sozial-Recht

Bundesgerichtshof

Für Pflegeheimbewohner gilt taggenaue Kostenabrechnung




Schild am Eingang des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe
epd-bild/Uli Deck
Pflegeheimbetreiber dürfen die Kosten für einen zunächst nur reservierten Heimplatz nicht auf die Pflegebedürftigen abwälzen. Sowohl bei privat als auch gesetzlich Versicherten ist nur eine taggenaue Heimkostenabrechnung ab dem Einzug erlaubt, urteilte der Bundesgerichtshof.

Karlsruhe (epd). Alte und kranke Pflegebedürftige müssen für ihren Heimplatz keine Reservierungs- oder Platzgebühr bezahlen. Heimbetreiber dürfen sowohl bei privat als auch bei gesetzlich Versicherten die anfallenden Heimkosten nur taggenau ab dem Einzug oder bis zum Auszug abrechnen, urteilte am 15. Juli der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Sehen Klauseln in einem Heimvertrag eine entsprechende Gebühr vor, seien diese unwirksam.

Im aktuellen Rechtsstreit hatte der Kläger für seine privat versicherte, inzwischen verstorbene Mutter am 12. Februar 2016 einen „Vertrag über vollstationäre Pflege“ geschlossen. Der sah vor, dass ab Abschluss der Vereinbarung bis zum tatsächlichen Einzugstermin eine Platz- und Reservierungsgebühr fällig wird, die sich auf 75 Prozent der Pflegevergütung belief. Darin enthalten waren Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungsumlage.

Verweis auf SGB XI

Nachdem die Frau erst am 29. Februar 2016 in das Pflegeheim einzog, verlangte der Heimbetreiber die vertraglich vereinbarte Reserveriungsgebühr - insgesamt 1.127 Euro. Der Sohn zahlte zunächst den Betrag, forderte das Geld dann aber wieder zurück. Er verwies auf die Vorschriften für die soziale Pflegeversicherung im Sozialgesetzbuch XI, wonach nur eine taggenaue Abrechnung der Pflegeheimkosten erlaubt sei.

Laut Gesetz werden die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen „sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet“. Die Zahlungspflicht endet mit dem Tag der Entlassung oder wenn der Bewohner stirbt.

Der BGH hatte bereits am 4. Oktober 2018 entschieden, dass Heime taggenau abrechnen müssen, wenn Bewohner Leistungen der gesetzlichen sozialen Pflegeversicherung beziehen. Das gelte auch bei einem vorzeitigen Wechsel des Heimes. Werde der Heimvertrag erst zum Monatsende gekündigt, könne der Heimbetreiber nur bis zum Auszug des Bewohners die Vergütung verlangen. Bei vorübergehender Abwesenheit - etwa wegen eines Klinikaufenthaltes - müssten die Heimkosten aber weiter bezahlt werden.

Gleiche regeln für Privatversicherte

Nach dem neuen BGH-Urteil gilt das für Privatversicherte entsprechend. So habe der Gesetzgeber im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz geregelt, dass die Vorgaben für Pflegeverträge von privat und gesetzlich Versicherten gleich zu handhaben seien, urteilten die Karlsruher Richter. Eine Platz- oder Reservierungsgebühr sei damit nicht zu vereinbaren.

Zudem verwies das Gericht auf die mit den Kostenträgern vereinbarten Pflegesätze. Dort sei bereits eine „Auslastungskalkulation“ berücksichtigt. Wären Reservierungsgebühren erlaubt, bestehe daher die „naheliegende Gefahr“, dass Heime für Leerstände letztlich doppelt kassierten. Den konkreten Rechtsstreit verwies der BGH wegen fehlender Feststellungen an das Landgericht Köln zurück.

Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz begrüßte das aktuelle BGH-Urteil. Davon seien rund 55.000 privatversicherte Pflegeheimbewohner betroffen. Sie könnten geleistete Zahlungen innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist zurückfordern.

Haftung bei Schuldbeitritt

Unter welchen Voraussetzungen auch Angehörige für angefallene Pflegeheimkosten aufkommen müssen, hatte der BGH am 21. Mai 2015 entschieden. Danach dürfen Pflegeeinrichtungen Angehörige oder Betreuer nicht per Formular im Anhang eines Wohn- und Betreuungsvertrages dazu verpflichten, dass sie neben dem Pflegebedürftigen für alle Kosten aufkommen. Solch ein Schuldbeitritt könne nur im Wohn- und Betreuungsvertrag selbst vereinbart werden, so die Karlsruher Richter, die damit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) recht gaben.

Der Heimträger dürfe zwar Sicherheiten „verlangen“, aber nur in Höhe des doppelten Heimentgelts. Diese Zahlungen müsse er transparent offenlegen und den Schuldbeitritt nicht in Anlagen verstecken. Nicht zulässig sei es, den falschen Eindruck zu erwecken, dass der Schuldbeitritt eine Voraussetzung für den Heimvertrag sei und die Angehörigen auf diese Weise unter Druck gesetzt werden.

Unterschreibt jedoch eine Tochter eine vertraglich korrekt vereinbarte Kostenübernahmeerklärung für ihre Mutter in einem Pflegeheim, muss sie nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg nach deren Tod auch für rückständige Heimkosten haften. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Tochter die Erbschaft ausgeschlagen hat. Denn es gehe ja nicht um Ansprüche des Pflegeheims gegen die verstorbene Mutter, sondern gegen die Tochter selbst aufgrund ihrer unterschriebenen Erklärung.

Az.: III ZR 225/20 (Bundesgerichtshof, privat Versicherte)

Az.: III ZR 292/17 (Bundesgerichtshof, gesetzlich Versicherte)

Az.: III ZR 263/14 (Bundesgerichtshof, Schuldbeitritt)

Az.: 4 U 36/16 (Oberlandesgericht Oldenburg)

Frank Leth