sozial-Recht

Oberlandesgericht

Kind muss trotz Kriegszustand aus Deutschland zurück nach Israel



Stuttgart (epd). Ein von einer Mutter von Israel nach Deutschland entführtes Kind muss wieder zum ebenfalls sorgeberechtigten Vater zurückgebracht werden. Wie das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem am 28. Mai bekanntgegebenen Beschluss entschied, ist trotz des in Israel formell bestehenden Kriegszustandes die Rückführung des Kindes nicht mit einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens verbunden.

Gemeinsames Sorgerecht

Damit bekam ein in Israel lebender Vater recht, der die Rückführung seiner nach Deutschland entführten einjährigen Tochter beantragt hatte. Der Vater lebte mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter in Haifa. Sie übten das gemeinsame Sorgerecht für das Kind aus. Doch wegen des zunehmend eskalierenden Nahostkonflikts packte die Mutter heimlich ihre Sachen und flog ohne Einverständnis des Ehemannes am 6. Februar 2024 mit der Tochter nach Deutschland.

Der Vater fand einen Tag später heraus, dass Mutter und Kind sich in Reutlingen aufhalten. Er beantragte bei der Zentralen Behörde in Israel die Rückführung des rechtswidrig nach Deutschland gebrachten Kindes. Er berief sich auf das Haager Kindesentführungsabkommen, das die Rückführung entführter Kinder zu dem anderen Elternteil regelt.

Die Mutter lehnte die Rückführung der Tochter nach Israel ab. Für ein einjähriges Kind sei es in Israel viel zu gefährlich. Es gebe Raketenangriffe, Massaker und Attentate.

Widerrechtlich nach Deutschland gebracht

Das OLG ordnete die Rückführung der Tochter trotz des in Israel bestehenden formellen Kriegszustandes an. Die Mutter habe die Tochter ohne Zustimmung des Vaters widerrechtlich nach Deutschland gebracht. Das Sorgerecht übten aber beide Elternteile aus.

Zwar müsse ein entführtes Kind nicht zurückgeführt werden, wenn die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens bestehe. Voraussetzung hierfür sei aber eine „besonders erhebliche, ganz konkrete und aktuelle Gefahr für das Kind“.

Nach der gegenwärtigen Sicherheitslage bestehe in Israel nur eine abstrakte, aber keine konkrete Gefährdung. So könnten etwa in Tel Aviv oder Haifa Versammlungen und Gottesdienste, Bildungsaktivitäten und Arbeitsstätten ohne Einschränkungen abgehalten beziehungsweise genutzt werden.

Zwar beschieße die Hamas Israel weiter mit Raketen und übe Anschläge aus. Das israelische Abwehrsystem sei aber in der Lage, den überwiegenden Teil der Raketen außerhalb des israelischen Luftraums abzufangen. Damit liege keine konkrete Gefahr für das Kind vor.

Az.: 17 UF 71/24