sozial-Branche

Familie

Gastbeitrag

Vertrauliche Geburt: Beraterinnen geben Halt in Ausnahmesituation




Irmgard Klaff-Isselmann
epd-bild/donum vitae e.V.
Am 1. Mai feierte das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt sein zehnjähriges Bestehen. Donum vitae blickt positiv auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre, sieht aber noch Finanzierungslücken und weiteren Informationsbedarf im Netzwerk, wie die stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Irmgard Klaff-Isselmann, in ihrem Gastbeitrag schreibt.

Die vertrauliche Geburt ist ein Angebot für schwangere Frauen, die ihre Schwangerschaft aus ganz persönlichen Gründen geheim halten wollen oder müssen. Im Rahmen einer vertraulichen Geburt kann die Schwangere anonym bleiben und ihr Kind trotzdem in einer medizinisch sicheren Umgebung zur Welt bringen. Die Beraterinnen in den Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen übernehmen im Verfahren der vertraulichen Geburt eine Schlüsselrolle: Sie beraten und informieren die schwangere Frau, begleiten sie im gesamten Prozess und geben ihr Sicherheit und halten darüber hinaus alle Fäden im Netzwerk aus unterschiedlichen Professionen zusammen. Dies sind Ärztinnen und Pflegekräfte, Mitarbeiter von Kliniken, Hebammen, Vertreterinnen der Jugend- und Standesämter sowie der Adoptionsvermittlung und der Rettungsdienste. Die Finanzierung ist über das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) geregelt. Ab seinem 16. Lebensjahr hat das Kind das Recht auf Einsicht in den Herkunftsnachweis und kann dort nachlesen, wer seine leibliche Mutter ist. Die Mutter hat jedoch ab dem 15. Lebensjahr des Kindes die Möglichkeit, gegen die Akteneinsicht Einspruch zu erheben.

Hilfsangebot für ungewollt Schwangere

Donum vitae war an der Entwicklung und Einführung des Gesetzes zur vertraulichen Geburt aktiv beteiligt, zum einen im Projektbeirat, zum anderen bei der Entwicklung der Pilot-Fortbildungen. Der Bundesverband verfügte bereits vor der Einführung des Gesetzes im Jahr 2014 über langjährige Erfahrungen in der Beratung von Schwangeren in dieser Ausnahmesituation, insbesondere durch das Projekt „Moses“ im Landesverband Bayern und das Projekt „b.a.g.“ = „betreute anonyme geburt“ im Landesverband Saarland. Wir ziehen heute - mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre in der Begleitung schwangerer Frauen auf dem Weg zu einer vertraulichen Geburt - ein positives Resümee: Entscheidet sich die Frau für eine vertrauliche Geburt, organisieren und steuern unsere Beraterinnen das gesamte Verfahren. Sie unterstützen die Schwangere umfassend und fachgerecht. Aufgabe in der psychosozialen Beratung ist es, die Frau aus ihrer Krise zu führen, ihr Halt zu geben und die Zukunft ihres Kindes zu klären, damit sie am Ende einen guten Weg zurück in ihren eigenen Alltag finden kann.

Auch wenn die Beraterinnen im Prozess viele formale Aufgaben übernehmen, liegt der Fokus auf der individuellen Begleitung und emotionalen Unterstützung der schwangeren Frau. Die Fortbildung als Fachkraft für die vertrauliche Geburt ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Grundlagenfortbildung zur Schwangerschaftskonfliktberatung bei donum vitae. Die Frauen haben durch das Gesetz eine Möglichkeit erhalten, zu uns zu kommen - also in dieser Ausnahmesituation überhaupt mit jemandem sprechen zu können und Beratung und Begleitung zu erfahren.

Hinweiskarte als Ersatz für die Krankenkassenkarte

Besonders voraussetzungsvoll in diesem Verfahren ist die Anonymität. Im Laufe der Begleitungen in den ersten Jahren des Verfahrens haben wir festgestellt, dass leicht Probleme entstehen, wenn sich eine Frau, die vertraulich gebären will, im Krankenhaus, bei einer gynäkologischen Praxis oder auch im Kontakt mit dem Rettungsdienst anmelden oder ausweisen muss. Wenn in der Anmeldesituation nachdrücklich nach einer Krankenkassenkarte verlangt wird, sind viele Frauen verunsichert.

Selbstverständlich müssen die medizinischen Fachkräfte klären, dass die Geburt oder die medizinische Behandlung finanziert werden. Vertrauliche Geburten sind selten, und nicht alle Beteiligten sind mit dem Vorgang vertraut. Diese intime Information weiterzugeben, ist für die betroffene Frau belastend. Nicht selten kommt es dann vor, dass die Krankenkassenkarte doch überreicht wird. Um Frauen, die vertraulich gebären wollen, zu entlasten und zu schützen, hat donum vitae bereits im Jahr 2022 eine Karte im Kreditkartenformat entwickelt, die bei der Anmeldung in der Klinik oder an einem anderen Ort anstelle einer Krankenkassenkarte überreicht werden kann. Auf der Karte sind das Pseudonym der schwangeren Frau sowie der Kontakt der begleitenden Beraterin vermerkt. Als weitere Hilfestellung ist die Nummer des Hilfetelefons „Beratung & Geburt vertraulich“ auf der Karte abgedruckt. Kliniken oder Arztpraxen können dort auch die Abrechnungsmodalitäten erfragen.

Finanzierungslücken und Informationsbedarfe

Für die weitere gute Zusammenarbeit im Netzwerk wünschen wir uns mehr Austausch mit den Rettungsdiensten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rettungsdienstes sind noch nicht überall ausreichend über das Verfahren der vertraulichen Geburt informiert. Zusätzlich sind sie angehalten, in die nächste geeignete Klinik zu fahren - das ist dann nicht unbedingt die Klinik, in der die Frau angemeldet ist.

Auch die Finanzierung von Leistungen jenseits der medizinischen Versorgung rund um die Geburt, zum Beispiel die vorübergehende Unterbringung der Frauen außerhalb ihres familiären Umfeldes zu ihrem Schutz oder die Finanzierung von Rückbildungskursen nach der Geburt, ist aktuell nicht geregelt. Hierzu braucht es noch mehr Unterstützung für die betroffenen Frauen, dafür setzen wir uns bei den zuständigen Ministerien und Behörden sowie in der Politik ein.

Irmgard Klaff-Isselmann ist stellvertretende Vorsitzende von donum vitae