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Corona

Serie

Graf Recke Stiftung: Mitarbeitenden steckt hohe Belastung in den Knochen




Markus Eisele
epd-bild/Dirk Bannert
In der neuen Interview-Reihe stellt sich Markus Eisele, Theologischer Vorstand der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf, als Erster den Fragen von epd sozial zu den Folgen der Pandemie. Er betont, dass Corona noch längst nicht überwunden sei. Noch immer sei die Stiftung weit entfernt von der altbekannten Normalität, litten viele betreute Personen erkennbar unter psychischen Belastungen. Die zu überwinden, "wird erhebliche Anstrengungen" nötig machen, so der Pfarrer.

Das Personal an der Grenze der Belastbarkeit, die Zusammenarbeit mit den Kostenträgern schwierig, die Finanzlage angespannt: So beschreibt Markus Eisele die derzeitige Situation in der Graf Recke Stiftung. Die Krise habe aber auch viele Schwachpunkte aufgezeigt, die inzwischen beseitigt wurden. Eine große Herausforderung sieht der Vorstand im Ausbau der Digitalisierung, und zwar nicht nur in seinem Haus, sondern auch bei den staatlichen Verwaltungen.

epd sozial: Durch die Pandemie kamen auch viele Angebote der Sozialträger zum Erliegen. Hat das Virus Ihre Arbeit grundlegend verändert?

Markus Eisele: Die Arbeit vor Ort ist weiterhin sehr nachhaltig geprägt von den Einschränkungen durch Corona. Auch wenn es schon oft gesagt wurde, können auch wir bestätigen, dass Klienten in der Eingliederungshilfe, Bewohner in der Altenhilfe und Kinder und Jugendliche in der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur unter den Einschränkungen gelitten haben, sondern erhebliche Anstrengungen nötig sein werden, damit die psychischen Belastungen wieder abgebaut werden können.

Unseren Mitarbeitenden steckt die sehr hohe Belastung weiterhin in den Knochen. Das betrifft sowohl diejenigen, die vor Ort ihren Dienst tun, als auch die Mitarbeitenden, die in den Verwaltungen dafür sorgen müssen, dass die hochkomplexen staatlichen Unterstützungen in Anspruch genommen werden können.

Bis heute ist die Zusammenarbeit mit den Kostenträgern schwierig. Erreichbarkeit, ein Regelungsdschungel, unklare Zuständigkeiten und uneindeutige Verfahren führen die Verwaltung eines sozialen Trägers an die Belastungsgrenze. In der Zusammenarbeit in der Stiftung selbst, haben Videokonferenzen und Home-Office-Regelung zwar ein weitgehend geordnetes Zusammenarbeiten ermöglicht. Zugleich spüren wir, dass der profunde Austausch erschwert war und weiterhin ist. Die Ungewissheit, ob eine vierte Welle im Herbst zu erwarten ist, führt zu hoher Planungsunsicherheit.

epd: Klienten kommen zurück, können wieder betreut, begleitet und beraten werden. Doch finanzielle Löcher lassen sich meist nicht schließen. Wie ist Ihre heutige wirtschaftliche Situation?

Eisele: Zwar ist es teilweise gelungen, durch Einsparungen Umsatzverluste zu kompensieren, aber nicht jede staatliche Ausgleichsregelung greift. So werden Erlösausfälle in der Altenhilfe nach Vergleichsmonaten erstattet. Wenn der entsprechende Vergleichsmonat im Jahr 2020 nicht so gut war, dann verstetigt sich der Umsatz auf dem niedrigerem Niveau und es müssen bei vergleichsweiser unveränderten Rund-um-die-Uhr-Dienstleistungsangebot dennoch eingespart werden. Die unterschiedlichen Hilfefelder haben in sehr unterschiedlicher Weise Ausgleichszahlungen erhalten. Diese Ungleichbehandlung ist nicht immer nachvollziehbar und in unterschiedlichen Zuständigkeiten begründet.

epd: Viele Sozialträger richten sich neu aus, etwa bei der Digitalisierung. Welche Wünsche oder Forderungen haben Sie an die Politik, wenn es darum geht, auch in Zukunft krisensicher arbeiten zu können?

Eisele: Digitalisierung ist ein wichtiger Schlüssel. Die zur Verfügung gestellten Investitionshilfen für soziale Träger haben aber bei weitem nicht ausgereicht und müssen dringend aufgestockt werden. Wünschenswert wäre aber insbesondere, dass auch die staatlichen Verwaltungen digital besser aufgestellt sind, damit auch in Pandemiezeiten wichtige Entscheidungen, Belegungen und auch reguläre Rechnungsbegleichung nicht wie in dieser Pandemie immer weiter verzögert werden. Dass die staatlichen Akteure so unvorbereitet von der Pandemie getroffen wurden, was in ein Regelungschaos gemündet ist, hat die Steuerung der sozialen Arbeit, von der Organisation der Arbeit, Personaleinsatz, Beschaffung von Schutzausrüstung bis zum Liquiditätsmanagement in ungeahnter Weise erschwert. Hier bedarf es für die Zukunft klarer Strukturen und Regelungen.