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Schätzungen zufolge wählen höchstens 20 Prozent der in Pflegeheimen lebenden Menschen. Dabei wäre es wichtig, dass die Hilfsbedürftigen mit ihrem Stimmrecht ausdrücken, welche Politik und damit auch Reformen in der Pflege sie haben wollen. Doch wer sich vor Ort und bei den Verbänden umhört, erfährt, dass viele Heimbewohner keinerlei Interesse mehr an der Stimmabgabe haben. Und so laufen gut gemeinte Wahlhilfen in den Einrichtungen oft ins Leere.
Der Sozialverband VdK begrüßt den Bundestagsbeschluss des Gewalthilfegesetzes. Doch damit der Schutz von Frauen wirklich besser werde, bedürfe es weiterer Schritte, mahnt der Verband. Vor allem die verlässliche Finanzierung von mehr Frauenhäusern und Beratungsstellen müsse geklärt werden, sagt Annemarie Schoß, VdK-Referentin für Frauen- und Familienpolitik, im Interview mit epd sozial. Dass das Gesetz erst nach Jahren greift, sei ein Problem. „Für gewaltbetroffene Frauen heißt es, dass zunächst einmal alles so bleibt wie bisher.“
Fast vergessen ist die Idee von Gesundheitsminister Lauterbach, bundesweit 1.000 Gesundheitskioske zu eröffnen. Sie sollten eigentlich Teil der Regelversorgung werden, doch wurde der Gesetzentwurf im Sommer 2024 überraschend geändert. Die Einrichtungen sollten sozial benachteiligten Menschen einen einfachen Zugang zu ärztlicher Versorgung eröffnen und die Prävention verbessern. Die Kioske, die es gibt, beweisen für Fachleute, dass eine bessere Gesundheitsversorgung im Quartier möglich ist.
Falsche Annahme des Gesetzgebers: Alleinstehende Asylbewerber in Sammelunterkünften wirtschaften nicht mit anderen Bewohnern gemeinsam. Das hat das Bundessozialgericht festgestellt. Der Gesetzgeber kann demnach die Kürzung von Asylbewerberleistungen um zehn Prozent nicht damit rechtfertigen, dass das „Wirtschaften aus einem Topf“ in einer Sammelunterkunft die Kosten senkt. Das Bundessozialgericht hat das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
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Ihr Dirk Baas
Würzburg (epd). Manchmal denkt Klaus Uhl mit Wehmut an jene Zeit zurück, als er noch gesund war und arbeiten konnte. Der gebürtige Unterfranke kam nach einer Herztransplantation mit 62 Jahren ins Marie-Juchacz-Haus der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Würzburg, wo er sich im Heimbeirat engagiert. Ein Politikwechsel und Reformen in der Pflege wären ihm ein Herzensanliegen, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch viele Politiker, so der Heimbeirat, wollten nur ihre Macht zementieren. Darum weiß auch er noch nicht, ob und wen er am 23. Februar wählt.
„Ich habe eigentlich eine gute Rente, doch die geht komplett für den Pflegeplatz drauf“, berichtet der Heimbeiratsvorsitzende. Der Eigenanteil übersteige sogar die Rente: Nach 37 Jahren Maloche als Maler und Gerüstbauer lebt der Senior heute von Sozialhilfe. Wie viele seiner Mitbewohner. Von denen laut Uhl viele wünschten, dass die Politik das ändert. Wählen gingen sie jedoch meistens nicht. Viele von Uhls eingeschränkten Mitbewohnern hätten keinerlei Interesse mehr an der Stimmabgabe.
Dabei wäre es im AWO-Heim einfach, die Stimme abzugeben. Es gibt Hilfe bei den Anträgen auf Briefwahl: „Die ausgefüllten Unterlagen gibt man einfach in der Verwaltung ab“, sagt Uhl. Desinteresse, aber auch Desillusionierung verhinderten jedoch nach seiner Erfahrung das Wählen. Wie oft hat man in seinem Leben schon gewählt, wie oft wurde man enttäuscht?, fragt Uhl.
Dass Heime sehr wohl die Wahlen unterstützen können, zeigt eine Initiative der drei der größten privaten Pflegeheimbetreiber, compassio, Alloheim und Victor's Group. Über 50.000 Wahlberechtigte in 500 Pflegeeinrichtungen dieser drei Betreiber erhalten aktuelle Hilfe bei der Briefwahl. Zum Teil werden barrierefreie Wahllokale eingerichtet oder Shuttleservices zum örtlichen Wahllokal organisiert. Auch politische Quiz-Veranstaltungen sowie Wahlcafés sind Teil der Initiative. „Wer nicht wählt, wählt extrem. Wir sehen es als unsere staatsbürgerliche Verantwortung und Fürsorgepflicht, die Teilhabe unserer Bewohnerinnen und Bewohner am demokratischen Prozess zu fördern“, sagt Christopher Nolde, CEO der compassio-Gruppe.
Politische Partizipation im Alter ist auch ein Thema, das das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) umtreibt. Vorständin Alexia Zurkuhlen appelliert an alle Heimbewohner, zu wählen. Einfach sei die Wahlentscheidung nicht, sagt sie. Welcher Partei sei zuzutrauen, dass sie nach der Wahl die Versorgungsangebote verbessert und eine Pflege realisiert, „die Heimbewohner nicht in Armut stürzt“? Was lobenswerte Wahlhilfen anbelangt, ist dem KDA eine Initiative in Wilhelmshaven bekannt. Hier werden ab Mitte Februar mobile Wahlteams in Seniorenheime kommen, um bei der Briefwahl zu helfen.
Dass der Termin für die Bundestagswahl vorgezogen wurde, ist für Pflegeheime ein Problem, sagt David Kröll von der Bonner Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA). Heime hätten diesmal zu wenig Vorbereitungszeit: „Wir wissen von einer Einrichtung, die sonst regelmäßig ein Wahllokal einrichtet, dass sie dies in diesem Jahr verpasst hat.“ Insgesamt wird nach BIVA-Einschätzung nicht genug getan, um Pflegeheimbewohnern das Wählen zu erleichtern. Die Verantwortung werde oft auf die Angehörigen oder die Bewohner selbst abgeschoben.
Hilfe beim Beantragen von Briefwahlunterlagen, neutrale Assistenz beim Ausfüllen und die Weiterleitung der Unterlagen gehören in den unterfränkischen Caritas-Pflegeeinrichtungen zum Standard, versichert Sonja Schwab vom Caritasverband für die Diözese Würzburg. Für politische Information werde durch Leseecken gesorgt. Etwa ein Fünftel der Heimbewohner, schätzt Georg Sperrle, Geschäftsführer der Würzburger Caritas-Einrichtungen gGmbH, verfolgt noch eigenständig die Tagespolitik. In Betreuungsrunden werde das Tagesgeschehen gemeinsam diskutiert. Ehrenamtliche läsen bei Bedarf auch aus der Zeitung vor.
Karin Sporrer von der AWO in München bestätigt diese Aktivitäten. Auch in ihren Einrichtungen werde die Tagespolitik gemeinsam verfolgt und besprochen. Die Wahlbeteiligung schätzt Sporrer dennoch auf lediglich 15 bis 20 Prozent. Als Gründe nennt sie bei sehr betagten Bewohnern kognitive Einschränkungen. Bei den Jüngeren stünden oft körperliche Handicaps im Wege.
Pflegeheime müssen ihre Bewohner nicht davon überzeugen, dass es wichtig ist, zur Wahl zu gehen, meint Andreas Wedeking, Geschäftsführer des in Berlin ansässigen Verbands katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD). Der Heimvertrag sehe das nicht vor. Dem Sozialpädagogen ist weder von Shuttleservices zum Wahllokal noch von Pflegeheimen, in denen am 23. Februar ein Wahllokal eingerichtet wird, etwas bekannt.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft verweist auf die Rechtslage: Seit Juli 2019 haben Heimbewohner laut Bundeswahlgesetz Anspruch auf Assistenz bei der Wahl. Tatsächlich geht jedoch nach wie vor kaum ein dementer Heimbewohner zur Wahlurne. "In unseren Wohngemeinschaften für Demenzerkrankte werden Menschen betreut, die aufgrund ihrer kognitiven Einschränkungen nicht in der Lage sind, wählen zu gehen”, heißt es dazu von der Diakonie-Pflege Verbund Berlin gGmbH.
Berlin (epd). Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl hat das Bündnis „Zusammen für Demokratie“ eine Aktion mit dem Titel „#DuEntscheidest“ gestartet. Ab sofort sollen in ganz Deutschland etwa an Kirchen, Gewerkschafts- und Vereinshäusern Banner und Plakate angebracht werden. Sie sollen für demokratische Werte und gesellschaftlichen Zusammenhalt werben, wie das Bündnis zum Auftakt am 10. Februar in Berlin mitteilte. Die Kampagne will auch in den sozialen Medien präsent sein.
Dem Bündnis gehören 69 Organisationen an. Darunter sind neben Gewerkschaften und Religionsgemeinschaften unter anderem auch Sport-, Wohlfahrts- und Jugendverbände. „Demokratie endet nicht am Wahltag. Sie lebt von der aktiven Beteiligung der Menschen“, heißt es im Kampagnenaufruf.
Die Banner sollen über den Termin der Bundestagswahl hinaus hängen bleiben. Die Botschaften lauten unter anderem: „Das Recht des Stärkeren schwächt alle anderen. Wir wollen solidarisch zusammenleben“ und „Eine gerechte Gesellschaft ist eine Aufgabe, kein Traum. Wir wollen Veränderungen gemeinsam gestalten.“
Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch erklärte, mit der Aktion solle ein „Zeichen für Mitmenschlichkeit und Solidarität“ gesetzt werden. Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, betonte: „Menschenrechte müssen im Alltag verteidigt werden.“ Wer die Rechte einiger verletze, „verletzt die Rechte aller“.
Der Vorstandsvorsitzende des Dachverbands der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland, Ruben Cardenas, sagte: „Wir sind es leid, als migrantische Communities zum Sündenbock für politisches Versagen gemacht zu werden. Wir haben genug von den rassistischen Debatten, die von den ungelösten sozialen Problemen ablenken sollen.“
Der Berliner evangelische Bischof Stäblein sagte, Aufgabe aller Demokraten sei es, bei einem „Wahlkampf gegen Menschen und auf dem Rücken von Migranten“ Haltung zu zeigen und das Miteinander zu verteidigen. „Vielfalt und Freiheit, Beteiligung und politische Wirksamkeit für alle machen dieses Land aus. Das wird vielen in diesen Tagen bewusst, wo rechtsextreme Parteien wieder salonfähig werden“, sagte Stäblein, der Flüchtlingsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.
Daniel Grein, Bundesgeschäftsführer des Kinderschutzbundes, begründete die Beteiligung an der Kampagne „#Du Entscheidest“ damit, dass Kinder eine offene, vielfältige Gesellschaft bräuchten. Sie müssten „ohne Angst aufwachsen, ihre Meinung frei äußern und ihre Zukunft mitgestalten können“.
Berlin (epd). Kurz vor der Bundestagswahl haben sich die Spitzen der evangelischen Kirche und ihres Wohlfahrtsverbands Diakonie besorgt über die Polarisierung in politischen Debatten geäußert. „Die meisten Menschen in unserem Land spüren eine Spaltung“, sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, am 13. Februar bei der Vorstellung entsprechender Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag der EKD und einer bewusst vor der Wahl gestarteten Kampagne für mehr Verständigung. „Wir brauchen weniger Konfliktarenen als mehr Verständigungsorte“, sagte Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.
EKD, Diakonie und deren Zukunftswerkstatt „midi“ präsentierten Ergebnisse einer Forsa-Umfrage, für die im vergangenen Dezember 2.000 repräsentativ ausgewählte Menschen ab 18 Jahren online befragt wurden. Demnach nimmt die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland Spaltung wahr (82 Prozent), hat Angst vor zunehmendem Hass (89 Prozent) und gesellschaftlichen Konflikten (86 Prozent).
Der Studie zufolge zeigt die erregte gesellschaftliche Debatte auch Auswirkungen: 51 Prozent der Menschen sind der Meinung, sie könnten ihre Meinung nicht frei äußern, ohne Ärger zu bekommen. Fast jeder Dritte (32) gab in der Umfrage an, sich wegen strittiger Themen von anderen distanziert oder sogar den Kontakt abgebrochen zu haben.
Der „midi“-Referent Daniel Hörsch erläuterte, die persönliche Lebenswelt sei dabei zunehmend von der gesellschaftlichen Stimmung entkoppelt. 78 Prozent der Befragten gaben an, mit ihrem Leben zufrieden oder sogar sehr zufrieden zu sein. 70 Prozent der Menschen sind auch mit ihrer finanziellen Situation zufrieden.
Die Menschen blicken der Studie zufolge aber pessimistisch nach vorn. 52 Prozent schauen sorgenvoll in die persönliche Zukunft, 85 Prozent auf die gesellschaftliche Zukunft. Zudem glauben der Umfrage zufolge nur 7 Prozent der Menschen in Deutschland, dass es der jüngeren Generation einmal besser gehen wird. Die Studienautoren bezeichnen dies als „Ja, aber“-Modus der Gesellschaft.
Kirche und Diakonie wollen daran anknüpfen und ihre Infrastruktur als „Verständigungsort“ anbieten. Gerade jetzt würden funktionierende Orte gebraucht, in denen sich Menschen mit verschiedenen Meinungen begegnen, sagte die EKD-Ratsvorsitzende Fehrs. Diakonie-Präsident Schuch sagte, man wolle damit einen Beitrag für die lebendige Demokratie leisten. Die Menschen erlebten einen hohen Veränderungsdruck, bei dem die sozial-ökologische Transformation und der digitale Wandel nur zwei Themen seien. Es gehe um den Umgang mit einem „erlebten Dauerkrisenmodus“.
Innerhalb der Kampagne „Verständigungsorte“ bieten Kirchengemeinden, evangelische Akademien und andere Einrichtungen Formate für den Dialog über konträre Meinungen an. Auf der Internetseite www.verständigungsorte.de soll nach und nach auf einer Karte sichtbar werden, welche Angebote es gibt. Flankiert wird die Kampagne „midi“ zufolge mit sechs größeren Dialogforen. Das erste wird am 17. Februar in Hanau stattfinden, an dem auch Fehrs teilnimmt. Thema sind die Konsequenzen des rassistischen Anschlags vor fünf Jahren. In weiteren Dialogforen im Verlauf des Jahres soll es unter anderem um die Themen Migration, Krieg und Frieden sowie Corona gehen.
Nürnberg, München (epd). Besonders an jedem ersten Montag im Monat herrscht vor und im Nürnberger Stadtteilzentrum Desi Hochbetrieb. Schon bevor in den Vereinsräumen der Kartentausch für Geflüchtete beginnt, warten bereits rund 100 Menschen vor dem Gebäude. Männer und Frauen, oftmals mit Kindern, haben zuvor in Supermärkten oder Discountern mit ihrer Bezahlkarte einen Einkaufsgutschein gekauft. Den wollen sie hier in Bargeld umtauschen. Das Geld wiederum kommt von Privatpersonen, die dafür die Einkaufsgutscheine mitnehmen. Hinter der wöchentlichen Aktion steht die „Initiative gegen die Bezahlkarte in Nürnberg“, in der sich unter anderem der Bayerische Flüchtlingsrat engagiert.
„Die Bezahlkarte ist eine symbolpolitische Gängelung und behindert Geflüchtete an der Teilhabe“, sagt Carolin Wabra, ehrenamtliche Beraterin beim Flüchtlingsrat. So höre sie immer wieder Klagen, dass Asylsuchende für ihre Kinder beispielsweise keine günstigen Klamotten auf Flohmärkten kaufen können. Auch viele kleinere Geschäfte würden die Bezahlkarte aus technischen Gründen nicht akzeptieren. Man könne auch mit der Karte in der Schule keine Brezen kaufen. „Erst, wenn man keine Münzen in der Tasche hat, fällt auf, wo man überall noch bar bezahlt.“
Seit vergangenem Jahr erhalten Asylbewerber in Bayern ihr Geld auf der Bezahlkarte und können monatlich nur 50 Euro in bar abheben. „Sachleistungen sind besser als Geldleistungen“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zur Einführung. Die Umstellung auf die Bezahlkarte habe aber gerade am Anfang zu Schwierigkeiten geführt, etwa bei Handyverträgen oder im Sportverein, sagt Wabra, denn auch Überweisungen sind mit der Karte nicht möglich.
Inzwischen hat das Tauschzimmer geöffnet. Hier tauschen Asylbewerber ihre Einkaufsgutscheine in bares Geld um. Helfer nehmen sie entgegen, prüfen die Gültigkeit und reichen dann das Geld über den Tisch. Pro Familienmitglied wird nur ein Gutschein akzeptiert, denn die Nachfrage ist groß. „Gerade zu Monatsbeginn kommen schon mal 200 bis 300 Personen“, weiß Wabra aus Erfahrung. Der Andrang flaue im Monatsverlauf ab.
Für die 24-jährige Lotta geht es um „Solidarität mit geflüchteten Familien“, sagt sie. Den Aufwand, vor dem Einkauf im Supermarkt in der Desi erst einen Gutschein zu besorgen, nimmt sie gern in Kauf: „Ich habe das Gefühl zu helfen.“ Die 40-jährige Elisabeth ist von Anfang an Unterstützerin der Nürnberger Tauschinitiative. Sie hat im Bereich Flucht und Integration gearbeitet und ist sich sicher: „So wenig Bargeld reicht nicht aus.“ Daher sei sie zwei- bis dreimal im Monat da, um den Kartentausch zu unterstützen. In ihrem Bekanntenkreis sei die Initiative nicht überall bekannt, manche geben ihr aber Geld mit. Für den 63-jährigen Stefan gab die Zeitungslektüre den Ausschlag, nun zum dritten Mal an der Tauschaktion teilzunehmen. „Ich habe gelesen, dass Söder wegen der Aktion tobt. Das ist mein Grund, Geld zu geben.“
Bevor der Bund im letzten Jahr den Weg für die Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz freimachte, hatte Bayern bereits eine eigene Regelung geschaffen. Auf diese Weise will der Freistaat irreguläre Migration verringern und Geldtransfers ins Ausland sowie an Schleuser und Schlepper verhindern. Die Bezahlkarte soll Zuzugsanreize senken und Kommunen entlasten. Initiativen wie die in Nürnberg werden von der Staatsregierung als ein Unterlaufen der demokratischen Verfahren kritisiert.
„Die CSU wird nicht müde, uns in eine kriminelle Ecke zu stellen“, konstatiert Matthias Weinzierl von der Münchner Kampagne „Offen!“. Die Initiative für eine offene Stadtgesellschaft hat im vergangenen Juli mit ihrer Tauschaktion begonnen. „Der Kartentausch ist legal und nicht strafbar“, hält er den Vorwürfen entgegen. Im vergangenen Dezember ist auch die Staatsanwaltschaft Regensburg zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tauschaktionen keinen Straftatbestand erfüllen.
Stattdessen unterstreicht Weinzierl seine Überzeugung: „Die Bezahlkarte ist der falsche Weg.“ Mit den begrenzten Abhebungen komme man nicht über die Runden. Gerade zu Beginn der Tauschaktion hätten Geflüchtete Zugfahrten von bis zu drei Stunden in Kauf genommen, um ihren Bedarf an Bargeld zu decken. Mittlerweile habe sich die Lage entspannt, es gebe jeden Tag einen Ort in München, um Einkaufsgutscheine in Bargeld zu tauschen. Nürnberg startete im September die wöchentliche Tauschaktion, ähnliche Angebote gibt es auch in Regensburg und Erlangen.
Eine aktuelle Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wertet Zahlen von Auslandsüberweisungen bis 2021 aus. Demnach sandten nur sieben Prozent der Geflüchteten in Deutschland überhaupt Geld ins Ausland. „Die politische Debatte spiegelt also überhaupt nicht die Realität wider“, schlussfolgert Studienautorin Adriana R. Cardozo Silva vom DIW.
Auch in Hessen gibt es Initiativen, die helfen, die Hemmnisse der Bezahlkarte zu umgehen. Die Linken in Hamburg und Halle organisieren selbst die Tauschzirkel. Hessen will einen Missbrauch der neuen Bezahlkarte für Flüchtlinge verhindern. Mit Blick unter anderem auf ein Austricksen der Bargeldbeschränkung der Karte teilte Innenminister Roman Poseck (CDU) der Deutschen Presse-Agentur in Wiesbaden mit: „Wir werden die weitere Entwicklung sehr sorgfältig beobachten und gegen Missbrauchsfälle auch mit den Mitteln des Strafrechts vorhergehen. Sollten sich dabei Strafbarkeitslücken zeigen, ist es Aufgabe des Bundesgesetzgebers, diese zu schließen.“
Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ kürzlich: „Es war zu erwarten und es ist zu begrüßen, dass eine aktive und solidarische Zivilgesellschaft Wege sucht, die Integrationshemmnisse, die von der niedersächsischen Bezahlkarte ausgehen, zu umgehen.“
Grundsätzliche Kritik an der Bezahlkarte kommt auch aus NRW. Der Städte- und Gemeindebund NRW rügte am 13. Februar eine fehlende landesweit einheitliche Regelung bei der Einführung der Bezahlkarte. Durch die Einführung einer sogenannten Opt-Out-Regelung, die den Städten und Gemeinden die Entscheidung über eine Bezahlkarte überlasse, sei eine politisch heikle Frage „auf die Kommunen abgewälzt“ worden, sagte der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes, Christoph Landscheidt. Damit entstehe ein „Flickenteppich an Einzelregelungen“.
Schon heute zeige sich, dass etliche Kommunen von der Einführung absehen werden. „Ein landesweit einheitliches Verfahren ist damit obsolet, und die Bezahlkarte kann ihren eigentlichen, ohnehin umstrittenen Zweck kaum noch erfüllen“, betonte Landscheidt, der auch Bürgermeister der Stadt Kamp-Lintfort (Kreis Wesel) ist. Die Bezahlkarte in der aktuellen Form reduziere weder Anreize zur irregulären Einreise, noch entlaste sie die Kommunen.
Berlin (epd). Annemarie Schoß sieht das neue Gesetz durchaus als wichtigen Schritt zu einem besseren Gewaltschutz an. Doch sie kritisiert, dass der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung erst ab 2032 greift, und die Länder erst ab 2027 ein ausreichendes Netz an Hilfsangeboten zur Verfügung stellen müssen. „Für gewaltbetroffene Frauen heißt es daher, dass zunächst einmal alles so bleibt wie bisher.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Sie begrüßen das vom Bundestag nun doch noch vor der Wahl beschlossene Gewalthilfegesetz. Doch rundum zufrieden sind Sie nicht. Warum?
Annemarie Schoß: Die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen wird in Zukunft zwar besser, weil sich nun auch der Bund an der Finanzierung beteiligt. Aber grundsätzlich abgesichert ist die Finanzierung weiterhin nicht. Damit der neue Rechtsanspruch auf Hilfe und Schutz bei Gewalt auch wirklich greifen kann, braucht es ausreichend Plätze in Frauenhäusern und ausreichende Kapazitäten in Beratungsstellen. Für beides braucht es genug Geld.
epd: Sie sagen, es brauche ein Gesamtkonzept für den Schutz von Frauen. Zielt das darauf, dass das Gewaltschutzgesetz nicht kommt?
Schoß: Nein, damit meinen wir was anderes: Wir lehnen jede Form von Gewalt gegen Frauen ausdrücklich ab. Frauen haben ein Recht auf ein gewaltfreies Leben. Zur Verwirklichung dieses Rechts braucht es effektive Maßnahmen durch Bund, Länder und Kommunen. Diese müssen in ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen eingebettet sein, das regelmäßig evaluiert und nachgebessert wird. Ein Schwerpunkt muss auf der Gewaltprävention liegen. Denn nur, wenn Gewalt wirksam verhindert wird, können Frauen gewaltfrei leben. Gewaltprävention, auf die auch das „Erste Gesetz zur Änderung des Gewaltschutzgesetzes“ abgezielt hatte, das nun aber wohl nicht mehr in Kraft treten wird, ist für uns als VdK sehr wichtig. Aber es ist nur eine Maßnahme von vielen, die nötig sind.
epd: Auch das Gewalthilfegesetz muss durch den Bundesrat. Droht da ein Scheitern oder zumindest eine Verwässerung?
Schoß: Nein. Wir gehen davon aus, dass das Gesetz den Bundesrat passieren wird. Immerhin ist nun auch die CDU mit an Bord und hat dem Gesetz im Bundestag zugestimmt.
epd: Es fehlt an Tausenden von Plätzen in Frauenhäusern. Wird das Gesetz hier eine grundlegende Verbesserung der Situation bewirken? Letztlich ist das doch eine Frage des Geldes, und das fehlt den Kommunen oft.
Schoß: Das ist richtig. Es braucht deutlich mehr Geld, damit es ausreichende Plätze in Frauenhäusern gibt. Aber das Gesetz wird dennoch etwas Gutes bewirken: Zum einen wird deutlicher, dass Bund, Länder und Kommunen alle gemeinsam für den Schutz vor Gewalt verantwortlich sind, auch finanziell. Und zum anderen wird der Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt viele Frauen darin bestärken, aus einer gewaltvollen Beziehung auszusteigen. Uns ist es wichtig, dass die Frauen dabei bestmöglich unterstützt werden. Gleichzeitig muss aber natürlich auch was gegen die Gewalttäter getan werden. Ihnen muss klar werden, dass Gewalt nicht geduldet ist und Konsequenzen nach sich zieht.
epd: Das neue Gesetz gilt erst ab 2032. Geld für neue Einrichtungen gibt es erst ab 2027 vom Bund. Müsste das nicht schneller gehen angesichts von täglicher Gewalt gegen Frauen?
Schoß: Wir finden es schade, dass der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung erst ab 2032 greift, und die Länder erst ab 2027 ein ausreichendes Netz an Hilfsangeboten zur Verfügung stellen müssen. Für gewaltbetroffene Frauen heißt es daher, dass zunächst einmal alles so bleibt wie bisher. Ab 2027 sind die Länder verpflichtet, ein ausreichendes Netz an Hilfsangeboten zur Verfügung zu stellen. Ab diesem Zeitpunkt erhalten sie Geld vom Bund. Ab 2032 gilt dann der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung. Der Rest des Gesetzes tritt hingegen sofort in Kraft. Selbstverständlich hätten auch wir uns eine schnellere Einführung des Rechtsanspruches auf Schutz und Beratung gewünscht. Gleichzeitig brauchen die Kommunen Zeit, die Infrastruktur an Frauenhäusern und Beratungsstellen weiter auszubauen, damit der Rechtsanspruch auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden kann. Die vergangenen Jahrzehnte wurde zu wenig für den Schutz von Frauen vor Gewalt getan. Das muss jetzt schnellstens nachgeholt werden.
epd: Ab 2027 bis 2036 soll es zusammen 2,6 Milliarden Euro vom Bund für den Gewaltschutz geben. Das sind pro Jahr rund 280 Millionen Euro. Wird das Geld überhaupt reichen?
Schoß: Das Geld vom Bund wird alleine nicht reichen. Dafür fehlen einfach zu viele Frauenhäuser. Aber es wird die Infrastruktur ein wenig verbessern. Dennoch: Indem die Länder alle vier Jahre im Rahmen ihres Ausgangsanalyse- und Entwicklungsplanungsberichts gegenüber dem Bundesfamilienministerium auch ein Finanzierungskonzept vorlegen sollen, wird deutlich, dass sich die Finanzierung der Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen auch weiterhin regional sehr unterscheiden wird. Eine tatsächlich verlässliche, finanzielle Absicherung der Hilfsangebote in Zukunft ist damit nicht gegeben. Daran ändert auch die geplante finanzielle Beteiligung des Bundes nichts, denn wie ein Vergleich der Fördersumme aus dem Gesetzentwurf mit den Ergebnissen der vom Familienministerium in Auftrag gegebenen Kostenstudie deutlich macht, wird auch in Zukunft ein Großteil der Kosten für ein ausgebautes Hilfesystem anderweitig finanziert werden müssen.
epd: Die Frage, wie das ganze Konzept finanziert wird, ist also weiter unbeantwortet?
Schoß: Ja, die Finanzierungsfrage ist weiterhin offen und muss nach unserer Ansicht dringend abschließend und transparent geklärt werden. Wir wünschen uns hier für die Zukunft eine solidere Finanzierung von Frauenhäusern. Der Bund muss sich hier stärker beteiligen.
epd: Bis 2032 soll es „ein bedarfsgerechtes Hilfesystem geben“. Was würden Sie sich da im Idealfall vorstellen?
Schoß: Der Idealfall wäre, wenn jede Frau, die von Gewalt betroffen ist, sofort Schutz und Hilfe durch ein Frauenhaus oder eine Beratungsstelle findet. Das hieße, dass es eine ausreichende Anzahl an Frauenhaus-Plätzen und Beratungsstellen gibt, die auch barrierefrei zugänglich sind, sodass auch Frauen mit Behinderungen oder pflegebedürftige Frauen Schutz finden.
epd: Es fehlt auch bundesweit an Beratungsstellen, ebenso fordern viele ExpertInnen mehr Einsatz in der Prävention. Was ist dazu zu sagen?
Schoß: Beratungsstellen sind wichtig, um ein erster Anlaufpunkt für gewaltbetroffene Frauen zu sein. Auch wir stimmen der Aussage zu, dass mehr in die Prävention gesteckt werden muss. Denn nur, wenn Gewalt wirksam verhindert wird, können Frauen gewaltfrei leben. Daher müssen Täter und mögliche Gewaltbereite stärker in den Blick genommen werden.
Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Die sozialen Themen spalten Parteien und Wählergruppen. Undenkbares wird wieder denkbar und schürt Angst und Verunsicherung. Menschen in Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind stark von allen sozial-, gesundheits- und wohnungspolitischen Entscheidungen betroffen. Ihre bereits durch Ausgrenzung geprägte Lebenssituation droht sich weiter zu verschlechtern. Wir fordern die zukünftige Regierung und alle relevanten Akteure nachdrücklich auf, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die das Recht auf Wohnen für alle garantieren und die Vielfalt der Lebensrealitäten respektieren.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hat bereits 2012 eine Nationale Strategie zur Überwindung von Wohnungsnot und Armut in Deutschland gefordert. Im Koalitionsvertrag vom Herbst 2021 hatten sich die Regierungsparteien darauf verständigt, bis 2030 eine Gesamtstrategie zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu entwickeln. Im April 2024 folgte die Verabschiedung des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit (NAP W) „Gemeinsam für ein Zuhause“, in dem die Bundesregierung verspricht, bis 2030 alle Menschen ein passendes Wohnangebot zu unterbreiten.
Es hat zwar lange gedauert, aber wir fühlten uns in unserer Forderung durch die Bundespolitik bestätigt. Damit brachte eine Bundesregierung erstmalig zum Ausdruck, dass die Überwindung der Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 als eine ressort- und akteursübergreifende Gemeinschaftsaufgabe und ein sozialstaatlicher Pflichtauftrag verstanden wird. Die Erwartungen waren groß.
Das Bundesbauministerium startete mit einem breit angelegten Beteiligungsprozess, um eine Vielzahl relevanter Akteure aus der Wohnungsnotfallhilfe, Menschen mit eigenem Erfahrungshintergrund und angrenzenden Feldern sowie aus den Bundes- und Landesbehörden und Kommunen in einen gemeinsamen Austausch zu bringen und die bestehenden Kompetenzen zu bündeln. Der Prozess machte einmal mehr deutlich, dass bereits ein umfassendes Wissen existiert, wir auf ein ausdifferenziertes Hilfesystem und auf fachlich versierte Handlungsansätzen aufbauen können, womit eine zeitnahe Umsetzung relevanter Maßnahmen möglich schien.
Die Unzufriedenheit und Ungeduld der Akteure nahmen jedoch im weiteren Prozess zu. Die Gründe dafür waren vielfältig: Es fehlte unter anderem an zusätzlichen finanziellen Mitteln, um Förderungsprogramme zu entwickeln. Das Programm für 2024 enthielt größtenteils Maßnahmen, die auch ohne den NAP W Realität geworden wären. Die schwierige Konstellation der Koalition ließ mietrechtliche Reformen unmöglich erscheinen.
Die aktuelle gesellschafts- und sozialpolitische Brisanz von Wohnungs- sowie Obdachlosigkeit verdeutlichen die aktuellen Zahlen. In der Hochrechnung der BAG W ist davon auszugehen, dass im Jahresverlauf 2022 etwa 607.000 Menschen wohnungslos waren und zum Stichtag (30. Juni) bundesweit 447.000 Menschen als wohnungslos gelten müssen. Davon lebten zirka 50.000 ganz ohne Unterkunft auf der Straße.
Auch die seit nunmehr drei Jahren geführte Bundesstatistik zur Zahl der öffentlich untergebrachten Personen zeigt einen deutlichen Anstieg. Danach waren laut Statistischem Bundesamt zum 31. Januar 2024 439.500 Personen mangels eigener Wohnung öffentlich untergebracht. Daneben zeigt dieser Wohnungslosenbericht, dass 60.400 Menschen bei Freunden und Bekannten und 47.300 Menschen auf der Straße leben. Hinter diesen Zahlen verbergen sich sehr individuelle Lebenskonstellationen und vor allem menschliche Schicksale.
Mit dem NAP W konnte eine wichtige politische Wirkung erzielt werden. Auf Landes- und Kommunalebene fand das Thema Wohnungsnot mehr Beachtung. Das ist ein großer Erfolg. Es fehlen im NAP W aber die konkreten Maßnahmen.
Um nur einige Beispiele zu nennen: Wie sollen wohnungslose Menschen, die mit besonders hohen Zugangshürden zum Wohnungsmarkt konfrontiert sind, mit bezahlbarem Wohnraum versorgt werden und wie wird dieser langfristig gesichert? Wie soll die unmittelbare und einheitliche Umsetzung menschenwürdiger Standards während ordnungsrechtlicher Unterbringungen erfolgen? Außerdem fehlen die Garantie eines diskriminierungsfreien Zugangs auch zur gesundheitlichen Versorgung sowie Schritte hin zur Schaffung flächendeckender Voraussetzungen zur rechtskonformen Umsetzung der Hilfen nach Paragraf 67 ff. SGB XII. Mit dieser Hypothek gehen wir in unsichere politische Zeiten.
Dazu wird auch die beim Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung eingerichtete Bundeskompetenzstelle zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit, die wiederum eine digitale Wissensplattform als erste Maßnahme in der Umsetzung hat, keinen entscheidenden Beitrag leisten.
In einer Zeit, in der populistische und menschenverachtende Aussagen - bis weit in die politische Mitte hinein - genutzt werden, um die Ausgrenzung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu verstärken, braucht es eine starke Stimme für Solidarität. Wir als BAG W appellieren an die zukünftige Bundesregierung, den Solidargedanken als grundlegendes Prinzip einer Demokratie bei allen Entscheidungen zu berücksichtigen. Ein klares Bekenntnis für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte bildet die Basis unserer Rechtsstaatlichkeit.
Wohnungsnot und die Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit muss auch für eine neue Bundesregierung eine zentrale Aufgabe bleiben. Das Wichtigste: Wir brauchen mehr sozialgeförderte Wohnungen. Notwendig ist eine ressortübergreifende und über alle staatlichen Ebenen hinweg abgestimmte Vorgehensweise, neue gesetzliche Regelungen zum Beispiel im Mietrecht genauso wie konkrete Förderinstrumente. Es geht darum, wohnungslose Menschen mit Wohnraum langfristig zu versorgen und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen effektiv vor dem Verlust ihrer Wohnung zu schützen. Im Forderungskatalog „Recht auf Wohnen garantieren!“ haben wir unsere zentralen Forderungen zur Bundestagswahl aufgeführt.
Köln (epd). Eine Umfrage der Malteser kommt zu dem Ergebnis, dass sich viele Menschen in Deutschland weder ausreichend informiert noch gut vorbereitet sehen, um sich und andere bei Naturkatastrophen oder bei Krieg zu schützen. „Der Aufbau eines robusten Zivilschutzsystems drängt: Wir sehen eine große Hilfsbereitschaft, aber gleichzeitig auch die Verunsicherung. Wenn Eigenvorsorge und Engagement wichtiger werden, braucht es auch staatliche Strukturen, die die Bevölkerung stärker einbinden und auf Krisensituationen vorbereiten“, sagte General a.D. Martin Schelleis, der Bundesbeauftragter für Krisenresilienz, Sicherheitspolitik und zivilmilitärische Zusammenarbeit bei den Maltesern, laut einer Mitteilung.
Die YouGov-Umfrage bei 2.169 Teilnehmenden belegt, dass die Bedrohungen laut viele Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen fünf Jahren merklich zugenommen haben. Besonders die Bedrohung durch bewaffnete Konflikte und Kriege empfinden 72 Prozent der Befragten als deutlich gestiegen. Ähnlich hoch sind die Sorgen in Bezug auf den Erhalt des sozialen Zusammenhalts, den 65 Prozent als schwächer werdend ansehen. 64 Prozent schätzen die öffentliche Sicherheit problematischer ein als vor einigen Jahren.
Das Bedürfnis sich selbst schützen zu können, ist bei 38 Prozent der Befragten gestiegen. Bei 29 Prozent der Befragten trifft das auch auf das Bedürfnis anderen helfen zu können zu. Allerdings: Nur knapp ein Drittel der Befragten sieht sich darauf (eher) gut vorbereitet. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) sieht hier deutlichen Nachholbedarf. Besonders Ältere fühlen sich zwar gut informiert, sehen sich aber schlechter in der Lage, aktiv zu handeln.
Weitere Erkenntnisse: Drei von vier Befragten stimmen zu, dass Eigenvorsorge notwendig ist, um sich und andere in Krisen und Katastrophen zu schützen. Allerdings bleibt die Umsetzung hinter den Erwartungen zurück. Die Hälfte der Befragten hat bisher keinerlei Vorsorge getroffen, auch wenn 27 Prozent dies in Erwägung ziehen. Erst jeder Vierte hat Vorräte an Lebensmitteln, Getränken und Medikamenten angelegt, 17 Prozent haben sich auf Stromausfälle vorbereitet und etwa jeder Zehnte hat in den letzten zwölf Monaten einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert.
Auch in Bezug auf das ehrenamtliche Engagement im Katastrophenschutz gibt es noch deutlichen Nachholbedarf, um besser vorbereitet zu sein. 38 Prozent der Befragten würden sich allenfalls spontan engagieren wollen, 23 Prozent würden eine Basisqualifizierung absolvieren, aber nur 17 Prozent würden sich als Spontanhelfer registrieren lassen, um auch gezielt in Notlagen eingesetzt werden zu können.
Hannover (epd). Niedersachsen startet ein Modellprojekt für die Anwerbung von Fachkräften aus Kolumbien für Mangelberufe im Bereich der Biowissenschaften. Das niedersächsische Arbeitsministerium fördert das Projekt „Adelante Colómbia“ („Weiter so Kolumbien“) in den kommenden drei Jahren mit Mitteln in Höhe von 500.000 Euro, wie das Ministerium am 10. Februar in Hannover mitteilte. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in Südniedersachsen solle es erleichtert werden, Fachkräfte zu gewinnen. Unter die Biowissenschaften („Life Science“) fallen etwa Berufe aus den Bereichen Medizin, Biochemie und Biophysik.
Der demografische Wandel werde für Niedersachsen weitreichende Folgen haben, betonte Arbeitsminister Andreas Philippi (SPD): „Den Unternehmen fehlen hierzulande in vielen Regionen und Berufsfeldern Fach- und Nachwuchskräfte.“ In Südniedersachsen betreffe dies oft Betriebe aus der Biotechnologie, Medizintechnik oder Gesundheitswirtschaft. Rund ein Viertel aller regionalen Arbeitsplätze seien mit diesen Bereichen verbunden.
Bis zu 50 qualifizierte Fachkräfte sollen angeworben werden, darunter etwa Physiklaborantinnen, Mechatroniker oder Mitarbeiter der chemischen Industrie. Den Angaben zufolge werden aktuell unter rund 150 Unternehmen aus dem Bereich „Life Science“ in Südniedersachsen Unternehmenspartner gefunden und gesuchte Stellenprofile ermittelt.
Die Industrie- und Handelskammer Hannover ermittele die dazu passenden Berufe für die in Südniedersachsen gesuchten Fachkräfte als Grundlage für eine schnelle und erfolgreiche Anerkennung der kolumbianischen Abschlüsse in Deutschland. Alle künftigen „Adelante“-Fachkräfte müssten eine passende abgeschlossene Berufsausbildung in Kolumbien haben und sich im Vorfeld der Einreise das Sprachniveau B1 in der deutschen Sprache aneignen.
Zuletzt hatte der Fall von zehn von Abschiebung bedrohten kolumbianischen Pflegekräften in einem Heim für Demenzkranke in Wilstedt bei Bremen für Schlagzeilen gesorgt. Sie hatten Asyl beantragt, wurden aber abgelehnt. Im Falle ihrer Ausreise hätte das Heim möglicherweise schließen müssen. Die Frauen und Männer sollen nun eine Ausbildung zur Pflegekraft machen und können so eine Duldung erhalten. Beim Projekt „Adelante“ sollen Menschen aus Kolumbien von vorherein über das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz angeworben werden, um den irrtümlichen Weg über Asylanträge zu vermeiden.
Düsseldorf (epd). Das Land NRW stellt für den sozialen Wohnungsbau in diesem Jahr Fördermittel in Höhe von rund 2,3 Milliarden Euro bereit. Das geht aus der jetzt veröffentlichten Richtlinie der öffentlichen Wohnraumförderung für 2025 hervor, wie das Landesbauministerium am 11. Februar in Düsseldorf mitteilte. Mit dem Geld unterstützt das Land die Schaffung, Modernisierung und Erhaltung moderner, barrierefreier, klimaschutzorientierter und vor allem bezahlbarer Wohnstandorte und Wohnangebote. Für die Sozialwohnungen gelten Mietpreis- und Belegungsbindungen.
Die NRW-Landesregierung hat die öffentliche Wohnraumförderung des Landes für den Zeitraum 2023 bis 2027 mit einem Finanzrahmen von 10,5 Milliarden Euro ausgestattet. Mit der Förderrichtlinie 2025, die rückwirkend zum 1. Januar in Kraft tritt, ist zugleich ein europäisches Förderverbot für eigenständige und mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizkessel umzusetzen. „Hybride Heizungsanlagen bleiben förderfähig, wenn diese mit einem erheblichen Anteil an erneuerbarer Energie kombiniert sind“, erklärte Ministerin Ina Scharrenbach (CDU).
Solingen, Wiesbaden (epd). In Solingen gibt es seit fast 15 Monaten an der Mummstraße das „Wunder von der Wupper“. So nennt die Vorständin der Bergischen Krankenkasse, Sabine Stamm, den dortigen Gesundheitskiosk. Ein Gemeinschaftsprojekt, das bislang in 1.800 Fällen bei gesundheitlichen und sozialen Fragen geholfen hat. Der Kiosk zeige, wie wichtig niedrigschwellige Angebote für eine gerechte Gesundheitsversorgung seien: „Hier gelingt es, Barrieren abzubauen und Menschen dort abzuholen, wo sie wirklich Hilfe brauchen“, so Stamm.
Eigentlich sollten die Gesundheitskioske nach dem Willen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) überall in Deutschland entstehen, 1.000 an der Zahl. Doch dazu kommt es nicht, weil der Plan im Vorjahr aus dem „Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“ gestrichen wurde. Das führte zu deutlicher Kritik von Sozialverbänden. Wilfried Wesemann, Vorsitzender des Deutschen evangelischen Verbandes für Altenhilfe, rügte, „dass eine große Chance verpasst werde, um eine am Bedarf orientierte Versorgung im Quartier anzubieten“.
Die neuen Anlaufstellen sollten ursprünglich als Teil der Regelversorgung die medizinische Versorgung und die Gesundheitsprävention verbessern. Sie hätten sozial benachteiligten Menschen einen einfachen Zugang zu ärztlicher Versorgung eröffnet. Ärzteverbände waren wenig begeistert. Sie warnten vor einem Aufbau von Parallelstrukturen. Vorhandene Ressourcen seien begrenzt und sollten im ambulanten Bereich eingesetzt werden, hieß es. Die Krankenkassen betonten, es sei zwar richtig, dass die Kioske Daseinsvorsorge betreiben sollten. „Diese darf aber nicht beitrags-, sondern muss steuerfinanziert werden.“
Gesundheitskioske, von denen es die ersten seit 2017 gibt, erfüllen laut Johannes Lauxen eine wichtige Lotsenfunktion, die über das rein Medizinische hinausgeht. Sie vernetzten bestehende Angebote und vermittelten Menschen nicht nur an Arztpraxen und Kliniken, sondern etwa auch in psychosoziale Beratung oder an einen Pflegestützpunkt. „Damit tragen sie zur Prävention und zur Verhinderung schwererer Krankheitsverläufe bei“, sagt Sozialarbeiter Johannes Lauxen von der Bundesarbeitsgemeinschaft Anonyme Behandlungsschein- und Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz (BACK).
Wie viele dieser Anlaufstellen es bundesweit gibt, ist unklar, vermutlich sind es einige Dutzend. Sie bestehen auch dank unterschiedlicher Finanzierungsmodelle. So betreibt die AOK Rheinland/Hamburg mit unterschiedlichen Partnern und mit Hilfe der Kommunen neben dem Solinger Kiosk sechs weitere in Hamburg, Essen, Aachen und Köln.
Betreiber in Solingen ist das Ärztenetz solimed, wodurch eine direkte Verbindung zur haus- und fachärztlichen Versorgung besteht. Das Geld dazu kommt von der AOK Rheinland/Hamburg. Finanziell beteiligt sind zudem die Bergische Krankenkasse und die Stadt Solingen. Der Betreiber betont: ob mit ungeklärtem Versichertenstatus oder ohne Krankenversicherung, geholfen werde allen.
In Hamburg, wo in Billstedt/Horn ab 2017 Gesundheitskioske öffneten, kam nach 18 Monaten Laufzeit eine Evaluation des „Hamburg Center for Health Economics“ zu dem Schluss: „Nicht nur die Nutzerinnen und Nutzer sind mit den Angeboten des Gesundheitskiosks sehr zufrieden, auch die am Projekt teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte berichten von einer Arbeitserleichterung und einer Verbesserung der Versorgung.“ Dass durch das Projekt der Zugang zur ambulanten Versorgung nachweislich verbessert werden konnte, zeigt vor allem ein Blick auf Krankenhausfälle und ambulante Arztbesuche: Am Ende des Projekts konnte ein Rückgang der durch eine effektive ambulante Versorgung vermeidbaren Krankenhausfälle im Vergleich zu den anderen Stadtteilen Hamburgs um fast 19 Prozent festgestellt werden.
Gleichwohl sieht das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen die inhaltliche Ausrichtung der Kioske kritisch. Weshalb es wohl auch nach der Bundestagswahl nicht zur Ausweitung des Angebots kommen wird. „Gerade die vom Bundesministerium für Gesundheit ursprünglich geplante starke medizinische Ausrichtung der Kioske inklusive einfacher medizinischer Routineaufgaben mittels ärztlich delegierter Leistungen wird nicht für sinnvoll oder erforderlich erachtet“, sagte ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine „Arztpraxis light“, wie einst angedacht, stelle keine sinnvolle Versorgungsstruktur dar.
Deshalb betont der Sprecher, die Kioske in NRW unterschieden sich in der Praxis ganz deutlich von den Planungen des Bundesgesundheitsministeriums. „Bei den Kiosken handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz im Sozialraum. Der Gesundheitskiosk fungiert als Anlaufstelle und Lotse für Klienten mit multiplen Problemlagen, die nicht nur den Gesundheitsbereich betreffen.“
In Wiesbaden arbeitet man an der Eröffnung eines ersten Gesundheitskiosks. „Der wird unter der Trägerschaft des Gesundheitsamtes Wiesbaden laufen und von Mitarbeiterinnen des Amtes besetzt sein“, sagte der Gesundheitsreferent der Stadt, Thomas Völker, dem epd. Das Konzept werde offen gestaltet, so dass dort beispielsweise auch Raum für Selbsthilfeangebote sein werde. „Wir freuen uns, dass wir die Tafel Wiesbaden in die Räumlichkeiten integrieren konnten, wovon wir uns vielfältige Kooperationen und eine Win-win-Situation für die Tafel-Kundinnen und -Kunden versprechen.“
In der Landeshauptstadt gab es ursprünglich den Plan, drei dieser Anlaufstellen zu eröffnen - weil Minister Lauterbach für je 80.000 Einwohnerinnen und Einwohner einen Gesundheitskiosk aus Bundesmitteln finanzieren wollte. Doch dann kam alles anders: Die Idee löste sich in Luft auf, und damit auch die angedachten Zuschüsse von 80 Prozent der Kosten.
Doch die Südhessen wollten ihre schon weit gediehenen Planungen nutzen, um wenigstens einen Kiosk einzurichten. Das gelingt nun auch: Im Wiesbadener Westcenter wurden Räume angemietet: „Aktuell findet der Umbau statt, die Eröffnung erwarten wir für das zweite Quartal 2025.“ Völker bedauert, dass es für diese Hilfsangebote keine Förderung des Bundes gibt. Das treffe vor allem Kommunen, die solche Angebote bräuchten: „In Wiesbaden funktioniert das nur, weil wir die Personalkosten über das Gesundheitsamt tragen können, sonst hätten wir das nicht umsetzen können.“
Dass es letztlich wie immer ums Geld geht, betont auch Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg: „Wir werden Gesundheitskioske oder vergleichbare Einrichtungen zukunftssicher nur weiter betreiben können, wenn die Angebote politisch gewollt sind und angemessen gefördert werden.“ Seine Kasse schätzt den bundesweiten Bedarf auf 50 bis 100 Einrichtungen. Auch wenn das wohl nur Wunschdenken bleibt: Die Bundesregierung müsse „den Rahmen für eine nachhaltige und gerechte Finanzierung schaffen“.
Wusterhausen/Dosse (epd). Jeder, der im „Schloss Bantikow“ aufgenommen wird, einem ehemaligen Gutshaus in Brandenburg, ist schwer traumatisiert, meist mehrfach. Es sind Kinder und Jugendliche wie Jana (Name geändert), die aus einer Pflegefamilie kam, in der sie nicht bleiben konnte. Sie war ein Jahr alt, als sie mit ihrer drogen- und alkoholabhängigen obdachlosen Mutter unter einer Berliner Brücke gefunden wurde.
Einige Kinder sprechen nicht, essen nicht oder nässen sich ein: „Sie haben schwere Krankheiten durch Drogenschädigung als Fötus, einen kaputten Darm“, sagt Guntram Winterstein, 57, Diplom-Sozialarbeiter und Geschäftsführer des Sozial-Werks Winterstein. Es ist Träger des 2019 eröffneten Kinder-Traum-Hauses Schloss Bantikow, wie es sich nennt: In einem Modellprojekt wird Kindern und Jugendlichen geholfen, die zu Hause, in anderen Heimen oder Pflegefamilien nicht bleiben können.
„Wir haben Kinder, die äußern sich bis zu einem Jahr lang nur durch Schlagen, Treten und Einnässen“, sagt er. Das auszuhalten, sei Grundlage der Therapie. Aber das Kind sei nicht „böse“, es wisse es nicht anders, es sei pro Tag 24 Stunden im Überlebensmodus nach körperlicher und seelischer Gewalt, sexuellem Missbrauch, Vernachlässigung. Es mangele an allem, vor allem an Liebe, Zärtlichkeit.
Das „Schloss“ liegt in einem 1,2 Hektar großen Park, begrenzt von einem Zaun und einem See. Läuft man hinter das Gebäude, sieht man den hauseigenen Steg mit Booten. Dazwischen klettern und toben Kinder, es gibt Wiesen und Spielbereiche, einen Fußball- und Basketballplatz: Raum und Schutz für 23 Kinder und Jugendliche in vier Gruppen. Jede Gruppe hat eine Küche, ein Spiel- und Wohnzimmer und mindestens zwei Bäder - ein für jedes Kind überschaubares Zuhause.
Hier arbeiten fast 50 Erzieherinnen und Erzieher, Trauma-Pädagoginnen und -Pädagogen, Fachleute aus Psychologie, Therapie, Krankenpflege und Hauswirtschaft, Hausmeister und eine Köchin. Der Personalschlüssel geht bis zu eins zu zwei, teils eins zu eins in der intensivpädagogischen Gruppe.
Deren Leiter, der Erzieher Thomas Gröger, 38, hat selbst vier Kinder. Einer seiner Schützlinge ist Ben (Name geändert). Vor drei Jahren musste er in Obhut genommen werden, seine Eltern waren stark drogenabhängig, wie Gröger erzählt. Er habe anfangs nur in seiner Welt gelebt, sei nicht ansprechbar gewesen. „Er wurde uns als nicht einschulbar übergeben. Nach einem halben Jahr ging er auf die Förderschule. Heute liest er sehr viel, gerade über Ritter und Dinosaurier, ist einer der besten Leser seiner Klasse.“
Ben ist am Tag des Reportagetermins konzentriert, wissbegierig. Zweieinhalb Stunden macht er aufmerksam mit, später sagt er dem Erzieher: „Das ist ein guter Tag!“
Nur mit dem Geld, das die staatlichen Stellen für die Inobhutnahme der Kinder zahlen, wäre eine solch intensive Förderung nicht möglich. Die Berliner Bödecker-Familienstiftung für Kinder hat das Haus zur Verfügung gestellt, den Umbau bezahlt und unterstützt langfristig den Träger. Das erst erlaubt auch die Umsetzung des besonderen Konzepts. Die Familie Winterstein, neben Guntram seine Frau Jana, 52, Gesamtleiterin der Einrichtungen, und Sohn Jakob, 26, stellvertretender Geschäftsführer, folgt nach eigenen Angaben im Kern einem Konzept, das von dem 2021 verstorbenen Psychoanalytiker und Pädagogen Yecheskiel Cohen stammt.
Als Kind aus Nazi-Deutschland geflohen, gründete Cohen in Israel das Jerusalem Hills Therapeutic Center und leitete es 40 Jahre. 70 Prozent der schwer Traumatisierten fanden hinterher ihren Platz in der Gesellschaft. Seine Hauptforderung: „Nicht das traumatisierte Kind hat sich uns anzupassen, sondern wir uns dem Kind.“
Cohens Konzept habe sehr viele Gemeinsamkeiten mit der Traumapädagogik, sagt Martin Kühn, 60, der das Konzept von „Schloss Bantikow“ kennt. Kühn ist Mitgründer und Leiter des Traumapädagogischen Instituts Norddeutschland (Train) in Worpswede. Er war auch 2008 Mitgründer der Bundesarbeitsgemeinschaft (heute: Fachverband) Traumapädagogik. „Jedes Verhalten eines Menschen macht aus seiner Perspektive einen Sinn. Es gibt kein sinnloses Verhalten. Es gibt keine Systemsprenger, nur ein gesprengtes System.“
„Systemsprenger“, so heißt ein Film der Regisseurin Nora Fingscheidt aus dem Jahr 2019, der den Weg eines traumatisierten Mädchens nachzeichnet, das immer wieder scheitert. Wenn man in dem Film „Systemsprenger“ genau hinsehe, zeige sich das Verhalten des Kindes jederzeit als absolut logisch, sagt Kühn. „Das zu verstehen - was nicht heißt, einverstanden zu sein - ist die Voraussetzung der Therapie.“ Wichtig sei ein sicherer Ort, nicht nur räumlich, die Therapie müsse im Alltag stattfinden, mit verlässlichen Regeln und Strukturen, klaren Ansagen. Und bei allem gleichzeitig mit Flexibilität und ständiger Hinterfragung.
Das, so Kühn, erfordere Zeit, viel und gut ausgebildetes Personal. Bei jungen Kindern bis zu sechs Jahren heiße es oft: Ein Heim habe den Nachteil des Schichtdienstes, also wechselnder Bezugspersonen. „In der Praxis sieht das anders aus“, ist die Meinung von Kühn. Pflegeeltern, die Alternative zum Heim, seien Laien und bekämen sehr wenig Unterstützung. „Mit schwer traumatisierten Kindern, auf die man keinen vorbereiten kann, sind sie in der Regel überfordert. Liebe reicht nicht.“
„Schloss Bantikow“ als Modellprojekt darf Minderjährige von 0 bis 17 Jahren aufnehmen. Guntram Winterstein berichtet: „Wir müssen werktäglich zwei bis fünf Anfragen von Jugendämtern aus ganz Deutschland ablehnen, die dringend ein Heim für traumatisierte Kinder suchen, darunter viele sehr junge.“ Normalerweise dürfen - bis auf Ausnahmen - Kinder im Kleinkind- und Kita-Alter nur in Pflegefamilien gegeben werden. Das Ergebnis laut Winterstein: „Kinder werden mehrfach entnommen, werden weiter traumatisiert. Wir haben hier Kinder mit bis zu fünf Stationen.“
Ben sei mittlerweile so gereift, erzählt Gröger, dass er demnächst in eine Regelgruppe umziehen könne. Er sei auf dem besten Wege, ein selbständiges Kind zu werden. Jana ist heute 17 Jahre alt, sechs Jahre lang war sie in Bantikow. Sie ist stolz darauf, jetzt in der Ausbildung zur Malerin zu sein und bald in eine eigene Wohnung ziehen zu können - und ihren persönlichen Traum zu verwirklichen.
Frankfurt a. M. (epd). Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben Jugendämter 2023 mehr Kinder und Jugendliche als im Jahr zuvor zu ihrem Schutz in Obhut genommen: Zwölf Prozent mehr als 2022, insgesamt 74.600. 53 Prozent von ihnen waren unbegleitete Minderjährige aus dem Ausland. Rechnet man diese Fälle heraus, ist die Zahl der Inobhutnahmen 2023 um sieben Prozent gegenüber 2022 gesunken.
Berlin (epd). Ohne ein Umsteuern in der Sozial- und Klimapolitik drohen nach Einschätzung der Diakonie die einkommensschwächsten Haushalte in Deutschland weiter abgehängt zu werden. „In der Debatte um den Klimaschutz wird die Perspektive von Menschen mit wenig Geld viel zu oft vergessen,“ kritisierte Elke Ronneberger, Bundesvorständin der Diakonie Deutschland, bei der Vorstellung eines Gutachtens zum sozial-ökologischen Existenzminimum am 11. Februar in Berlin.
Sie sagte, wegen der aktuellen Wirtschaftsentwicklung und den notwendigen Investitionen in den Klimaschutz würden Menschen in den unteren Einkommensgruppen in absehbarer Zeit ihren Alltag mit deutlich weniger verfügbarem Einkommen bestreiten müssen. Das gelte zumindest dann, wenn sich die Verteilungsentwicklung der letzten 25 Jahre fortsetzen sollte.
Gründe dafür seien die wachsende Einkommensungleichheit, die Kosten für Investitionen zum Beispiel in die Infrastruktur und steigende Preise, schreiben der Ökonom Benjamin Held und die Verteilungsforscherin Irene Becker in ihrem von der Diakonie in Auftrag gegebenen Gutachten.
Es zeige, „dass die Folgen der Klimakrise auch in Deutschland das Existenzminimum gefährden könnten, wenn die Politik nicht gegensteuert. Wir müssen neu darüber nachdenken, wie wir auch in Zukunft für alle die Teilhabe an der Gesellschaft sichern“, so Ronneberger. Dazu müssten bei der Bestimmung des Existenzminimums ökologische Kriterien berücksichtigt werden. Ziel sei es, dass ein sozial-ökologisches Existenzminimum sicherstellt, dass bei der Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft niemand zurückgelassen werde.
Ein großes Problem sind den Forschern zufolge die gestiegenen Lohnunterschiede. Die Einkommensungleichheit habe in den vergangenen 25 Jahren deutlich zugenommen hat. So sind die verfügbaren Einkommen der obersten zehn Prozent der Haushalte zwischen 1995 und 2020 preisbereinigt um 51 Prozent gestiegen, die der untersten zehn Prozent dagegen nur um vier Prozent. Zugleich sei der Regelsatz für Menschen, die Bürgergeld oder Grundsicherung im Alter erhalten, im gleichen Zeitraum preisbereinigt sogar um drei Prozent gesunken und erreicht erst jetzt wieder das Niveau von 1995.
Parallel dazu führt die Klimakrise zu deutlichen Preissteigerungen, zum Beispiel durch die CO2-Bepreisung. Das könne dazu führen, dass sich Menschen mit geringem Einkommen nicht ausreichend am Klimaschutz und am gesellschaftlichen Leben beteiligen können, weil ihnen schlicht das Geld dafür fehle.
„Die Folgen des Klimawandels wie Extremtemperaturen und Unwetter treffen soziale Einrichtungen sowie Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen besonders hart. Klimaschutz und der Schutz vor Armut gehören untrennbar zusammen. Die nächste Bundesregierung steht zudem in der Verantwortung, soziale Einrichtungen bei den Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung finanziell zu unterstützen“, sagt Katja Kipping, Geschäftsführerin des Paritätischen Gesamtverbands.
Doch das Gutachten zeige, dass die drohende Abwärtsspirale durch einen Mix sozialpolitischer Maßnahmen durchbrochen werden könne. Dazu bedürfe es unter anderem einer gezielten Stärkung von Geringverdienern, etwa durch eine Einkommensteuerreform, eine Erhöhung des Mindestlohns und eine Reform der Grundsicherung.
„Wenn die sozial gerechte Transformation zur Klimaneutralität erfolgreich sein soll, kommt es vor allem darauf an, dass wir auch Haushalten mit unterem und mittlerem Einkommen ermöglichen, aus einem CO2-intensiven Lebensstil auszusteigen“, sagte Brigitte Knopf, Direktorin und Gründerin von Zukunft KlimaSozial und stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen. Das kann nach ihren Worten gelingen, „wenn wir Klima- und Sozialpolitik von Anfang an zusammen denken“. Mit einem Ausbau der öffentlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge, Ordnungsrecht, gezielter Förderung und einem sozial gestaffelten Klimageld könne eine positive Teilhabe an der Transformation für alle bewirkt werden.
So könnten sowohl die Klimaziele erreicht als auch gesellschaftliche Teilhabechancen gesichert werden, sagte Knopf. Im Gutachten würden fünf Lösungsansätze vorgestellt, die besonders geeignet sind, um diese Ziele zu erreichen und damit ein ‚sozial-ökologisches Existenzminimum‘ sicherzustellen.
Augsburg (epd). Eine Theodor Heuss Medaille, der Deutsche Städtebaupreis oder der Miteinander!-Preis des Bayerischen Rundfunks: Das 2013 gegründete Augsburger „Grandhotel Cosmopolis“ hat sich in seinen Anfangsjahren bundesweit zu einem Asyl-Vorzeigeprojekt entwickelt, das mehrfach ausgezeichnet wurde. In dem Diakonie-Gebäude wohnen laut Ursprungsidee Geflüchtete, Künstler und normale Hotelgäste unter einem Dach und kommen durch Kulturevents oder das hauseigene Café miteinander in Kontakt - ein bis dato einmaliges Konzept zur Integration von Geflüchteten.
Doch in den vergangenen Jahren war es ruhig geworden ums Grandhotel. Seit der Corona-Pandemie steht außerdem der Hotelbetrieb still. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass das Grandhotel ums Überleben kämpft. Ein Kassensturz hat ergeben, dass man den Betrieb nur noch drei Monate am Laufen halten kann. Jetzt hat der Vorstand mithilfe von externen Experten einen Sanierungsplan vorgelegt. Das Ziel: Dem Grandhotel, das ein eingetragener Verein ist, wieder zu altem Glanz zu verhelfen - und es dauerhaft finanziell sicher aufzustellen.
Die Stadt Augsburg teilt auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mit, dass sie die nötigen Umstrukturierungen begleiten und unterstützen will. Gerade in einer Zeit, in der die Demokratie angegriffen werde und der Rechtsextremismus zunehmend Zulauf bekomme, seien solche Orte der Begegnung und des Austauschs wie das Grandhotel wichtiger denn je, sagt die zweite Bürgermeisterin und Migrationsexpertin Martina Wild (Grüne). Die Stadt unterstütze das Grandhotel seit Anbeginn an - sei es durch Mietkostenzuschuss oder durch Projekt-Einzelförderungen.
Unterstützung, die das Grandhotel gut brauchen kann: Die monatlichen Fixkosten - also vor allem Miete und Personalkosten - liegen bei rund 20.000 Euro, das monatliche Minus habe im vergangenen Jahr zwischen 5.000 und 10.000 Euro betragen, sagt Ralf Lösch vom Vorstand des Grandhotels. In der Zwischenzeit hat der Vorstand deshalb auch einen Spendenaufruf gestartet. Ziel seien 80.000 Euro, bislang eingegangen seien 17.000 Euro, sagt Vorstandsmitglied Nubia Aileen Reuter.
Für viele gehört das Projekt zum sozialen Gesicht Augsburgs. „Ein Aus des Grandhotels wäre für Augsburg ein großer Verlust, den ich sehr bedauern würde“, sagt der evangelische Augsburger Dekan Frank Kreiselmeier. Es würde fehlen, sagt auch der Theologische Vorstand der Augsburger Diakonie, Fritz Graßmann. Die Diakonie Augsburg vermietet den einen Teil des Gebäudes ans Grandhotel, den anderen an die Regierung von Schwaben zur Unterbringung von rund 60 Geflüchteten.
Das Grandhotel erzeuge ein „sehr friedliches“ und „für den Stadtteil entspannendes Klima rund um die Flüchtlingsunterkunft“, sagt Graßmann. Davon profitiere auch die Diakonie. Er gibt aber auch zu bedenken, dass das Geschäftsmodell des Grandhotels passen müsse. „Nur so kann das Überleben gesichert werden.“ Den Spendenaufruf sieht er daher mit gemischten Gefühlen. Fundraising-Aktionen könnten ein strukturelles Defizit nicht dauerhaft ausgleichen.
Dessen ist sich der Vorstand bewusst und arbeitet an der Umsetzung des Sanierungsplans. Oberste Priorität sei, den Hotelbetrieb wieder zum Laufen zu bringen, sagt Reuter. Insgesamt gebe es rund 17 Hotelzimmer, die seit der Corona-Pandemie fast alle als Ateliers an Kunstschaffende vermietet würden. Doch die Atelier-Vermietung werfe nur halb so viel ab wie eine Kurzzeitvermietung der Hotelzimmer, sagt Ralf Lösch, der bereits seit zwei Jahren im Vorstand aktiv ist, aber erst jetzt im Bereich Finanzen.
Weitere Ideen im Sanierungsplan: Lagerfläche reduzieren, um mehr Mietflächen zu schaffen, Coworking Spaces einrichten, das hauseigene Café wieder mehr zum Leben erwecken, zum Beispiel mit Kulturevents, das Catering ausbauen und den Seminarraum wieder vermehrt für externe Veranstaltungen vermieten.
An ein mögliches Aus des Grandhotels wollen Reuter und Lösch trotz aller Unsicherheiten jedoch nicht denken. Die Resonanz auf den Spendenaufruf sei unglaublich positiv gewesen. Von allen Seiten habe man grünes Licht bekommen, den Sanierungsplan durchzuziehen und weiterzukämpfen. „Der Vorstand ist mit ganzem Herzen dabei, das Projekt am Leben zu erhalten.“
Neuendettelsau (epd). Nach mehreren finanziellen Krisenjahren will sich das evangelische Sozialunternehmen Diakoneo gesundschrumpfen. Dazu will sich Diakoneo von seiner kompletten Gesundheitssparte trennen, wie das Diakonie-Unternehmen am 10. Februar am Hauptsitz im mittelfränkischen Neuendettelsau mitteilte. Für alle Kliniken und das Gesundheitszentrum Mittelfranken in Neuendettelsau suche man neue Träger. Vergangenes Jahr hatte Diakoneo bereits seine Klinik in Schwäbisch Hall abgegeben. Für 2024 rechnet das Unternehmen erneut mit einem Millionen-Defizit, bis 2028 will man die Konsolidierung abgeschlossen haben.
Die Nachricht zur Neustrukturierung kommt wenig überraschend: Vor drei Wochen hatten sich die Wege von Diakoneo und dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden Mathias Hartmann getrennt. Offiziell sprechen beide Seiten von „persönlichen Gründen“, doch Branchenkenner sagten dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage, unternehmensintern hatte es schon länger Kritik an Hartmann gegeben. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2015 als Rektor und Vorstandschef hatte der Pfarrer und Diakoniewissenschaftler die Gesundheitssparte durch Zukäufe stark ausgebaut. Seit der Corona-Pandemie allerdings war diese stark defizitär.
Das Sozialunternehmen will sich künftig vor allem auf die zwei Bereiche Bildung und Dienste für Menschen konzentrieren. Das heißt konkret: Diakoneo will weiterhin Träger von Kitas und Schulen bleiben, Einrichtungen für Senioren und Menschen mit Behinderungen betreiben. „Seit mehr als 170 Jahren beweisen wir jeden Tag, dass hier unsere Kernkompetenzen liegen“, sagte Ina Strickstrock, bei Diakoneo Vorständin für Personal und Unternehmensentwicklung. Mit der Weiterarbeit in diesen Bereichen, die Diakoneo „auch künftig zuverlässig anbieten und weiterentwickeln“ will, wolle man die Aktivitäten des Sozialunternehmens „stabilisieren“.
Das heißt auf der anderen Seite: Für das Medizinische Versorgungszentrum in Neuendettelsau, dem früheren Krankenhaus, soll ein neuer Träger gefunden werden, ebenso für die Klinik Hallerwiese und die Cnopfsche Kinderklinik in Nürnberg. Für die beiden letztgenannten ist man schon länger auf Käufer-Suche und verhandelt mit dem Klinikum Nürnberg. Hier sei man weiter „in guten Gesprächen“. Auch vom bisher nicht infrage gestellten Reha-Zentrum Rangauklinik in Ansbach will man sich trennen. Zudem hat Diakoneo für einen Euro die restlichen Anteile der Stadt Schwabach am dortigen Krankenhaus erworben - um es nun verkaufen zu können.
Der Klinik-Bereich von Diakoneo hatte trotz Konsolidierungsversuchen teils Millionen-Defizite geschrieben. Nach monatelangen Verhandlungen hatte Diakoneo zum 1. Januar 2025 die „Diak“-Klinik in Schwäbisch Hall an den Landkreis verkauft - und der Kommune dafür 37 Millionen Euro an „negativem Kaufpreis“ überwiesen. Letztlich sei dies die beste Lösung gewesen, sagte Strickstrock auf epd-Anfrage: Alleine in diesem Jahr wären die Defizite aus Schwäbisch Hall höher als der negative Kaufpreis gewesen. Auch bei den übrigen Kliniken sei die Zahlung solcher „negativer Kaufpreise“ denkbar, wenn sie dafür weiterbetrieben werden, hieß es.
Der Vorstandsvorsitz bei Diakoneo bleibt laut Strickstrock vorerst vakant. Als Aufsichtsgremium habe das Diakoneo-Kuratorium eine auf zwei Jahre befristete Satzungsänderung beschlossen. In dieser Zeit kann das Unternehmen auf die Position verzichten, die übrigen vier Vorstandsmitglieder teilen sich die Arbeit in dieser Konsolidierungsphase auf, erläuterte Strickstrock auf epd-Anfrage. Diesem Vorgehen müsse die Landeskirche noch formal zustimmen. Wichtig sei allen Beteiligten, dass das christlich-theologische Profil von Diakoneo weiter erhalten bleibe. Dafür sorgten auch die geistlichen Gemeinschaften des Diakoniewerks.
Diakoneo ist mit rund 10.000 Mitarbeitenden einer der größten diakonischen Träger in Deutschland. 2.000 davon arbeiten in Baden-Württemberg, 8.000 in Bayern. Entstanden ist Diakoneo im Jahr 2019 aus der Fusion der bis dahin jeweils selbstständigen Diakonie Neuendettelsau und dem Diakoniewerk Schwäbisch Hall.
Essen (epd). Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) hat Forderungen zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe vorgestellt. „Die nächste Bundesregierung muss dabei zwei Zielsetzungen harmonisieren“, sagte Geschäftsführer Thomas Knieling am 11. Februar in Essen. Ziel müsse es sein, die Einrichtungen auszubauen und die Selbstbestimmung von Hilfeempfänger zu verbessern.
Die Unternehmen in der Eingliederungshilfe stehen nach seinen Worten vor der großen Herausforderung, die Transformation der Hilfestrukturen im Sinne des Bundesteilhabegesetzes zu bewerkstelligen. Die Einrichtungen sollen dabei als Organisationseinheit in den Hintergrund treten und die Hilfebezieher mehr Einfluss auf den Inhalt und den Ablauf der Leistungen bekommen. „Der VDAB hat deshalb ein Positionspapier verfasst, das als Prüfstein für die Wahlprogramme dienen und gleichzeitig eine Agenda für die nächste Bundesregierung sein kann“, so Knieling.
Um das Ziel zu erreichen, brauche es realistische Konzepte und eine verlässliche Refinanzierung. Dazu gehöre auch Augenmaß bei dem neu einzuführenden Qualitätssicherungsverfahren. „Mit dem Positionspapier wollen wir klarmachen, dass es höchste Zeit ist, die Einrichtungen der Eingliederungshilfe konsequent zu unterstützen, um die professionelle Versorgung zu sichern.“
Berlin (epd). Der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) rügt seit Jahren, dass die Bürokratie den Pflegeanbietern zusetzt. Längst sei das in den Bilanzen zu spüren: 57 Prozent der stationären Pflegeeinrichtungen und 61 Prozent der ambulanten Dienste schätzen ihre wirtschaftliche Situation als instabil ein. Das zeige eine aktuelle Umfrage des VKAD, heißt es in einer Mitteilung.
Angesichts der steigenden Nachfrage nach pflegerischer Hilfe entstehe so eine gefährliche Schieflage. Geschäftsführer Andreas Wedeking: „Die Ampelregierung hat in Sachen Pflegepolitik wenig erreicht. Dass nicht einmal das Pflegekompetenzgesetz den Bundestag passiert hat, ist ein echter Rückschlag.“ Er erwarte, dass die neue Bundesregierung mit Reformen deutliche Akzente setze.
Zu den wesentlichen Aufgaben in der Pflege zählen laut dem Geschäftsführer Bürokratieabbau und Verfahrensbeschleunigung. So sagen im stationären Bereich 25 Prozent der befragten katholischen Träger, dass von den Sozialämtern nicht oder nur stark verzögert bezahlte Rechnungen ihre wirtschaftliche Situation stark beeinträchtigen. Fast 60 Prozent der Träger beklagen, dass die gesetzlich vorgegebene Bearbeitungsfrist von sechs Wochen für das Unterschriftenverfahren nach Abschluss der Pflegesatzverhandlungen regelmäßig überschritten wird. Die Hälfte der Betroffenen wartet über drei Monate, 17 Prozent sogar über neun Monate und länger. In dieser Zeit sind die Einrichtungen gezwungen, laufende Kosten vorzufinanzieren.
Wedeking: „Die Pflegeeinrichtungen werden durch langwierige Verfahren und ineffiziente Prozesse regelrecht ausgebremst. Das geht bis an die finanzielle Belastungsgrenze. Das Problem ist bekannt. Die Politik muss endlich handeln.“
Bürokratie und lange Verfahren verschärften zudem das drängende Thema des Fachkräftemangels. Fast die Hälfte der stationären Einrichtungen gaben an, dass sich Anerkennungsverfahren von Fachkräften aus Drittstaaten über neun Monate und länger ziehen. „Die qualifizierten Fachkräfte stehen bereit, aber wir können sie aufgrund der langwierigen Anerkennungsverfahren nicht einsetzen. Das ist ein massiver Bremsklotz für die Versorgungssicherheit“, kritisiert Wedeking. Auch der ambulante Bereich leide unter den schleppenden Anerkennungsverfahren.
Mit Blick auf die neue Legislatur macht der VKAD neun Vorschläge, um die Rahmenbedingungen für Träger der Pflege zu verbessern. Die Forderungen betreffen etwa den Umgang mit dem Zahlungsverzug der Sozialämter, die Fristen bei den oft langwierigen Pflegesatzverhandlungen, die schnellere und unbürokratische Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und die finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen in den Heimen.
Der Verband vereint nach eigenen Angaben rund 500 Träger der katholischen Langzeitpflege in Deutschland. Dahinter stehen mehr als 2.200 Einrichtungen und Dienste mit rund 100.000 Mitarbeitenden, die täglich fast 360.000 pflegebedürftige Menschen versorgen.
Kassel (epd). Alleinstehende Asylbewerber in Sammelunterkünften erhalten nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) von Anfang an in verfassungswidriger Weise zu geringe Asylbewerbergrundleistungen. Denn die vom Gesetzgeber eingeführte zehnprozentige Kürzung der Sozialleistungen ist unzureichend begründet worden, entschieden die Kasseler Richter in einem am 13. Februar veröffentlichten Beschluss. Sie setzten das Verfahren aus - und legten es dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.
Konkret ging es um einen alleinstehenden Asylbewerber aus Guinea. Vom 11. April 2019 bis 31. August 2020 war er in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht. An Sozialleistungen erhielt er die sogenannten Asylbewerbergrundleistungen, die um rund 22 Prozent niedriger liegen als die Sozialhilfe oder das Bürgergeld.
Weil der alleinstehende Flüchtling in einer Gemeinschaftsunterkunft lebte, wurden seine Asylbewerbergrundleistungen nach der niedrigeren Bedarfsstufe 2 für Ehepaare berechnet, monatlich 316 Euro. Der Gesetzgeber hatte die entsprechende Regelung damit begründet, dass auch Alleinstehende wegen des Zusammenlebens mit anderen Bewohnern „gemeinsam wirtschaften“ und Einsparungen erzielen könnten.
Das Sozialgericht Gelsenkirchen verpflichtete die Stadt Gelsenkirchen als Sozialhilfeträger, dem Kläger Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende zu gewähren, damals insgesamt 351 Euro monatlich. Ob der Kläger mit anderen Personen gemeinsam wirtschafte und spare, sei nicht nachgewiesen. Das Gericht ließ die Sprungrevision zum BSG zu.
Die obersten Sozialrichter stellten in ihrem Beschluss nun fest, dass das Gesetz zwingend für alleinstehende in einer Gemeinschaftsunterkunft lebende Empfänger von Asylbewerbergrundleistungen die Bedarfsstufe 2 vorsehe. Diese gesetzliche Regelung hält das BSG jedoch für verfassungswidrig. Denn für die Annahme, dass alleinstehende Asylbewerber in einer Gemeinschaftsunterkunft mit anderen Bewohnern gemeinsam wirtschaften und dabei regelmäßig Einsparungen erzielen, gebe es keine Anhaltspunkte.
Der Gesetzgeber dürfe „Bedarfe aber nicht pauschal nur auf der Grundlage der Vermutung absenken, dass Bedarfe bereits anderweitig gedeckt sind und Leistungen daher nicht zur Existenzsicherung benötigt werden, ohne dass dies für die konkreten Verhältnisse hinreichend tragfähig belegt wäre“, heißt es in dem Beschluss.
Das BSG verwies auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2022. Die Verfassungsrichter hatten damals eine vergleichbare Regelung für alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften für verfassungswidrig erklärt, die keine Asylbewerbergrundleistungen, sondern sogenannte Analogleistungen erhalten haben. Analogleistungen entsprechen in etwa der Sozialhilfe oder dem Bürgergeld.
Damals konnten Asylbewerber diese Gelder beanspruchen, wenn sie sich mindestens 18 Monate in Deutschland aufgehalten haben. Seit dem 27. Februar 2024 ist eine 36-monatige Aufenthaltsdauer Voraussetzung. Für alleinstehende Flüchtlinge in Sammelunterkünften wurde eine eigene, um zehn Prozent niedrigere „Sonderbedarfsstufe“ geschaffen. Weil die Flüchtlinge mit den anderen Bewohnern gemeinsam wirtschaften und sparen könnten, sei die Kürzung gerechtfertigt, so der Gesetzgeber.
Die Verfassungsrichter entschieden jedoch, dass die „Sonderbedarfsstufe“ das Existenzminimum nicht gewährleisten könne und daher verfassungswidrig sei. Dass die angenommenen Einsparungen den Kürzungen entsprechen, sei „nicht erkennbar“.
Diese Grundsätze seien auf die abgesenkten Asylbewerbergrundleistungen übertragbar, erklärte das BSG. Der Gesetzgeber habe zu den tatsächlichen Bedarfen keine Erhebungen in Sammelunterkünften angestellt. Dass Alleinstehende mit anderen Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft „aus einem Topf wirtschaften“, könne nicht unterstellt werden. Trotz einer viermaligen Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes seit der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung habe der Gesetzgeber keine Begründung für die abgesenkten Sozialleistungen für alleinstehende Grundleistungsempfänger geliefert. Ob die Höhe der Leistungen evident unzureichend ist, konnte das BSG nicht feststellen.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ging in einem Beschluss vom 13. Juli 2021 aber weiter. Die Celler Richter hatten ihr Verfahren ebenfalls dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt und dabei Höhe der Asylbewerbergrundleistungen und auch deren Begründung für verfassungswidrig angesehen. Das Bundesverfassungsgericht hat über dieses Verfahren bislang noch nicht entschieden.
Az.: B 8 AY 1/22 R (Bundessozialgericht)
Az.: 1 BvL 3/21 (Bundesverfassungsgericht)
Az.: L 8 AY 21/19 (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen)
Erfurt (epd). Gekündigte und bis Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellte Arbeitnehmer müssen den bisherigen Arbeitgeber nicht von den Lohnzahlungen entlasten und sich sofort um eine neue Stelle bemühen. Sie handeln in der Regel „nicht böswillig“, wenn sie sich während der Kündigungsfrist nicht um einen anderweitigen Verdienst bemühen, urteilte am 12. Februar das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Der Arbeitgeber dürfe in einem solchen Fall nicht das Gehalt kürzen.
Konkret ging es um einen Arbeitnehmer aus Baden-Württemberg, der seit November 2019 als Senior Consultant beschäftigt war. Als der Arbeitgeber dem Mann Ende März 2023 ordentlich zum 30. Juni 2023 kündigte, wurde dieser von der Arbeit freigestellt. Der Arbeitnehmer meldete sich arbeitslos und legte Kündigungsschutzklage ein. Diese hatte Erfolg.
Der Arbeitgeber sandte dem Kläger ab Mai 2023 insgesamt 43 Stellenangebote anderer Unternehmen. Auf einige davon bewarb sich der Kläger auch, allerdings erst ab Ende Juni. Der Arbeitgeber behielt daraufhin den Lohn für den Juni in Höhe von 6.440 Euro ein mit der Begründung, der Kläger habe es „böswillig“ unterlassen, sich nach einer neuen Stelle umzusehen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei er aber verpflichtet, sich bei einer strittigen Kündigung um einen anderweitigen Verdienst zu bemühen, um den bisherigen Arbeitgeber von Lohnnachzahlungen zu entlasten.
Doch das BAG gab dem Kläger recht. Zwar müsse sich ein Arbeitnehmer fiktive Lohnansprüche auf das bisher bezogenes Gehalt anrechnen lassen, wenn er „wider Treu und Glauben“ sich nicht um eine neue Stelle bemüht habe. Im Streitfall habe der Arbeitgeber aber den Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Dabei habe der Kläger einen Beschäftigungsanspruch gehabt.
Warum der Arbeitgeber diesen während der Kündigungsfrist nicht erfüllt habe und dieser unzumutbar gewesen wäre, sei nicht dargelegt worden. Der freigestellte Kläger sei daher nicht verpflichtet gewesen, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Stelle zu suchen, um so den bisherigen Arbeitgeber bei den Lohnnachzahlungen finanziell zu entlasten.
Az.: 5 AZR 127/24
Frankfurt a.M. (epd). In einem Streit um den Entzug des Sorgerechts wegen Kindeswohlgefährdung muss auch ein Neugeborenes vom Gericht „persönlich angehört“ werden. Zwar sei ein Kleinkind nicht in der Lage, „seine Neigungen und seinen Willen kundzutun“, stellte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 6. Januar fest. Dennoch könne sich das Gericht in der „persönlichen Anhörung“ einen Eindruck vom Körper und Verhalten des Kindes machen, was wiederum Rückschlüsse auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung erlaube.
Konkret ging es um den Entzug des Sorgerechts für ein neugeborenes Kleinkind. Die Eltern leben getrennt. Die Mutter ist psychisch krank und war zeitweise von Obdachlosigkeit bedroht. Das Jugendamt hatte wegen Kindeswohlgefährdung den Entzug des Sorgerechts beantragt. Das Amtsgericht hörte die Eltern an, und die stimmten schließlich dem Entzug der elterlichen Sorge zu. Das Kind wurde in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Doch dann widerrief die Mutter ihre Zustimmung zum Entzug des Sorgerechts.
Das OLG entschied, dass das Familiengericht erneut über den Entzug der elterlichen Sorge entscheiden müsse. Denn es lägen schwere Verfahrensmängel vor. So habe das Familiengericht wegen der zunächst erteilten Zustimmung der Eltern zum Entzug des Sorgerechts seinen hierzu ergangenen Beschluss nicht begründet. Das Gesetz sehe das aber ausdrücklich vor. Dem Beschluss sei nicht zu entnehmen, dass es eine mögliche Kindeswohlgefährdung geprüft habe und die Hilfe des Jugendamtes verhältnismäßig sei, so das OLG.
Schließlich verlangten die gesetzlichen Bestimmungen in Kinderschutzverfahren, dass das Gericht das Kind „persönlich“ anhört und sich selbst „einen Eindruck von dem Kind“ verschafft. Im konkreten Fall sei das neugeborene Kind zwar nicht in der Lage, „seinen Neigungen und seinen Willen kundzutun“, stellte das OLG fest. Das Familiengericht könne sich aber dennoch einen persönlichen Eindruck vom Körper oder Verhalten des Kindes verschaffen. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern könnten so Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung entdeckt werden, hieß es.
Az.: 6 UF 239/24
Essen (epd). Bürgergeldempfänger haben keinen Anspruch auf die Übernahme der Bestattungskosten, wenn die Art der Beerdigung dem vorab geäußerten Wunsch des Verstorbenen widerspricht. Dies entschied das Landessozialgericht in Essen in einem am 7. Februar bekanntgegebenen Urteil. In dem verhandelten Fall hatte eine Frau aus Wuppertal beim Sozialamt auf Übernahme der Kosten für die Beerdigung ihrer Mutter gedrungen. Bezahlt werden sollte damit auch ein Grabstein, der erst zehn Monate nach der Beerdigung in Auftrag gegeben wurde.
Grundsätzlich werden die Kosten einer Bestattung durch den Sozialhilfeträger übernommen, wenn den dazu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen (Sozialgesetzbuch XII), erklärte das Gericht. Die Bürgergeld beziehende Klägerin veranlasste nach dem Tod ihrer Mutter die Beisetzung in einem Reihengrab, obwohl die Verstorbene zu Lebzeiten den Wunsch geäußert hatte, in einem für mehrere Verstorbene vorgesehenen Rasengrab bestattet zu werden.
Die Hinterbliebene beantragte die Übernahme von Bestattungskosten von etwa 3.600 Euro. In einem Vorprozess verpflichtete sich die beklagte Stadt Wuppertal unter Berücksichtigung von Vermögen der Verstorbenen zur Übernahme von rund 300 Euro. Zehn Monate später beantragte die Klägerin die Übernahme weiterer Kosten in Höhe von rund 3.400 Euro. Auf die gegen den ablehnenden Bescheid gerichtete Klage verurteilte das Sozialgericht die Stadt zur Zahlung weiterer rund 1.200 Euro.
Auf die Berufung der Stadt änderte das Landessozialgericht das Urteil und wies die Klage in vollem Umfang ab. Die geltend gemachten weiteren Bestattungskosten seien nicht erforderlich, hieß es. Bei der Beurteilung der Kosten seien auch die Wünsche der Verstorbenen zu berücksichtigen. Wichen diese von denjenigen der Bestattungspflichtigen ab, seien die Wünsche der Verstorbenen vorrangig, erklärten die Richter. Demzufolge habe die Bestattung im Reihengrab mit Grabstein dem geäußerten Wunsch der Mutter der Klägerin widersprochen, in einem Rasengrab bestattet zu werden.
Das Landessozialgericht hat eine Revision nicht zugelassen. Dagegen hat die Klägerin bereits Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht eingereicht.
Az.: L 20 SO 20/24
Waldbreitbach (epd). Alexander Schuhler (54), der seit 2023 im Vorstand der Matienhaus-Gruppe mit Sitz im rheinland-pfälzischen Waldbreitbach tätig ist, übernimmt am 1. Juli zusätzlich das Amt des Finanzchefs. Bisher verantwortete er die Bereiche Altenhilfe, Hospize und Bildung. Der Diplom-Kaufmann wird nun zusätzlich das Ressort Finanzen leiten und wird Cief Financial Officer, CFO. Den Bereich Altenhilfe verantwortet er weiterhin, gibt aber die Leitung der Marienhaus Senioreneinrichtungen, der Marienhaus Seniorendienste sowie des Seniorenzentrums St. Anna ab. Geschäftsführer der drei Einrichtungen wird Sebastian Schmeier. Daniel Blaufuß unterstützt ihn als Prokurist.
Schuhler arbeitet seit 2012 bei der Marienhaus-Gruppe. Er begann dort als Geschäftsführer der Marienhaus Senioreneinrichtungen. Zuvor war er kaufmännischer Direktor der Altenhilfeeinrichtungen der Cusanus Trägergesellschaft Trier.
Die derzeitige Geschäftsführerin Finanzen, Silvia Kühlem (57), verlässt das Unternehmen nach vier Jahren zum 31. Juli 2025 aus persönlichen Gründen. Sie möchte wieder näher bei der Familie in ihrer bayrischen Heimat arbeiten. „Gerade wir als christliches Unternehmen haben nicht nur Verständnis, sondern großen Respekt für die Entscheidung von Silvia Kühlem, sich in ihrer Heimat intensiv um ihre Angehörigen kümmern zu wollen. Wir danken ihr sehr für die erfolgreiche Zusammenarbeit und wünschen ihr Mut und Zuversicht für ihren weiteren beruflichen und insbesondere privaten Lebensweg“, sagte Heinz-Jürgen Scheid, der Vorstandsvorsitzender der Marienhaus-Stiftung.
Die Marienhaus-Gruppe beschäftigt nach eigenen Angaben rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie betreibt Kliniken an 15 Standorten, vier Medizinische Versorgungszentren, 18 Einrichtungen für Menschen im Alter, zwei Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, 14 stationäre und ambulante Hospize, neun Bildungseinrichtungen sowie weitere vier Einrichtungen. Im Jahr 2023 belief sich der Umsatz auf rund 1,1 Milliarden Euro.
André Diecks (48) komplettiert im Mai die Doppelspitze des Caritasverbands Emsdetten-Greven. Derzeit arbeitet er für ein katholisches Unternehmen im Bistum Osnabrück. Diecks führt das Unternehmen künftig gemeinsam mit dem Vorstand Klaus Wilp. Derzeit ist er Geschäftsführer bei der Caritas St. Martinus Pflege und dem St. Raphael Stift Werlte im Bistum Osnabrück. Zuvor arbeitete der examinierte Altenpfleger und Diplom-Pflegewirt beim Verbund katholischer Altenhilfe Paderborn. Diecks folgt auf Doris Abeler, Vorständin Finanzen und Verwaltung, die in den Ruhestand geht. Der Caritasverband Emsdetten-Greven beschäftigt nach eigenen Angaben rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ambulanten wie stationären Hilfeformen der Jugend-, Familien-, Gesundheits- und Behindertenhilfe.
Marcus Knittel (52) hat das Amt des Kaufmännischen Direktors im Krankenhaus St. Marienstift in Magdeburg übernommen. Er folgt auf Heike Tausch, die sich in den Ruhestand verabschiedet. Sie hatte fast ein Jahrzehnt lang die kaufmännischen Geschäfte der Klinik geleitet. Zunächst viele Jahre als Controllerin im St. Marienstift tätig, übernahm die gebürtige Leipzigerin im Jahr 2017 die Geschäfte der Kaufmännischen Direktion. „Wir danken Heike Tausch sehr für ihr großes Engagement im St. Marienstift“, sagte Geschäftsführer Johannes Brumm. „Unter ihrem kaufmännischen Geschick hat sich das Krankenhaus trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen und politischen Veränderungen in den vergangenen Jahren gut entwickelt.“ Knittel ist gelernter Maschinenbauer und Diplom-Kaufmann und bringt umfangreiche Erfahrungen auf dem Gebiet des Controllings und Finanzwesens mit. Zudem hat er bereits ein Jahr lang Heike Tausch in ihrem Tagesgeschäft begleitet.
Edith Mente wird ab dem 1. Juli neue Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts. Sie tritt die Nachfolge von Günter Kolbe an, der in den Ruhestand geht. Mente wurde 1972 in Freiburg/Breisgau geboren. Im März 2007 ging sie als Richterin ans Sozialgericht Augsburg und kehrte im November 2008 ans Sozialministerium zurück, wo sie die Leitstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern innehatte, ehe die promovierte Juristin bis Oktober 2016 das Referat Personalmanagement leitete. Im November 2016 wechselte Mente als Vizepräsidentin ans Sozialgericht München, dessen Leitung sie Anfang 2019 übernahm.
Elke Schilling, Diplom-Mathematikerin, Ex-Staatssekretärin und Buchautorin, hat am 12. Februar aus den Händen von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) das Bundesverdienstkreuz erhalten. Schilling, die Gründerin und Vorsitzende des Silbernetzes, sagte, sie sei glücklich, dass „mit dieser Ehrung die höchste Anerkennung für das Silbernetz als Gemeinwohlorganisation für Ältere in ganz Deutschland erfolgt und damit die Hoffnung aufscheint, dass diese Organisation die so dringend notwendige Unterstützung findet“. Schilling lebt in Berlin. Ihr Erwerbsleben war vielseitig: Auf 22 Jahre Projektentwicklung und Programmierung in Verwaltung, Industrie und Landwirtschaft der DDR folgten vier Jahre Versicherungswirtschaft. Im Anschluss war sie vier Jahre Staatssekretärin für Frauenpolitik und fünf Jahre als freiberufliche Beraterin, Organisationsentwicklerin und Coach tätig. 2024 veröffentlichte Elke Schilling ihr erstes Buch: „Die meisten wollen einfach mal reden. Strategien gegen Einsamkeit im Alter“ - ihr Lebensthema.
Wilfried Windmöller, langjähriger Geschäftsführer der Heilpädagoischen Hilfe Osnabrück (HHO), ist tot. Der 86-Jährige ist nach Angaben der HHO am 5. Februar gestorben. Sein ehemaliger Arbeitgeber würdigte Windmöller als jemanden, der sich „mit großer Beharrlichkeit“ für die Einbeziehung schwerstmehrfach behinderter Menschen eingesetzt habe. Der ausgebildete Sozialarbeiter und studierte Wirtschaftswissenschaftler sei von einem christlichen Menschenbild geprägt gewesen, „Hilfe statt Mitleid“ als Grundlage der Behindertenhilfe sei seine tiefe Überzeugung gewesen. "
Oliver Konanz ist neuer „Vice President Finance & IT“ der Hoffnungsträger Stiftung. Zuvor war er Mitglied der Geschäftsleitung im kommerziellen Beteiligungsgeschäft der Landesbank Baden-Württemberg. Konanz sagte, er wolle operative Strukturen und strategische Steuerung der Stiftung weiterentwickeln. Die Hoffnungsträger Stiftung setzt als Dachgesellschaft Wohnprojekte um und setzt sich für die Integration von Flüchtlingen sowie die Resozialisierung von Straffälligen ein.
Carolin Schnizer hat die Geschäftsführung der Gemeinnützigen Gesellschaft für soziale Dienste (GGSD) mit Sitz in Nürnberg übernommen. Der Bildungsträger mit Angeboten in den Bereichen Pflege, Gesundheit und Soziales ist 15 Mal in Bayern vertreten. Schnizer folgt auf Ute Kick, die Ende 2024 in den Ruhestand getreten ist. Schnizer begann ihre Karriere bei der GGSD im 2008 als Lehrkraft und leitete seit 2012 vier berufliche Schulen am GGSD Bildungszentrum München.
Februar
18.2.:
Online-Seminar „Achtsamkeit und Lebensphasen in der Personalverantwortung“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
19.2.:
Webinar „Soziale Arbeit über Grenzen hinweg - Länderübergreifende Zusammenarbeit in Kinderschutzfällen mit Auslandsbezug unter besonderer Beachtung von Fällen von Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980-424
19.2. Mainz:
Seminar „Strategisches Dienstplanmanagement in der stationären Altenhilfe“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-519
26.2.:
Online-Seminar „Die flexible Stiftung - Zuwendungen richtig gestalten“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 089/179005-27
März
10.-12.3.:
Online-Seminar „Beratungsresistent - Lösungsorientiert handeln unter schwierigen Bedingungen“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1706
11.3.:
Online-Seminar „Gewaltprävention und Selbstwirksamkeit“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/27582-8227
11.3.:
Online-Seminar „Wichtige Sozialleistungen - Kurzüberblick und Kombinationsfähigkeiten“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 01577/7692794
12.3.:
Online-Seminar „Sozialdatenschutz in der Kinder- und Jugendhilfe“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/27582-8227
14.-15.3. Erfurt:
Seminar „Zivilgesellschaftliche Netzwerke partizipativ und erfolgreich starten“
Tel.: 0228/60424-17
18.-20.3. Berlin:
Fortbildung „Beteiligungsorientierte und diskriminierungssensible Arbeit im Quartier“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/2883106
19.-20.3.:
Online-Fachveranstaltung „Einwanderung und Flucht: Wege in die Berufsausbildung“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980-325
19.-20.3.:
Online-Schulung „Dienstplangestaltung nach den AVR“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/36825-15