Geflüchtete aus der Ukraine müssen bei der Jobsuche in Deutschland hohe Hürden überwinden. Daher gehen von den rund 1,2 Millionen Flüchtlingen nur rund 172.000 ukrainische Staatsbürger einer regulären Beschäftigung nach. Oft scheitert die Arbeitsaufnahme an mangelnden Deutschkenntnissen. Die Migrationsforscherin Yuliya Kosyakova sagt im Interview: „Eine größere Offenheit gegenüber Geflüchteten und weniger Fokus allein auf deutsche Sprachkenntnisse würden helfen.“
Das Bundeskabinett hat das Rentenpaket der Ampel-Koalition beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, die gesetzliche Rente von Mitte der 2030er Jahre an auch über Kapitalmarkt-Erträge zu finanzieren. Dafür nimmt der Staat Darlehen auf. Klar ist: Für die Stabilisierung des Rentenniveaus reicht das sogenannte Generationenkapital noicht aus - eine Analyse der Rentenreform.
Die Zahl der Pflegebedürftigen ist laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im vergangenen Jahr unerwartet stark angestiegen. Es seien 360.000 Pflegebedürftige dazugekommen, gerechnet habe das Ministerium mit einem Plus von 50.000. „Woran das liegt, verstehen wir noch nicht genau“, bekannte der SPD-Minister. Über die Folgen für die gesetzliche Pflegeversicherung und ihre Finanzierung wird bereits heftig gestritten. Experten fordern, das Reformtempo deutlich zu erhöhen.
Jessica und Christian Rietz mussten zu „Profis“ im Umgang mit Behinderungen werden. Denn drei der vier Kinder des Ehepaares sind aufgrund eines seltenen Gendefekts behindert. Zu ihrem Glück müssen die beiden nicht allein mit den Alltagshürden und ihren Frustrationserlebnissen zurechtkommen. Ihnen hilft die vor zehn Jahren gegründete Elternberatungsstelle „Menschenskind“ im Annastift des hannoverschen Krankenhauskonzerns Diakovere. Die Beratungsstelle schließe eine „Lücke im Unterstützungssystem“, sagt die Sozialpädagogin Katrin Sommerfeld.
Überschuldete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen eine vom Arbeitgeber freiwillig gezahlte Inflationsausgleichsprämie zur Schuldentilgung verwenden. Diese ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs Teil des „pfändbaren, wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens“. Schuldner dürften das Einkommen aber bis zur gesetzlichen Pfändungsfreigrenze behalten.
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Ihr Markus Jantzer
Frankfurt a. M. (epd). Viele Flüchtlinge aus der Ukraine sind gut ausgebildet und wollen arbeiten. Und die deutsche Wirtschaft sucht dringend Personal. Das sind eigentlich optimale Bedingungen, um Ukrainer in reguläre Jobs zu bringen. Doch so einfach ist es nicht. Im Gegenteil: Die Hürden auf dem reglementierten deutschen Arbeitsmarkt sind hoch. Und ohne nachgewiesene Sprachkenntnisse geht kaum etwas: „Die Wirtschaft könnte definitiv mehr tun. Eine größere Offenheit gegenüber Geflüchteten und weniger Fokus allein auf deutsche Sprachkenntnisse würden helfen“, konstatiert die Bamberger Migrationsforscherin Yuliya Kosyakova.
Im Januar 2024 hatten hierzulande rund 172.000 ukrainische Staatsbürger einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Weitere rund 44.000 Personen gingen einer geringfügigen Beschäftigung nach - bei insgesamt 1,2 Millionen Flüchtlingen aus dem von Russland überfallenen Land, von denen aber nur rund die Hälfte eine Arbeit aufnehmen könnte. Denn viele drücken noch die Schulbank in Sprachkursen oder sind Eltern mit kleinen Kindern, die betreut werden müssen.
Olena K. aus Charkiv im Osten der Ukraine hat in München geschafft, was noch zu selten gelingt: Sie arbeitet seit Juli 2023 als Apothekenassistentin in der Nymphenburger Apotheke. Die junge Frau kam an ihre Stelle über eine Kooperation zwischen der Apothekenkammer und dem Jobcenter München. Das Amt schickte die Bewerbungsunterlagen der in der Ukraine ausgebildeten Apothekerin an verschiedene Apotheken - mit Erfolg.
„Nach drei Vorstellungsgesprächen hat es geklappt. Ich bin dankbar für die Chance, die mir diese Kooperation bietet“, sagt Olena K. Ihr Chef Hans Michler merkt an: „Frau K. ist ein Musterbeispiel für erfolgreiche Integration, weil sie freundlich, zuverlässig und fleißig ist. Sie macht gerade den C1-Deutschkurs für die Fachsprachenprüfung bei der Bezirksregierung von Oberbayern.“ Das Jobcenter München habe die Anstellung von Anfang an sehr gut unterstützt - mit dem Programm Job-Turbo, das auf schnelle Beschäftigung setzt, ohne als Voraussetzung vertiefte Sprachkenntnisse zu verlangen.
Prinzipiell ist die Arbeitsaufnahme für ukrainische Geflüchtete mit Schutzstatus sofort möglich. Vor einer Arbeitsaufnahme seien aber einige bürokratische Hürden zu nehmen, schreibt der Politikwissenschaftler Dietrich Thränhardt in einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Daraus folgten „Verzögerungen und Orientierungsschwierigkeiten“.
Ein Problem sieht der Fachmann in der langwierigen Anerkennung von Berufsabschlüssen. Wartezeiten bis zu anderthalb Jahren seien nicht ungewöhnlich. Daher seien Ukrainer daher vor allem im Niedriglohnsektor beschäftigt.
Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit München, Wilfried Hüntelmann, meint: „Die Grundidee des Job-Turbos hat sich als goldrichtig erwiesen: Geflüchtete brauchen zunächst eine Einstiegschance, auch wenn sie die Sprache noch nicht perfekt beherrschen. Sprachkenntnisse lassen sich oft am besten im Job erwerben.“
Das sieht die Arbeiterwohlfahrt (AWO) völlig anders: Der Job-Turbo der Bundesagentur für Arbeit (BA) sei ein „Programm für Lohn-Dumping“. Auf diese Weise würden hoch qualifizierte Menschen in fachfremde oder niedrig-qualifizierte Tätigkeiten vermittelt, sagt Sprecherin Jennifer Rotter. Der Job-Turbo gebe den Unternehmen die Legitimation, Praktika zu vermitteln, „die weder auf eine qualifizierte Tätigkeit hinzielen noch entsprechend vergütet werden müssen“.
Dagegen sagte Wido Geis-Thöne vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Der Job-Turbo setzt an genau der richtigen Stelle an, weil die Erwerbsintegration durch eine gezielte Vermittlung und passgenaue Nachqualifizierung der zugewanderten Erwerbspersonen am besten gestärkt werden kann. Dennoch ist sein Erfolg sehr beschränkt.“
Die große Mehrheit der Jobcenter bescheinigt ukrainischen Flüchtlingen einer neuen Studie zufolge gute Perspektiven auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Sie hätten sehr oft arbeitsmarktrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten, weshalb acht von zehn Jobcentern die Beschäftigungsperspektiven mittelfristig positiv sähen, heißt es in der am 21. Mai veröffentlichten Untersuchung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Den Angaben nach werden die Menschen jedoch teilweise andere Tätigkeiten als vor dem Krieg in der Ukraine ausüben müssen. 28 Prozent der für die Erhebung befragten Fach- und Führungskräfte sehen gute Chancen, dass die Betroffenen eine Stelle in dem Tätigkeitsfeld finden, in dem sie bereits in der Ukraine gearbeitet haben. Die Hälfte der befragten Jobcenter stimmt dieser Aussage jedoch nur zum Teil zu. Das hat auch mit oft fehlenden Sprachkenntnissen zu tun: Der Studie zufolge setzen Betriebe laut Jobcenter oft gutes Deutsch voraus, auch bei einfachen Tätigkeiten
BA-Vorstand Daniel Terzenbach betonte bei einer Diskussionsrunde im April: „Fast 170.000 Geflüchtete aus der Ukraine sind hierzulande in Arbeit, angesichts der schlechten Konjunktur ist das eine positive Entwicklung.“ Bis Ende September würden fast 120.000 geflüchtete Menschen ihren Integrationskurs beenden. „Dann kommt es darauf an, einen schnellen Anschluss in den Arbeitsmarkt zu schaffen“, erklärte der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: „Wir wollen dann aber auch, wenn Menschen zunächst unterhalb der eigenen Qualifikation einsteigen, nicht loslassen und parallel zur Beschäftigung den Spracherwerb fördern und qualifizieren, um auch Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen.“
Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer, sagte dem epd, beim Job-Turbo „stimmt die Richtung, auch weil Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und Jobcenter enger zusammenarbeiten.“ Doch trotz großen Engagements blieben viele Herausforderungen: „Es fehlt an Kita-Plätzen, ohne die viele Ukrainerinnen nicht arbeiten können, die Anerkennung von Qualifikationen in reglementierten Berufen geht zu langsam und die Wohnraumknappheit belastet ebenfalls“, sagt Dercks.
Der Abbau von Sprachbarrieren ist für ihn weiterhin der entscheidende Faktor bei der Beschäftigung Geflüchteter. „Für viele Arbeiten ist ein solides Deutschniveau Vorbedingung.“ Wichtig sei es, die angekündigten Sprachkurse schnell auszuweiten.
Die Migrationsforscherin Yuliya Kosyakova beklagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Der deutsche Arbeitsmarkt erfordert in vielen Bereichen sehr gute Deutschkenntnisse. Ohne diese ist man oft auf niedrig qualifizierte Tätigkeiten wie Reinigungsarbeiten beschränkt, was paradox ist, weil über 70 Prozent der geflüchteten Frauen einen Hochschulabschluss haben. Diese Frauen möchten ihre Fähigkeiten einsetzen und etwas erreichen.“
Aus einer Simulationsstudie des IAB, die am 24. Mai veröffentlicht wurde, geht hervor, dass fünf Jahre nach der Ankunft der Ukrainerinnen und Ukrainer deren Erwerbstätigenquote auf 45 Prozent steigen könnte. Nach zehn Jahren sei in diesem Szenario eine Quote von 55 Prozent möglich - bei deutlichen Unterschieden zwischen Frauen und Männern.
Nürnberg (epd). Vor allem Frauen mit kleinen Kindern haben es laut Yuliya Kosyakova schwer, geeignete Jobs zu finden. Kosyakova leitet am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) den Bereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung. Wer ohne Deutschkenntnisse und ohne Unterlagen zur Ausbildung oder zum Studium geflohen sei, habe es besonders schwer, sagt die gebürtige Ukrainerin, die schon vor etwa 20 Jahren nach Deutschland kam. „Diese Startbedingungen sind äußerst herausfordernd, und das muss meiner Meinung nach unbedingt in jeder Bewertung ihrer Integration in den Arbeitsmarkt berücksichtigt werden.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Wie bewerten Sie die bisherigen Erfolge bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten aus der Ukraine?
Yuliya Kosyakova: Das ist eine komplexe Frage, die sich nicht ohne weiteres beantworten lässt. Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir über geflüchtete Menschen sprechen, die unvermittelt alles verloren haben und oft unter enormem Druck stehen. Viele sind Frauen mit Kindern, die unvorbereitet fliehen mussten. Diese Menschen haben sich nicht für eine Arbeitsmigration entschieden, sondern wurden durch Umstände dazu gezwungen.
epd: Was folgt daraus?
Kosyakova: Sie kommen häufig ohne grundlegende Voraussetzungen hier an, wie Sprachkenntnisse oder genaue Informationen über den deutschen Arbeitsmarkt. Hinzu kommt, dass viele ihre akademischen oder beruflichen Qualifikationsnachweise nicht mitbringen konnten. Diese Startbedingungen sind äußerst herausfordernd, und das muss meiner Meinung nach unbedingt in jeder Bewertung ihrer Integration in den Arbeitsmarkt berücksichtigt werden.
epd: Aber es geht doch langsam voran?
Kosyakova: Ja, es gibt es Fortschritte. Im Frühjahr 2023 waren 19 Prozent der Geflüchteten erwerbstätig, im Sommer stieg dieser Anteil um weitere vier Prozentpunkte. Vorläufige Ergebnisse deuten auf eine fortlaufende Verbesserung der Erwerbsquoten hin, insbesondere bei denen, die unmittelbar nach Kriegsausbruch nach Deutschland kamen. Wir sehen auch Fortschritte beim Spracherwerb, der sozialen Integration und dem Wohlbefinden. Zudem hat sich die Bleibeabsicht erhöht; etwa die Hälfte kann sich vorstellen, langfristig in Deutschland zu bleiben.
epd: Sind die Umstände deutlich schwieriger als zu der Zeit, als Sie selbst vor zwei Jahrzehnten nach Deutschland kamen?
Kosyakova: Ja, definitiv. Als ich vor 22 Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland kam, stand ich vor ähnlichen Herausforderungen, aber die Umstände waren dennoch anders. Im Alter von 20 Jahren hatte ich keine Deutschkenntnisse und musste mich durch den Behördendschungel kämpfen. Nach meinem Zuzug dauerte es fast ein halbes Jahr, bis ich meinen Integrationskurs beginnen konnte. Anschließend besuchte ich einen Fortgeschrittenenkurs zur Vorbereitung auf die Universität, unterstützt durch die Otto-Benecke-Stiftung. Der gesamte Prozess bis zum Studienbeginn zog sich über zwei Jahre hin, und meine drei Studienjahre in der Ukraine wurden hier nicht anerkannt - mir wurde lediglich die Fachhochschulreife bestätigt. Trotz dieser Herausforderungen hatte ich den Vorteil, dass ich alle notwendigen amtlichen Dokumente dabei hatte, im Gegensatz zu vielen heutigen Geflüchteten wie etwa meiner Schwester, die mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert ist. Sie hat bisher nur einen Minijob in einer Reinigungsfirma finden können.
epd: Woran scheitert es, einen für sie passenden Job zu finden?
Kosyakova: Meine Schwester kam rund eine Woche nach Kriegsbeginn hierher. Ich hatte ihr dringend geraten zu fliehen, alles zu packen, was sie finden konnte, insbesondere alle wichtigen Dokumente, und zusammen mit ihrem Sohn so schnell wie möglich zu kommen. Trotzdem fehlen wichtige Unterlagen. In der Ukraine gibt es beispielsweise ein individuelles Arbeitsbuch, in das jeder Arbeitgeber Einträge über den Arbeitsbeginn, die erlangten Abschlüsse und die genaue Tätigkeit der Person vornimmt und diese abstempelt. Dieses Buch hatte meine Schwester nicht mitnehmen können, weil es noch bei ihrem Arbeitgeber war. Deshalb kann sie nun ihre bisherigen Berufserfahrungen hier nicht nachweisen.
epd: Die überwiegende Zahl der Geflüchteten sind Frauen, oft mit kleinen Kindern. Auch die müssen die Sprachkurse absolvieren, wenn sie arbeiten wollen. Doch Kitaplätze sind ja oft nur schwer zu bekommen.
Kosyakova: Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Zwar gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz ab drei Jahren, doch die Realität zeigt, dass es oft schwierig ist, Betreuungsplätze für die Kinder der betroffenen Frauen zu finden. Unser System muss in vielerlei Hinsicht verbessert werden. Es fehlen nicht nur ausreichend Plätze, sondern auch Personal und geeignete Räumlichkeiten. Ein weiteres Problem ist die Betreuung von Grundschulkindern am Nachmittag, weil auch die Horte häufig voll sind. Das zwingt viele Frauen dazu, sich auf Halbtagsjobs zu beschränken, was zusätzlichen Stress bedeutet. Das trifft besonders für Ukrainerinnen zu, die hier quasi alleinerziehend und auf sich allein gestellt sind. Sie benötigen umfassende Unterstützung.
epd: Viele Frauen haben Angehörige und auch Ehemänner zurückgelassen oder gar im Krieg verloren. Das hinterlässt Spuren. Ist es vor diesem Hintergrund nicht abwegig, über Erwerbsarbeit nachzudenken?
Kosyakova: Da hat sich viel gewandelt, der Krieg dauert ja leider schon über zwei Jahre. Ursprünglich hatten viele Geflüchtete vor, nur kurz zu bleiben und schnellstmöglich in ihre Heimat zurückzukehren. Doch weil der Krieg andauert, müssen sich die Menschen auf einen längeren Aufenthalt einstellen. Aus Umfragen geht hervor, dass die meisten Frauen arbeiten möchten. Die Herausforderungen dabei sind jedoch beträchtlich, insbesondere die Sprachbarrieren.
epd: In anderen EU-Staaten sind die Beschäftigungsquoten deutlich höher. Woran liegt das?
Kosyakova: Die Antwort darauf ist nicht einfach. Man könnte sagen, dass es mit dem Vergleich von Äpfeln mit Birnen zu tun hat. Wir arbeiten derzeit an einer Studie, die dieses Thema genauer beleuchtet. Viele der bisher veröffentlichten Analysen sind methodisch fragwürdig. Es stimmt, dass die Ausgangsbedingungen und Marktstrukturen stark variieren zwischen den Ländern. Auch die Definition von Erwerbstätigkeit ist nicht einheitlich, was zu unterschiedlichen Beschäftigungsquoten führt. Einige Länder weisen höhere Quoten auf, andere liegen deutlich unter denen Deutschlands. Zudem spielt die Anzahl der aufgenommenen Geflüchteten eine entscheidende Rolle. Während Deutschland über 1,2 Millionen Menschen aufgenommen hat, haben viele andere Länder nur einen Bruchteil davon aufgenommen.
epd: Dänemark wird immer als Vorbild dargestellt.
Kosyakova: Ja, aber einige Zahlen, die zu Dänemark im Umlauf sind, sind überhöht und meines Erachtens nicht korrekt. Man spricht von einer Erwerbstätigenquote bei Geflüchteten von 78 Prozent. Das liegt an der unterschiedlichen Definition dessen, was als erwerbstätig und was als erwerbsfähig gilt. Wenn man dieselben Berechnungsmethoden wie in Deutschland anwenden würde, käme man auf eine Quote von 54 Prozent. Das ist immer noch deutlich höher als bei uns aber weniger spektakulär, als oft dargestellt.
epd: Der Arbeitsmarkt ist auch ein anderer als in Deutschland ...
Kosyakova: Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Der dänische Arbeitsmarkt unterscheidet sich deutlich vom deutschen. Er ist sehr flexibel gestaltet, sodass Arbeitgeber Personen schnell einstellen und ebenso schnell wieder entlassen können. Es gibt keinen ausgeprägten Kündigungsschutz und keine Mindestlöhne. Migranten werden in Dänemark nicht systematisch durch Sprachkurse unterstützt, sondern dazu ermutigt, möglichst rasch irgendeine Arbeit anzunehmen. Das führt dazu, dass fast alle beschäftigten Geflüchtete aus der Ukraine in Reinigungssektor beschäftigt sind und in prekären Jobs mit schlechter Bezahlung landen.
epd: Tun die Unternehmen hierzulande genug, um Geflüchtete zu beschäftigen? Und was ist mit den Behörden?
Kosyakova: Es ist eine gemeinsame Anstrengung erforderlich, und ja, die Wirtschaft könnte definitiv mehr tun. Es ist richtig, dass nicht alle Unternehmen wirtschaftlich stark sind, doch eine größere Offenheit gegenüber Geflüchteten und weniger Fokus allein auf deutsche Sprachkenntnisse würden helfen. Zudem wäre es vorteilhaft, mehr Praktikumsplätze zu schaffen, um Kontakte zu fördern und den Geflüchteten eine berufliche Orientierung zu ermöglichen, besonders wenn sie berufliche Veränderungen anstreben oder dazu gezwungen sind.
Die deutsche Wirtschaft legt großen Wert auf formale berufliche Abschlüsse, was für viele Ukrainer problematisch ist, insbesondere wenn die erforderlichen Dokumente fehlen. Es wäre sinnvoll, Bewertungsverfahren wie Kompetenztests zu entwickeln, die Qualifikationen und Berufserfahrungen jenseits traditioneller Zertifikate prüfen. Oft ist nicht klar, ob die Personen tatsächlich in den Bereichen gearbeitet haben, in denen sie qualifiziert sind. Angesichts des Fachkräftemangels können wir es uns nicht leisten, qualifizierte Arbeitskräfte ungenutzt zu lassen.
Frankfurt a. M. (epd). Erst ein kleiner Teil der seit Kriegsbeginn nach Deutschland geflüchteten knapp 1,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer hat Arbeit gefunden. Insgesamt waren im März 2024 zwar rund 526.000 Bürger aus der Ukraine den Arbeitsagenturen als erwerbsfähig gemeldet. Doch ein Teil dieser Personen kann faktisch nicht arbeiten - etwa, weil sie als alleinerziehendes Elternteil ein Kind betreuen oder weil sie Integrationskurse besuchen, um Deutsch zu lernen. Wie aus Daten des Mediendienstes Integration hervorgeht, hatten im Januar 2024 lediglich rund 172.000 ukrainische Staatsbürger eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Weitere rund 44.000 Personen gingen einer geringfügigen Beschäftigung nach.
Eine Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden ergab Mitte 2023, dass 41 Prozent der berufstätigen Kriegsflüchtlinge in Vollzeit arbeiteten, weitere 21 Prozent in Teilzeit - Selbstständige wurden nicht berücksichtigt. Dem Bericht zufolge waren Frauen seltener erwerbstätig als Männer (zuletzt jeweils 21 und 29 Prozent). Mitte 2023 arbeiteten 14 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer mit Kindern unter sechs Jahren.
Geflüchtete aus der Ukraine haben demnach im Durchschnitt ein sehr hohes Bildungsniveau, sowohl im Vergleich zu anderen Geflüchteten als auch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung in Deutschland. Fast drei Viertel von ihnen (72 Prozent) gelten als „hoch qualifiziert“, besitzen also einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss.
Ende 2022 gab etwa ein Fünftel der Geflüchteten (21 Prozent) an, in Berufsgruppen mit einem eher niedrigen Qualifikationsniveau zu arbeiten, beispielsweise in der Gebäudereinigung oder der Gastronomie. Weitere 23 Prozent waren in Jobs tätig, die hohe Qualifikationen erfordern: etwa in der Lehre und Forschung an Hochschulen, in der Softwareentwicklung und -programmierung, im Rechnungswesen oder Controlling.
Im März 2024 waren laut Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg rund 122.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Integrationskursen eingeschrieben - und standen dem Arbeitsmarkt damit nicht zur Verfügung. Mehr als 200.000 von ihnen haben inzwischen einen Kurs absolviert, rund 90 Prozent von ihnen mit Deutschkenntnissen auf A2- oder B1-Niveau.
Die Bereitschaft, in Deutschland zu arbeiten, ist unter den Kriegsflüchtlingen hoch: Bei einer Befragung im Frühjahr 2023 gaben 93 Prozent der nichterwerbstätigen Geflüchteten an, einer Arbeit in Deutschland nachgehen zu wollen.
In einer im Oktober 2023 veröffentlichten Online-Erhebung des Münchner Ifo-Instituts unter ukrainischen Geflüchteten gaben drei von vier Befragten an, dass sie entweder schon einen Job gefunden haben oder sich für eine Arbeit interessieren - gegebenenfalls auch unter dem eigenen Qualifikationsniveau. Nur zehn Prozent der Teilnehmenden äußerten, dass sie kein Interesse oder keine Möglichkeit haben, eine Beschäftigung aufzunehmen.
Köln (epd). Der Migrations- und Arbeitsmarktexperte Wido Geis-Thöne hält den Job-Turbo für Geflüchtete grundsätzlich für ein gutes Instrument, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen. „Er setzt an genau der richtigen Stelle an, weil die Erwerbsintegration durch eine gezielte Vermittlung und passgenaue Nachqualifizierung der zugewanderten Erwerbspersonen am besten gestärkt werden kann“, sagte der Forscher am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dennoch sei sein Erfolg noch sehr beschränkt.
Das Programm ermöglicht Geflüchteten den sofortigen Arbeitsmarktzugang sowie intensive Integrationskurse zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Das Modell setzt auf drei Phasen: Orientierung und Sprachkurse, Arbeit und Qualifizierung in Beschäftigung sowie anschließende berufliche Weiterqualifikation.
Ein wichtiger Grund dafür, dass sich noch keine großen Erfolge des Programms zeigten, sieht der IW-Forscher darin, dass die Jobcenter von Fachkräfteengpässen betroffen sind und so nur schwer optimale Unterstützung realisieren können. „Die Potenziale sind auch vor dem Hintergrund sehr begrenzt, dass der Job-Turbo die Ressourcenausstattung der Jobcenter nicht wesentlich verbessert.“ Insgesamt bestehe er „vorwiegend aus frommen Wünschen. Er definiert kaum konkrete politische Maßnahmen, womit sich grundsätzlich nur sehr schwer politische Ziele erreichen lassen“, sagt Geis-Thöne.
Vor allem Frauen aus der Ukraine täten sich schwer, Arbeit zu finden, obwohl sie sehr gut qualifiziert seien. „Frauen mit Kindern haben große Probleme beim Zugang zu (Ganztags-)Betreuung, insbesondere für unter Dreijährige und Schulkinder.“ Ein relevanter Punkt könnte dem Fachmann zufolge sein, dass Deutschland bei der Integration einen „Language-First-Ansatz“ verfügt, also zunächst eingehend die Sprache lernen lässt, wohingegen andere Länder nach dem „Work-First-Prinzip“ arbeiten, also Jobs auch bei geringen Sprachkenntnissen vermitteln.
Deutschland habe vor dem Hintergrund des demografischen Wandels einen hohen ungedeckten Bedarf an Arbeitskräften. „Ich halte es grundsätzlich für sinnvoller, wenn Zuwanderer mit einer nicht qualifikations-adäquaten Beschäftigung in den deutschen Arbeitsmarkt einsteigen, als wenn sie diesem so lange fernbleiben, bis sie die notwendigen Sprachfähigkeiten erworben haben, um ihren bisherigen Beruf auszuüben“, sagt Geis-Thöne. Das sähen manche Migrationsforscher allerdings teilweise anders.
Mit Blick auf die in Hilfstätigkeiten schlechtere Bezahlung der Geflüchteten sagte der Experte: „Ob ein Job gut oder schlecht bezahlt ist, ist immer eine Frage der Perspektive.“ Es sei nicht verwerflich, wenn Zuwanderer für eine einfache Helfertätigkeit nur den gesetzlichen Mindestlohn erhalten, auch wenn sie in ihrem Heimatland einen Hochschulabschluss erworben haben. „Allerdings müssen sie natürlich die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln und in ihre erlernten Berufe zurückzukehren.“ Dafür ist es jedoch insbesondere im Hinblick auf die Sprachpraxis nicht unbedingt vorteilhaft, wenn sie längere Zeit ohne Beschäftigung bleiben und von den staatlichen Transferleistungen leben, die immer noch deutlich niedriger als der Mindestlohn sind. Und noch etwas sei wichtig: „Wollen wir in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz für die Aufnahme Geflüchteter, wie auch für Zuwanderung im Allgemeinen, sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die ins Land gekommenen Personen vom deutschen Steuerzahler 'durchgefüttert' werden müssen“, erklärte Geis-Thöne.
Berlin (epd). Die Ampel-Regierung hat am 29. Mai einen neuen Weg zur Finanzierung der gesetzlichen Renten eröffnet. Danach sollen ab Mitte der 2030er Jahre Erträge aus darlehensfinanzierten, staatlichen Kapitalanlagen in die gesetzliche Rentenversicherung fließen. Vor allem aber hat die Ampel-Koalition mit ihrem Kabinettsbeschluss erstmal die Altersbezüge für die heutigen Rentnerinnen und Rentner sowie die Boomer-Generation gesichert.
Denn die Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent bis 2039 kostet mehr Geld, als das sogenannte Generationenkapital absehbar einbringen wird. Deshalb bleibt das Rentenpaket II umstritten, auch wenn es - mit voraussichtlich nur geringfügigen Änderungen - im Bundestag verabschiedet werden wird. Die FDP fordert weitere Reformen, die Grünen stehen dem Generationenkapital skeptisch gegenüber, spielten in der jüngsten Auseinandersetzung zwischen SPD und FDP aber keine Rolle.
Sozialverbände und Gewerkschaften sehen in dem Weg an den Kapitalmarkt geradezu einen Sündenfall, der den Generationenvertrag ins Wackeln bringen werde. Sie fordern, dass alle Reformanstrengungen auf die gesetzliche Rentenversicherung zielen müssten und das bewährte Umlagesystem auf weitere Bevölkerungsgruppen ausgedehnt werden sollte, um die Beiträge im Rahmen zu halten und das Rentenniveau gleichzeitig stärker anheben zu können.
Die FDP und die Wirtschaft verlangen indes weitere Reformen, wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Abschaffung der abschlagsfreien Rente für Beschäftigte mit 45 Beitragsjahren. Wer will, kann darin auch Skepsis gegenüber dem Generationenkapital erkennen.
Es ändere zumindest nichts daran, kritisieren die Arbeitgeberverbände, dass die Sozialbeiträge weiter steigen und die Kosten für den demografischen Wandel den Jüngeren aufgebürdet würden. Heute kommen nach Angaben der Rentenversicherung knapp 2,2 Beitragszahler für einen Rentner auf, Mitte der 2030er Jahre werden es voraussichtlich 1,6 Beschäftigte sein. Der Rentenbeitrag wird je zur Hälfte von Arbeitgebern und Beschäftigten bezahlt. Er beträgt derzeit 18,6 Prozent.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD entgegnet den Kritikern, das Generationenkapital werde dafür sorgen, dass die Beiträge nicht zu stark steigen - außerdem profitierten von dem gesicherten Rentenniveau später auch die Jüngeren. Aus dem Gesetzentwurf von Heil und FDP-Chef sowie Finanzminister Christian Lindner geht aber hervor, dass trotz Generationenkapital für die Stabilisierung des Rentenniveaus ein Beitrags-Plus von einem Prozentpunkt allein von den Beitragszahlern und dem Bund gestemmt werden muss.
Weil das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken soll, werden die Beiträge bis 2040 auf 22,6 Prozent des Bruttoeinkommens steigen. Das Generationenkapital wird den Anstieg nur um 0,3 Prozentpunkte auf dann 22,3 Prozent dämpfen. Ohne die Reform lägen die Beiträge bei 21,3 Prozent. Dann sänke bis 2040 aber auch das Rentenniveau auf 45 Prozent.
Aus dem Generationenkapital sollen von 2036 an jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro in die Rentenversicherung fließen. Dafür nimmt der Staat Darlehen auf, um Geld für die Rente am Kapitalmarkt anlegen zu können, in diesem Jahr erstmals zwölf Milliarden Euro. Bis Mitte der 2030er Jahre sollen rund 200 Milliarden Euro zusammenkommen, die von einer Stiftung verwaltet werden. Die Rentenversicherung selbst zählt zu den Skeptikern auf dem neuen Weg: „Ein nennenswerter Kapitalaufbau und damit auch eine spürbare Entlastung ist in diesem Zeitraum nicht zu erwarten“, heißt es in ihrer Stellungnahme zum Rentenpaket II.
Berlin (epd). Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems droht einem neuen Bericht zufolge den Schutz von Asylsuchenden zu untergraben. Die Herausgeber des „Reports Globale Flucht 2024“ warnten am 27. Mai in Berlin vor einer mit der Reform einhergehenden Gefährdung des Kindeswohls und mangelnden Rechtsgarantien in Grenzverfahren. Überdies würde eine Ausweitung der Zahl als sicher eingestufter Drittstaaten das Prinzip aushöhlen, nach dem Menschen nicht in Länder abgeschoben werden dürfen, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
Der Migrationsforscher Franck Düvell von der Universität Osnabrück sagte bei der Vorstellung des Berichts, der weitere Ausbau der Grenzsicherung und die Einrichtung von riesigen Aufnahmelagern an EU-Grenzen würden Fluchtbewegungen nach Europa nicht verhindern. Flüchtende würden dadurch lediglich auf längere und gefährlichere Wege gelenkt. Dabei würde der Tod von Flüchtlingen „fahrlässig in Kauf genommen“.
Die angestrebte Erhöhung der Zahl der Rückführungen von Migrantinnen und Migranten in ihre Herkunftsländer ist laut dem Bericht weder sinnvoll noch nachhaltig und durchsetzbar. Europa benötige dringend Arbeits- und Fachkräfte - dennoch würden abgelehnte Asylsuchende abgeschoben, auch wenn sie arbeiteten oder sich in Ausbildung befänden. Rückführungen verstärkten überdies die Armut in den Herkunftsländern.
Migrationsabkommen mit autoritären Staaten unterlaufen dem Bericht zufolge dortige Demokratisierungsprozesse. Zudem begebe sich Europa mit entsprechenden Abkommen in eine Abhängigkeit von Despoten.
Vor diesem Hintergrund fordern die Urheber des Berichts eine Rückbesinnung auf die menschen- und flüchtlingsrechtlichen Standards, die der Reform des europäischen Asylsystems zugrunde liegen. Die Migrationsforscherin Petra Bendel von der Universität Erlangen-Nürnberg kritisierte, gegenüber dem berechtigten Anspruch auf Kontrolle der eigenen Grenzen werde das Ziel der Schutzgewährung vernachlässigt.
Benjamin Etzold vom Bonn International Centre for Conflict Studies beklagte, es gebe in Europa keine legalen Zugangsmöglichkeiten für Schutzsuchende. Möglichkeiten eines legalen Zugangs seien ein Schlüssel, um die teils chaotischen Verhältnisse an EU-Außengrenzen zu verbessern. Nötig seien neue Lösungen nach dem Grundsatz der globalen Verantwortungsteilung.
Die Migrationsforscherinnen und -forscher kritisierten überdies Pläne für eine Auslagerung von Asylverfahren in andere Länder. Düvell nannte als Beispiel eine Vereinbarung zwischen Italien und Albanien. Es sei aber unklar, ob dieses Modell vor Gerichten Bestand haben werde. Überdies seien zahlreiche Fragen offen, etwa, welcher der beiden Staaten für abgelehnte Asylbewerber zuständig sei.
Der „Report Globale Flucht 2024“ ist im Buchhandel erhältlich. Er wird im Rahmen des Projekts „Flucht- und Flüchtlingserfahrung: Vernetzung und Transfer“ erstellt. Dieses wird unter anderem vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück, vom Bonn International Centre for Conflict Studies und vom Centrer for Human Rights Erlangen-Nürnberg durchgeführt.
Bremen (epd). Die Tandems, die Sebastian Burger aus seiner Garage in der Bremer Neustadt bugsiert, sind echte Lastesel. „Mit Gepäck und Besatzung kommen da schon bis zu 250 Kilo zusammen“, schätzt der Initiator der bundesweiten „Mut-Tour“. Also checken Burger und Mitorganisatorin Andrea Roosch ganz besonders die Bremsen der schnittigen weißen Räder - und sind zufrieden. Gut so, denn am 1. Juni soll es auf dem Bremer Marktplatz losgehen: Bis in den September wollen mehrere 6er-Teams radelnd und auch wandernd deutschlandweit ein Zeichen für mehr Offenheit und Wissen im Umgang mit Depressionen setzen.
Von Bremen über Wolfsburg, Berlin, Leipzig, Erfurt, Kassel, Nürnberg nach Regensburg. Dann weiter über München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Saarbrücken, Bonn, Köln und Münster, mit einem Abschluss in Osnabrück: Bis zum Ende am 3. September wollen die Teams 3.800 Kilometer zurücklegen. „Da lassen sich wunderbar Stresshormone wegstrampeln, Glückshormone werden beim Radeln ausgeschüttet“, schwärmt Burger, der das Gemeinschaftserlebnis auf den insgesamt zehn Etappen herausstreicht: „Alle zusammen erleben, wie leistungsdruckfreier Sport, Struktur, Natur und Gemeinschaft die Stimmung heben.“
Daran beteiligen sich in diesem Sommer 65 Aktive mit und ohne Depressionserfahrungen. Es gibt außerdem zwei Wanderungen, eine davon mit Pferdebegleitung. Die Tiere helfen, das Gepäck zu tragen. „Und sie sorgen für eine ruhige Stimmung, da kommt man zu sich“, erzählt Andrea Roosch (57), die in Bremen als selbst depressionserfahrene Mutter eines psychisch erkrankten Sohnes eine Selbsthilfegruppe leitet, bei der Bewegung in Form von Spaziergängen ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.
„Bewegung tut der seelischen Gesundheit einfach gut und ist genauso wirksam wie Medikamente“, bekräftigt Sebastian Burger. Seit der ersten Sommer-Tour 2012 haben das seinen Angaben zufolge 250 Teilnehmende ausprobiert und dabei zusammengenommen an 925 Tagen quer durch Deutschland 46.000 Kilometer zurückgelegt - meistens auf Tandems.
Nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe gehören Depressionen zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Bundesweit erkranken demnach jedes Jahr 5,3 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression. Gedrückte Stimmung bis hin zur Freud- und Gefühllosigkeit und das Fehlen von Interesse sind die Hauptmerkmale. Hinzu kommen meist ein permanentes Erschöpfungsgefühl, die Neigung zu Schuldgefühlen, hartnäckige Schlaf- und Appetitstörungen und das Gefühl der Ausweglosigkeit bis hin zu Suizidgedanken.
Über die Krankheit reden, gegen die Stigmatisierung und die Isolation depressiver Menschen angehen - das sind Ziele der Tour, die Sebastian Burger ins Leben gerufen hat, nachdem er selbst erlebt hatte, wie es einer WG-Mitbewohnerin ging, die 2007 an einer Depression erkrankte. „Sie hatte sich selbst stigmatisiert, wollte vermeiden, dass ihr Chef von der Krankheit erfährt.“ Am Ende habe sie sich gut stabilisiert. Aber Stigmatisierung sei nach wie vor ein großes Thema. „Alle sprechen darüber - aber nicht gerne über die eigene Depression.“ Dazu komme ein Versorgungsdefizit: „Im Durchschnitt dauert es 22 Wochen, bis man einen Therapieplatz bekommt.“
„Deshalb Arsch hoch und raus aus der Isolation“, betont Sebastian Burger das Konzept der „Mut-Tour“. „Eine Win-win-Situation“, bekräftigt Andrea Roosch. „Sowohl für die Teilnehmenden als auch für diejenigen, denen wir begegnen.“ Und das sind viele, etwa bei der Verpflegung, bei der Unterkunftssuche und natürlich auch im Kontakt mit Medien. „Bisher hat es in den vergangenen Jahren über die Mut-Tour 4.500 Berichterstattungen in lokalen Tages- und Wochenzeitungen gegeben, dazu Internet-Veröffentlichungen und ein paar Hundert lokale TV- und Radio-Feature“, freut sich Sebastian Burger über die Resonanz.
Trägerverein der „Mut-Tour“ ist seit 2022 der eigens dafür gegründete Verein „Mut fördern“, der daneben noch weitere Aktionen der Selbsthilfe anbietet. In diesem Jahr lautet das Motto „Mut zur Selbsthilfe - Unterstützung sichtbar machen“. Zum Auftakt radelt das erste Tandemteam an sieben Fahrtagen bis Berlin, danach übernimmt die zweite Crew die Ausrüstung für die nächste Etappe nach Leipzig. In Bremen startet am Samstag auch eine Wanderung, der sich Interessierte tageweise spontan anschließen können. „Das ist ein tolles Abenteuer“, schwärmt Andrea Roosch und ist überzeugt: „Das gute Gefühl, selbst aktiv sein zu können, wächst mit jeder Etappe.“
Berlin (epd). Die Fraktion der Grünen im Bundestag will das seit 2013 geltende Patientenrechtegesetz grundlegend überarbeiten. Das kündigten die zuständigen Fachpolitikerinnen und -politiker am 27. Mai bei einer Online-Konferenz in Berlin an. Ein Entwurf dazu solle noch in diesem Jahr vorliegen, sagte die Sprecherin für Verbraucherschutz, Linda Heitmann, bei dem Meeting unter dem Titel „11 Jahre Patientenrechtegesetz - Braucht es ein Update?“ Damit werde eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung umgesetzt.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Klein-Schmeink sagte, es sei Zeit, die Patientinnen und Patienten „als den verletzlichen Teil im Behandlungsprozess“ genauer in den Blick zu nehmen. Es gebe viele Probleme in der Gesundheitsversorgung. Das Patientenrechtegesetz müsse weiterentwickelt werden, ganz besonders mit Blick auf ärztliche Behandlungsfehler und ihre Folgen. „Es ist uns ein wichtiges Anliegen, hier schnell voranzukommen“, sagte Klein-Schmeink.
Helge Limburg, rechtspolitisches Sprecher der Grünen-Fraktion, beklagte fehlenden effektiven Rechtsschutz bei Behandlungsfehlern. Die Rechte Betroffener ließen sich in vielen Fällen nicht oder nur schwer durchsetzen.
Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher, betonte, die Reform solle auch dazu dienen, die Aufarbeitung und Dokumentation von Behandlungsfehlern zu verbessern. „Das ist ein zentraler Baustein zu einer sicheren Gesundheitsversorgung“, so der Mediziner. Die geplante Novelle, die mehr sein solle als eine Detailreform, sei der größte Hebel zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen.
Wie dringend das bestehende Gesetz überarbeitet und erweitert werden müsse, erläuterte Joachim Greuner, Vorstand der Sepsis Stiftung. Er verlor nach seinen Angaben nach einem Behandlungsfehler in einer Hamburger Klinik vor fünf Jahren seine Frau und das neugeborene Kind. Mittlerweile gebe es fünf Gutachten, deren Inhalte ihn mitunter fassungslos machten, sagte der Rechtsanwalt. „Die Beteiligten in der Klinik lassen nichts unversucht, um eine Entschädigung zu vermeiden.“
Betroffen ist nach seinen Worten eine große Gruppe von Patienten: 2022 seien 14.000 Behandlungsfehler dokumentiert worden. Viele Betroffene stünden den großen Kliniken und Institutionen der Ärzteschaft ohnmächtig gegenüber. „Hier muss man grundsätzlich etwas am System ändern“, sagte Greuner.
Er betonte, es gehe ihm wie vielen anderen Betroffenen, die sich an die Stiftung wendeten, nicht um strafrechtliche Konsequenzen gegen Ärzte und Pflegekräfte, „sondern um klare und offene Eingeständnisse von Fehlern“. Er beklagte, dass es in Deutschland, anders als in Österreich, keine Standards für medizinische Gutachten gebe. Greuner regte an, Gefälligkeitsgutachten im deutschen Strafgesetzbuch unter Strafe zu stellen. Auch ließe sich die Qualität der Gutachten erhöhen, wenn sie anonym, also ohne Kenntnis der Daten des Patienten und der Ärzte, erstellt würden.
Greuner regte zudem an, einen staatlichen Fond für geschädigte Patienten zu schaffen, wie es ihn in Frankreich gebe. Hierzulande dauere es oft Jahre, bis eine Entschädigung erstritten sei. Viele Geschädigte hätten massive finanzielle Probleme. Das sei besonders dann der Fall, wenn Betroffene als Folge von Behandlungsfehlern nicht mehr arbeiten könnten oder ihre Kinder zu Pflegefällen geworden seien.
Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Bevölkerung besser vor zunehmender Hitze schützen. Dafür hat er gemeinsam mit Expertinnen und Experten Bundesempfehlungen für den Hitzeschutz in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern vorgelegt.
Mit dem Klimawandel werde Hitzeschutz zum „Dauerproblem“, teilte Lauterbach nach einem Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Ländern, Kommunen, Gesundheitswesen und Wissenschaft am 24. Mai in Berlin mit. Darauf müsse sich Deutschland systematisch vorbereiten, sonst stürben in jedem Sommer tausende Bürger „unnötigerweise“.
Lauterbach zufolge haben hohe Temperaturen besonders für Ältere, Kranke und Menschen im Freien gesundheitliche Folgen. Laut den bundeseinheitlichen Empfehlungen, die der Gesundheitsminister präsentierte, sollen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen unter anderem individuelle Hitzeschutzpläne erstellen, Patienten und Pflegebedürftige besonders in den Sommermonaten umfassend aufklären sowie Kühl-Zonen einrichten oder Gebäude abdunkeln. Zudem solle der Hitzeschutz bei Neubauten, Umbauten und Renovierungen im Gesundheitswesen mitgedacht werden.
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) nannte es ein „wichtiges Signal“, dass der Gesundheitsminister dem Thema Hitzeschutz in der Pflege hohe Priorität einräume. Claus Bölicke vom AWO-Bundesvorstand sagte: „Die Klimakrise ist längst Realität. Es ist an uns, die vulnerabelsten Mitmenschen vor ihren Folgen zu schützen.“
Kritik an den Plänen kommt dagegen von der Stiftung Patientenschutz. Ohne finanziellen Zusagen der Bundesregierung, bleibe der Hitzeschutzplan „nur heiße Luft“, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch. Er forderte einen verbindlichen Investitionsplan für die rund 1.700 Krankenhäuser und 12.000 Pflegeeinrichtungen. Die Bestandsbauten müssten spätestens in drei Jahren an die klimatischen Bedingungen angepasst werden.
Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) gab es in Deutschland im vergangenen Jahr 3.200 Hitzetote. 2022 waren es rund 4.500 hitzebedingte Sterbefälle.
Berlin (epd). Einem Gutachten zufolge sind die Gesundheitskosten für Bürgergeldbeziehende durch die Bundesregierung nur zu gut einem Drittel gedeckt. Der Bund komme „seinen Ausgleichsverpflichtungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung nicht annähernd nach“, heißt es in einer Mitteilung des IGES Instituts vom 24. Mai. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Bürgergeldbeziehende lagen im Jahr 2022 um 9,2 Milliarden Euro höher als die für diese Gruppe gezahlten Beiträge.
Es ist Aufgabe des Staates, das Existenzminimum von bedürftigen Bürgerinnen und Bürgern zu gewährleisten, erläutern die Forscher. Nach der Rechtsprechung zählt dazu auch die Absicherung der medizinischen Versorgung im Krankheitsfall. Doch hier versage der Bund.
„Durch diese systematische Unterfinanzierung gehen der gesetzlichen Krankenversicherung jedes Jahr Milliardenbeträge verloren“, sagte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Allein im Jahr 2022 haben die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen den Bundeshaushalt so mit 9,2 Milliarden Euro entlastet.“ Die jährliche Unterfinanzierung der gesundheitlichen Versorgung von Bürgergeldbeziehenden dürfte in den Jahren 2023 und 2024 aufgrund der steigenden Zahl der Leistungsbeziehenden sogar noch höher liegen.
„Insgesamt sind im Jahr 2022 lediglich 39 Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II, inzwischen Bürgergeld, durch die für diesen Personenkreis gezahlten Beiträge gedeckt gewesen“, erläuterte Richard Ochmann, Projektleiter Gesundheitspolitik am IGES Institut. „Eine kostendeckende Pauschale hätte fast dreimal höher ausfallen müssen. Statt der im Jahr 2022 tatsächlich vom Bund gezahlten Monatspauschale von 108,48 Euro hätte diese dann 311,45 Euro betragen.“
Zum Vergleich: Für privat krankenversicherte Bürgergeldbeziehende zahlt der Staat den Angaben nach aus Steuermitteln einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von bis zu 421,77 Euro im Monat.
Berlin (epd). Der Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Uwe Klemens, rügt die Tatenlosigkeit der Regierung und fordert höhere Steuerzuschüsse für die Pflegekassen. Anlässlich der schnell steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen ging der Kassen-Chef Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am 27. Mai in Berlin direkt an: Lauterbach kündige „die nächste Welle von Beitragssatzerhöhungen“ im Jahr 2025 an, statt endlich ein nachhaltiges Finanzierungskonzept vorzulegen. Die Probleme der Pflegeversicherung seien „alles andere als neu“, kritisierte der Verbands-Chef.
Aus den Statistiken der Pflegekassen lässt sich ein unerwartet hoher Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland ablesen. Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, Ende Dezember 2023 seien rund 5,2 Millionen Menschen pflegebedürftig gewesen, die bei den gesetzlichen Krankenkassen versichert sind. Hinzu kamen rund 312.000 Privatversicherte. Gegenüber dem Jahresende 2022 seien damit 360.000 pflegebedürftige Menschen mehr statistisch registriert. Das entspricht einem Anstieg um 7,4 Prozent.
Gesundheitsminister Lauterbach hatte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ gesagt, demografisch bedingt habe man nur mit einem Anstieg um 50.000 gerechnet. Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte, dabei habe es sich um eine Prognose gehandelt. Das Ministerium prüfe, woraus genau sich die Differenz ergebe. Lauterbach hatte darauf hingewiesen, dass möglicherweise zusätzlich zu den älteren Pflegebedürftigen zunehmend Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen der 1950er und 1960er Jahre Hilfe bräuchten.
Ob Lauterbach in Kürze ein Konzept für die Finanzierung der Pflege vorlegt, ließ er offen. Die daran arbeitende interministerielle Arbeitsgruppe werde „kaum zu einer einheitlichen Empfehlung aller Beteiligten kommen“. Eine Sprecherin erklärte, der Bericht werde Ende Mai fertiggestellt und zunächst regierungsintern abgestimmt, bevor er dem Kabinett vorgelegt werde.
Gewerkschaften und Verbände dringen auf eine Absicherung der Pflege in Deutschland. Weiter abzuwarten, sei keine Option, erklärte Sylvia Bühler vom Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 28. Mai in Berlin: „Die Bundesregierung muss jetzt handeln.“ Bühler erneuerte die Forderungen von Gewerkschaften und Sozialverbänden, nach finanziellen Entlastungen für die Pflegekassen. Dazu zähle, dass Nicht-Pflegeleistungen wie Rentenbeiträge für pflegende Angehörige oder Corona-Ausgaben aus Steuern finanziert werden müssten, erklärte Bühler.
Maria Loheide, Vorstandsmitglied der Diakonie Deutschland, sagte, der dramatische Anstieg der Zahl pflegebedürftiger Menschen zeige, wie dringend eine umfassende Reform sei: „Jetzt nicht zu reagieren, ist grob fahrlässig und gefährdet die menschenwürdige Pflege vieler Menschen“, drängte Loheide. Lauterbach müsse dafür sorgen, dass sich die Koalition endlich über die Finanzierung der Pflege einige.
Der Deutsche Caritasverband forderte angesichts der stark steigenden Zahl von Pflegebedürftigen gesetzlich geregelte Entlastungen für die Angehörigen. Drei Viertel der Menschen würden zu Hause versorgt. Die Angehörigen bräuchten eine Infrastruktur, die sie tags und nachts entlasten könne, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
Der Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) kritisierte in Berlin, die Abwärtsspirale in der Pflege sei lange bekannt. Zugleich lägen zahlreiche Lösungsvorschläge auf dem Tisch. Dennoch werde die Bevölkerung erneut auf die nächste Regierungsperiode vertröstet. Nichts zu tun, sei aber die größte Katastrophe für die Pflege.
Der Arbeitgeberverband Pflege, der rund 950 private Pflegeanbieter mit 80.000 Beschäftigten vertritt, bescheinigte Lauterbach, zwar die ernste Lage der Altenpflege erkannt zu haben, Reformen aber weiter zu verschleppen.
Bad Vilbel (epd). Kinder spielen überall auf der Welt, in Deutschland allerdings „ernst und leise“. Zumindest in der Wahrnehmung von Andrea Vergara Pena. Die Kolumbianerin arbeitet seit Februar in der Kindertagesstätte Arche Noah in Bad Vilbel. In ihrer Heimat seien die Kinder „mehr explosiv“, sagt sie und wirft lachend die Arme wie in einer kleinen Explosion nach oben.
Die 27-Jährige ist eine von vier Erzieherinnen, die in den beiden Kitas der Christuskirchengemeinde in Bad Vilbel in der Nähe von Frankfurt am Main arbeiten. „Wir versuchen neue Wege zu gehen, um unsere Stellen zu besetzen“, sagt Klaus Neumeier, Pfarrer der Gemeinde. Innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, deren Gemeinden und Dekanate Träger von rund 600 Kitas sind, werde das Projekt „gespannt beobachtet“, berichtet er.
Bislang mache die Gemeinde „sehr gute Erfahrungen“ mit den Erzieherinnen aus Lateinamerika, aber schlechte Erfahrungen mit der Politik, sagt der Pfarrer. Alle vier Fachkräfte haben in Kolumbien ein Bachelor-Studium in Frühkindlicher Bildung absolviert und erste Berufserfahrungen gesammelt. Da der Abschluss hier nicht anerkannt wird, müssen sie in Deutschland zunächst ein Anerkennungsjahr leisten, bevor ihr Studium gleichwertig mit der deutschen Erzieherausbildung gewertet wird. Neben den finanziellen Nachteilen für die jungen Frauen sei dies auch ein Ausdruck mangelnder Wertschätzung, kritisiert Neumeier.
In der Einrichtung in Bad Vilbel ist das anders. Laura Carolina Polo Ibarra spricht von einem „großartigen Team“, und einer „super Erfahrung“. Anfangs war es schwer, die Kinder zu verstehen. „Sie haben sehr schnell gesprochen“, erinnert sich die 29-Jährige an die ersten Tage. Inzwischen klappe die Verständigung viel besser.
Die Frauen loben vor allem die Sicherheit in Deutschland. Shanning Pana Escobar freut sich, alleine als Frau mit dem Fahrrad fahren zu können, „sogar abends um 21 Uhr“. In Kolumbien sei das nicht denkbar, dort sei sie nur mit dem Auto unterwegs gewesen. „Mir geht es hier gut, richtig gut“, sagt sie.
Maria Alejandra Perez Villalba lobt sogar die Bahn, über die Deutsche so gerne schimpfen. Sie ist erst seit knapp vier Monaten in Deutschland, hat aber schon Düsseldorf, Heidelberg und Köln besucht. Das sei ganz einfach und bezahlbar, sagt die junge Frau. In Kolumbien sei auch das nicht möglich, wegen der größeren Entfernungen nutzten die Menschen das Flugzeug, und das habe sie sich nicht leisten können.
Froh über die Kolleginnen aus dem Ausland ist auch die Leiterin der Kita Arche Noah, Ruth Homann. „Sie gehören schon voll dazu“, sagt sie. Wäre die Kirchengemeinde nicht so offen gewesen, „hätten wir jetzt in beiden Kitas zwei Fachkräfte weniger“.
Geholfen hat der Gemeinde bei der Suche nach Fachkräften der Personaldienstleiter „TalentOrange“ in Neu-Isenburg. Etwa ein Jahr dauere der Weg von ersten Gesprächen in Kolumbien bis zum Arbeitsbeginn in Deutschland, erklärt Tilman Frank, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens. Nach ersten Online-Kontakten lerne er die Bewerberinnen persönlich kennen, es gebe eine Vielzahl von Gesprächen sowie einen Deutsch-Intensivkurs im Heimatland. „Der Spracherwerb ist entscheidend“, betont er.
Wie lange die Frauen bleiben werden, kann niemand seriös vorhersagen. Tilman Frank sieht gute Chancen dafür, dass es eine Berufstätigkeit von längerer Dauer werden wird. Die Frauen hätten sich mutig auf einen großen Schritt eingelassen und fänden hier deutlich bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen vor. Das gebe man nicht so schnell wieder auf, sagt er. Die Kosten für die Vermittlung beziffert er auf rund 20.000 Euro pro Person, inklusive Sprachkurs, Flug, Stipendium und Visagebühren. Bezahlt habe das zum größten Teil die Stadt Bad Vilbel, zu einem kleinen Teil die Kirche, ergänzt Neumeier.
Laura Carolina Polo Ibarra schätzt inzwischen schon „die Ruhe und den Ernst“ der Menschen. Die Frauen aus Lateinamerika vermissen jedoch ihre Familien und Freunde. Telefonate und die Sozialen Medien helfen, den Kontakt zu halten und sich gleichzeitig in Deutschland einzuleben.
Hannover (epd). „Inzwischen bin ich ja zum Glück Profi“, sagt Jessica Rietz und ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Die 38-Jährige sitzt auf einer Bank hinter der orthopädischen Klinik Annastift in Hannover-Kleefeld und schaut Ihren Kindern beim Spielen zu. Mit ihrem Mann Christian toben der neunjährige Jeremey, der sechsjährige Jannik und die dreijährigen Zwillinge Justin und Jannes über die grüne Wiese. Sie schaukeln, wippen, pusten Seifenblasen.
Nichts in dieser Frühlingsidylle deutet darauf hin, dass Familie Rietz aus Neustadt am Rübenberge besondere Herausforderungen zu meistern hat, dass hier jemand „Profi“ sein muss. Vielmehr sieht es so aus, als laufe das Familienleben reibungslos, wie von selbst. Doch das ist nicht der Fall.
Drei der vier Kinder sind behindert. Jeremey, Jannik und Justin haben einen seltenen Gendefekt. So selten, dass es nicht mal einen Namen für ihn gibt, geschweige denn Medikamente oder Therapien. Die Kinder leiden unter Muskelschwäche und Gelenksteifigkeit. Sie können nicht richtig laufen, haben oft Schmerzen. Nur Jannes, einer der Zwillinge, ist gesund.
„Das Einzige, was wir machen können, ist Krankengymnastik, um ihre Muskulatur zu stärken“, sagt Jessica Rietz. Sohn Jannik hört aufmerksam zu - und schaut traurig. Gerne würde er im Kindergarten mit den anderen Fußball spielen. Doch er ist zu langsam. Seine Mutter nimmt ihn in den Arm. „Dafür gehst du zum heilpädagogischen Reiten“, sagt sie tröstend.
Zum „Profi“ im Umgang mit den Behinderungen ihrer Kinder, mit Alltagshürden und Frustrationserlebnissen hat das Ehepaar Rietz Katrin Sommerfeld gemacht. Die Sozialpädagogin arbeitet bei der Elternberatungsstelle „Menschenskind“ im Annastift des hannoverschen Krankenhauskonzerns Diakovere und kennt die Herausforderungen von Familien mit behinderten Kindern.
Da seien auf der einen Seite Traurigkeit, Verzweiflung, Überforderung. „Wir halten die Trauer gemeinsam mit den Eltern aus, stabilisieren die Familien, gehen mit zu wichtigen Arztterminen“, sagt Sommerfeld. Andererseits gelte es, etliche praktische Fragen zu beantworten, sich im Bürokratie-Wirrwarr zurechtzufinden: Wie beantrage ich einen Pflegegrad? Wie einen Schwerbehindertenausweis? Was gibt es für finanzielle Hilfen? Was tun, wenn Krankenkassen die Kostenübernahme medizinischer Hilfsmittel ablehnen?
„Menschenskind“ wurde vor zehn Jahren gegründet. Träger sind Stadt und Region Hannover sowie die Diakonie Niedersachsen. 426 Familien wurden seitdem beraten, meistens Zuhause in ihren eigenen vier Wänden. „Mütter und Väter behinderter Kindern haben schon genug Termine“, sagt Sommerfeld.
Auslöser für die Gründung der Beratungsstelle sei die Erkenntnis gewesen, dass es „eine Lücke im Unterstützungssystem“ gegeben habe, sagt Sommerfeld. Gerade im Kleinkindalter zwischen Geburt und dem Alter von drei Jahren fehlten spezialisierte Einrichtungen, die Eltern begleiten. „So etwas wie 'Menschenskind' gibt es unserem Wissen nach bundesweit nicht.“
Mit zwei Kolleginnen, einer Ergotherapeutin und einer Heilpädagogin, ist Sommerfeld Ansprechpartnerin für Familien mit behinderten Kindern bis zum Alter von drei Jahren. Zugleich steht sie Schwangeren mit Rat und Tat zur Seite, deren Kind voraussichtlich behindert auf die Welt kommen wird, und die nun nicht wissen, was sie machen sollen. „Wir beraten ergebnisoffen“, betont Sommerfeld. Es gehe nicht darum, Ratschläge zu erteilen, sondern umfassend über Unterstützungsangebote zu informieren, damit Frauen ihre Entscheidung für eine Fortsetzung oder einen Abbruch ihrer Schwangerschaft fundiert treffen können.
Jessica Rietz sagt, für sie wäre eine Abtreibung nie infrage gekommen. Dass es sich um einen familiär bedingten Gendefekt handelt, hat sie erst spät erfahren, lange war die Medizin ratlos. Als sich die Familie testen ließ, stellte sich heraus, dass auch die Oma der Kinder, Jessica Rietz' Mutter, den vererbbaren Gendefekt hat. „Das aber wussten wir nicht, denn meine Mutter hat keine Symptome.“
Als Rietz mit ihren Zwillingen Justin und Jannes schwanger wurde, zeigte sich, dass sich ein Kind normal entwickelt und das andere kleiner, leichter, schwächer war. Als Option habe damals im Raum gestanden, den schwächere Zwilling abzutreiben, um dem anderen bessere Chancen einzuräumen, sagt Jessica Rietz.
Sie sieht aus, also könne sie noch immer nicht glauben, dass sie vor dieser Wahl gestanden hat. Ihr Blick folgt Justin und Jannes, die sich auf dem Rasen kabbeln. „Nein“, sagt sie kopfschüttelnd, „diese Option kam für mich wirklich nie infrage.“
Rietz ist Sommerfeld dankbar für die kostenlose Beratung und Unterstützung von „Menschenskind“. „Was immer ich gefragt habe, was immer auch anlag, sie war da“, sagt sie. „Ohne die Begleitung hätten wir vieles nicht gewusst.“ Zum Beispiel von der Möglichkeit, einen bezuschussten Familienurlaub zu machen. „Wir waren vor zwei Jahren für eine Woche auf Schloss Dankern im Emsland - es war total schön.“
Und wenn sie einen Wunsch für ihre Kinder freihätte? Jessica Rietz muss nicht lang überlegen. „Ich hoffe, dass der Gendefekt erforscht wird und die Kinder selbstständig leben können.“ Aber auch im Alltag gebe es noch Luft nach oben. Schnellere Arzttermine stehen bei Familie Rietz auf der Wunschliste ganz oben und dass die Kasse Jeremeys Rollator bezahlt. „Außerdem wäre es schön, wenn manche Menschen den Kindern wertschätzender begegnen würden.“
Die vertrauliche Geburt ist ein Angebot für schwangere Frauen, die ihre Schwangerschaft aus ganz persönlichen Gründen geheim halten wollen oder müssen. Im Rahmen einer vertraulichen Geburt kann die Schwangere anonym bleiben und ihr Kind trotzdem in einer medizinisch sicheren Umgebung zur Welt bringen. Die Beraterinnen in den Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen übernehmen im Verfahren der vertraulichen Geburt eine Schlüsselrolle: Sie beraten und informieren die schwangere Frau, begleiten sie im gesamten Prozess und geben ihr Sicherheit und halten darüber hinaus alle Fäden im Netzwerk aus unterschiedlichen Professionen zusammen. Dies sind Ärztinnen und Pflegekräfte, Mitarbeiter von Kliniken, Hebammen, Vertreterinnen der Jugend- und Standesämter sowie der Adoptionsvermittlung und der Rettungsdienste. Die Finanzierung ist über das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) geregelt. Ab seinem 16. Lebensjahr hat das Kind das Recht auf Einsicht in den Herkunftsnachweis und kann dort nachlesen, wer seine leibliche Mutter ist. Die Mutter hat jedoch ab dem 15. Lebensjahr des Kindes die Möglichkeit, gegen die Akteneinsicht Einspruch zu erheben.
Donum vitae war an der Entwicklung und Einführung des Gesetzes zur vertraulichen Geburt aktiv beteiligt, zum einen im Projektbeirat, zum anderen bei der Entwicklung der Pilot-Fortbildungen. Der Bundesverband verfügte bereits vor der Einführung des Gesetzes im Jahr 2014 über langjährige Erfahrungen in der Beratung von Schwangeren in dieser Ausnahmesituation, insbesondere durch das Projekt „Moses“ im Landesverband Bayern und das Projekt „b.a.g.“ = „betreute anonyme geburt“ im Landesverband Saarland. Wir ziehen heute - mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre in der Begleitung schwangerer Frauen auf dem Weg zu einer vertraulichen Geburt - ein positives Resümee: Entscheidet sich die Frau für eine vertrauliche Geburt, organisieren und steuern unsere Beraterinnen das gesamte Verfahren. Sie unterstützen die Schwangere umfassend und fachgerecht. Aufgabe in der psychosozialen Beratung ist es, die Frau aus ihrer Krise zu führen, ihr Halt zu geben und die Zukunft ihres Kindes zu klären, damit sie am Ende einen guten Weg zurück in ihren eigenen Alltag finden kann.
Auch wenn die Beraterinnen im Prozess viele formale Aufgaben übernehmen, liegt der Fokus auf der individuellen Begleitung und emotionalen Unterstützung der schwangeren Frau. Die Fortbildung als Fachkraft für die vertrauliche Geburt ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Grundlagenfortbildung zur Schwangerschaftskonfliktberatung bei donum vitae. Die Frauen haben durch das Gesetz eine Möglichkeit erhalten, zu uns zu kommen - also in dieser Ausnahmesituation überhaupt mit jemandem sprechen zu können und Beratung und Begleitung zu erfahren.
Besonders voraussetzungsvoll in diesem Verfahren ist die Anonymität. Im Laufe der Begleitungen in den ersten Jahren des Verfahrens haben wir festgestellt, dass leicht Probleme entstehen, wenn sich eine Frau, die vertraulich gebären will, im Krankenhaus, bei einer gynäkologischen Praxis oder auch im Kontakt mit dem Rettungsdienst anmelden oder ausweisen muss. Wenn in der Anmeldesituation nachdrücklich nach einer Krankenkassenkarte verlangt wird, sind viele Frauen verunsichert.
Selbstverständlich müssen die medizinischen Fachkräfte klären, dass die Geburt oder die medizinische Behandlung finanziert werden. Vertrauliche Geburten sind selten, und nicht alle Beteiligten sind mit dem Vorgang vertraut. Diese intime Information weiterzugeben, ist für die betroffene Frau belastend. Nicht selten kommt es dann vor, dass die Krankenkassenkarte doch überreicht wird. Um Frauen, die vertraulich gebären wollen, zu entlasten und zu schützen, hat donum vitae bereits im Jahr 2022 eine Karte im Kreditkartenformat entwickelt, die bei der Anmeldung in der Klinik oder an einem anderen Ort anstelle einer Krankenkassenkarte überreicht werden kann. Auf der Karte sind das Pseudonym der schwangeren Frau sowie der Kontakt der begleitenden Beraterin vermerkt. Als weitere Hilfestellung ist die Nummer des Hilfetelefons „Beratung & Geburt vertraulich“ auf der Karte abgedruckt. Kliniken oder Arztpraxen können dort auch die Abrechnungsmodalitäten erfragen.
Für die weitere gute Zusammenarbeit im Netzwerk wünschen wir uns mehr Austausch mit den Rettungsdiensten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rettungsdienstes sind noch nicht überall ausreichend über das Verfahren der vertraulichen Geburt informiert. Zusätzlich sind sie angehalten, in die nächste geeignete Klinik zu fahren - das ist dann nicht unbedingt die Klinik, in der die Frau angemeldet ist.
Auch die Finanzierung von Leistungen jenseits der medizinischen Versorgung rund um die Geburt, zum Beispiel die vorübergehende Unterbringung der Frauen außerhalb ihres familiären Umfeldes zu ihrem Schutz oder die Finanzierung von Rückbildungskursen nach der Geburt, ist aktuell nicht geregelt. Hierzu braucht es noch mehr Unterstützung für die betroffenen Frauen, dafür setzen wir uns bei den zuständigen Ministerien und Behörden sowie in der Politik ein.
Berlin (epd). Der Bundesverband Pflegemanagement und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisieren Datenmängel im neuen interaktiven Klinik-Atlas des Bundesgesundheitsministeriums. „Die grundsätzlich positive Intention wird durch fehlerhafte Daten zunichtegemacht. Nicht nur die reinen Zahlen, sondern auch die nicht korrekte Darstellung beispielsweise der Personalausstattung führt zu Irritationen“, sagte Sarah Lukuc, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Pflegemanagement am 24. Mai in Berlin.
Der Klinik-Atlas ist zentraler Bestandteil des von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Krankenhaustransparenz-Gesetzes. Patientinnen und Patienten sollen über den Atlas Informationen zu Fallzahlen, Bettenzahlen, Pflegepersonal, Notfallstufen und weitere Daten erhalten, um auf dieser Basis eine Krankenhauswahl treffen zu können.
Der „Transparenzatlas“ habe zahlreiche Fehler und greife auf veraltete oder gar falsche Daten zu, monierte die DKG. Patientinnen und Patienten könnten erheblich in die Irre geführt werden, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Henriette Neumeyer: „Lauterbachs Klinik-Atlas erfüllt leider nicht ansatzweise sein Versprechen, mehr Transparenz in der Krankenhausbehandlung zu schaffen. Im Gegenteil, zahlreiche falsche und fehlende Daten leiten Patientinnen und Patienten massiv in die Irre.“
Zum jetzigen Zeitpunkt müsse die DKG Informationssuchenden daher raten, „den Atlas mit größter Vorsicht zu behandeln“ und auf die Plattform des Deutschen Krankenhausverzeichnisses zurückzugreifen. Neumeyer rief das Bundesgesundheitsministerium auf, Fehler so schnell wie möglich zu korrigieren und den Atlas mit einem Hinweis auf noch zu behebende Fehler zu versehen.
Lukuc sagte weiter, derzeit seien die Kliniken damit befasst, die über ihre Einrichtung veröffentlichten Daten zu überprüfen. „Dabei fallen nicht nur erhebliche Datenmängel im Bereich der Personalausstattung, sondern auch bei der Darstellung der Fachbereiche auf.“ Völlig außer Acht gelassen werde bei der rein datenbasierten Darstellung zudem das Zusammenspiel von pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen. Ebenso unberücksichtigt bleibe der Gesundheitszustand der Patienten. Auch die Ausstattung mit Medizintechnik sowie der Grad der Digitalisierung fänden trotz ihres nachweislichen Effekts auf die Behandlungsqualität keine Berücksichtigung.
Pilotprojekte zum Test des Systems habe es nicht gegeben: „Der erneute Alleingang des Gesundheitsministeriums verschärft den Arbeitsalltag in den Kliniken weiter“, resümierte Lukuc.
Karlsruhe, Erfurt (epd). Überschuldete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen eine von ihrem Arbeitgeber gezahlte freiwillige Inflationsausgleichsprämie nicht behalten. Es handele sich dabei um ein „pfändbar, wiederkehrend zahlbares Arbeitseinkommen“, das zur Schuldentilgung eingesetzt werden müsse, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 23. Mai veröffentlichten Beschluss. Bis zur gesetzlichen Pfändungsfreigrenze steht Schuldnern im Insolvenzverfahren das Arbeitseinkommen jedoch in vollem Umfang zu.
Die jährlich vom Gesetzgeber angepasste Pfändungsfreigrenze soll das Existenzminimum der Arbeitnehmer sicherstellen. Auch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber anderen Personen sollen sie so nachkommen können. Bis Ende Juni 2023 betrug der unpfändbare Betrag des Arbeitseinkommens nach Anwendung einer Rundungsvorschrift 1.339,99 Euro (ab Juli 2023 1.409,99 Euro). Bei Unterhaltsverpflichtungen erhöht sich der Pfändungsfreibetrag deutlich. Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze muss zur Schuldentilgung verwendet werden. Einen geringen Teil davon dürfen Arbeitnehmer aber behalten.
Im aktuell entschiedenen Fall hatte das Insolvenzgericht am 27. Februar 2023 das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Krankenpflegers aus dem Raum Bielefeld eröffnet. Damit konnte auch sein über der Pfändungsfreigrenze liegendes Arbeitseinkommen gepfändet werden.
Als seine Arbeitgeberin, eine Caritas-Einrichtung, wegen der stark gestiegenen Verbraucherpreise eine steuer- und sozialabgabenfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro zahlte, beantragte der Krankenpfleger, dass das Geld ihm überwiesen wird. Die Einnahme habe den Zweck gehabt, den inflationsbedingten Anstieg der Verbraucherpreise auszugleichen. Zweckgebundene Einnahmen seien aber nach geltendem Recht unpfändbar. Der Pfändungsschutz gelte auch für „einmalige Bezüge“.
Der BGH entschied, dass die Inflationsausgleichsprämie Teil des wiederkehrenden Arbeitseinkommens und damit pfändbar ist, wenn die Pfändungsfreigrenze überschritten wird. Zwar diene die vom Arbeitgeber gezahlte Prämie dem Zweck, Inflationslasten auszugleichen. Dennoch bestehe kein Pfändungsschutz. Denn es fehle eine konkrete „Zweckbindung“. Der Arbeitnehmer könne frei über die Verwendung der Inflationsausgleichsprämie entscheiden. Die Prämie stelle auch keine unpfändbare Erschwerniszulage dar. Dafür fehle es an einem Bezug zur erbrachten Arbeitsleistung.
Eine vom Arbeitgeber gezahlte Corona-Prämie dürfen überschuldete Arbeitnehmer hingegen behalten. Voraussetzung dafür ist, dass die Prämie wegen erschwerter Arbeitsbedingungen gezahlt wurde und diese nicht „den Rahmen des Üblichen“ übersteigt, urteilte am 25. August 2022 das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.
Eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung kann dagegen nach einem Beschluss des BGH vom 20. Oktober 2016 gepfändet werden. Denn die laufende Geldleistung gilt als Arbeitseinkommen und kann oberhalb der Pfändungsfreigrenze zur Schuldentilgung eingesetzt werden.
Im Streitfall hatte eine überschuldete Rentnerin gemeint, die Verletztenrente werde als Ausgleich für einen erlittenen Gesundheitsschaden gezahlt und sei deshalb unpfändbar.
Der BGH führte in seiner Entscheidung aus, dass nach dem Sozialgesetzbuch I zwar Eltern- und Betreuungsgeld, Mutterschafts- und Wohngeld sowie Geldleistungen, die den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand ausgleichen sollen, unpfändbar seien.
Die Verletztenrente soll aber, entschieden die Karlsruher Richter, keinen Mehraufwand für einen Körper- oder Gesundheitsschaden ausgleichen. Sie gleiche vielmehr nur die infolge der Verletzung erlittene Erwerbsminderung und den damit verbundenen Einkommensverlust aus. Damit liege eine Lohnersatzfunktion vor.
Spart der Schuldner einen Teil des unter der Pfändungsfreigrenze liegenden Lohns teilweise an, hat er nach einem Beschluss des BGH vom 26. September 2013 nichts davon. Der Sparbetrag dürfe nur in den folgenden Kalendermonat übertragen werden. Darüber hinaus könne das pfändungsfreie Arbeitseinkommen nicht angespart werden. Das auf dem neuen Konto angesparte und über der Pfändungsfreigrenze liegende Geld gehöre dann zur Insolvenzmasse und stehe den Gläubigern zu.
Keine Pfändung müssen überschuldete Arbeitnehmer dagegen für ihre vom Lohn abgezweigten Prämienzahlungen zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung fürchten. Es handelt sich bei den im Wege der Entgeltumwandlung und vom Arbeitgeber gezahlten Versicherungsprämien der betrieblichen Altersversorgung nicht um pfändbares Einkommen, urteilte am 14. Oktober 2021 das BAG. Denn der Gesetzgeber habe den Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung besonders schützen wollen.
Az.: IX ZB 55/23 (BGH, Inflationsausgleichsprämie)
Az.: 8 AZR 14/22 (BAG, Corona-Prämie)
Az.: IX ZB 66/15 (BGH, Verletztenrente)
Az.: IX ZB 247/11 (BGH, Sparrücklagen)
Az.: 8 AZR 96/20 (BAG, Altersversorgung)
Karlsruhe (epd). Eine wegen einer beabsichtigten Zwangsräumung akut suizidgefährdete Mieterin darf nicht auf die Straße gesetzt werden. Legt die Mieterin im Laufe des Zwangsvollstreckungsverfahrens ärztliche Atteste vor, dürfen Gerichte diese nicht „kleinlich“ ignorieren, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am 28. Mai veröffentlichten Beschluss. Im Zweifel müsse das zuständige Gericht ein ärztliches Gutachten zu den Gesundheitsgefahren einholen, die eine Zwangsräumung mit sich bringen würde, erklärten die Karlsruher Richter.
Damit muss das Landgericht Köln erneut über die Zwangsräumung einer 83-jährigen Mieterin entscheiden. Der Vermieter hatte gerichtlich die Räumung und Herausgabe der Wohnung erstritten. Die Zwangsräumung wurde mehrfach verschoben, zunächst weil die Frau keinen Ersatzwohnraum finden konnte und dann, weil sie im Falle des Wohnungsverlustes eine akute Suizidgefahr geltend machte.
Das Amtsgericht machte ihr die Auflage, sich psychiatrisch behandeln zu lassen - auch mit dem Ziel, die Wohnungsräumung zu ermöglichen. Als ein erneuter Räumungstermin anstand, legte die Frau weitere Atteste über eine akute Suizidgefahr vor und führte aus, dass die bisherige Behandlung zu keiner Besserung geführt habe.
Ein erneuter Räumungsaufschub wurde abgelehnt. Die 83-Jährige habe genügend Zeit gehabt, sich durch ärztliche Behandlung um Besserung ihres Zustands zu bemühen, urteilte das Landgericht Köln. Auch die neu eingereichten Atteste hätten die Sachlage nicht geändert.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass damit das Recht der Klägerin auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt wurde.
Zwar könne der Vermieter sich auf sein Eigentumsgrundrecht berufen. Bestehe aber wegen einer beabsichtigten Zwangsräumung eine mit ärztlichen Attesten festgestellte akute Suidzigefahr, müsse auf die Maßnahme vorerst verzichtet werden.
Bei der Bewertung der Gerichte, ob sich eine Sachlage mit der Einreichung neuer Atteste geändert habe, dürften sie nicht „kleinlich“ verfahren, stellten die Verfassungsrichter fest. Im Zweifel müsse ein gerichtlich bestellter Sachverständiger die Suizidgefahr noch einmal prüfen.
Az.: 2 BvR 26/24
Celle (epd). Eine Rentnerin aus Hannover, die eine Corona-Soforthilfe aus den USA erhalten hat, muss Leistungskürzungen bei der Alterssicherung hinnehmen. Die Corona-Soforthilfe stammt aus dem Konjunkturpaket „American Rescue Plan“ (Amerikanischer Rettungsplan), das die US-Regierung 2021 auf den Weg gebracht hatte, um die wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie abzumildern. Es sah unter anderem Direktzahlungen an US-Bürger vor. Diese Zuwendungen seien für Rentenbezieher in Deutschland als sozialhilferechtliches Einkommen zu betrachten, entschied das Celler Gericht, wie es am 27. Mai mitteilte.
Die 1940 geborene Frau bezieht den Angaben zufolge von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente von rund 560 Euro im Monat und zudem eine US-amerikanische Rente von rund 290 Dollar. Vom Sozialhilfeträger erhält sie ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter. Im Mai 2021 erhielt sie aus den USA einen Scheck über 1.400 Dollar aus dem Konjunkturpaket. Das Sozialamt bewertete diese Zahlung als Einkommen und nahm für die nächsten sechs Monate eine entsprechende Leistungskürzung vor.
Dagegen klagte die Rentnerin, da die Soforthilfe aus ihrer Sicht kein Einkommen war, sondern eine Sonderhilfe für außergewöhnliche Situationen. Außerdem bedeute die Anrechnung für alte Menschen eine besondere Härte.
Das Landessozialgericht bestätigte allerdings die Sichtweise des Sozialhilfeträgers. Die Corona-Soforthilfe sei eine Steuererstattung, die nach den sozialhilferechtlichen Regelungen als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen sei. Sie solle allgemein der Sicherung des Lebensunterhalts nach den Entbehrungen und Mehraufwendungen in der Covid-19-Pandemie dienen. Eine besondere Zweckbestimmung sei nicht gegeben.
Az.: L 8 SO 69/22
Düsseldorf (epd). Arbeitgeber dürfen aus Arbeitsschutzgründen das Tragen roter Hosen verlangen. Hält sich ein Arbeitnehmer trotz wiederholter Abmahnungen nicht an die Kleidungsvorgabe und bevorzugt er lieber schwarze Hosen, kann ihm gekündigt werden, urteilte am 21. Mai das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf.
Der Kläger arbeitete als Monteur in einem Industriebetrieb. Die Arbeitgeberin stellte allen Produktionsmitarbeitern funktionelle Arbeitskleidung zur Verfügung. Nach der betrieblichen Kleiderordnung gehörten dazu auch rote Arbeitsschutzhosen.
Der Kläger weigerte sich auch nach zwei Abmahnungen, die zur Verfügung gestellte rote Arbeitsschutzhose zu tragen. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich.
Sowohl das Arbeitsgericht Solingen als auch das LAG erklärten die Kündigung für wirksam. Die Arbeitgeberin könne aufgrund ihres Weisungsrechts Rot als Farbe für Arbeitsschutzhosen vorschreiben, urteilten die Düsseldorfer Richter. Hierfür gebe es sachliche Gründe. So diene Rot als Signalfarbe der Arbeitssicherheit. Die erhöhte Sichtbarkeit sei sinnvoll.
Zudem diene das einheitliche Tragen gleich aussehender Arbeitskleidung in den Werkshallen der Wahrung der Unternehmensidentität, der Corporate Identity. Allein das ästhetische Empfinden des Klägers, keine rote Hose tragen zu wollen, sei kein ausreichender Grund, von der betrieblichen Kleiderordnung abzuweichen. Wegen der beharrlichen Weigerung, sich an die Vorgaben der Arbeitgeberin zu halten, sei nach zwei Abmahnungen die ordentliche Kündigung nicht zu beanstanden.
Az.: 3 SLa 224/24
Stuttgart (epd). Ein von einer Mutter von Israel nach Deutschland entführtes Kind muss wieder zum ebenfalls sorgeberechtigten Vater zurückgebracht werden. Wie das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem am 28. Mai bekanntgegebenen Beschluss entschied, ist trotz des in Israel formell bestehenden Kriegszustandes die Rückführung des Kindes nicht mit einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens verbunden.
Damit bekam ein in Israel lebender Vater recht, der die Rückführung seiner nach Deutschland entführten einjährigen Tochter beantragt hatte. Der Vater lebte mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter in Haifa. Sie übten das gemeinsame Sorgerecht für das Kind aus. Doch wegen des zunehmend eskalierenden Nahostkonflikts packte die Mutter heimlich ihre Sachen und flog ohne Einverständnis des Ehemannes am 6. Februar 2024 mit der Tochter nach Deutschland.
Der Vater fand einen Tag später heraus, dass Mutter und Kind sich in Reutlingen aufhalten. Er beantragte bei der Zentralen Behörde in Israel die Rückführung des rechtswidrig nach Deutschland gebrachten Kindes. Er berief sich auf das Haager Kindesentführungsabkommen, das die Rückführung entführter Kinder zu dem anderen Elternteil regelt.
Die Mutter lehnte die Rückführung der Tochter nach Israel ab. Für ein einjähriges Kind sei es in Israel viel zu gefährlich. Es gebe Raketenangriffe, Massaker und Attentate.
Das OLG ordnete die Rückführung der Tochter trotz des in Israel bestehenden formellen Kriegszustandes an. Die Mutter habe die Tochter ohne Zustimmung des Vaters widerrechtlich nach Deutschland gebracht. Das Sorgerecht übten aber beide Elternteile aus.
Zwar müsse ein entführtes Kind nicht zurückgeführt werden, wenn die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens bestehe. Voraussetzung hierfür sei aber eine „besonders erhebliche, ganz konkrete und aktuelle Gefahr für das Kind“.
Nach der gegenwärtigen Sicherheitslage bestehe in Israel nur eine abstrakte, aber keine konkrete Gefährdung. So könnten etwa in Tel Aviv oder Haifa Versammlungen und Gottesdienste, Bildungsaktivitäten und Arbeitsstätten ohne Einschränkungen abgehalten beziehungsweise genutzt werden.
Zwar beschieße die Hamas Israel weiter mit Raketen und übe Anschläge aus. Das israelische Abwehrsystem sei aber in der Lage, den überwiegenden Teil der Raketen außerhalb des israelischen Luftraums abzufangen. Damit liege keine konkrete Gefahr für das Kind vor.
Az.: 17 UF 71/24
Berlin (epd). Eine noch schnell im Krankenhaus geschlossene Nothochzeit eines Paares muss nach dem Tod einer an Krebs erkrankten Frau nicht zum Verlust des Witwerrentenanspruchs führen. Kann der Witwer belegen, dass die Hochzeit schon lange vor Bekanntwerden der Erkrankung geplant war, hat er glaubhaft gemacht, dass die Heirat nicht überwiegend der Hinterbliebenenversorgung gedient hat, entschied das Sozialgericht Berlin in einem am 23. Mai bekanntgegebenen Urteil.
Nach dem Gesetz besteht die Vermutung einer sogenannten Versorgungsehe, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. In diesem Fall besteht kein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente.
Im entschiedenen Verfahren lebte der Kläger seit 2012 mit seiner Partnerin zusammen. Als bei ihr 2014 erstmals Brustkrebs festgestellt wurde, konnte dieser noch erfolgreich behandelt werden. Daraufhin wollte das Paar heiraten. Im September 2019 wurden Veranstaltungsräume für die Hochzeit reserviert und im November ein Termin beim Standesamt vereinbart. Im Juli des Folgejahres sollte die Hochzeit stattfinden.
Doch dann wurde im Dezember 2019 bei der Frau erneut eine Krebserkrankung festgestellt. Eine Chemotherapie folgte Anfang April 2020. Noch im selben Monat fand im Krankenhaus die Nothochzeit statt. Drei Monate später starb die Ehefrau.
Die von dem Witwer beantragte Witwerrente lehnte die Deutsche Rentenversicherung ab. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei absehbar gewesen, dass die Erkrankung der Ehefrau zu ihrem Tod führen würde. Da die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, sei von einer Versorgungsehe auszugehen.
Das Sozialgericht sprach dem Kläger die Hinterbliebenenversorgung zu. Dieser habe die gesetzliche Vermutung widerlegt, dass die Ehe nur aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Denn die Heirat sei bereits vor Bekanntwerden der Erkrankung geplant gewesen. Der Kläger habe außerdem glaubhaft gemacht, dass der Hauptgrund für die vorgezogene Trauung die Einschränkungen der Corona-Pandemie gewesen seien. Das Paar habe durch ihre Heirat das strikte Besuchsverbot im Krankenhaus überwinden wollen.
Gegen das Urteil hat die Rentenversicherung Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Az.: S 4 R 618/21
Köln (epd). Markus Peters wird zum 1. Oktober Vorstandssprecher beim Caritasverband für die Stadt Köln. Der 47-Jährige bildet dann gemeinsam mit Finanzvorstand Markus Nikolaus und Carmen Witte Yüksel (Leitung Innovationsmanagement) den Vorstand des größten Wohlfahrtsverbandes in Köln. Peters ist seit Februar 2015 Vorstandssprecher des Sozialdienstes Katholischer Männer Köln (SKM).
Peters war vor seiner Zeit beim SKM seit 2004 in unterschiedlichen Positionen für den Malteser Hilfsdienst tätig - zuletzt als Leiter Verbandsentwicklung in der Bundeszentrale in Köln-Kalk. Im Jahr 2003 startete seine berufliche Laufbahn als Mitarbeiter eines Beteiligungsprojekts für Kinder und Jugendliche am Kölner Leitbildprozess 2020 (Köl.Le Pro Youth). Zwischen 2007 und 2014 war er zudem geschäftsführender Teilhaber einer Agentur für Social Marketing und Fundraising.
Seit früher Jugend ist Markus Peters kirchlich engagiert. Zunächst in der Kirchengemeinde (Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand) und in der Malteser Jugend in der Stadt Köln aktiv, war er von 1999 bis 2006 Stadtvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) sowie 20 Jahre Vorstandsmitglied der Katholischen Jugendwerke Köln und gehörte acht Jahre dem Vorstand des Katholikenausschusses in Köln an. Bereits seit 1997 ist Peters Mitglied im Jugendhilfeausschuss, seit 2014 auch im Ausschuss für Soziales und Senioren des Rates der Stadt Köln.
Der Caritasverband für die Stadt Köln ist Träger von 80 Diensten und Einrichtungen der Sozialen Arbeit und Pflege im Kölner Stadtgebiet mit über 2.000 hauptamtlichen und 1.000 ehrenamtliche Mitarbeitenden.
Georgy Palathunkal wird zum 1. Juli neuer hauptamtlicher Vorstand des Caritasverbands für die Diözese Hildesheim. Er war zuvor Leiter der Regionalrendantur Hannover der katholischen Kirche in der Region Hannover. Regionalrendanturen sind Dienstleistungsstellen für die Vermögens-, Finanz- und Personalverwaltung kirchlichen Rechtsträger. Von 2014 bis 2018 war der 45-Jährige als kaufmännischer Mitarbeiter im Fachbereich Finanzen beim Bischöflichen Generalvikariat im Bistum Hildesheim tätig. Er hat zudem bei einer Wirtschaftsberatung und einem Kölner Bauunternehmen gearbeitet. Palathunkal hat an der Rheinischen Fachhochschule Köln Wirtschaftswissenschaften studiert und ist Diplom- und Industriekaufmann.
Martin Wulff, langjähriger Geschäftsführer der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, ist in den Ruhestand verabschiedet worden. Wulff begann bei Lobetal im Jahr 2007 als Bereichsleiter der Eingliederungshilfe und wurde 2010 Geschäftsführer. Während seiner Amtszeit begleitete er unter anderem die Umwandlung der Hoffnungstaler Anstalten in die Hoffnungstaler Stiftung Lobetal; sie wurde dadurch 2011 zur vierten Stiftung der Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. In acht Bundesländern engagiert sich der Stifterverbund für behinderte, kranke, alte und benachteiligte Menschen. Die Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, gegründet 1905 von Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910), hat ihren Sitz in Lobetal, einem Ortsteil der Stadt Bernau bei Berlin.
Björn Hoffmann leitet ab Oktober innerhalb der Alexianer Gruppe den Verbund Westfalen. Zu dem Verbund gehören das Klinikum Hochsauerland mit diversen Standorten, die Münsteraner Ludgerus-Kliniken Clemenshospital und Raphaelsklinik sowie das Augustahospital Anholt. Der 38-Jährige ist seit 2020 Geschäftsführer des Cellitinnen-Klinikverbunds St. Petrus und St. Josef in Wuppertal. Zuvor war er Prokurist bei den Maltesern und kaufmännischer Direktor eines Kölner Krankenhauses. Hoffmann hat Sportwissenschaften sowie Rehabilitation und Gesundheitsmanagement studiert und einen Master of Business Administration (MBA) an der Universität Bayreuth im Bereich Klinikmanagement absolviert.
Andrea Dietzsch wird ab September neue Rektorin der Evangelischen Hochschule (EH) Ludwigsburg. Die Professorin für Theorie und Praxis der Religionspädagogik folgt damit auf den derzeitigen Rektor Nobert Collmar, der sich Ende August nach 17 Jahren als Rektor in den Ruhestand verabschiedet. Dietzsch ist seit 2016 Professorin an der EH Ludwigsburg. Aktuell leitet sie die Masterstudiengänge Religionspädagogik/Gemeindepädagogik sowie Berufspädagogik für Sozial- und Gesundheitsberufe.
Gerhard Brose (69), evangelischer Pfarrer, hat die Leitung der Bahnhofsmission Bonn übernommen. Sie wird gemeinsam von Diakonie und Caritas getragen. Brose war 35 Jahre lang Gemeindepfarrer in Bornheim. Er studierte in Wuppertal und Bonn Theologie. 2018 ging er in den Ruhestand. Rund 30 Freiwillige engagieren sich bei der Bahnhofsmission Bonn.
Thomas Müller und Chris Führich, Fußball-Nationalspieler, haben der Blankenhainer Tafel in Thüringen am 27. Mai einen Besuch abgestattet. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern verteilten sie Lebensmittel an Bedürftige. Die Fußballer gaben anschließend Autogramme und signierten Bälle für die mehr als 500 anwesenden Fans. Der Fokus der Stiftung der Nationalmannschaft liegt auf der Unterstützung von wohnungs- und obdachlosen sowie hilfebedürftigen Menschen. An sie verteilten die Fußballer haltbare Lebensmittel wie etwa Kaffee, Reis, Nudeln und auch Toilettenpapier im Wert von fast 6.000 Euro.
12.-13.6. Weimar:
Tagung „Läuft’s im Betreuungsrecht?“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980-419
14.6. Berlin:
Seminar „Konfliktgespräche führen - kooperativ und lösungsorientiert“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/2758282-21
19.-20.6. Essen:
Seminar „'So kann man doch nicht leben!?'“ Vermüllt und verwahrlost - Was tun?
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0174/3154935
21.6. Hamburg:
Seminar „Rote Zahlen in der stationären Altenhilfe“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-519
26.6. Freiburg:
Seminar „Kompetent online beraten per Video“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001-700
26.6. Gelsenkirchen:
Fachtagung „Unternehmerische Friktionen durch den Pflegenotstand“
der Ruhrgebietskonferenz Pflege
Tel.: 0172/2844861
27.6. Berlin:
Seminar „Vergütungssatzverhandlungen in der Eingliederungshilfe“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 030/28486-0