Köln (epd). Der Migrations- und Arbeitsmarktexperte Wido Geis-Thöne hält den Job-Turbo für Geflüchtete grundsätzlich für ein gutes Instrument, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen. „Er setzt an genau der richtigen Stelle an, weil die Erwerbsintegration durch eine gezielte Vermittlung und passgenaue Nachqualifizierung der zugewanderten Erwerbspersonen am besten gestärkt werden kann“, sagte der Forscher am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dennoch sei sein Erfolg noch sehr beschränkt.
Das Programm ermöglicht Geflüchteten den sofortigen Arbeitsmarktzugang sowie intensive Integrationskurse zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Das Modell setzt auf drei Phasen: Orientierung und Sprachkurse, Arbeit und Qualifizierung in Beschäftigung sowie anschließende berufliche Weiterqualifikation.
Ein wichtiger Grund dafür, dass sich noch keine großen Erfolge des Programms zeigten, sieht der IW-Forscher darin, dass die Jobcenter von Fachkräfteengpässen betroffen sind und so nur schwer optimale Unterstützung realisieren können. „Die Potenziale sind auch vor dem Hintergrund sehr begrenzt, dass der Job-Turbo die Ressourcenausstattung der Jobcenter nicht wesentlich verbessert.“ Insgesamt bestehe er „vorwiegend aus frommen Wünschen. Er definiert kaum konkrete politische Maßnahmen, womit sich grundsätzlich nur sehr schwer politische Ziele erreichen lassen“, sagt Geis-Thöne.
Vor allem Frauen aus der Ukraine täten sich schwer, Arbeit zu finden, obwohl sie sehr gut qualifiziert seien. „Frauen mit Kindern haben große Probleme beim Zugang zu (Ganztags-)Betreuung, insbesondere für unter Dreijährige und Schulkinder.“ Ein relevanter Punkt könnte dem Fachmann zufolge sein, dass Deutschland bei der Integration einen „Language-First-Ansatz“ verfügt, also zunächst eingehend die Sprache lernen lässt, wohingegen andere Länder nach dem „Work-First-Prinzip“ arbeiten, also Jobs auch bei geringen Sprachkenntnissen vermitteln.
Deutschland habe vor dem Hintergrund des demografischen Wandels einen hohen ungedeckten Bedarf an Arbeitskräften. „Ich halte es grundsätzlich für sinnvoller, wenn Zuwanderer mit einer nicht qualifikations-adäquaten Beschäftigung in den deutschen Arbeitsmarkt einsteigen, als wenn sie diesem so lange fernbleiben, bis sie die notwendigen Sprachfähigkeiten erworben haben, um ihren bisherigen Beruf auszuüben“, sagt Geis-Thöne. Das sähen manche Migrationsforscher allerdings teilweise anders.
Mit Blick auf die in Hilfstätigkeiten schlechtere Bezahlung der Geflüchteten sagte der Experte: „Ob ein Job gut oder schlecht bezahlt ist, ist immer eine Frage der Perspektive.“ Es sei nicht verwerflich, wenn Zuwanderer für eine einfache Helfertätigkeit nur den gesetzlichen Mindestlohn erhalten, auch wenn sie in ihrem Heimatland einen Hochschulabschluss erworben haben. „Allerdings müssen sie natürlich die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln und in ihre erlernten Berufe zurückzukehren.“ Dafür ist es jedoch insbesondere im Hinblick auf die Sprachpraxis nicht unbedingt vorteilhaft, wenn sie längere Zeit ohne Beschäftigung bleiben und von den staatlichen Transferleistungen leben, die immer noch deutlich niedriger als der Mindestlohn sind. Und noch etwas sei wichtig: „Wollen wir in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz für die Aufnahme Geflüchteter, wie auch für Zuwanderung im Allgemeinen, sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die ins Land gekommenen Personen vom deutschen Steuerzahler 'durchgefüttert' werden müssen“, erklärte Geis-Thöne.