Berlin (epd). Die Ampel-Regierung hat am 29. Mai einen neuen Weg zur Finanzierung der gesetzlichen Renten eröffnet. Danach sollen ab Mitte der 2030er Jahre Erträge aus darlehensfinanzierten, staatlichen Kapitalanlagen in die gesetzliche Rentenversicherung fließen. Vor allem aber hat die Ampel-Koalition mit ihrem Kabinettsbeschluss erstmal die Altersbezüge für die heutigen Rentnerinnen und Rentner sowie die Boomer-Generation gesichert.
Denn die Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent bis 2039 kostet mehr Geld, als das sogenannte Generationenkapital absehbar einbringen wird. Deshalb bleibt das Rentenpaket II umstritten, auch wenn es - mit voraussichtlich nur geringfügigen Änderungen - im Bundestag verabschiedet werden wird. Die FDP fordert weitere Reformen, die Grünen stehen dem Generationenkapital skeptisch gegenüber, spielten in der jüngsten Auseinandersetzung zwischen SPD und FDP aber keine Rolle.
Sozialverbände und Gewerkschaften sehen in dem Weg an den Kapitalmarkt geradezu einen Sündenfall, der den Generationenvertrag ins Wackeln bringen werde. Sie fordern, dass alle Reformanstrengungen auf die gesetzliche Rentenversicherung zielen müssten und das bewährte Umlagesystem auf weitere Bevölkerungsgruppen ausgedehnt werden sollte, um die Beiträge im Rahmen zu halten und das Rentenniveau gleichzeitig stärker anheben zu können.
Die FDP und die Wirtschaft verlangen indes weitere Reformen, wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Abschaffung der abschlagsfreien Rente für Beschäftigte mit 45 Beitragsjahren. Wer will, kann darin auch Skepsis gegenüber dem Generationenkapital erkennen.
Es ändere zumindest nichts daran, kritisieren die Arbeitgeberverbände, dass die Sozialbeiträge weiter steigen und die Kosten für den demografischen Wandel den Jüngeren aufgebürdet würden. Heute kommen nach Angaben der Rentenversicherung knapp 2,2 Beitragszahler für einen Rentner auf, Mitte der 2030er Jahre werden es voraussichtlich 1,6 Beschäftigte sein. Der Rentenbeitrag wird je zur Hälfte von Arbeitgebern und Beschäftigten bezahlt. Er beträgt derzeit 18,6 Prozent.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD entgegnet den Kritikern, das Generationenkapital werde dafür sorgen, dass die Beiträge nicht zu stark steigen - außerdem profitierten von dem gesicherten Rentenniveau später auch die Jüngeren. Aus dem Gesetzentwurf von Heil und FDP-Chef sowie Finanzminister Christian Lindner geht aber hervor, dass trotz Generationenkapital für die Stabilisierung des Rentenniveaus ein Beitrags-Plus von einem Prozentpunkt allein von den Beitragszahlern und dem Bund gestemmt werden muss.
Weil das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken soll, werden die Beiträge bis 2040 auf 22,6 Prozent des Bruttoeinkommens steigen. Das Generationenkapital wird den Anstieg nur um 0,3 Prozentpunkte auf dann 22,3 Prozent dämpfen. Ohne die Reform lägen die Beiträge bei 21,3 Prozent. Dann sänke bis 2040 aber auch das Rentenniveau auf 45 Prozent.
Aus dem Generationenkapital sollen von 2036 an jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro in die Rentenversicherung fließen. Dafür nimmt der Staat Darlehen auf, um Geld für die Rente am Kapitalmarkt anlegen zu können, in diesem Jahr erstmals zwölf Milliarden Euro. Bis Mitte der 2030er Jahre sollen rund 200 Milliarden Euro zusammenkommen, die von einer Stiftung verwaltet werden. Die Rentenversicherung selbst zählt zu den Skeptikern auf dem neuen Weg: „Ein nennenswerter Kapitalaufbau und damit auch eine spürbare Entlastung ist in diesem Zeitraum nicht zu erwarten“, heißt es in ihrer Stellungnahme zum Rentenpaket II.