sozial-Recht

Oberlandesgericht

Sorgerecht: Gericht muss Neugeborenes "persönlich anhören"



Frankfurt a.M. (epd). In einem Streit um den Entzug des Sorgerechts wegen Kindeswohlgefährdung muss auch ein Neugeborenes vom Gericht „persönlich angehört“ werden. Zwar sei ein Kleinkind nicht in der Lage, „seine Neigungen und seinen Willen kundzutun“, stellte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 6. Januar fest. Dennoch könne sich das Gericht in der „persönlichen Anhörung“ einen Eindruck vom Körper und Verhalten des Kindes machen, was wiederum Rückschlüsse auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung erlaube.

Konkret ging es um den Entzug des Sorgerechts für ein neugeborenes Kleinkind. Die Eltern leben getrennt. Die Mutter ist psychisch krank und war zeitweise von Obdachlosigkeit bedroht. Das Jugendamt hatte wegen Kindeswohlgefährdung den Entzug des Sorgerechts beantragt. Das Amtsgericht hörte die Eltern an, und die stimmten schließlich dem Entzug der elterlichen Sorge zu. Das Kind wurde in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Doch dann widerrief die Mutter ihre Zustimmung zum Entzug des Sorgerechts.

Familiengericht muss neu entscheiden

Das OLG entschied, dass das Familiengericht erneut über den Entzug der elterlichen Sorge entscheiden müsse. Denn es lägen schwere Verfahrensmängel vor. So habe das Familiengericht wegen der zunächst erteilten Zustimmung der Eltern zum Entzug des Sorgerechts seinen hierzu ergangenen Beschluss nicht begründet. Das Gesetz sehe das aber ausdrücklich vor. Dem Beschluss sei nicht zu entnehmen, dass es eine mögliche Kindeswohlgefährdung geprüft habe und die Hilfe des Jugendamtes verhältnismäßig sei, so das OLG.

Schließlich verlangten die gesetzlichen Bestimmungen in Kinderschutzverfahren, dass das Gericht das Kind „persönlich“ anhört und sich selbst „einen Eindruck von dem Kind“ verschafft. Im konkreten Fall sei das neugeborene Kind zwar nicht in der Lage, „seinen Neigungen und seinen Willen kundzutun“, stellte das OLG fest. Das Familiengericht könne sich aber dennoch einen persönlichen Eindruck vom Körper oder Verhalten des Kindes verschaffen. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern könnten so Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung entdeckt werden, hieß es.

Az.: 6 UF 239/24