei. Für die Notfallseelsorge brauche es, vor allem in solch extremen Fällen, sehr gut ausgebildete Kräfte.
Auch Schaulustige und sogenannte Katastrophentouristen seien eine enorme Belastung, mahnte die Notfallseelsorgerin: „Das ist fürchterlich für Betroffene und Einsatzkräfte.“ Verschiedene Regionen wie der Kreis Erftstadt und die Städteregion Aachen hatten am Wochenende erklärt, dass Schaulustige die Arbeit von Einsatzkräften stören und dazu aufgerufen, die betroffenen Gebiete weitläufig zum umfahren.
Unbedachte Interviews, etwa von Nachbarn, mit dramatischen Schilderungen der Ereignisse seien für Betroffene ebenfalls schwierig, erklärte van der Heyden. Solche Schilderungen in TV-Interviews enthielten oft extreme Details oder Überzeichnungen. „Das kann tiefe Emotionen wecken und Menschen wieder in die Situation versetzen“, erklärte die Notfallseelsorgerin. „Wir wollen den Menschen aber eigentlich helfen, sich von diesen schrecklichen Situationen vorerst zu distanzieren.“ Deshalb rate sie Betroffenen zu einem bedachten Fernsehkonsum. Sachliche Informationen über die weiteren Entwicklungen seien zum Verarbeiten der Ereignissen hingegen sehr wichtig.
Wiesbaden/Berlin (epd). Im vergangenen Jahr haben die Jugendämter in Deutschland so viele Kindeswohlgefährdungen festgestellt wie noch nie seit Einführung einer entsprechenden Statistik 2012. Das Statistische Bundesamt meldete am 21. Juli in Wiesbaden fast 60.600 Fälle, rund neun Prozent mehr als 2019. Neben einer zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung für den Kinderschutz könnten im Corona-Jahr 2020 auch die Belastungen von Familien infolge der Kontaktbeschränkungen ein Grund für die Zunahme gewesen sein, hieß es.
Familien- und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sieht in dem deutlichen Anstieg von Kinderwohlgefährdungen einen „weiteren wichtigen Grund dafür, künftig Schulen und Kitas geöffnet zu halten“, wie sie am Mittwoch in Berlin sagte. Die Statistikbehörde schließt nicht aus, dass ein Teil der Fälle etwa wegen vorübergehender Schulschließungen unentdeckt geblieben ist. Bundesweit prüften die Jugendämter im Jahr 2020 knapp 194.500 Verdachtsmeldungen, das waren zwölf Prozent mehr als 2019.
Schulen und Kitas haben laut Lambrecht eine wichtige Schutzfunktion für Kinder und Jugendliche, die in ihren Familien häuslicher Gewalt, Vernachlässigung oder Missbrauch ausgesetzt sind. Die Ministerin wies darauf hin, dass unmittelbar nach Beginn der pandemiebedingten Einschränkungen die Online-Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche ausgebaut und erweitert worden seien, damit diese sich Hilfe holen konnten.
Bereits in den beiden Jahren vor der Corona-Pandemie war laut Statistischem Bundesamt die Zahl der festgestellten Kindeswohlgefährdungen um jeweils zehn Prozent gestiegen. 2020 war etwa jedes zweite betroffene Kind jünger als acht Jahre (51 Prozent) und jedes dritte jünger als fünf Jahre (33 Prozent). Etwa die Hälfte (49 Prozent) der betroffenen Jungen und Mädchen hatte zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch genommen.
Die meisten der rund betroffenen 60.600 Kinder wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf (58 Prozent). Bei rund einem Drittel aller Fälle (34 Prozent) wurden Hinweise auf psychische Misshandlungen beispielsweise in Form von Demütigungen, Einschüchterungen und Isolierung gefunden. In etwas mehr als einem Viertel (26 Prozent) der Fälle gab es Indizien für körperliche Misshandlungen und in fünf Prozent Anzeichen für sexuelle Gewalt.
„Die Netzwerkarbeit im Kinderschutz muss endlich über gesetzliche Kooperationsgebote in diversen Berufsfeldern verankert und ausreichend finanziert werden“, sagte die Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink. Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen müsse dauerhaft auskömmlich finanziert sein. „In Jugendämtern, bei der Polizei und der Justiz muss eine ehrliche Bestandsaufnahme gemacht werden, welche behördliche Personalausstattung tatsächlich notwendig ist, um Gewalt an Kindern effektiv bekämpfen zu können“, sagte die Expertin.
Auf Landesebene sollten nach ihrer Ansicht Kinderschutz-Fachberatungsstellen ausgebaut und finanziell abgesichert werden. Und „Zu empfehlen ist zudem die Schaffung von Landesbeauftragtenstellen analog zum Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs im Bund. Außerdem sollte die Schaffung von Kinder- und Traumaambulanzen in den Ländern verbindlich sichergestellt werden.“
Ähnlich äußerte sich der VdK. Präsidentin Verena Bentele sagte, „der Staat hat auf ganzer Linie dabei versagt, die Schwächsten unserer Gesellschaft zu schützen. Die Politik muss umgehend ein Gesamtkonzept vorlegen, um Kinder und Jugendliche zukünftig vor Gewalt und Vernachlässigung zu bewahren.“
Bernd Siggelkow, Gründer des Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“ stützt die Kritik. Bei seinen Besuchen in Familien, die in prekären Verhältnissen leben, begegnten ihm verstörte Kinder, verzweifelte Eltern, zerrüttete Familien, Armut, Gewalt, Verwahrlosung und Hilflosigkeit. Die Hilfesysteme seien heruntergefahren, viele Kinder- und Jugendeinrichtungen geschlossen. „Auch wenn die Corona-Pandemie irgendwann überwunden sein wird: Das Leid, das Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien erfahren haben, wird lebenslange Folgen haben.“
Berlin (epd). Einer Studie des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos zufolge haben die Erfahrungen in der Corona-Pandemie vielerorts zum Umdenken geführt und den Weg für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf geebnet. Fast zwei Drittel (65 Prozent) der befragten Unternehmen wollen flexiblere Arbeitsmodelle nach dem Ende der Corona-Krise zumindest zum Teil beibehalten, wie aus der am 22. Juli in Berlin veröffentlichten Studie hervorgeht. Zuerst hatte das ARD-Hauptstadtstudie darüber berichtet.
Familien- und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) rief Beschäftigte und Arbeitgeber dazu auf, nicht wieder in alte Muster zurückzufallen, sondern die gemachten Erfahrungen für eine „familiengerechte Arbeitswelt“ zu nutzen. Eine wesentliche Erkenntnis der Prognos-Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums lautet, dass eine gute Kommunikation entscheidend ist. Es gehe meist darum, individuelle Lösungen zu finden und nicht eine Regel für alle. Der Studie zufolge haben viele Mütter und Väter mit Kindern unter 15 Jahren in der Pandemie das Gespräch mit Vorgesetzten gesucht. 81 Prozent hätten angegeben, dass ihnen weitergeholfen wurde. 30 Prozent seien der Meinung, durch Corona habe sich in ihrem Betrieb jetzt insgesamt die Möglichkeit verbessert, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.
Die meisten Unternehmen sind laut den Prognos-Umfragen mit ihren krisenbedingten Entscheidungen für familienfreundliche Maßnahmen zufrieden: 88 Prozent gaben an, es sei eine gute Entscheidung gewesen, entsprechende Angebote für ihre Mitarbeitenden eingeführt oder ausgeweitet zu haben.
Weiter geht aus der Studie hervor, dass insgesamt 41 Prozent der Unternehmen im Laufe der Krise Homeoffice ausgeweitet oder neu eingeführt haben. „Gerade Unternehmen, die dem Homeoffice skeptisch gegenüberstanden, haben umgedacht und erkennen die Vorteile, die Homeoffice entfalten kann, wenn gleichzeitig die Kinderbetreuung gesichert ist“, schreiben die Studienautorinnen und -autoren.
Die Umfragen geben auch Hinweise auf einen kulturellen Wandel in den Unternehmen: Entgegen der These, Corona habe dazu geführt, dass Mütter aus dem Erwerbsleben herausgedrängt werden, sprachen sich in der Befragung 78 Prozent der Unternehmen gegen eine Re-Traditionalisierung der Elternrollen und für aktive Vaterschaft aus.
Familienministerin Lambrecht, es bestehe jetzt die Chance, eine neue Qualität der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Auch die Wirtschaft profitiere von guten Arbeitsbedingungen für Eltern, „das haben die meisten Unternehmen inzwischen erkannt“, äußerte sich die Ministerin zuversichtlich.
Die repräsentative Untersuchung wurde von der Prognos AG (Europäisches Zentrum für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach erstellt. Für die Sicht der Firmen wurden Personalverantwortliche befragt, im Frühjahr und Sommer 2020 in 750 Telefoninterviews, im Frühjahr 2021 in 700 Interviews per Telefon. Auch die beschäftigten Eltern mit Kindern unter 15 Jahren wurden zweimal befragt, und zwar online. Es gab fast 1.500 Befragungen im Jahr 2020, gut 1.000 Befragungen im laufenden Jahr. In einem zweiten Schritt wurden für Fallstudien sechs Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Regionen genauer betrachtet.
Nürnberg (epd). Homeoffice und Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung haben in der Corona-Pandemie zu einer Verschiebung von Arbeitszeiten in die Abendstunden und auf das Wochenende geführt. Davon waren mehr Frauen als Männer betroffen, wie aus Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. „Vor allem Mütter arbeiteten häufiger am Wochenende oder abends, unter anderem um ihre Kinder bei Schul- und Kitaschließungen oder während des Distanzunterrichts betreuen zu können“, erklärte die Forscherin Corinna Frodermann am 20. Juli in Nürnberg.
Rund 52 Prozent der Mütter mit Kindern unter 14 Jahren haben laut dem Institut ihre Arbeitszeit zu Beginn der Pandemie im April 2020 zumindest teilweise auf die Abendstunden oder das Wochenende verlagert. Bei Vätern habe dies auf rund 31 Prozent zugetroffen. Der Anteil bei Müttern sank demnach bis Oktober 2020 auf rund 26 Prozent, lag im Schnitt aber immer noch deutlich höher als bei Vätern mit rund 18 Prozent.
Insgesamt hätten 33 Prozent der Beschäftigten, die im April 2020 Kinder unter 14 Jahre zu betreuen hatten, ihre Arbeitszeiten zumindest teilweise verlagert, hieß es. Bei denjenigen ohne Kinder seien es 16 Prozent gewesen.
Mehr als ein Drittel derjenigen, die zumindest teilweise von zu Hause arbeiteten, habe im April 2020 angegeben, zu anderen Zeiten zu arbeiten als noch vor der Pandemie. Bei den Beschäftigten, die kein Homeoffice nutzten, seien es nur knapp 15 Prozent gewesen. Bis Oktober 2020 seien die Anteile in beiden Gruppen auf etwa 18 sowie 5 Prozent gesunken.
Die Daten beruhen auf einer Befragung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern privatwirtschaftlicher Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten. In April vergangenen Jahres haben 1.212, im Juni 909 und im Oktober 682 Personen teilgenommen.
München (epd). Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist in der Corona-Pandemie laut einer Studie kaum gestiegen. Anders dagegen sieht es bei den übrigen OECD-Ländern aus, wo die Arbeitslosigkeit bei den 15- bis 24-Jährigen im Durchschnitt um mehr als 50 Prozent gewachsen ist, wie aus einer Mitteilung des Münchner ifo Instituts vom 22. Juli hervorgeht. In Deutschland bewegte sich die Quote laut einer ifo-Grafik in dem wissenschaftlichen Aufsatz vor und während der Pandemie zwischen fünf und sechs Prozent.
Besonders deutlich sei dagegen der Anstieg in den USA, Kanada und Schweden zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 gewesen, sagte die ifo-Forscherin Lavinia Kinne. Danach sei die Quote wieder stark gesunken. Ähnlich verhalte es sich bei Frankreich, obwohl dort der Anstieg nicht so stark gewesen sei. Das ifo Institut bezog sich mit seinen Zahlen auf eine Auswertung aktueller OECD-Daten zwischen September 2019 und März 2020.
Sprunghafter Anstieg im Februar und März 2020
Eine Grafik zeigt dabei, dass die Jugendarbeitslosigkeit vor allem im Februar und März 2020 in einigen Ländern sprunghaft gestiegen ist: in Kanada etwa von rund zehn auf knapp unter 30 Prozent, in den USA von rund acht Prozent auf etwa 27 Prozent und in Schweden von etwa 19 auf rund 28 Prozent.
Auch die Auswirkungen der Pandemie auf die seelische Gesundheit der jungen Leute wurde untersucht: Daten aus Belgien, Frankreich und den USA hätten ergeben, dass die Häufigkeit von Angstzuständen und Depressionen bei jungen Leuten während der Corona-Pandemie um 30 bis 80 Prozent höher liege als bei der übrigen Bevölkerung. So hätten etwa 27 Prozent der Kanadier zwischen 14 und 24 Jahren von Angstzuständen berichtet, während es bei den 25- bis 64-jährigen Kanadiern nur 19 Prozent waren.
Nürnberg (epd). Am Ende ihrer studentischen Projektarbeit waren sie von den Interviews mit Betroffenen so bewegt und inspiriert, dass sie ihr Thema an eine größere Öffentlichkeit weitergeben wollten, sagt Johanna Jahn. Fünf Studierende der Evangelischen Hochschule Nürnberg haben deshalb unter dem Titel „Make Noise for the Quiet“ eine kleine Ausstellung geschaffen, die bis Ende Juli zu sehen ist. Die Erfahrungen von fünf - teils ehemals - von Armut betroffene Menschen rücken sie in den Mittelpunkt.
Die Gesprächspartner geben den Studentinnen und Studenten bereitwillig Auskunft, als sie für den Studienschwerpunkt „Armut in der Sozialen Arbeit“ nach Erfahrungen aus der Obdachlosigkeit oder der Drogenkarriere fragen. „Hinter jeder Person steckt ein eigenes Schicksal“, sagt Studentin Laura Denk.
Die Aussagen finden die Studierenden so prägnant, dass sie ihre Projektidee verwerfen, ein Lied mit eigenen Worten über Armut zu schreiben. Stattdessen wollen sie lieber die „Betroffenen selbst zu Wort kommen lassen und nicht über die Betroffen sprechen“, stellt Johanna Jahn fest. Sie filtern aus den Interviews einzelne Passagen und montieren sie zu einem Songtext mit dem Titel „Um auch ein Teil zu sein“. „Wir haben kein Wort hinzugefügt“, unterstreicht Kommilitonin Elena Bräu.
Es sind Satzteile wie „ungewollt, ungesehen, unverstanden“, „von Anfang nichts wert“ oder „sie wollen mich nicht sehen“ die dem Lied ihre besondere Authentizität gibt. Eine eingängige Melodie wird komponiert, Studentin Theresa Götz singt es ein. Das Lied „Um auch ein Teil zu sein“ soll demnächst auch bei Youtube unter dem Projektnamen „Make Noise for the Quiet“ zu finden sein.
Zusätzlich entsteht die Ausstellungsidee im Nürnberger Kulturladen Villa Leon. Armut ist auch heute noch ein stigmatisiertes Thema, ist sich das Team einig. Meist werde weggesehen oder die Problematik aus dem Bewusstsein verdrängt. „Dem möchten wir mit unserem Projekt entgegenwirken“, führt Elena Bräu aus.
Es finden sich beispielsweise eindrückliche Aussagen der ehemaligen Drogenabhängigen Richie Steeger, die sich umgerechnet „zwei große Häuser durch die Adern gejagt“ hat. Und weiter stellt Steeger fest: „Wir werden mit Steinen beworfen, wir werden wie Asoziale behandelt.“ Besonders am Herzen liegt ihr, dass Obdachlose oder Hartz-IV-Empfänger Menschen wie jeder andere sind. „Wir haben kein grünes Blut.“
Der ehemalige Obdachlose Thomas Kraft berichtet von seinem Lokal, das einmal gut ging und seiner gescheiterten Ehe. Es folgt ein tiefer Absturz und der mühsame Weg wieder zurück in ein normales Leben. Für ihn, so erfahren Besucher in der Ausstellung, war es der schwerste Moment in seinem Leben, sich trotz zweier Ausbildungen als erwachsenes Mannsbild einzugestehen: „Ich in gescheitert und weiß nicht mehr weiter. Dass ich Hilfe brauch, das war unglaublich schwer.“
Für Johanna Jahn ist eine ihrer wichtigsten Erkenntnisse aus den intensiven Interviews: „Es kann jeden treffen.“ Das Bild von faulen Menschen oder selbstverschuldeter Armut sei falsch. „Man fällt unheimlich schnell und kommt schwer wieder raus.“
Auch bei einer alleinerziehenden Mutter mit vier schulpflichtigen Kindern erlebten die Studierenden die größte Sorge - nämlich die um ihre Kinder. Sie sollten auf alle Fälle nicht in die Spuren des mütterlichen Lebenslaufs treten. Doch bei ihrem Gespräch mit der Mutter in Pandemie-Zeiten entdeckten sie die ganz konkreten Auswirkungen von Armut. Denn für das andauernde Home-Schooling fehlte nicht nur der Platz, sondern auch vier PCs. Man hätte sich zwar auch Geräte aus der Schule ausleihen können, aber das finanzielle Risiko bei einem Defekt für Ersatz zu sorgen, war der Mutter zu groß.
„Wir sind privilegiert“, ist ein zentrales Fazit von Laura Denk, weil sie alle in stabilen Familien mit guter Bildung aufgewachsen sind. „Das ist nicht selbstverständlich, sondern Zufall.“
Fulda (epd). Ein europäisches Verbundprojekt untersucht die Strategien verschiedener europäischer Städte im Umgang mit Migrantinnen und Migranten mit prekärem Aufenthaltsstatus. Deren Inklusion wird den Angaben der Hochschule Fulda zufolge am Beispiel von Frankfurt am Main, Wien und Cardiff ergründet. Beteiligt sind neben Fulda die University of Oxford und die Technische Universität Wien in Kooperation mit den jeweiligen Stadtverwaltungen.
Wie die Städte mit dem Problem umgehen, will die Initiative „LoReMi - Local Responses to Precarious Migrants. Frames, Strategies and Evolving. Practices in Europe“ untersuchen. Ziel sei es, lokale Ansätze zu analysieren und soziale Innovationen anzustoßen. Für das Teilvorhaben Frankfurt am Main kooperieren Professor Ilker Ataç und Maren Kirchhoff von der Hochschule Fulda mit Petra Tiarks-Jungk (ärztliche Leiterin Humanitäre Sprechstunden) und Sarah Alexandra Lang (Koordination Humanitäre Gesundheitsdienste) vom Gesundheitsamt Frankfurt.
Zum Hintergrund der Studie heißt es, die europäischen und nationalstaatlichen Regulierungen für Migranten mit prekärem Aufenthaltsstatus seien in den vergangenen Jahren immer restriktiver geworden. „Häufig ist diese Gruppe von legalen Arbeitsmöglichkeiten und dem Zugang zu sozialen Leistungen weitgehend ausgeschlossen.“ Die Ausgrenzung sei nicht nur angesichts existierender menschenrechtlicher Verpflichtungen problematisch. Es liege im Interesse von Kommunen, diese Personen in städtisches Handeln einzubeziehen, etwa um Obdachlosigkeit zu verhindern. Aber. „Diesem pragmatischen Ansatz stehen wiederum zahlreiche Barrieren entgegen, nicht zuletzt auch strukturelle Diskriminierung und die Angst der Betroffenen vor einer Abschiebung“, heißt es in der Mitteilung.
Dieser Ausschluss von Migranten von sozialen Leistungen gefährde die wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit auf der lokalen Ebene, erläutert der Fuldaer Professor Ilker Ataç. Städte seien unmittelbar und tagtäglich mit den Folgen konfrontiert, wenn Teile der städtischen Bevölkerung von sozialen Leistungen ausgegrenzt werden. Zahlreiche Kommunen entwickelten Ansätze, um die Migranten mit prekärem Aufenthaltsstatus zu unterstützen. „Sie begründen diese Unterstützung als Ausdruck der Solidarität, des Schutzes der Menschenrechte oder als pragmatische Reaktion zur Erreichung weitergehender städtischer Interessen. Ein Musterbeispiel für einen solchen inklusiven Ansatz kommt aus Frankfurt am Main. Das Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main bietet seit 2001 in Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation Maisha e. V. “Humanitäre Sprechstunden" an.
„Wir sehen durchaus auch in Frankfurt weiteres Potenzial für Verbesserungen. So gibt es in vielen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München bereits etablierte Beratungsstellen, die über einen Behandlungsfonds verfügen, aus dem dringend notwendige medizinische Behandlungen bezahlt werden können - unabhängig vom Aufenthaltsstatus,“ erklärten Petra Tiarks-Jungk und Alexandra Sarah Lang.
„Ende August wird es einen ersten Workshop geben, um in Austausch mit lokalen Stakeholdern zu treten“, erläuterte Maren Kirchhoff. "Wir wollen so den Anstoß zu einer besseren Kooperation zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren liefern und zu einem Wissenstransfer beitragen. Die Ergebnisse des Projekts würden nach Abschluss der qualitativen Forschung mit den beteiligten Akteuren diskutiert. Hierfür sind eine Veranstaltung zum Wissenstransfer im Juli 2022 sowie eine internationale Abschlusskonferenz im September 2022 geplant, die beide in Frankfurt am Main stattfinden werden, hieß es.
Berlin (epd). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat ein Zehn-Punkte-Programm zum Ausbau der Kita-Betreuung veröffentlicht. Darin werde etwa aufgezeigt, wie der Ausbau fortgeführt werden kann, einheitliche Qualitätsstandards geschaffen werden und der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher attraktiver werden können, heißt es in einer Mitteilung vom 16. Juli. Adressat sei die künftige Bunderegierung, so das DIW.
Der Handlungsbedarf bestehe nicht nur, aber auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. „Sie hat noch einmal unterstrichen, wie systemrelevant Kitas sind - gleichermaßen als Betreuungs- und als zentrale Bildungseinrichtungen.“ Obwohl für die Kindertagesbetreuung in erster Linie Länder und Kommunen zuständig seien, habe sich der Bund in den vergangenen Jahren, etwa mit finanziellen Zuschüssen und dem Gute-KiTa-Gesetz, verstärkt engagiert. Er sollte dies künftig noch stärker tun, denn im Kita-Bereich werden die Grundsteine zur Bewältigung großer Herausforderungen gelegt, etwa mit Blick auf das demografisch bedingt abnehmende Erwerbspersonenpotenzial und die Integration von zugewanderten Familien.
Weitere Anregungen sind etwa gestaffelte Kita-Gebühren je nach Einkommen mit dem Ziel große regionale Unterschiede bei den Gebühren abzuschaffen, die Umsetzung des Digitalpaktes für Kinder und die systematische Fort- und Weiterbildung des Fachpersonals.
Schwei (epd). Rush-Hour im Dorfidyll: Am Rande des 600-Seelen-Ortes Schwei in der niedersächsischen Wesermarsch biegen Autofahrer, Radler und Fußgänger in einen schmalen Weg kurz vor dem Ortsausgang ein. „Arzt“ steht unter dem Straßenschild. Die Menschen heben die Hand zum Gruß, nicken einander freundlich zu: „Moin!“, „Wie geht’s?“. Man kennt sich hier. Alle wollen noch schnell zum „Doktor“ - denn sie wissen: Um elf Uhr schließt Maciej Tomtala seine Sprechstunde. Dann hat er eine Stunde Pause, bevor er zu seinen Hausbesuchen aufbricht.
Vor anderthalb Jahren hat der 49-jährige gebürtige Pole die Praxis von seinem Vorgänger übernommen. Es ist eine Landarztpraxis wie im Bilderbuch. Das reetgedeckte Fachwerkhaus ist von Kastanienbäumen und Birken gesäumt. In einem Bachlauf quaken Frösche, im Garten summen die Bienen. Wer aus den Fenstern des Behandlungsraums blickt, verliert sich im endlosen Grün der Wesermarsch. In der Ferne weiden dicke, braune Kühe, noch weiter entfernt verschwimmen Windräder mit dem blauen Horizont.
Am Nachmittag packt der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie die Arzttasche und setzt sich ins Auto, um jenen Patienten einen Hausbesuch abzustatten, die nicht mehr zu ihm kommen können. Tomtala liebt sein Leben als Landarzt. Fast 2.000 Patientinnen und Patienten betreut er im Quartal. „Wenn man fleißig ist, kann man gut verdienen“, sagt der begeisterte Segler und Hobbyfotograf.
Tomtalas Enthusiasmus teilen nicht viele seiner Kollegen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) wird die Zahl der Hausärzte und Hausärztinnen von heute rund 5.000 bis zum Jahr 2035 auf 3.750 sinken. 2004 gab es noch fast 6.000. Besonders betroffen von dem Ärztemangel sind ländliche Gebiete. „Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung wird immer schwerer“, sagt der Sprecher der KVN, Detlef Haffke.
Nicht nur in Niedersachsen, in ganz Deutschland ist die Lage gravierend. Eine Studie der Robert-Bosch-Stiftung vom Mai hat ergeben: Fast 40 Prozent der deutschen Landkreise droht bis 2035 eine Unterversorgung mit Hausärzten. Dann würden bundesweit 11.000 Stellen unbesetzt sein. Besonders betroffen seien Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Baden-Württemberg.
Für diese Entwicklung gibt es der Studie zufolge mehrere Gründe: Zum einen gehen viele Hausärzte in den Ruhestand - deutschlandweit sind es fast 30.000. Dieser Verlust kann nicht durch junge Medizinerinnen und Mediziner und durch zugewanderte Ärzte wie Maciej Tomtala kompensiert werden. Zum anderen legen gerade junge Ärztinnen und Ärzte häufig mehr Wert auf die Work-Life-Balance als die Generation vor ihnen. Viele bevorzugen das Angestelltenverhältnis. Sie wünschen sich feste Dienstzeiten, Teilzeitmodelle, pünktlichen Feierabend, und sie wollen in Teams arbeiten und nicht allein eine Praxis verantworten.
Tomtala hat sich bewusst dafür entschieden, auf dem Land in einer eigenen Praxis zu arbeiten. „Ich bin frei, mein eigener Herr. Das ist wunderbar“, sagt er. Anderthalb Jahre war der dreifache Vater Chefarzt in der Helios Klinik Wesermarsch in Nordenham. „So eine Konzernklinik ist nichts für mich“, sagt er. Immer sei es nur um Zahlen und Wirtschaftlichkeit gegangen. „Es gab viel Druck und Stress.“ Die Menschlichkeit sei viel zu kurz gekommen. „Ich möchte Zeit für meine Patienten haben.“
Darüber freut sich die ältere Dame, die heute als erstes auf Tomtalas Hausbesuchsliste steht. Sie lebt auf einem Hof in der Bauernschaft Schweieraußendeich, wenige Kilometer von Tomtalas Praxis entfernt. Sie ist geh- und sehbehindert und froh, dass der Arzt zu ihr nach Hause kommt. „Ich kann ja kein Auto mehr fahren“, sagt sie.
Für den „Onkel Doktor“, wie sie Tomtala liebevoll nennt, hat sie alles vorbereitet. Die Krankenkassenkarte liegt im Wohnzimmer auf dem Couchtisch. Tomtala setzt sich zu ihr, klappt seinen Laptop auf und lächelt. „Wie geht‘s?“, fragt er. „Ich kann nicht klagen“, sagt die Frau. Ihr Blutdruck ist gut. „Den hätte ich auch gern“, scherzt Tomtala und entfernt die Messmanschette von ihrem Oberarm. „Na dann, maak good.“ Die alte Frau lacht. „Der Doktor ist prima“, sagt sie, „der kann sogar schon platt.“
Ein offenes Ohr haben, die richtige Ansprache finden, Zeit für einen Klönschnack: Tomtala weiß, dass das wichtig ist. „Das haben mir meine Arzthelferinnen beigebracht“, sagt er und lacht. Petra Schomaker ist eine von ihnen. Sie hat schon für Tomtalas Vorgänger gearbeitet und kennt manchen Patienten seit 28 Jahren. „Man muss die Leute zu nehmen wissen“, sagt sie. Männer zum Beispiel täten sich oft schwer, zum Arzt zu gehen. „Da kommt dann die Frau und sagt: 'Meinem Hermann geht’s nicht gut'.“
Lösungsvorschläge für den Hausarztmangel auf dem Land gibt es viele: Telemedizin, Gesundheitszentren, mobile Teams, die Landarztquote, die Bewerbern auch ohne Abi-Traumnote das Medizinstudium ermöglicht. Tomtala steht all diesen Vorschlägen aufgeschlossen gegenüber. Aber eines, so sagt er, bleibe das Wichtigste: „Menschlich sein und tolerant. Man muss seinen Beruf und die Patienten mögen.“
Hamburg (epd). Der Krankenstand ist bei den DAK-Versicherten im ersten Halbjahr 2021 stark gesunken. Laut einer Studie der Krankenkasse hatten die Beschäftigten von Januar bis Juni pro Kopf durchschnittlich 6,7 Fehltage. Das sind 22 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, wie die DAK am 22. Juli in Hamburg mitteilte. Vor allem bei den Atemwegserkrankungen gab es einen starken Rückgang, während die psychischen Erkrankungen zunahmen. Insgesamt sank der Krankenstand bei den DAK-versicherten Beschäftigten auf 3,7 Prozent.
Bis Ende Juni 2021 kamen auf 100 DAK-versicherte Beschäftigte nur 48 Fehltage wegen Atemwegserkrankungen, rund 92 Tage weniger als im Vorjahreszeitraum. Die DAK sieht vor allem die Abstands- und Hygienemaßnahmen während der Pandemie als Grund für den massiven Rückgang. „Die Maske ist im Kampf gegen Krankheitserreger so einfach wie wirkungsvoll“, sagte der DAK-Vorstandsvorsitzende Andreas Storm.
Die meisten Fehltage gab es im ersten Halbjahr wegen Rückenleiden und anderer Muskel-Skelett-Probleme. Ein Viertel des Arbeitsausfalls wurde damit begründet. Ein Fünftel wurde von psychischen Erkrankungen verursacht. Sie erreichten mit rund 133 Fehltagen je 100 Versicherte einen neuen Höchststand. „Die Pandemie mit allen ihren Begleiterscheinungen hat auf psychische Erkrankungen wie ein Verstärker gewirkt“, sagte Storm: „Was uns als Folge aus den Lockdown-Zeiten noch bevorsteht, können wir heute nur schwer abschätzen.“
Zurückgegangen sind die Fehlzeiten vor allem bei Berufen, die verstärkt Homeoffice praktiziert haben. So hatten Berufe in Recht und Verwaltung durchschnittlich 24 Prozent weniger Fehltage als im Vorjahreszeitraum. In Berufen mit häufigem direkten Menschenkontakt, etwa in Kitas oder Krankenhäusern, fiel der Rückgang geringer aus: Kita-Beschäftigte hatten ein Minus von durchschnittlich neun, Klinikpersonal von acht Prozent. Den geringsten Rückgang von nur fünf Prozent verzeichneten Altenpflegekräfte. Sie hatten im ersten Halbjahr durchschnittlich 9,8 Fehltage pro Kopf und damit rund einen halben Tag weniger als 2020.
In den östlichen Bundesländern war der Krankenstand mit 4,7 Prozent auch im Corona-Jahr höher als im Westen mit 3,6 Prozent. Ein Drittel der Beschäftigten im Osten hatte im ersten Halbjahr 2021 wenigstens eine Krankschreibung, im Westen nur ein Viertel. Krankschreibungen sind gesetzlich vorgeschrieben, wenn Beschäftigte länger als drei Tage bei der Arbeit krankheitsbedingt fehlen. Für die DAK-Studie hat das Berliner IGES Institut Daten von mehr als 2,3 Millionen Beschäftigten ausgewertet.
Das Personal an der Grenze der Belastbarkeit, die Zusammenarbeit mit den Kostenträgern schwierig, die Finanzlage angespannt: So beschreibt Markus Eisele die derzeitige Situation in der Graf Recke Stiftung. Die Krise habe aber auch viele Schwachpunkte aufgezeigt, die inzwischen beseitigt wurden. Eine große Herausforderung sieht der Vorstand im Ausbau der Digitalisierung, und zwar nicht nur in seinem Haus, sondern auch bei den staatlichen Verwaltungen.
epd sozial: Durch die Pandemie kamen auch viele Angebote der Sozialträger zum Erliegen. Hat das Virus Ihre Arbeit grundlegend verändert?
Markus Eisele: Die Arbeit vor Ort ist weiterhin sehr nachhaltig geprägt von den Einschränkungen durch Corona. Auch wenn es schon oft gesagt wurde, können auch wir bestätigen, dass Klienten in der Eingliederungshilfe, Bewohner in der Altenhilfe und Kinder und Jugendliche in der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur unter den Einschränkungen gelitten haben, sondern erhebliche Anstrengungen nötig sein werden, damit die psychischen Belastungen wieder abgebaut werden können.
Unseren Mitarbeitenden steckt die sehr hohe Belastung weiterhin in den Knochen. Das betrifft sowohl diejenigen, die vor Ort ihren Dienst tun, als auch die Mitarbeitenden, die in den Verwaltungen dafür sorgen müssen, dass die hochkomplexen staatlichen Unterstützungen in Anspruch genommen werden können.
Bis heute ist die Zusammenarbeit mit den Kostenträgern schwierig. Erreichbarkeit, ein Regelungsdschungel, unklare Zuständigkeiten und uneindeutige Verfahren führen die Verwaltung eines sozialen Trägers an die Belastungsgrenze. In der Zusammenarbeit in der Stiftung selbst, haben Videokonferenzen und Home-Office-Regelung zwar ein weitgehend geordnetes Zusammenarbeiten ermöglicht. Zugleich spüren wir, dass der profunde Austausch erschwert war und weiterhin ist. Die Ungewissheit, ob eine vierte Welle im Herbst zu erwarten ist, führt zu hoher Planungsunsicherheit.
epd: Klienten kommen zurück, können wieder betreut, begleitet und beraten werden. Doch finanzielle Löcher lassen sich meist nicht schließen. Wie ist Ihre heutige wirtschaftliche Situation?
Eisele: Zwar ist es teilweise gelungen, durch Einsparungen Umsatzverluste zu kompensieren, aber nicht jede staatliche Ausgleichsregelung greift. So werden Erlösausfälle in der Altenhilfe nach Vergleichsmonaten erstattet. Wenn der entsprechende Vergleichsmonat im Jahr 2020 nicht so gut war, dann verstetigt sich der Umsatz auf dem niedrigerem Niveau und es müssen bei vergleichsweiser unveränderten Rund-um-die-Uhr-Dienstleistungsangebot dennoch eingespart werden. Die unterschiedlichen Hilfefelder haben in sehr unterschiedlicher Weise Ausgleichszahlungen erhalten. Diese Ungleichbehandlung ist nicht immer nachvollziehbar und in unterschiedlichen Zuständigkeiten begründet.
epd: Viele Sozialträger richten sich neu aus, etwa bei der Digitalisierung. Welche Wünsche oder Forderungen haben Sie an die Politik, wenn es darum geht, auch in Zukunft krisensicher arbeiten zu können?
Eisele: Digitalisierung ist ein wichtiger Schlüssel. Die zur Verfügung gestellten Investitionshilfen für soziale Träger haben aber bei weitem nicht ausgereicht und müssen dringend aufgestockt werden. Wünschenswert wäre aber insbesondere, dass auch die staatlichen Verwaltungen digital besser aufgestellt sind, damit auch in Pandemiezeiten wichtige Entscheidungen, Belegungen und auch reguläre Rechnungsbegleichung nicht wie in dieser Pandemie immer weiter verzögert werden. Dass die staatlichen Akteure so unvorbereitet von der Pandemie getroffen wurden, was in ein Regelungschaos gemündet ist, hat die Steuerung der sozialen Arbeit, von der Organisation der Arbeit, Personaleinsatz, Beschaffung von Schutzausrüstung bis zum Liquiditätsmanagement in ungeahnter Weise erschwert. Hier bedarf es für die Zukunft klarer Strukturen und Regelungen.
Hamburg (epd). Mit 25 Studierenden startete die Ev. Fachhochschule am Hamburger „Rauhen Haus“ vor 50 Jahren. Mittlerweile studieren an der Ev. Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie, wie sie heute heißt, mehr als 600 Frauen und Männer in fünf Studiengängen. Bis heute seien persönlicher Zusammenhalt und leidenschaftliche Diskussionen das Markenzeichen der Hochschule, sagt Rektorin Kathrin Hahn.
Eigentlich sollte das 50-jährige Bestehen der Hochschule mit einem großen Fest und viel Prominenz gefeiert werden. Doch das Corona-Virus hat keine Feierlaune nicht aufkommen lassen. Jetzt wird das Jubiläum mit einer Veranstaltungsreihe bis zum Jahresende begangen.
Hervorgegangen ist die damalige Ev. Fachhochschule aus der Höheren Fachschule für soziale Arbeit, an der Erzieherinnen und Erzieher berufsbegleitend ausgebildet wurden. Um die Professionalisierung der Arbeit zu verbessern, entfiel bei der Neugründung der Fachhochschule diese Verpflichtung zur beruflichen Arbeit.
Zwei Mal bereits sollte die Hochschule als Sparmaßnahme geschlossen werden - immer konnte es auch durch den Protest der Beteiligten abgewendet werden. Als Schönheitsfehler blieb, dass die Studierenden Studiengebühren zahlen müssen.
Der jährliche Etat von 3,1 Millionen Euro wird im wesentlichen von der Nordkirche, dem Senat und den Studiengebühren aufgebracht. Der nächsten corona-bedingten Sparrunde der Nordkirche sieht die Hochschule bereits mit Sorge entgegen. Immerhin hat sie schon eine Tochter: 1991 wurde nach der Wende in Dresden eine Fachhochschule nach Hamburger Vorbild eröffnet.
Das „Evangelische“ im Namen der Hochschule spielt bis heute eine große Rolle, auch wenn die Kirchenmitgliedschaft als Zulassungsbedingung schon lange abgeschafft ist. Religion sei nach wie vor ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor, sagt Hahn. Für viele Menschen sei sie gerade in schwierigen Lebenslagen eine Kraftquelle. Andererseits könne religiöse Bindung auch notwendige Entwicklungen verhindern. Die Hochschule wolle daher eine Sensibilität für religiöses Leben vermitteln. Dies sei unabhängig davon, so Hahn, ob die Studierenden selbst religiös sind oder nicht.
Die Zahl der Professuren ist in den 50 Jahren inzwischen auf 13 angewachsen. Dazu kommen neun wissenschaftliche Mitarbeiterstellen und etwa 50 Lehrbeauftragte. Aus dem einen Studiengang sind mittlerweile fünf geworden, darunter auch drei duale Studiengänge.
Die Corona-Pandemie hat die Hochschule in besonderer Weise getroffen, so Hahn. Der persönliche Austausch in der Hochschule fehle ebenso wie die gemeinsamen Studienreisen. Auch habe die Streitkultur gelitten. Für eine harte kontroverse Diskussion sei offenbar ein gemeinsamer Raum wichtig.
Mannheim/Stuttgart (epd). Die evangelischen Pflegeheime in Mannheim gehören künftig zur Evangelischen Heimstiftung (EHS) mit Sitz in Stuttgart. Als größter Pflegeanbieter in Baden-Württemberg übernehme die Heimstiftung zum 1. September die vier Häuser von der Evangelische Pflegedienste Mannheim gGmbH (EPMA), teilten die Evangelische Kirche Mannheim und die EHS gemeinsam am 20. Juli in Mannheim mit. Die EPMA bleibt als eigenständige Gesellschaft innerhalb der Heimstiftung erhalten.
Grund dafür sei, dass Pflegeheime aufgrund des demographischen Wandels und hoher ordnungs- und sozialrechtlichen Auflagen vor großen finanziellen Herausforderungen stehen. Zudem habe die Corona-Pandemie gezeigt, dass Krisen durch enge Kooperationen in einem größeren Trägerverbund leichter überwunden werden könnten, hieß es.
Weil eine christliche Trägerschaft der Häuser wichtig sei, ist die EHS „unser Wunschpartner“, sagte der Mannheimer Dekan Ralph Hartmann. Der Anspruch an eine gute Pflege sowie der Erhalt aller Leistungsangebote und die Sicherung aller Arbeitsplätze sollten Vorrang haben. Außerdem seien die Betreuung von Alten und Kranken eine Kernaufgabe, so Hartmann. Alle Verträge mit Mitarbeitenden und Betreuten blieben bestehen.
Die EHS ist ein gemeinnütziges Unternehmen mit insgesamt rund 10.000 Mitarbeitenden in 156 Einrichtungen. Sie wurde 1952 mit dem Zweck gegründet „Helfen, wo geholfen werden muss“ und ist Mitglied im Diakonischen Werk. Werte wie Mitmenschlichkeit und Gemeinnützigkeit stünden an erster Stelle, und nicht „hohe Renditen“, so Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider.
2014 hatte die Evangelische Kirche Mannheim die EPMA GmbH gegründet. Diese betreibt vier Pflegeheime mit insgesamt knapp 340 Pflegeplätzen. Außerdem gehören 40 Betreute Wohnungen und 36 Mietappartements, ein ambulanter Pflegdienst sowie eine Tagespflege zur Gesellschaft.
Oldenburg (epd). Die beiden konfessionellen Krankenhäuser in Oldenburg planen eine gemeinsame Zukunft. Das Evangelische Krankenhaus und das katholische Pius-Hospital wollen sich zu einem Innenstadtkrankenhaus zusammenschließen, wie die Häuser am 21. Juli auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) erklärten. Sie würden dann mit zusammen 800 Betten und knapp 3.000 Beschäftigten vor dem Agaplesion-Diakonieklinikum Rotenburg zum größten konfessionellen Krankenhaus in Niedersachsen fusionieren.
Das Zusammengehen gehe von zwei gleichermaßen starken, leistungsfähigen und wirtschaftlich gesunden Partnern aus, hieß es. Die beiden Krankenhäuser, die durch ihre christliche Orientierung eine ähnliche Kultur aufwiesen, kooperierten schon seit vielen Jahren etwa im Rahmen des überregionalen Traumazentrums, der Sterilgutaufbereitung oder im Bereich der Gynäkologie und der Geburtshilfe.
„Zentrales Ziel ist die Zukunftssicherung von noch besserer und langfristig sicherer medizinischer Versorgung für Oldenburg und das Umland“, sagte Alexander Poppinga, Vorstand des Evangelischen Krankenhauses. „Wir sind davon überzeugt, dass angesichts des Trends zur Konzentration im Gesundheitswesen das Beharren auf einem Status quo nur eine scheinbare Sicherheit versprechen würde.“ Zusammen seien beide Häuser „sehr stabil“ für eine maximale Versorgung aufgestellt.
Das Wohl der Mitarbeitenden und der Patienten stünde an oberster Stelle, betonte Elisabeth Sandbrink, Geschäftsführerin des Pius-Hospitals: „Für den positiven Ausgang des Zusammengehens werden jede einzelne Mitarbeiterin, jeder einzelne Mitarbeiter mehr denn je benötigt.“
Noch haben die Gremien der Krankenhäuser den Angaben zufolge keine verbindlichen Beschlüsse zum Vollzug verabschiedet. Weitere Gespräche sind bis zum Jahresende geplant, 2022 soll die Fusion dann konkret werden.
Schwalmstadt-Treysa (epd). Die Hephata-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) sind Teil der Produktionskette für den Corona-Impfstoff der Firma Biontech in Marburg, wie die diakonische Einrichtung am 21. Juli in Schwalmstadt-Treysa mitteilte. Die WfbM habe für zwei Biontech-Zulieferer Teile aus Kunststoff und Edelstahl-Materialien neu konzipiert und produziert. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagte Hans-Günter Kripko, Bereichsleiter der WfbM.
Mit den beiden Firmen arbeite die Werkstatt seit Jahren zusammen. Die beiden Firmen seien mit der Produktion von Behältern und Produktionsanlagen für die Impfstoffherstellung im Marburger Biontech-Werk betraut. Mit einem Spezialauftrag seien die beiden Firmen im Dezember 2020 auf die WfbM zugekommen.
Insgesamt habe die WfbM 65 Teile zu der Produktionsstraße für Biontech-Impfstoff beigesteuert. An dem Auftrag sei die gesamte Abteilung Zerspanung beteiligt.
Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen gehören zum Geschäftsbereich der Hephata-Behindertenhilfe mit 130 Beschäftigten und 25 Betreuerinnen und Betreuern.
Karlsruhe (epd). Alte und kranke Pflegebedürftige müssen für ihren Heimplatz keine Reservierungs- oder Platzgebühr bezahlen. Heimbetreiber dürfen sowohl bei privat als auch bei gesetzlich Versicherten die anfallenden Heimkosten nur taggenau ab dem Einzug oder bis zum Auszug abrechnen, urteilte am 15. Juli der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Sehen Klauseln in einem Heimvertrag eine entsprechende Gebühr vor, seien diese unwirksam.
Im aktuellen Rechtsstreit hatte der Kläger für seine privat versicherte, inzwischen verstorbene Mutter am 12. Februar 2016 einen „Vertrag über vollstationäre Pflege“ geschlossen. Der sah vor, dass ab Abschluss der Vereinbarung bis zum tatsächlichen Einzugstermin eine Platz- und Reservierungsgebühr fällig wird, die sich auf 75 Prozent der Pflegevergütung belief. Darin enthalten waren Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungsumlage.
Nachdem die Frau erst am 29. Februar 2016 in das Pflegeheim einzog, verlangte der Heimbetreiber die vertraglich vereinbarte Reserveriungsgebühr - insgesamt 1.127 Euro. Der Sohn zahlte zunächst den Betrag, forderte das Geld dann aber wieder zurück. Er verwies auf die Vorschriften für die soziale Pflegeversicherung im Sozialgesetzbuch XI, wonach nur eine taggenaue Abrechnung der Pflegeheimkosten erlaubt sei.
Laut Gesetz werden die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen „sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet“. Die Zahlungspflicht endet mit dem Tag der Entlassung oder wenn der Bewohner stirbt.
Der BGH hatte bereits am 4. Oktober 2018 entschieden, dass Heime taggenau abrechnen müssen, wenn Bewohner Leistungen der gesetzlichen sozialen Pflegeversicherung beziehen. Das gelte auch bei einem vorzeitigen Wechsel des Heimes. Werde der Heimvertrag erst zum Monatsende gekündigt, könne der Heimbetreiber nur bis zum Auszug des Bewohners die Vergütung verlangen. Bei vorübergehender Abwesenheit - etwa wegen eines Klinikaufenthaltes - müssten die Heimkosten aber weiter bezahlt werden.
Nach dem neuen BGH-Urteil gilt das für Privatversicherte entsprechend. So habe der Gesetzgeber im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz geregelt, dass die Vorgaben für Pflegeverträge von privat und gesetzlich Versicherten gleich zu handhaben seien, urteilten die Karlsruher Richter. Eine Platz- oder Reservierungsgebühr sei damit nicht zu vereinbaren.
Zudem verwies das Gericht auf die mit den Kostenträgern vereinbarten Pflegesätze. Dort sei bereits eine „Auslastungskalkulation“ berücksichtigt. Wären Reservierungsgebühren erlaubt, bestehe daher die „naheliegende Gefahr“, dass Heime für Leerstände letztlich doppelt kassierten. Den konkreten Rechtsstreit verwies der BGH wegen fehlender Feststellungen an das Landgericht Köln zurück.
Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz begrüßte das aktuelle BGH-Urteil. Davon seien rund 55.000 privatversicherte Pflegeheimbewohner betroffen. Sie könnten geleistete Zahlungen innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist zurückfordern.
Unter welchen Voraussetzungen auch Angehörige für angefallene Pflegeheimkosten aufkommen müssen, hatte der BGH am 21. Mai 2015 entschieden. Danach dürfen Pflegeeinrichtungen Angehörige oder Betreuer nicht per Formular im Anhang eines Wohn- und Betreuungsvertrages dazu verpflichten, dass sie neben dem Pflegebedürftigen für alle Kosten aufkommen. Solch ein Schuldbeitritt könne nur im Wohn- und Betreuungsvertrag selbst vereinbart werden, so die Karlsruher Richter, die damit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) recht gaben.
Der Heimträger dürfe zwar Sicherheiten „verlangen“, aber nur in Höhe des doppelten Heimentgelts. Diese Zahlungen müsse er transparent offenlegen und den Schuldbeitritt nicht in Anlagen verstecken. Nicht zulässig sei es, den falschen Eindruck zu erwecken, dass der Schuldbeitritt eine Voraussetzung für den Heimvertrag sei und die Angehörigen auf diese Weise unter Druck gesetzt werden.
Unterschreibt jedoch eine Tochter eine vertraglich korrekt vereinbarte Kostenübernahmeerklärung für ihre Mutter in einem Pflegeheim, muss sie nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg nach deren Tod auch für rückständige Heimkosten haften. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Tochter die Erbschaft ausgeschlagen hat. Denn es gehe ja nicht um Ansprüche des Pflegeheims gegen die verstorbene Mutter, sondern gegen die Tochter selbst aufgrund ihrer unterschriebenen Erklärung.
Az.: III ZR 225/20 (Bundesgerichtshof, privat Versicherte)
Az.: III ZR 292/17 (Bundesgerichtshof, gesetzlich Versicherte)
Az.: III ZR 263/14 (Bundesgerichtshof, Schuldbeitritt)
Az.: 4 U 36/16 (Oberlandesgericht Oldenburg)
Karlsruhe (epd). Nach einer privaten Samenspende für ein lesbisches Paar darf dem Samenspender nicht automatisch der Umgangskontakt zum Kind verwehrt werden. Hat der leibliche Vater ein „ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt“ und dient der Umgang dem Kindeswohl, müsse ihm ein Umgangsrecht gewährt werden, entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem am 19. Juli veröffentlichten Beschluss. Das gilt erst recht, wenn der leibliche Vater der Samenspende und der anschließenden Adoption des Kindes durch die lesbische Lebensgefährtin der Mutter nur unter der Bedingung des Umgangsrechts zugestimmt hat.
Im konkreten Fall hatte ein Berliner eine private Samenspende an ein lesbisches Paar vereinbart. Bereits vor Zeugung des im August 2013 geborenen Kindes hatte er mit dem Paar besprochen, dass er ein „aktiver Vater“ sein und Umgang mit dem Kind haben werde. Er stimmte der Adoption des Kindes durch die lesbische Lebensgefährtin der Mutter zu.
Die Umgangskontakte zu dem Kind beschränkten sich allerdings nur auf bis zu zwei Stunden an durchschnittlich 25 Tagen im Jahr - und dann auch nur im Beisein und im Haushalt der rechtlichen lesbischen Eltern. Gerichtlich machte 2018 der leibliche Vater 14-tägige Umgangskontakte für die Dauer eines Nachmittages geltend, was das Paar ablehnte.
Das Kammergericht Berlin wies den leiblichen Vater noch ab. Habe der leibliche Vater der Adoption zugestimmt, stünden ihm keine weitergehenden Rechte mehr zu.
Die Entscheidung hob der Bundesgerichtshof auf und verwies das Verfahren zurück. Nach einer privaten Samenspende dürfe dem leiblichen Vater nicht der Umgang mit dem Kind verwehrt werden, wenn er an diesem ein „ernsthaftes Interesse“ habe und der Kontakt dem Kindeswohl dient. Das müsse das Kammergericht noch prüfen und auch das Kind anhören.
Auch das Adoptionsrecht sehe die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Kind und Herkunftsfamilie vor. Allerdings müsse der leibliche Vater immer das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern respektieren, „ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt“, befand der Bundesgerichtshof.
Az.: XII ZB 58/20
Brüssel, Luxemburg (epd). Beschäftigungslose haben im EU-Ausland das Recht, in das System der öffentlichen Krankenversicherung aufgenommen zu werden. Das urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 15. Juli zum Fall eines Italieners in Lettland, dem die dortigen Behörden die Aufnahme versagten, weil er weder Selbstständiger noch Beschäftigter in dem Land sei. Allerdings sehe das Unionsrecht keine Verpflichtung zur unentgeltlichen Aufnahme vor, machte der EuGH klar. (AZ: C-535/19)
Brüssel, Luxemburg (epd). Arbeitgeber dürfen Angestellten ein muslimisches Kopftuch im Job verbieten, müssen das aber gut rechtfertigen und entsprechend auch gegen andere religiöse und weltanschauliche Zeichen vorgehen. Das urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am 15. Juli zu zwei Fällen aus Deutschland. Das Verbot kann demnach rechtens sein, um Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln oder soziale Konflikte zu vermeiden.
In dem einen Fall ging es um eine Heilerzieherin in einer Kindertagesstätte des Hamburger Vereins WABE (Wohnen, Arbeiten, Betreuen, Entwickeln). Die zweite Frau war Verkäuferin bei der Drogeriemarktkette Müller. Beide trugen am Arbeitsplatz ein islamisches Kopftuch und gerieten darüber in Konflikt mit dem Arbeitgeber. Die in Deutschland zuständigen Gerichte wandten sich zur Auslegung des EU-Rechts nach Luxemburg.
Der EuGH urteilte nun, dass der Arbeitgeber grundsätzlich das Tragen „jeder sichtbaren Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen“ verbieten dürfe. Das müsse aber einem „wirklichen“ Bedürfnis entsprechen, der Arbeitgeber müsste also sonst Nachteile erleiden. Maßgeblich seien die Erwartungen der Kunden beziehungsweise Eltern. Im letzteren Fall sei das „der Wunsch von Eltern, dass ihre Kinder von Personen beaufsichtigt werden, die im Kontakt mit den Kindern nicht ihre Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck bringen“.
Zugleich machte der Gerichtshof klar, dass ein Verbot nicht bestimmte Anschauungen oder Religionen wie hier den Islam besonders treffen darf. Er hielt in dem Zusammenhang fest, dass der Arbeitgeber der Erzieherin eine andere Mitarbeiterin, die ein religiöses Kreuz trug, zum Ablegen des Kreuzes bewegt habe. Die von einem Unternehmen gewünschte Neutralität müsse ganz konsequent umgesetzt werden, erklärte das Luxemburger Gericht.
Dabei gewährte der EuGH der deutschen Justiz, die die Fälle im Licht seines Urteils nun abschließen muss, Ermessensspielraum. Dieser könnte den betroffenen Frauen zugute kommen. Denn die nationalen Gerichte dürfen beim Abwägen der in Rede stehenden Rechte und Interessen „dem Kontext ihres jeweiligen Mitgliedstaats, und insbesondere den in Bezug auf den Schutz der Religionsfreiheit günstigeren nationalen Vorschriften, Rechnung tragen“.
In Deutschland gibt es dem Anwalt der Erzieherin zufolge tatsächlich einen „besseren rechtlichen Schutz für die Religionsfreiheit aller Gläubigen (und Ungläubigen)“ als in Europa allgemein. Er gehe insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück, erklärte der Hamburger Anwalt Klaus Bertelsmann bereits vor dem EuGH-Urteil.
Allerdings zeigte sich die Konferenz der Europäischen Rabbiner nach dem Urteil mit Blick auf die Religionsfreiheit betroffen. „Für in Europa lebende Minderheiten und moderat religiös praktizierende Menschen ist das ein alarmierendes Signal, dass es um ihre Glaubens- und Religionsfreiheit nicht gut steht und sie gar Diskriminierungen in Kauf nehmen müssen“, erklärte ihr Präsident Pinchas Goldschmidt.
Unterdessen bekräftigte der WABE e. V. seine Haltung. „Das Wohl der uns anvertrauten Kinder steht bei uns an erster Stelle“, erklärte Vorstand Gabriele Gramann. Dazu gehöre, „dass Eltern die Wahlmöglichkeit für unterschiedliche Kita-Konzepte haben sollten: Ob Montessori oder Waldorf, ob christlich oder muslimisch oder eben auch unser Konzept der weltanschaulichen, religiösen und politischen Neutralität“, so Gramann.
Az.: C-804/18 und C-341/19
Straßburg (epd). Die Obduktion samt Organentnahme bei einem verstorbenen Neugeborenen, die dessen islamisches Begräbnis verhinderte und gegen den Willen der Mutter erfolgte, hat gegen die Menschenrechte verstoßen. Das urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 20. Juli in Straßburg zu einem Fall aus Österreich. Der Frau wurden 10.000 Euro Schadenersatz und 37.796,92 Euro für Auslagen zugesprochen.
Der Junge war im April 2007 zur Welt gekommen und zwei Tage danach an einer Hirnblutung gestorben. Die Mutter und ihr Mann wurden um die Erlaubnis einer Obduktion im Dienste der Wissenschaft gebeten. Als sie ablehnten, weil der Leichnam nach muslimischem Ritus und daher unversehrt beerdigt werden solle, wurde ihnen laut dem Gerichtshof für Menschenrechte mitgeteilt, dass die Obduktion zur Feststellung der Todesursache ohnehin erfolgen müsse.
Bei der Obduktion wurden die inneren Organe entnommen und der Körper danach mit Watte ausgestopft und wieder zugenäht, so das Gericht weiter. Die Eltern erhielten den Leichnam zurück. Sie wurden nach ihren Angaben aber nicht über das Ausmaß der Obduktion aufgeklärt. Am Ende musste das Kind ohne den gewollten Ritus in der Türkei begraben werden.
Die Klagen der Mutter gegen den Krankenhausbetreiber blieben in Österreich letztlich erfolglos. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkannte dagegen auf Verletzung der Religionsfreiheit und des Schutzes des Privat- und Familienlebens. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Az.: 12886/16
Oberkirchenrätin Möbius folgt auf Professor Freimut Schirrmacher, der im April 2021 die Pfarrstelle der Bundesbereitschaftspolizei übernommen hat. Die aus Sachsen stammende Pädagogin und Theologin arbeitete nach dem 2. Theologischen Examen zunächst als Religionslehrerin in Ostthüringen und zugleich als Pfarrerin mit Predigtaufträgen in der Superintendentur Stadtroda. Als Schulseelsorgerin war sie an verschiedenen Schulen tätig.
Im Februar 2008 trat sie das Amt der Dozentin am Pädagogisch-Theologischen Institut (PTI) der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland an den Standorten Neudietendorf und Kloster Drübeck an. Berufsbegleitend begann Möbius zum Wintersemester 2013 ein internationales Masterstudium in den Fächern „Inklusive Pädagogik und Kommunikation“ an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hildesheim mit dem Vertiefungsschwerpunkt der pädagogischen Diagnostik. Den Internationalen Masterabschluss legte sie im Dezember 2015 in Konstanz ab. Sie war ab Mai 2015 verantwortlich für Bildungseinrichtungen der Landeskirche, den Bereich der Verkündigungsdienste, Personal, Kirchenmusik, Gemeindearbeit und inklusive Prozesse.
Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender des Trägers Diakonie Hessen, sagte, er sei sehr glücklich, mit Ramona Eva Möbius eine ausgewiesene Pädagogik-Expertin und kompetente Führungskraft als neue Direktorin des Fröbelseminars gewonnen zu haben: „Mit ihren vielseitigen Erfahrungen wird sie das Ev. Fröbelseminar innovativ bereichern und zukunftsorientiert ausrichten.“
Das Ev. Fröbelseminar, gegründet 1980, als sozialpädagogische Bildungsplattform der Diakonie Hessen ist der derzeit größte evangelische Schulverbund in Hessen mit etwa 900 Schülerinnen und Studierenden sowie rund 130 Mitarbeitenden.
Iris Ebensperger hat ihre Arbeit als Geschäftsführerin des diakonischen Trägers Dienste für Menschen (DfM) in Esslingen aufgenommen. Sie tritt die Nachfolge von Bernhard Udri an, der in den Ruhestand getreten ist. Er hatte das Amt deit 2017 inne. Der Pflegeexperte habe in fast 30 Jahren Tätigkeit für DfM „menschlich, nah und lebensfroh“ immer wieder neue Dinge angeschoben, sagte Geschäftsführer Rainer Freyer. Iris Ebensberger ist gelernte Krankenschwester und Diakonin für Gesundheit, Alter, Pflege und verantwortet das Qualitäts- und Seelsorgemanagement. Sie ist seit 1994 bei Dienste für Menschen und übernahm verschiedene Leitungsfunktionen in den Einrichtungen der Region Ebersbach/Fils. Stefan Seeger ist jetzt s Prokurist bei DfM. Regionalleiter Stephan Kothe erhält für die Dienste für Menschen Sachsen gGmbH Prokura.
Christian Dohle ist seit dem 15. Juli Leitender Arzt des P.A.N. Zentrum für Post-Akute Neurorehabilitation der Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin. Er tritt die Nachfolge von Professor Stephan Bamborschke an, der die Leitung seit 2008 inne hatte. Dohle ist Privatdozent und war von 2012 bis 2021 Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Fachklinik für Neurorehabilitation der MEDIAN Klinik Berlin-Kladow. 2017 habilitierte er sich an der Berliner Charité. Er ist zugleich Vize-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation. Dohle will nach eigenen Worten einen Schwerpunkt seiner auf den Ausbau der Forschungsaktivitäten der Stiftung legen. Das P.A.N. Zentrum wurde 2015 eröffnet und bietet Menschen mit schweren Schädigungen des zentralen Nervensystems eine intensive medizinisch-therapeutische Langzeitrehabilitation von in der Regel bis zu 18 Monaten Dauer. Ziel ist der anschließende Sprung in eine ambulante Wohnform.
Peter Pfann bleibt Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Bayern. Die Mitgliederversammlung bestätigte ihn seinen Stellvertreter Andreas Moser im Amt. Pfann ist Geschäftsführer BBW & BZB gGmbHs-Boxdorfer Wohnanlage, Werkstatt & Förderstätte. Moser arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Lebenshilfe Neumarkt. Als zweite stellvertretende Vorsitzende wurde Evi Feldmeier (Geschäftsführerin der KJF Werkstätten gGmbH) gewählt, die der ausscheidenden Margit Gottschalk nachfolgt, die sich nicht mehr zur Wahl stellte.
Thomas Neugeboren übernimmt ab 1. August die Geschäftsführung der Werkstätten St. Joseph gGmbH mit Sitz in Burgkunstadt. Gleichzeitig leitet er die Werkstätten an den Standorten Burgkunstadt und Neuensee. Nicole Metze erhält Prokura und hat dann die stellvertretende Werkstattleitung für Lichtenfels inne. Außerdem wird sie übergreifend für den pädagogischen Bereich zuständig sein. Neugeboren und Metze hatten die Werkstätten bereits seit einem Jahr kommissarisch geführt. Gesellschafter der Werkstätten St. Joseph gGmbH sind der Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg und die Regens-Wagner-Stiftung Dillingen.
Alexander Schwarz, langjähriger Leitender Oberstaatsanwalt in Baden-Württemberg, ist von der Landesregierung zum neuen Opferbeauftragten ernannt worden. Der pensionierte Jurist soll sich um Betroffene von Terroranschlägen, Amokläufen und Großschadensereignissen kümmern, teilte das Justizministerium in Stuttgart mit. Die Stelle war erst im vergangenen Jahr geschaffen worden. Schwarz folgt auf Uwe Schlosser, der das Amt im Juli vergangenen Jahres bis zum Ende der zurückliegenden Legislaturperiode übernommen hatte. Für eine weitere Amtszeit stand er aus familiären Gründen nicht zur Verfügung.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.
5.8.:
Online-Seminar „Die Dublin-III-Verordnung - Eine Einführung“
Tel.: 030/26309-139
12.8.: Berlin:
Seminar „Konfliktmanagement und Mediation in Organisationen - Ziel- und methodensicher mit Konflikten umgehen!“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828227
16.-19.8.: Nethpen: Seminar „Familiennachzug von Geflüchteten“
Tel.: 030/26309-139
19.8-20.9.:
Online-Kurs: „Meetings per Video oder Telefon moderieren: online miteinander im Kontakt sein und effektiv arbeiten“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
23.-27.8. Freiburg:
Fortbildung „Projektmanagement - Effektiv planen und erfolgreich zusammenarbeiten“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
23.8.-1.9.:
Fortbildung im Hybridformat: „Integrierte Schuldnerberatung in Sucht- und Straffälligenhilfe, Sozialberatung und Betreuung“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/7392885
26.8. Berlin:
Fortbildung „Veränderung initiieren - wirksame Führungsimpulse setzen“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828227
31.8.:
Webinar „Einstieg in die Welt der öffentlichen Fördermittel: EU, Bund, Länder und Kommune“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-160
31.8. Berlin:
Seminar „Grundlagen des Arbeitsrechtes in Einrichtungen der Sozialwirtschaft - Gestaltungsspielräume nutzen“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-160