für viele Familien mit einem Pflegebedürftigen zu Hause wurde die Corona-Pandemie zum Alptraum. Nach einer Studie der Hochschule Osnabrück fühlten sich im Lockdown 78 Prozent der daheim versorgten Pflegebedürftigen schwer belastet. Fast ein Drittel der Pflegebedürftigen verließ im Lockdown die Wohnung nicht, wie aus den Antworten der rund 16.000 Befragten hervorgeht.
Die Pandemie traf diese Familien auch deshalb besonders hart, weil die pflegerische Versorgung in Deutschland auch schon vor Corona defizitär war - und die Bundesregierung die von ihr im Koalitionsvertrag festgelegten Reformpläne nur teilweise umgesetzt hat. Der Personalmangel in der ambulanten Pflege ist nach wie vor gewaltig. Der Sozialverband VdK sieht deshalb die Pflegebedürftigen zu Hause und ihre Angehörigen als „Verlierer“.
Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sollten nicht nur ein gutes Herz haben - sie brauchen auch ein dickes Fell. Kommen die freiwilligen Helferinnen und Helfer zum Einsatzort, werden sie nicht selten angeraunzt, warum sie sich so viel Zeit gelassen haben. „Völlig überzogene Erwartungen“ beobachtet auch die Sozialwissenschaftlerin Doris Rosenkranz. Statt dessen sollten die Menschen darüber nachdenken, was ihr eigener Beitrag zur Hilfe sein könnte, appelliert sie.
Noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl, und Sozial- und Gewerkschaften halten der großen Koalition vor, den Kampf gegen Kinderarmut vernachlässigt zu haben. Noch einmal bekräftigen sie ihre Forderung nach einer Kindergrundsicherung. Sie soll sicherstellen, dass die betroffenen Kinder alle Leistungen ohne bürokratischen Hürden aus einer Hand und in ausreichender Höhe erhalten.
Der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld berechnet sich immer nach dem erhaltenen Nettoarbeitsentgelt der letzten drei Kalendermonate vor der Entbindung. Wenn sich nach der Geburt des ersten Kindes unmittelbar weitere Elternzeiten anschließen und die Mutter zwischenzeitlich ihre Lohnsteuerklasse geändert hat, ist für den Mutterschaftsgeldzuschuss dennoch weiterhin das ursprünglich bezogene Nettoeinkommen maßgeblich. Der Arbeitgeber dürfe den Zuschuss nicht mindern, entschied das Bundesarbeitsgericht.
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Markus Jantzer
Berlin (epd). Edeltraud Geister ringt um Fassung und wischt ihre Tränen fort. Die ehemalige Laborassistentin berichtete am 23. August in Berlin über die Folgen von Corona, ihre Überlastung durch die Pflege ihres Mannes, über ihre Krankheit und den folgenden Klinikaufenthalt. Während die 67-Jährige stationär behandelt wurde, kam ihr verwirrter Mann in eine Reha-Einrichtung. Dort verschlechterte sich sein Zustand weiter. „Er braucht rund um die Uhr Betreuung, das kann ich nicht mehr leisten“, sagt sie. Schwer sei es ihr gefallen, diese Entscheidung zu treffen. „Doch am Ende hatte ich keine Wahl.“ Seit Mai lebt Peter Geister daher nun in einem auf Demenz spezialisierten Heim.
Die Geschichte des Paares ist einer Studie zufolge einer von ungezählten tragischen Fällen, bei denen die Pandemie für Pflegehaushalte zum Alptraum wurde. Demnach fühlten sich im Corona-Lockdown 78 Prozent der daheim versorgten Pflegebedürftigen schwer belastet. Bei ihren Angehörigen waren es 84 Prozent, wie aus der Untersuchung der Hochschule Osnabrück hervorgeht, die vom Auftraggeber VdK jetzt vorgestellt wurde. Fast ein Drittel der Pflegebedürftigen verließ im Lockdown die Wohnung nicht mehr, wie aus den Antworten der rund 16.000 Befragten hervorgeht.
Die meisten Betroffenen fühlten sich vergessen, heißt es in der Studie. Sie litten darunter, dass viele Angebote der Tagespflege oder Demenzcafés entfielen. Auch Werkstätten für Menschen mit Behinderung mussten schließen. 37 Prozent der Pflegehaushalte nahmen nach eigenen Angaben keine Unterstützungsangebote mehr in Anspruch. Das erkläre, warum 70 Prozent der Befragten sich als psychisch schwer belastet bezeichneten, sagte Studienleiter Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück.
VdK-Präsidentin Verena Bentele zog eine bittere Bilanz: „Für die Pflegeheime legte die große Koalition millionenschwere Rettungsschirme auf, für die Pflegekräfte gab es immerhin Applaus und Boni. Nur für die pflegenden Angehörigen zu Hause gab es mal wieder nichts.“ Die Pflegenden und Gepflegten daheim seien die Vergessenen der Pandemie, ihre Belange würden sträflich vernachlässigt. Dabei werden laut Bentele 80 Prozent der mehr als vier Millionen Pflegebedürftigen zu Hause versorgt.
Der VdK kündigt als Konsequenz juristische Schritte an. „Deswegen werden wir jetzt die unter anderem einkassierte Erhöhung des Pflegegeldes einklagen - notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht“, sagte Bentele. Die Erhöhung aller Pflegeleistungen im Umfang von 1,8 Milliarden Euro sei im Koalitionsvertrag angekündigt gewesen, wurde aber auch bei der Pflegereform im Juli nicht umgesetzt. Das Geld wird laut Bentele zweckentfremdet und umgeleitet, um die Eigenanteile in der stationären Pflege zu bezuschussen.
Oberstes Ziel der künftigen Bundesregierung müsse es sein, die häusliche Pflege zu ermöglichen und auch entsprechend zu fördern, sagte die VdK-Präsidentin. Es sei falsch, die Heimpflege auszubauen und finanziell besser auszustatten: „Das ist ein Irrweg. Wir brauchen mehr Unterstützung für den ambulanten Bereich.“
Deshalb warb sie erneut für ein Entlastungsbudget, von dem pflegende Angehörige unterstützende Angebote auswählen und bezahlen könnten: „Das wirre Nebeneinander von Kurzzeit- und Verhinderungspflege muss ein Ende haben.“ Außerdem bräuchten pflegende Angehörige eine Lohnersatzleistung sowie einen gesetzlichen Anspruch, von ihrer Arbeit freigestellt zu werden und anschließend wieder in ihren Job zurückkehren zu können.
Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, sieht die Initiative des VdK zwar positiv, mahnt aber an, ein individueller Rechtsanspruch auf Dynamisierung des Pflegegeldes könne nicht in langjährigen Gerichtsprozessen, sondern nur im Bundestag erstritten werden. „Immerhin werden über 64 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause allein von ihren Angehörigen versorgt. Für diese Menschen hält die aktuelle Pflegereform nichts bereit“, sagt der Patientenschützer.
Auch er warb für ein Pflegezeitgeld als Lohnersatzleistung ähnlich dem Elterngeld. Zudem seien Tagespflege, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege Mangelware. „Hier gilt es, einen Rechtsanspruch wie für Kita-Plätze einzurichten.“
Handlungsbedarf für einer künftige Bundesregierung besteht aber auch weiter in der stationären Pflege, wie eine am 23. August in Hamburg veröffentlichte Studie verdeutlicht. Nach einer DAK-Untersuchung bleiben trotz der jüngsten Pflegereform weiterhin unkalkulierbare Kosten für Pflegebedürftige. Zudem steige der Anteil der Sozialhilfeempfänger in der Pflegeversicherung 2021 Modellrechnungen zufolge auf das Rekordniveau von 35 Prozent, teilte die Krankenkasse unter Verweis auf eine Erhebung des Bremer Pflegeökonomen Heinz Rothgang mit.
An der Zunahme der Sozialhilfeempfänger werde sich auch durch die jüngste Pflegereform mittelfristig nichts ändern. „Auch in Zukunft wird daher ein erheblicher Teil der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen auf Sozialhilfe angewiesen sein. Nach einem Rückgang 2022 ist bereits 2023 mit einem erneuten Anstieg zu rechnen“, so die DAK.
Hersbruck (epd). In der vergangenen Woche haben sie gelb-schwarze Bienen aus Blechdosen gebastelt, mit Augen aus Kronkorken. Zusammen mit Schmetterlingen aus Stoffresten und Wäscheklammern schwirren die Bienen nun als Dekoration von der Decke der Tagespflegestätte der Diakonie in Hersbruck im Landkreis Nürnberger Land. Jeden Wochentag von 9 Uhr bis 15.30 Uhr verbringen hier rund ein Dutzend pflegebedürftige Männer und Frauen gemeinsam mit Pflegerinnen und Beschäftigungsassistentinnen den Tag. Sie singen, basteln, kochen und essen zusammen.
Elisabeth Teichmanns Mann geht bereits seit knapp vier Jahren regelmäßig in die Tagespflege. „Das hat einen ganz hohen Stellenwert in unserem Leben“, erzählt die rüstige Rentnerin. Drei Tage in der Woche ist sie von der anstrengenden Pflege entlastet, an drei Morgen in der Woche strahlt ihr Ehemann, weil er sich auf die Abwechslung in der Einrichtung freut. „Wenn es die Tagespflege nicht gäbe, wäre das der Super-Gau“, sagt seine Frau. Sie ist froh, dass sie einen der begehrten Plätze in Hersbruck haben.
Es gibt eine lange Warteliste. Denn für das Corona-Schutzkonzept sind die Plätze in der Einrichtung von 20 auf 14 heruntergefahren worden, erklärt Pflegedienstleiterin Susanne Deuschle. Zudem müssen die an schwerer Demenz erkrankten Besucher derzeit zu Hause bleiben, weil sie die Abstandsregeln schnell wieder vergessen. Der Fahrdienst, der die Besucherinnen und Besucher zu Hause abholt und in die Einrichtung bringt, darf im Bus nur noch drei Personen transportieren. Das Mittagessen wird in zwei getrennten Räumen eingenommen. Die Hersbrucker Gäste der Tagespflege hätten sich inzwischen daran gewöhnt, dass sie sich die Hände desinfizieren und einen Coronatest machen müssen, erzählt Mitarbeiterin Ute Murner.
„Die Vorgaben sind sinnvoll“, sagt Pflegedienstleiterin Deuschle. Aber sie sind mit Mehraufwand und weniger Einnahmen verbunden. Derzeit gibt es noch Ausgleichsgelder aus dem Pflege-Rettungsschirm der Bundesregierung. Der läuft am 30. September aus. „Aber am 1. Oktober wird sich doch nichts verändert haben“, zuckt Deuschle mit den Schultern. Die Infektionsschutzmaßnahmen würden ja weiterhin gelten. Noch weiß sie nicht, wie lange sie in der Tagespflege noch mit einem finanziellen Minus weitermachen kann.
„Herr Minister, retten Sie die Tagespflege vor dem finanziellen Ruin“ - dieser Hilferuf kam deshalb Ende Juli von der Arbeiterwohlfahrt Bayern (AWO), die selbst 70 Tagespflegeeinrichtungen in Bayern betreibt. Die AWO befürchtet, dass Tagespflegeeinrichtungen schließen müssen, weil sie ins Defizit geraten. Der Wegfall jedes einzelnen Angebots sei „katastrophal“ für die Betreuten und ihre Angehörigen. Keine Lösung seien „exorbitante Preissteigerungen“, die Gäste und ihre Angehörigen stark belasten würden. Bei Teichmanns fallen zur Zeit monatlich 250 Euro für drei Tage in der Einrichtung an. Aber auch die Zuzahlungen bei Hygieneeinlagen, Badenwannenlift, dem Rollstuhl oder der Einbau eines Treppenlifters schlagen bei dem Ehepaar zu Buche.
Rund 11.000 Tagespflegeplätze in etwa 500 Einrichtungen gab es laut der Pflegestatistik vor der Pandemie in Bayern. Die Tagesstätten waren während der ersten Lockdowns zunächst ganz geschlossen. „Das war eine sehr schwere Zeit“, erinnert sich Elisabeth Teichmann.
Wenn der Rettungsschirm nicht mehr aufgespannt ist, müssten auch wieder die Normalbelegungen erlaubt sein, fordert die AWO. Zumal alle Gäste und die meisten Beschäftigten ebenfalls vollständig geimpft oder genesen seien.
Existenzielle Sorgen gebe es auch bei Tagespflegeeinrichtungen der Diakonie Bayern, bestätigt der Sprecher der Landesdiakonie, Daniel Wagner. Die Diakonie will aber nicht so weit gehen, wieder den Normalbetrieb zu verlangen. Keiner möchte riskieren, dass trotz aller Vorsicht wieder mehrere Infektionen in einer Einrichtung vorkommen. Man könne sich aber vorstellen, „dass ein spezieller Infektionsschutz für die Tagespflegen definiert wird“, sagt Wagner.
Nun teilt eine Sprecherin des Gesundheits- und Pflegeministeriums auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mit, dass Tagespflegeeinrichtungen auch über den 30. September hinaus eine Ausgleichszahlung erhalten können, „wenn diese coronabedingte Mindereinnahmen im Investitionskostenbereich nachweisen können“. Das helfe ein Stückchen„, sagt Deuschle, “deckt aber nur einen kleinen Teil ab." Wie sie alle Mindereinnahmen ab dem 1. Oktober abfedern oder Mehrausgaben stemmen soll für mehr Personal bei einer Vollbelegung mit Abstandsregeln, weiß sie damit aber noch nicht.
Den betroffenen Angehörigen helfe eine solche Ankündigung „nur bedingt“, gibt die Bereichsleiterin der Dienste für Senioren vom Sozialkonzern „Diakoneo“, Manuela Füller, zu bedenken. Weil wegen der Abstandsregelung weniger Tagespflegegäste aufgenommen werden können, müssen weiterhin mehr Pflegebedürftige als vorher zuhause versorgt werden.
Berlin (epd). Erschöpfte Pflegekräfte, isolierte Heimbewohner, verzweifelte Angehörige - die Corona-Pandemie hat die Nöte in der Altenpflege grell ausgeleuchtet. Neu sind sie nicht. Die große Koalition hatte beim Regierungsantritt im März 2018 viel versprochen: ein Sofortprogramm Pflege, mehr Stellen, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne für das Personal, Entlastung und weniger Papierkram für pflegende Angehörige.
Union und SPD haben aber nur einen Teil ihrer Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Sozialminister Huberts Heil (SPD) räumt das im Juni dieses Jahres auch ein, nachdem auf den letzten Drücker eine abgespeckte Reform im Bundestag verabschiedet worden ist. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont hingegen, zwei wichtige Punkte seien erfüllt: Pflegekräfte würden künftig nach Tarif bezahlt und Heimbewohner finanziell entlastet.
Der Opposition reicht das nicht, ebenso wenig wie den Sozial- und Fachverbänden. Am wenigsten habe die Politik für die rund drei Millionen pflegebedürftigen Menschen getan, die zu Hause versorgt werden, zwei Millionen allein durch ihre Angehörigen. Die turnusgemäß eigentlich fällige Erhöhung ihrer Pflegeleistungen sei ausgeblieben, kritisiert der Sozialverband VdK. Mit dem vorenthaltenden Geld würden die Verbesserungen im stationären Bereich finanziert.
Und der Druck in der ambulanten Pflege steigt weiter, warnt der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus. Denn nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts über Mindestlöhne für 24-Stunden-Kräfte werden nicht nur die prekären Arbeitsbedingungen der meist osteuropäischen Helferinnen erneut zum Thema. Es steht auch die Rundum-Betreuung zu Hause auf der Kippe, wenn die Familien sie nicht mehr bezahlen können.
Dabei sah es beim Regierungsstart für die Pflege relativ gut aus. Die Koalition beschloss 13.000 zusätzliche Stellen für die Altenpflege, 5.000 mehr als angekündigt. Die „Konzertierte Aktion Pflege“, die Spahn gemeinsam mit Heil und der damaligen Familienministerin Franziska Giffey (SPD) im Sommer 2018 ins Leben rief, sollte helfen, Vertrauen zurückzugewinnen. Alle Akteure wurden an einen Tisch geholt, um Verbesserungen bei Ausbildung, Personalstärke, Bezahlung, Tarifbindung und Digitalisierung voranzubringen. Im November 2020 ziehen die Koalitionäre eine gemischte Bilanz. Spahn räumt ein, dass die Corona-Pandemie die schwierige Lage in der Pflege noch verschärft habe.
Von den 13.000 neuen Stellen beispielsweise sind zweieinhalb Jahre später immer noch nur 3.600 besetzt. Die Finanzierungszusage der Politik für mehr Personal kann nichts daran ändern, dass Zehntausende Fachkräfte fehlen. Ein Job in der Pflege hatte lange keinen guten Ruf. Die Branche stand für Dumpinglöhne, Arbeitshetze und Qualitätsmängel. Erst in der Corona-Pandemie sind Pflegekräfte zu Heldinnen des Alltags aufgestiegen. Doch nach dem Klatschen „kommt die Klatsche“, wie es der ver.di-Bundesvorstand formuliert: Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag für die Altenpflege scheitert im Februar 2021 am Veto der Caritas-Arbeitgeber.
Danach läuft der Koalition die Zeit weg. Für eine Reform, die Finanzierung und Qualität der Altenpflege auf Jahre sichert, reicht sie nicht mehr. Union und SPD hantieren im Bundestag mit Änderungsanträgen, um im Eiltempo die gescheiterte Tarifbindung für Pflegekräfte gesetzlich zu verankern und eine finanzielle Entlastung von Heimbewohnerinnen und -bewohnern zu beschließen. Außerdem wird der Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung erhöht, die ins Defizit zu rutschen droht. Die nächste Bundesregierung wird erneut vor der Reform-Frage stehen. Die Nöte in der Altenpflege sind nicht kleiner geworden.
Berlin (epd). Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hat den von der Bundesregierung veröffentlichten 2. Bericht zur Konzertierten Aktion Pflege als „unverhältnismäßige Beschönigung der Situation in der Pflege“ bezeichnet. Der Bericht suggeriere, in der beruflichen Pflege sei sehr viel erreicht worden, was aber nicht stimme, erklärte der Verband in einer Mitteilung vom 23. August. „Es fehlte nicht an Einsicht, sondern es mangelte am politischen Willen zur Durchsetzung von Veränderungen“, sagte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe in monatelangem Diskurs der Auftrag zur Entwicklung eines Personalbemessungsverfahrens für die Krankenhäuser abgerungen werden müssen. Die dringend erforderliche finanzielle Soforthilfe als Folge des neuen Bemessungsinstruments PPR 2.0 habe er verweigert. „Der Stellenzuwachs über die Pflegestellenförderprogramme ist erstmal weitgehend theoretisch“, stellte Bienstein fest. Denn der Stellenmarkt sei leergefegt.
Die Gehälter würden sich zwar vermutlich verbessern. „Der Durchbruch für eine wirklich angemessene Bezahlung der Pflegenden in allen Sektoren in ganz Deutschland steht aber in weiter Ferne.“
Ganz anders die Sicht der Bundesregierung. „Gute Pflege braucht Zeit und verdient gute Bezahlung. Dafür haben wir in dieser Legislaturperiode gesorgt. Die Weichen dafür wurden mit der Konzertierten Aktion gestellt“, erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am 20. August in Berlin.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte, dass es ab September bundesweit einheitliche Mindestlöhne in der Pflege geben werde. Zudem werde ab September 2022 die Zulassung einer Pflegeeinrichtung davon abhängig sein, dass sie ihre Pflege- und Betreuungskräfte mindestens in Höhe eines Pflegetarifvertrags bezahlt. „Davon profitieren rund eine halbe Million hart arbeitende Männer und Frauen in der Altenpflege“, so Heil.
Würzburg/Nürnberg (epd). Es war bei einem Einsatz anlässlich des Gedenkgottesdienstes für die Opfer des Würzburger Amoklaufs vom Juni dieses Jahres. An mehreren Ständen hielten die Helfer Wasser für die Teilnehmer der Andacht bereit. „Da kamen Passanten und raunzten unsere Ehrenamtlichen an, von wegen, wir wären beim Attentat nicht schnell genug da gewesen“, erzählt Michael Kiesel. Seit über 25 Jahren ist der 44-Jährige schon bei den Maltesern engagiert. Früher seien die „weißen Kräfte“ prinzipiell als „die Guten“ angesehen worden, sagt er. Heute kühlt man an ihnen gern mal sein Mütchen: „Das ist manchmal wirklich bizarr.“
Wer sich nach Feierabend ehrenamtlich einsetzt, erwartet auch etwas Dankbarkeit. Doch daran mangelt es immer öfter, konstatieren die Würzburger Malteser. Hilfe wird nicht nur selbstverständlich angenommen. Sie wird mitunter sogar direkt eingefordert. Als hätte man einen Anspruch darauf. Michael Kiesel erinnert sich an einen stark betrunkenen Mann, den die Malteser in die Klinik brachten. Dort jedoch sah man keinen Behandlungsbedarf. Der Mann wurde entlassen: „Daraufhin erwartete er, dass wir ihn nach Hause fahren.“
Warum der Trend in diese Richtung geht? Auch die Sozialwissenschaftlerin Doris Rosenkranz von der Technischen Hochschule Nürnberg, die seit vielen Jahren zum Ehrenamt forscht, hat darauf keine eindeutige Antwort. Sie vermutet „Unkenntnis“ als Hauptursache für die teilweise völlig überzogenen Erwartungen an ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. „Man denkt, wer hilft, tut dies bestimmt beruflich und wird bezahlt“, so die Professorin. Rosenkranz appelliert an die Bürger, danke zu sagen: „Und dabei auch zu überlegen, was denn der eigene Beitrag sein könnte.“
Dabei hat die Wissenschaftlerin vor allem die ehrenamtliche Feuerwehr im Blick. Während die einen nachts im warmen Bett liegenbleiben können, rücken die anderen bei Alarm aus, auch wenn es draußen höchst unwirtlich ist.
„Dass Feuerwehrleute zu 98 Prozent freiwillig im Dienst sind, wissen viele Bürger nicht“, bestätigt Johann Eitzenberger, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbands Bayern. Die Ehrenamtlichen helfen etwa bei Überschwemmungen und pumpen Keller leer. Allerdings nicht restlos: „Die letzten zwei Zentimeter Wasser muss man schon selbst mit dem Putzlappen aufwischen.“
Irgendwer wird eine unangenehme Sache schon für einen regeln: Diese Haltung ist laut Eitzenberger in der Bevölkerung inzwischen weit verbreitet. Die Erwartungshaltung an Helfer wie jene der Feuerwehr sei „Full-Service-orientiert“. Dahinter stecke weniger böser Wille als „Unbeholfenheit“. Nicht jeder Bürger könne zum Beispiel nachvollziehen, dass die Feuerwehr zwar kommt, wenn bei einem starken Sturm Gefahr droht, dass ein Baum entwurzelt wird: „Fällt der Baum, werden wir ihn jedoch nicht beseitigen.“ Das verursacht immer öfter Unmut, dem zum Teil auch Luft gemacht wird: „Der Umgangston gegenüber der Feuerwehr wird rauer.“
Zugleich würden Menschen, die bei Gefahr selbst ohne Zaudern zupacken, immer rarer. „Bürgerinnen und Bürger wissen nicht mehr, wie sie mit ungewöhnlichen Situationen umgehen sollen, das ist eine Erscheinung unserer Zeit“, konstatiert Eitzenberger. Auch daran liege es, dass sich die Erwartung an freiwillig Engagierte in den letzten Jahren deutlich gesteigert habe. Es gebe zum Glück auch Ausnahmen: „Beim Hochwasser 2013 in Passau zum Beispiel haben viele Studenten spontan mitgeholfen.“
Für sie sei ihr Ehrenamt eine Quelle der Freude, bekennt Simone Hereth, die sich seit 2017 bei den Maltesern in Nürnberg einbringt: „Anderen Menschen zu helfen, das macht mir einfach Spaß.“ Die 26-Jährige engagiert sich unter anderem als First Responderin. Das bedeutet, dass sie, wenn zum Beispiel der Notarzt gerade bei einem anderen Einsatz ist, als Sanitäterin vor Ort geht, um bis zum Eintreffen des Notarztes zu helfen. Sehr oft, berichtet die junge Frau, müsse sie sich bei diesen Einsätzen ärgern: „Wir machen, was wir machen können und machen dürfen, doch die Menschen erwarten, dass wir mehr tun.“ Inzwischen habe sie sich daran gewöhnt, dass es bei Einsätzen mitunter zu unwirschen Reaktionen kommt, sagt Hereth: „Ich versuche, das einfach runterzuschlucken.“
Lüneburg (epd). Beate Albers war noch keine 60 Jahre alt, da machte ihr Arbeitgeber ihr ein Angebot: Wenn sie sich zukünftig ehrenamtlich engagiert, anstatt zum Dienst zu kommen, kann sie schon jetzt in den Ruhestand gehen. Albers überlegte nicht lange. Anderthalb Jahre ist ihr erster Tag als Ehrenamtliche im diakonischen Paul-Gerhardt-Haus in Lüneburg nun her, ihr Soll hat sie mittlerweile erfüllt. Doch für die Beamtin in Pension ist das kein Grund, ihre neue Aufgabe nun niederzulegen.
„Engagierter Ruhestand“ heißt das Programm, das Beate Albers den Ruhestand mit 58 möglich machte. Es gilt für Beamtinnen und Beamte aus den Nachfolgeunternehmen der einstigen Deutschen Bundespost. Wer sein 55. Lebensjahr beendet hat, kann in Pension gehen. Voraussetzung: 1.000 Stunden Ehrenamt oder ein Jahr Bundesfreiwilligendienst, die Pflege von Angehörigen oder Betreuung von Kindern.D # „Irgendetwas mit Kindern“
Beate Albers wollte irgendetwas mit Kindern machen, lernte bei einem Infotag für Ehrenamtliche das Paul-Gerhardt-Haus kennen. „Ich fühlte mich sofort wohl“, erinnert sich die Beamtin. Und nach einem Schnuppertag stand für alle Seiten fest: Das passt. Albers unterstützte das Team fortan bei allem, was das Paul-Gerhardt-Haus bietet: von der Hausaufgabenhilfe bis zum Mittagessen mit Kindern der „Kindertafel“ über Gespräche mit Migranten, vom Hochbeet-Bauen übers offene Frühstück bis hin zum neuen wöchentlichen Café für den ganzen Stadtteil, zu dem regelmäßig an die 50 Menschen von jung bis alt kommen.
Dass die Verwaltungswirtin nicht wie für Ehrenamtliche üblich jede Woche ein paar Stunden kommt, sondern mehrere Tage: Das war für die Kirchengemeinde „ein Riesenglück und großes Geschenk“, sagt Diakonin Antje Stoffregen. Doch auch Beate Albers selbst hat ihre 1.000 Pflichtstunden Ehrenamt so gern abgeleistet, dass sie gar nicht auf die Idee kommt, ihr Engagement nun zu beenden. „Natürlich mache ich weiter“, sagt sie strahlend. „Die Arbeit hier bereichert mich, ich fühle mich super aufgehoben. Es macht Spaß und Freude, auch für mich ist mein Ehrenamt ein Geschenk.“
Für die Darmstädter Professorin Gisela Jakob bedeutet ein solches Engagement, besonders im Alter, eine Sinnstiftung für das Leben. „Die Menschen erleben, dass sie etwas bewirken können. Sie tun etwas Gutes und leisten gesellschaftlich wichtige Beiträge. Gleichzeitig ist das Engagement nicht selbstlos, denn es hat immer auch eine Bedeutung für die Engagierten selbst.“
Wie zufriedenstellend ein Ehrenamt oder anderes Engagement sein kann, hänge dabei stark von den politischen und strukturellen Rahmenbedingungen ab, sagt Jakob, die seit Jahren zu bürgerschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten forscht. „Es geht darum, wie selbstwirksam jemand arbeiten kann. Es geht auch darum, wie gut die Koordination und Begleitung durch die Organisation läuft und ob es eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung gibt.“ Eben dafür gelte es, Sorge zu tragen.
Und so ist Beate Albers ein Vorbild dafür, was der Philosoph und Autor Richard David Precht fordert: ein verpflichtendes soziales Engagement für junge Leute nach der Schule und für Ältere im Ruhestand.
Lüneburg (epd). Das Programm „Engagierter Ruhestand“ der Post-Nachfolgeunternehmen lässt neben 1.000 Stunden Ehrenamt auch die Teilnahme an einem Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) zu. Der Dienst wird meist mit jungen Menschen nach dem Schulabschluss assoziiert. Aber es richtet sich an Menschen jeden Alters und ist für alle, die älter als 27 Jahre sind, auch in Teilzeit möglich. Zurzeit sind bundesweit 1.500 Frauen und 1.751 Männer zwischen 51 und 65 Jahren sowie 301 Frauen und 333 Männer über 65 Jahren als Bufdi aktiv.
Am Programm „Engagierter Ruhestand“ nahmen bei der Deutschen Post AG im vergangenen Jahr knapp 400 Beamtinnen und Beamte teil, bei der Telekom Deutschland GmbH waren es knapp 2.000. Auch bei der Postbank ist der „Engagierte Ruhestand“ möglich. Über die Zahlen führt die Bundesanstalt für Post- und Telekommunikation aber keine Statistik.
Gütersloh, Berlin (epd). Trotz eines massiven Ausbaus bei den Kitas gibt es laut einer Studie nach wie vor große Defizite. In den westlichen Bundesländern stehen weiterhin zu wenige Plätze für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung, wie aus einer am 24. August von der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh vorgestellten Untersuchung hervorgeht. Im Osten betreut demnach eine Fachkraft zu viele Kinder.
Um dieses „doppelte Ost-West-Gefälle“ bei Betreuungsplätzen und Personalschlüsseln binnen zehn Jahren weitgehend aufzulösen, würden insbesondere mehr Erzieherinnen und Erzieher benötigt, hieß es. Kommunen und Sozialverbände mahnten eine dauerhafte Förderung der Kinderbetreuung durch den Bund an.
In den ostdeutschen Bundesländern besuchen dem aktuellen „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ zufolge 53 Prozent der unter Dreijährigen eine Kita oder Kindertagespflege. Im Westen sind es lediglich 31 Prozent.
Hingegen bieten die westdeutschen Einrichtungen mit einem Personalschlüssel von einer vollzeitbeschäftigten Kita-Fachkraft zu 3,5 ganztagsbetreuten Krippenkindern laut Studie eine höhere Qualität. In den neuen Bundesländern beträgt das Verhältnis demnach 1 zu 5,5. Kindgerecht wäre nach wissenschaftlichen Empfehlungen ein Personalschlüssel von 1 zu 3, erläuterte die Bertelsmann Stiftung. Diese Personalausstattung und zugleich ausreichend Plätze in allen Kitas seien in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu realisieren. Dafür fehlten bis 2030 mehr als 230.000 Fachkräfte.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund mahnte, dringende Aufgabe der neuen Bundesregierung müsse es sein, „einen Weg zu ebnen, wie die Personalausstattung verbessert und dauerhaft mitfinanziert werden kann“. Der Bund müsse den Qualitätsausbau über das Jahr 2022 hinaus weiter mitfinanzieren. Sonst bremse er das Engagement der Städte für bessere Kindertagesbetreuung aus.
Auch das Deutsche Kinderhilfswerk forderte von Bund, Ländern und Kommunen größere Kraftanstrengungen zur Verbesserung der Kita-Qualität in Deutschland. „Gute Kitaangebote zu schaffen und zu erhalten ist eine Daueraufgabe, die Länder und Kommunen nicht allein stemmen können“, erklärte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann in Berlin. Nötig seien dazu mehr finanzielle Mittel als auch bundeseinheitliche Mindeststandards in der Qualität. Der Flickenteppich bei Qualitätsmerkmalen wie der Personalausstattung und den Gruppengrößen müsse beendet werden.
„Wir brauchen flächendeckend geltende Mindeststandards für eine verbesserte Fachkraft-Kind-Relation“, mahnte auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW. Der Erzieherinnen- und Erzieherberuf müsse gesellschaftlich deutlich aufgewertet und besser bezahlt werden, sagte Vorstandsmitglied Doreen Siebernik in Frankfurt am Main. Der Bund müsse Länder und Kommunen unterstützen, um eine Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung langfristig sicherzustellen. Die Qualitätsverbesserungen sollten aus einem Sondervermögen dauerhaft finanziert werden.
Der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger, erklärte, von zentraler Bedeutung sei es, dass sich der Bund beim Qualitätsausbau der Kitas weiter finanziell engagiere. Die Zahlungen an die Länder auf Grundlage des „Gute-Kita-Gesetzes“ müssten über 2022 hinaus weiter fließen. Sie sollten in erster Linie verwendet werden, um neue Fachkräfte zu gewinnen und zu qualifizieren sowie Personal- und Leitungsausstattungen der Kitas zu verbessern.
Grundlage des jährlich aktualisierten Ländermonitorings sind den Angaben zufolge Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik und weiteren amtlichen Statistiken. Sie wurden mit Stand 1. März 2020 erhoben.
Düsseldorf (epd). Die Corona-Krise hat in den deutschen Kindertagesstätten einer aktuellen Umfrage zufolge den Personalmangel deutlich verschärft. Bei rund jeder fünften der befragten 4.500 Kita-Leitungen nahm demnach die Arbeitszeit seit Beginn der Pandemie um mehr als die Hälfte zu, wie aus einer am 24. August auf dem Deutschen Kitaleitungskongress (DKLK) in Düsseldorf vorgestellten repräsentativen Umfrage hervorgeht.
Knapp 40 Prozent der Kitaleitungen gaben an, dass wegen fehlender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inzwischen für ein Fünftel der Betreuungszeit die Aufsichtspflicht kaum mehr nach den gesetzlichen Grundlagen gewährleistet sei. Neben zu wenig Personal beklagen die Kitas insbesondere auch Defizite in der digitalen Ausstattung.
Die Gewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) kritisierte mangelnden Rückhalt in der Politik. Erwartungen, die die Politik vor allem mit dem Gute-Kita-Gesetz geschürt habe, seien vielfach nicht erfüllt worden, rügte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Die Gelder aus dem Gesetz seien in vielen Bundesländern statt in die Verbesserung der Kita-Qualität in die Senkung oder Abschaffung der Elternbeiträge investiert worden. Das Gesetz sei damit ein „Etikettenschwindel“ und eine „klare politische Fehlentscheidung“.
München, Berlin (epd). Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, appelliert an die Bundesregierung, deutlich mehr Zuwanderer ins Land zu holen. Durch die demografische Entwicklung nehme die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte im typischen Berufsalter bereits in diesem Jahr um fast 150.000 ab, sagte Scheele der „Süddeutschen Zeitung“. In den kommenden Jahren werde es noch „viel dramatischer“. Die Diakonie unterstützt die vermehrte Zuwanderung, mahnte aber am 24. August in Berlin eine besser organisierte Integration der Neubürger an.
Deutschland könne das Problem nur lösen, indem es etwa Ungelernte qualifiziere, Arbeitnehmerinnen mit unfreiwilliger Teilzeit länger arbeiten lasse - und vor allem, indem es Zuwanderer ins Land hole, sagt Scheele. „Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren.“ Er warnte, dass in allen Branchen Arbeitskräfte fehlen werden. „Man kann sich hinstellen und sagen: Wir möchten keine Ausländer. Aber das funktioniert nicht.“
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, die Bemühungen zur Integration von Migranten müssten verstärkt werden. Das sei kein Selbstläufer. Es „braucht politischen Willen und Investitionen in differenzierte Deutschkurse, Migrationsberatung und Förderprogramme zur Erwerbsintegration“. Von den Menschen, die nach 2015 nach Deutschland gekommen sind, haben laut Lilie mittlerweile die Hälfte eine Arbeitsstelle. Das sei ein großer Erfolg und unbedingt ausbaufähig.
„Wenn sich Flüchtlinge aus Afghanistan oder anderen Ländern auf den Weg machen, sollte Deutschland seinen Beitrag leisten, um sie aufzunehmen und ihnen den Weg in die Berufstätigkeit erleichtern“, sagte der Diakoniechef: „Das erwarten wir auch von der Politik und der neuen Bundesregierung.“
Nürnberg (epd). Die Corona-Pandemie hat vor allem Berufe mit einfachen Tätigkeiten getroffen. Denn in den „Helferberufen“ sei im Frühjahr 2020 mit dem ersten Lockdown ein starker Einbruch zu verzeichnen gewesen, wie eine am 24. August veröffentlichte Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit ergab.
Der Rückgang der Helferjobs sei ab März 2020 vor allem in den Bereichen Gastronomie und Beherbergung durch den Lockdown besonders ausgeprägt, sagte die IAB-Forscherin Barbara Schwengler. Auch die Zeitarbeitsbranche sei von der Corona-Krise besonders stark getroffen worden. Allerdings habe sich die Beschäftigung in den Helferberufen im Zuge der Lockerungen der Pandemie-Einschränkungen bereits ab dem Juni 2020 wieder erholt.
Berlin (epd). Eine Allianz aus 22 Sozialverbänden und Gewerkschaften fordert die Einführung einer Kindergrundsicherung. In der nächsten Wahlperiode müssten alle Parteien dem Kampf gegen Kinderarmut höchste Priorität einräumen, heißt es in einem am 23. August veröffentlichten Appell. Zugleich verweisen die Unterzeichner, darunter DGB, VdK, Diakonie und die Arbeiterwohlfahrt, auf eine neue Forsa-Umfrage in ihrem Auftrag. Demnach halten es 94 Prozent der Bevölkerung für wichtig, Kinderarmut schnell zu beseitigen.
„Die Kindergrundsicherung gehört in den nächsten Koalitionsvertrag und muss als prioritäres Vorhaben in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden“, heißt es in der Erklärung des Bündnisses. „Die vielen familienbezogenen Leistungen erreichen ihr Ziel, Armut von Kindern zu vermeiden, nicht.“ Auch die Anpassungen einzelner Zahlungen an Familien hätten in der zu Ende gehenden Legislaturperiode keinen grundlegenden Durchbruch gebracht. Aktuell leben den Angaben nach 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche von staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung, davon 1,6 Millionen, obwohl ihre Eltern erwerbstätig sind.
„Wir fordern gleiche Chancen für alle Kinder“, betonte der Sozialverband Deutschland (SoVD). Eine Kindergrundsicherung wäre ein erster wichtiger Schritt, denn die bestehenden Leistungen kämen bei den Kindern oftmals nicht an.
Für den VdK sagte Präsidentin Verena Bentele: „Das bestehende System der Familienförderung ist viel zu bürokratisch und gleicht einem Behörden-Dschungel.“ Außerdem bevorzuge es Gutverdienende und berücksichtige die Bedürfnisse von Familien mit Kindern mit Behinderungen zu wenig. „Die Kindergrundsicherung ist einfach und unbürokratisch“, erläuterte Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Alle Kinder bekommen den gleichen Mindestbetrag. Kinder, die in Armut leben, erhalten unmittelbar dazu, was sie für eine umfassende soziale Teilhabe brauchen.“
Die Idee einer Kindergrundsicherung finde auch in der Bevölkerung große Zustimmung, hieß es. 76 Prozent der Wahlberechtigten seien dafür, eine solche Leistung einzuführen. Selbst unter den Anhängern von CDU/CSU und FDP, die keine Kindergrundsicherung im Wahlprogramm haben, spreche sich jeweils eine deutliche Mehrheit von ebenfalls 76 Prozent beziehungsweise 67 Prozent für eine Kindergrundsicherung aus.
Von den Befragten, die selbst Kinder haben und die die Kosten gut einschätzen können, halte eine deutliche Mehrheit (56 Prozent) den monatlichen Hartz-IV- Betrag von 309 Euro für ein zehnjähriges Kind für zu niedrig. Nur sehr wenige Befragte mit Kindern sind den Angaben zufolge der Ansicht, dass der Betrag zu hoch sei (vier Prozent). 37 Prozent bewerten die Höhe der Zahlung als angemessen. Das Forschungsinstitut Forsa befragte den Angaben nach 1.018 Wahlberechtigte.
Bielefeld/Freistatt (epd). Eine siebenköpfige Gruppe, eine Frau und sechs Männer, umkreist Lucy. Die steht aufrecht, ihre wasserblauen Augen nach vorn gerichtet. „Schande, es ist eine Schande“, klagt die 21-Jährige. „Was man für Wohnungslose macht, wie man sie auslacht, zu viele Vorurteile ziehen eine lange Meile.“ Kurz spickt sie auf den Zettel in ihrer Hand, bevor sie fortfährt. „Wir sollten etwas ändern, weg mit den Außenrändern!“, ruft Lucy mit ausgestrecktem Zeigefinger.
Es ist eines der wenigen persönlichen Teamtreffen des Projekts „Power to the people“, das die Corona-Pandemie zulässt: Wohnungslose und einst Wohnungslose spielen Straßentheater. Die drei Frauen und 14 Männer der Gruppe kommen aus Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen. Einige waren wohnungslos, haben aber mittlerweile eine eigene Wohnung, einige leben in einer Wohngruppe, zwei auf der Straße. Zusammen wollen sie ein festes Ensemble werden.
„Wir wollen auf die Bühne bringen, was Wohnungslose bewegt, damit die Leute mit dem Thema in Berührung kommen und ihnen klar wird, es kann jeden treffen“, sagt der 79-jährige Werner Franke aus Berlin, der schon Straßentheater-Erfahrung mitbringt. Initiator des Projekts ist der Verein „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen“, Kooperationspartner die Theaterwerkstatt Bethel in Bielefeld, eine Einrichtung der evangelischen v. Bodelschwinghschen Stiftungen.
Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) sind rund 678.000 Menschen in Deutschland ohne feste Bleibe, im Durchschnitt sind sie zwischen 30 und 39 Jahre alt. „Power to the people“-Koordinator Dirk Dymarski will den Blick verstärkt auf die verdeckte Obdachlosigkeit lenken: „Das sind die, die in der Einkaufszone nicht auffallen, nach außen gepflegt, aber sie wissen oft nicht, wo sie nachts schlafen können“, erzählt er aus eigener Erfahrung.
Wie er so dasteht, in seinen hellen Jeans, dem modischen Trikot-Shirt und seinem verschmitzten Lächeln glaubt man kaum, dass er 16 Jahre wohnungslos war, vier Jahre verbrachte er „auf Platte“. Heute lebt der 45-Jährige in einer Wohngruppe des Betheler Stiftungsbereichs Nord im niedersächsischen Freistatt, wo die „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen“ ihren Sitz hat. An der Theaterarbeit schätzt Dymarski das Gruppengefühl: „Da kann ich die Emotionen rauslassen, die seit langem in mir schlummern.“
Drei Jahre hat er mit daran gearbeitet, das Projekt möglich zu machen. Das veranschlagte Budget von 25.000 Euro pro Jahr wird zum Großteil vom Fonds Sozialkultur in Bonn finanziert. „Als sich eine Deckungslücke von 5.000 Euro auftat, hat das Team bei Maria Loheide vom Vorstand der Diakonie Deutschland angerufen, die war sofort bereit zu helfen“, erzählt Dymarski.
Seit dem Frühjahr hat die Bielefelder Theaterpädagogin Pia Ringhoff an vier Workshop-Terminen - drei davon online - mit dem Team verschiedene Szenen entwickelt. „Das Konzept sieht vor, sie zu einer Collage aus Performances, wiederkehrenden Themen und Musik zu verweben“, erläutert sie. Die Szenen handeln etwa davon, psychisch krank zu werden und alles zu verlieren, von Gesprächen mit Mitarbeitenden auf Ämtern, die vom Schicksal anderer scheinbar unberührt bleiben, oder von Gewalt auf der Straße.
Auch Mut machende Szenen sind dabei: Einer jungen Wohnungslosen wird erstmals Vertrauen entgegengebracht und sie erhält die Chance auf ein WG-Zimmer. Letztlich gehe es um Respekt, sagt Darstellerin Bianca: „Wir haben genauso Träume und Wünsche wie alle anderen Leute.“
Die Straße sei eine gute Schule, um sich Gehör zu verschaffen, meint der Sozialpädagoge Joachim Wondrak. „Man muss klar und deutlich sein, sonst laufen die Leute einfach weiter.“ Der Wissenschaftler von der Hochschule Fulda hat mit seiner Dissertation „Aspekte der Theaterarbeit mit unfreiwilligen Subkulturen“ ein Standardwerk zum Thema verfasst.
Mit „Kultur am Rande“ sei 1988 eines der ersten Theaterprojekte mit Wohnungslosen in Esslingen bei Stuttgart entstanden, mit „Unter Druck“ und „Ratten 07“ in Berlin folgten Anfang der 90er weitere. Alle drei bestehen bis heute, organisieren sich als Verein oder Genossenschaft selbst und sind laut Wondrak eine feste Größe im Kulturbereich ihrer Städte geworden.
Mit ihren biographisch gefärbten Stücken wollten die wohnungslosen Laiendarsteller mit dem negativen Bild von Obdachlosen in den Medien und der Gesellschaft aufräumen, erklärt der Forscher. Entscheidend sei: „Die Aufführungen müssen einen eigenen ästhetischen Wert haben, sonst droht Gefahr, dass die Gruppe ausgestellt wird.“ Die Ensemblemitglieder nähmen dabei auch eine Menge mit: „Der Zugang zu den eigenen Gefühlen führt zu Selbstreflexion und -vertrauen, sie erfahren Bestätigung durch das Publikum, haben Aufgaben und Verpflichtungen, sind einfach am Start.“
„Power to the people“ sei etwas Besonderes, sagt er, „weil erstmals Menschen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands zusammenkommen“. Theatermacherin Ringhoff lobt die Experimentierfreude ihrer Darstellerinnen und Darsteller. „Die haben alle Bock, sich zu zeigen, zu bewegen und zu tanzen.“
Einen ersten spontanen Auftritt hatte die Gruppe auf einem Klimafestival Mitte Juli in Hannover. Am 11. September, dem „Tag der Wohnungslosen“, erwartet sie ein größeres Publikum in Leipzig: Auf Einladung der örtlichen Diakonie und der AG „Recht auf Wohnen“ spielen sie in den Straßen der sächsischen Stadt. „Es wird einen Blumenstrauß an Emotionen geben“, verspricht Ringhoff.
Hildesheim (epd). Das Führungsduo der Diakonie Himmelsthür, Ines Trzaska und Florian Moitje, sehen die betrieblichen Mehrkosten aufgrund der Corona-Pandemie, wie etwa für Schutzkleidung, noch nicht vollständig finanziert. Bisher sei nicht geklärt, ob die Auslagen wirklich komplett erstattet werden. Außerdem müsse der Ausbau der digitalen Technik besser finanziert werden, fordern sie.
epd sozial: Durch die Corona-Pandemie kamen auch viele Angebote der Sozialträger zum Erliegen oder wurden stark eingeschränkt. Hat das Virus Ihre Arbeit auch für die Zukunft grundlegend verändert?
Ines Trzaska: Die Pandemie hat zunächst zwei große Stärken der Diakonie Himmelsthür auf besondere Weise gezeigt: Zum einen konnten durch die gegenseitige Unterstützung im Unternehmensverbund viele Herausforderungen schnell bewältigt werden. Zum anderen sind wir sehr dankbar für die Umsicht unserer Kolleginnen und Kollegen. Ihr Einsatz hat dazu geführt, dass es in den Einrichtungen nur punktuell zu Corona-Infektionen kam.
Florian Moitje: Darüber hinaus hat die Pandemie auch Entwicklungen für die Zukunft angestoßen: Insbesondere die Einführung und Etablierung digitaler Arbeitsformen wurde jetzt massiv beschleunigt. Als Flächenunternehmen profitieren wir spürbar von Video-Konferenzen und Co-Working-Plattformen. Fahrtzeiten und -kosten werden so deutlich reduziert und agilere Arbeitsformen eingeübt. Daran werden wir festhalten.
epd: Klienten können wieder betreut, begleitet und beraten werden. Doch sind finanzielle Löcher entstanden, die sich meist nicht schließen lassen. Wie ist Ihre heutige wirtschaftliche Situation?
Trzaska: Zunächst sind wir dankbar, dass unsere Angebote in der Eingliederungs- und der Altenhilfe auch in der Pandemie verlässlich finanziert wurden. Dadurch haben wir die letzten Monate wirtschaftlich verhältnismäßig gut meistern können. Natürlich sind uns durch die Anschaffung von Schutzmaterialien wie etwa Masken und Desinfektionsmittel erhebliche Mehrkosten entstanden. Über deren Erstattung verhandeln wir noch mit den zuständigen Leistungsträgern. Wir gehen davon aus, dass sie übernommen werden.
epd: Nach der Pandemie könnte vor der Pandemie sein. Viele Sozialträger richten sich neu aus, etwa bei der Digitalisierung. Welche Wünsche oder Forderungen haben Sie an die Politik, wenn es darum geht, auch in Zukunft krisensicher arbeiten zu können?
Moitje: Die Digitalisierung ist auch für uns ein zentrales Thema. Dabei geht es uns aber nicht nur um die Arbeitsprozesse. Auch die digitale Teilhabe unserer Kundinnen und Kunden ist uns ein wichtiges Anliegen. Die Pandemie hat deutlich vor Augen geführt, dass der Nachholbedarf groß ist. Investitionen in die digitale Infrastruktur, in Bildungsangebote und zielgruppengerechte Nutzungsformen sind nötig. Diese Bedarfe müssen in Finanzierungsvereinbarungen künftig berücksichtigt werden.
Trzaska: Als Diakonie Himmelsthür setzen wir uns für eine möglichst umfassende gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen ein. Diese Teilhabe war während der Pandemie zeitweise unmöglich. Das darf sich nicht wiederholen. Besonders dankbar sind wir für die hohe Impfbereitschaft unsere Mitarbeitenden und Kundinnen und Kunden. Wir hoffen, dass wir mit der hohen Impfquote wieder mehr Normalität für die Menschen erreichen.
Bielefeld (epd). Die Corona-Pandemie hat das diakonische Unternehmen Bethel vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Das sagte Bethel-Chef Ulrich Pohl am 25. August in Bielefeld auf der Jahrespressekonferenz. Das Ende des Geschäftsjahres 2020 sei jedoch mit einem positiven Jahresergebnis von 4,88 Millionen Euro zufriedenstellend. Als eines der aktuell größten Vorhaben bezeichnete Pohl den Neubau des Kinderzentrums Bethel, der voraussichtlich im Sommer 2023 fertiggestellt werden soll.
Vor allem die erste und die zweite Welle des Coronavirus im Jahr 2020 seien mit vielen Einschränkungen zum Schutz der Hochrisikogruppen unter den Bethel-Bewohnern verbunden gewesen, sagte Pohl. Besonders die im Frühjahr ausgesprochenen wochenlangen Betretungsverbote in den Wohnformen der Altenhilfe und Eingliederungshilfe sowie in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen seien für die Betroffenen eine große Belastung gewesen. Menschen mit Behinderungen seien ungleich härter von den Folgen des Lockdowns betroffen. Sie hätten anders als ein Großteil der anderen Menschen zeitweise gar nicht mehr arbeiten dürfen.
In den Werkstätten für behinderte Menschen habe die Pandemie zu starken Einschränkungen, Teilschließungen und Auftragsrückgängen geführt, hieß es. Zur Sicherung der Kapazitäten des Gesundheitssystems für Corona-Erkrankte hätten Bethels Akutkrankenhäuser ganze Stationen in Covid-Stationen umwandeln müssen.
Mit einem Erinnerungsort wollen die v. Bodelschwinghschen Stiftungen der Corona-Opfer gedenken. „Wir trauern mit den Angehörigen, die in vielen Fällen nicht Abschied nehmen konnten“, sagte Bethel-Chef Pohl. Am 4. September soll auf dem Berliner Gelände der Stiftung mit der einer Skulptur ein Erinnerungsort im Beisein der stellvertretenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche (EKD), der westfälischen Präses Annette Kurschus, geschaffen werden. Weitere Skulpturen sollen unter anderen in Bielefeld und im Ruhrgebiet aufgestellt werden.
Die erste Skulptur „Hoffnungsherz“ wurde von Gabriele von Lutzau gestaltet, die 1977 als Flugbegleiterin eine der Geiseln an Bord der durch ein palästinensisches Terrorkommando entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ war. Die Gedenkorte sollten allen Corona-Opfern und besonders der Opfer in Bethel gelten, erläuterte Pohl. In den gesamten Bethel-Einrichtungen sind laut Pohl 170 Menschen mit und an dem Virus gestorben.
Die Höhe der Sachinvestitionen des vergangenen Jahres wurde mit knapp 89 Millionen Euro beziffert. Schwerpunkte der Investitionen seien in der Ortschaft Bethel Bauprojekte wie der Neubau der Kinderklinik und der Sekundarschule sowie in Berlin, Brandenburg und im Ruhrgebiet inklusive Wohnprojekte und Behinderteneinrichtungen.
Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel zählen zu den größten diakonischen Werken Europas. Rund 230.000 Menschen hat das diakonische Werk nach Angaben des Vorstands im vergangenen Jahr behandelt, betreut oder ausgebildet. Die Zahl der Beschäftigten in Voll- und Teilzeit stieg den Angaben nach um knapp zwei Prozent auf 20.448.
Frankfurt a.M. (epd). Der Menschenrechtspreis der Stiftung Pro Asyl 2020/2021 geht an das transnationale Netzwerk „Alarm Phone“. Das Netzwerk betreibe eine Hotline für Schutzsuchende, die im Mittelmeer in Seenot geraten seien, teilte die Stiftung Pro Asyl am 24. August in Frankfurt am Main mit. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 5.000 Euro und der von dem Darmstädter Kunstprofessor Ariel Auslender gestalteten Plastik „Pro Asyl-Hand“ verbunden.
Nach den Angaben der Stiftung beantworten die mehr als 200 Mitglieder von „Alarm Phone“ seit sieben Jahren auf beiden Seiten des Mittelmeers ehrenamtlich Notrufe von Schutzsuchenden, die auf dem lebensgefährlichen Weg nach Europa in ihren untauglichen Booten in Seenot geraten. Seit 2014 seien sie mit mehr als 3.700 Booten in Kontakt gewesen und hätten die Küstenwache, zivile Rettungs- und Frachtschiffe sowie Tanker in der Nähe alarmiert.
Dabei seien die Aktivistinnen und Aktivisten des Netzwerks stets konfrontiert mit den Stimmen von Menschen in Todesangst. Ohne das „Alarm Phone“ würden viele eklatante Menschenrechtsverletzungen und Todesfälle nicht bekannt, würdigte die Stiftung.
Der Menschenrechtspreis wird seit 2006 vergeben. Mit ihm werden Persönlichkeiten geehrt, die sich in herausragender Weise für die Achtung der Menschenrechte und den Schutz von Flüchtlingen einsetzen. Im Jahr 2019 ging die Auszeichnung an den hannoverschen Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, der seit 2001 bundesweit mehr als 1.800 Menschen in Abschiebungshaft vertreten hat.
Wuppertal, Köln (epd). Das Beratungsnetzwerk pro familia in Nordrhein-Westfalen ist für sein vorbildliches betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ausgezeichnet worden. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) überreichte den mit 10.000 Euro dotierten Preis an den Vorsitzenden Rainer Hecker und die Betriebsratsvorsitzende Britta Lieske. Bei der Auszeichnung sei zudem gewürdigt worden, dass auch bei der Beschäftigungsquote der schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen pro familia mit rund zehn Prozent über der gesetzlichen Vorgabe von fünf Prozent liege, erklärte der LVR am 24. August in Köln.
„Sie kümmern sich vorbildlich um die Arbeitsfähigkeit und Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden“, würdigte Christoph Beyer, Leiter des LVR-Inklusionsamtes, das Engagement von pro familia NRW, das mit seinem Verbund von Beratungsstellen 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Vertreter von pro familia NRW kündigten an, das Preisgeld für die Gesundheitsförderung im Betrieb einsetzen zu wollen.
Der pro familia Landesverband NRW mit Sitz in Wuppertal ist ein Verbund von Beratungsstellen. Angeboten wird medizinische, psychologische, psychosoziale und familienrechtliche Beratung unter anderem zu den Themen Sexualität, Partnerschaft, Trennung und Scheidung, Empfängnisregelung und -verhütung, unerfülltem Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt und Abtreibung.
Der LVR vergibt seit 2007 Prämien für die beispielhafte Einführung und Umsetzung des BEM. Alle Arbeitgeber sind seit 2004 gesetzlich verpflichtet, sich aktiv um die Vermeidung von betriebsbedingten Erkrankungen sowie die Wiedereingliederung von längerfristig oder häufig erkrankten Mitarbeitenden zu kümmern. Behinderungen und frühzeitige Verrentungen sollen so vermieden werden.
Kiel (epd). Auch für Seniorinnen und Senioren in der häuslichen Pflege fordern Verbände eine zügige dritte Corona-Impfung. „Die geplanten Boosterimpfungen für Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Pflegeeinrichtungen sind ein erster Schritt“, sagte der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Mathias Steinbuck, am 25. August in Kiel. Eine weit größere Zahl älterer und damit gefährdeter Menschen werde jedoch zu Hause versorgt. Auch diese Menschen müssten angesichts der beginnenden vierten Infektionswelle schnell und umfassend geschützt werden.
Steinbuck forderte, auch die Pflegekräfte in Heimen und ambulanten Diensten in die Planungen für eine dritte Impfung einzubeziehen. Nur wenn auch die Beschäftigten in der Pflege optimal geschützt seien, kämen ältere Menschen gut versorgt durch Herbst und Winter." Impfstoff sei zur Genüge vorhanden, die Strukturen stünden.
Erfurt (epd). Arbeitnehmerinnen müssen nach mehreren sich anschließenden Geburten und Elternzeiten sowie einem Wechsel zu einer ungünstigeren Lohnsteuerklasse keine Einbußen beim Arbeitgeber-Zuschuss zum Mutterschaftsgeld hinnehmen. Denn für dessen Berechnung ist allein der Nettoarbeitslohn der letzten drei Monate vor der Entbindung des ersten Kindes maßgeblich, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 19. August veröffentlichten Urteil.
Während des Mutterschutzes sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt zahlt die gesetzliche Krankenkasse 13 Euro Mutterschaftsgeld je Tag. Laut Gesetz muss der Arbeitgeber hierzu einen Zuschuss bis zum durchschnittlichen Nettoeinkommen der letzten drei Monate vor der Geburt zahlen. Privat- oder Familienversicherte, Arbeitslose und Sozialhilfeempfängerinnen erhalten vom Bundesamt für Soziale Sicherung ein reduziertes Mutterschaftsgeld von bis zu 210 Euro.
Im aktuellen Fall hatte der Arbeitgeber den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für die Klägerin kleingerechnet. Zwar wurde das Nettoeinkommen der Klägerin ursprünglich noch nach ihrer günstigen Lohnsteuerklasse III berechnet. Der Arbeitgeber-Zuschuss fiel entsprechend hoch aus. Doch als die Frau nach der Geburt ihres ersten Kindes zwei weitere bekam, sich jedes Mal direkt Elternzeiten anschlossen und sie zur ungünstigen Lohnsteuerklasse V wechselte, verringerte der Arbeitgeber beim dritten Kind den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld um insgesamt 1.903 Euro. Der Lohnsteuerklassenwechsel führe zu einem geringeren Nettoeinkommen, lautete die Begründung.
Das BAG machte bei der Rechnung des Arbeitgebers nicht mit. Hier hätten sich nach einer ersten Geburt und Elternzeit unmittelbar weitere Geburten und Elternzeiten angeschlossen. „Es kommt nach der gesetzlichen Regelung nur auf die Nettovergütung an, die in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Beginn der Schutzfrist bezogen wurde“, heißt es in dem BAG-Urteil. Die Schutzfrist sei hier in den letzten drei Monaten vor der Geburt des ersten Kindes. Der spätere Steuerklassenwechsel ändere nichts.
Wegen des Steuerklassenwechsels und des damit verbundenen höheren Arbeitgeber-Zuschusses sei der Klägerin auch kein Missbrauch vorzuwerfen. Dass Mütter in solchen Fällen die Steuerklasse wechseln, sei üblich.
Keinen Arbeitgeber-Zuschuss zum Mutterschaftsgeld können nach einem weiteren BAG-Urteil vom 23. Mai 2018 selbstständige Tagesmütter bekommen. Denn der im Mutterschutzgesetz festgelegte Arbeitgeber-Zuschuss steht nur Arbeitnehmerinnen, nicht aber Selbstständigen zu.
Hier hatte die klagende Tagesmutter angeführt, dass ihre Tätigkeit mit der einer Arbeitnehmerin vergleichbar sei. So habe sie vom Jugendamt die Erlaubnis zur Betreuung der Kinder in der Kindertagespflege erhalten. Sie erhalte vom Landkreis hierfür 3,90 Euro pro Kind und Betreuungsstunde.
Das BAG wies jedoch darauf hin, dass die Frau gegenüber dem Landkreis nicht weisungsgebunden und sie daher selbstständig sei. Der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld sei dann ausgeschlossen.
Mehr Mutterschaftsgeld kann dagegen Arbeitnehmerinnen mit Kindern winken, wenn der Arbeitgeber ihnen regelmäßig einen Kindergartenzuschuss bezahlt hat. Dabei handelt es sich dann um zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt, auch wenn der Zuschuss nur mündlich und auf freiwilliger Basis vereinbart wurde, urteilte am 19. März 2014 das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in Kiel.
Im Streitfall hatte die klagende Mutter von ihrem Chef regelmäßig einen monatlichen steuerfreien „freiwilligen“ Kindergartenzuschuss in Höhe von 230 Euro sowie einen Fahrtkostenzuschuss von 67,50 Euro erhalten.
Als die Frau erneut schwanger wurde, zahlte der Arbeitgeber ihr 34,34 Euro täglich als Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, entsprechend ihrem vorherigen Nettoeinkommen. Den Kita- und Fahrtkostenzuschuss ließ er bei der Berechnung aber außen vor. Es handele sich um freiwillige Leistungen und einen Aufwendungsersatz.
Das LAG urteilte, dass sowohl Kindergarten- als auch Fahrtkostenzuschuss als Arbeitsentgelt anzusehen seien und sich daher bei der Berechnung des Mutterschaftsgeldes erhöhend auswirkten. Beide Zuschüsse seien laufend und ungekürzt gezahlt worden - und zwar auch während Urlaubs- und Krankheitszeiten. Um einen Aufwendungsersatz handele es sich daher nicht. Keine Rolle spiele es für die Berücksichtigung beim Mutterschaftsgeld, wenn der Zuschuss steuerfrei sei.
Az.: 5 AZR 378/20 (Bundesarbeitsgericht zum Mutterschaftsgeld)
Az.: 5 AZR 263/17 (Bundesarbeitsgericht zu Tagesmüttern)
Az.: 3 Sa 388/13 (Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein)
Erfurt (epd). Ein Arbeitszeugnis darf nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht wie ein Schulzeugnis gestaltet sein. Die angemessene Beurteilung eines Arbeitnehmers lasse sich nicht in Tabellenform, sondern regelmäßig nur durch „ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis“ herausstellen, entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt in einem am 25. August veröffentlichten Urteil.
Der Kläger, ein Elektriker, war mit seinem vom Arbeitgeber erstellten Arbeitszeugnis nicht zufrieden. Das Zeugnis hatte einzelne Arbeitsleistungen wie Arbeitsökonomie, Fachkenntnisse allgemein, Sauberkeit im Arbeitsfeld, Pünktlichkeit oder Arbeitsbereitschaft ähnlich wie in einem Schulzeugnis in Tabellenform einzeln bewertet. Als „Leistungsbeurteilung insgesamt“ erhielt der Elektriker ein „befriedigend“.
Laut Urteil muss ein Arbeitszeugnis „den Anforderungen entsprechen, wie sie im Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis gestellt und vom Leser als selbstverständlich erwartet werden“. Das Arbeitszeugnis stelle eine „individuell auf den Arbeitnehmer angepasste Beurteilung dar“. Individuelle Hervorhebungen und Differenzierungen ließen sich nicht in Tabellenform, sondern nur im Fließtext angemessen darstellen.
Den Streitfall verwies das Bundesarbeitsgericht an das Landesarbeitsgericht Hamm zurück, das noch einmal die Formulierungen im Arbeitszeugnis überprüfen muss.
Az.: 9 AZR 262/20
Karlsruhe (epd). Unter Betreuung stehende Menschen dürfen im Umgang mit ihrem Vermögen nur aus guten Gründen in ihren Rechten eingeschränkt werden. Erst wenn „konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art“ vorliegen, darf ein Betreuungsgericht Geschäfte der hilfebedürftigen Person von der Einwilligung des Betreuers abhängig machen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 23. August veröffentlichten Beschluss. Gerichte müssten genau prüfen, ob die „konkrete, gegenwärtige Lebenssituation des Betroffenen“ solch einen Betreuungsbedarf erforderlich macht, erklärten die Karlsruher Richter.
Im Streitfall hatte das Amtsgericht Goslar für eine 52-jährige Frau die Betreuung angeordnet. Der Betreuer sollte sich unter anderem um die Gesundheitssorge, um Wohnungsangelegenheiten und um die Vermögenssorge kümmern. Die Vermögenssorge war mit einem sogenannten Einwilligungsvorbehalt verbunden, so dass bei Geschäften der Frau der Betreuer zustimmen muss. Nur über ein Girokonto konnte die Betroffene frei verfügen.
Das Landgericht Braunschweig bestätigte dies und stimmte der Verlängerung der Betreuung zu. Ansonsten drohe die Frau zu verwahrlosen.
Der BGH hob diese Entscheidung teilweise auf und verwies das Verfahren zurück. Solle ein Betreuer für unterschiedliche Aufgaben bestellt werden, müsse dies auch tatsächlich erforderlich sein. Dabei reiche es aus, wenn ein Handlungsbedarf in dem jeweiligen Aufgabenkreis „jederzeit auftreten kann“.
Hier sei bei der Vermögenssorge der angeordnete Einwilligungsvorbehalt aber nicht begründet worden, rügte der BGH. „Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann ein Einwilligungsvorbehalt ... nur angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen“, heißt es in dem Gerichtsbeschluss. Der Einwilligungsvorbehalt könne je nach den Umständen des Falles auf einzelne Vermögensgegenstände oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden.
Az.: XII ZB 73/21
Nürnberg (epd). Die Kündigung einer privaten Pflegetagegeldversicherung für eine unter Betreuung stehende Person ist nur mit Erlaubnis des Betreuungsgerichts wirksam. Sie ist insbesondere dann unwirksam, wenn der Betreute dadurch Leistungsrechte verliert, „die der andere Vertragsteil noch nicht erfüllt hat“, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 29. Juli.
Damit kann ein 81-jähriger, in einem Pflegeheim untergebrachter Mann weiter Pflegetagegeld von seiner privaten Pflegetagegeldversicherung verlangen. Der mittlerweile unter Betreuung stehende Mann hatte vor seiner Pflegebedürftigkeit den Versicherungsschutz nach dem Tarif „Pflege Premium“ vereinbart. Damit standen ihm bei seinem Pflegegrad 4 täglich 29,70 Euro zu.
Als eine Betreuerin seine rechtlichen Angelegenheiten übernahm, wollte sie Kosten sparen und kündigte - offenbar versehentlich - die Pflegetagegeldversicherung zum 31. Dezember 2019. Als sie ihren Fehler bemerkte und die Kündigung rückgängig machen wollte, lehnte der Versicherer ab. Die Betreuerin habe die umfassende Vertretungsmacht für den pflegebedürftigen Mann. Damit sei die Kündigung wirksam.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth urteilte, dass das Versicherungsvertragsverhältnis nicht beendet worden sei. Der Versicherer sei zur Nachzahlung der vorenthaltenen Versicherungsleistungen in Höhe von 7.525 Euro und auch künftig zur Fortzahlung des Pflegegeldes verpflichtet. Denn für die Kündigung der Pflegetagegeldversicherung sei auch die Zustimmung des Betreuungsgerichts erforderlich. Da diese nicht vorliege, sei die Kündigung unwirksam.
Auch das OLG stimmte dem zu. Nach den gesetzlichen Bestimmungen könne die Betreuerin nicht einfach ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts einen Pflegetagegeld-Vertrag kündigen, wenn der Versicherer seine Leistung noch nicht voll erfüllt hat. Dies sei hier der Fall, da der 81-Jährige mit dem Pflegegeld „wiederkehrende Leistungen“ erhält.
Az.: 8 U 1230/21
Neustadt/Weinstraße (epd). Eine Ärztin darf in ihrer Praxis Plakate mit der Aufschrift „Keine Maskenpflicht“ nicht aufhängen. Als Betreiberin einer Gesundheitseinrichtung ist sie verpflichtet, zur Eindämmung der Corona-Pandemie in den Praxisräumen auf die Einhaltung der Maskenpflicht und des Mindestabstandes von 1,5 Metern hinzuwirken, urteilte am 17. August das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße. Dazu gehöre auch, dass keine Plakate mit dem Inhalt „keine Maskenpflicht“ aufgehängt werden.
Damit muss sich eine Allgemeinmedizinerin der Anordnung des Landkreises Bad Dürkheim beugen. Mehrere Bürger hatten sich beschwert, dass die Ärztin trotz der Corona-Pandemie die vorgeschriebene Maskenpflicht und den Mindestabstand von 1,5 Metern in den Wartebereichen der Arztpraxis nicht einhält.
Eine Amtsärztin und Mitarbeiter des Vollzugsdienstes fanden im Mai 2020 bei mehreren unangemeldeten Begehungen in der Praxis die Vorwürfe bestätigt. Weder trug das Praxispersonal Schutzmasken, noch war die Bestuhlung im Wartezimmer so aufgestellt, dass Patientinnen und Patienten den vorgeschriebenen Mindestabstand einhalten konnten. Letzteres hatte die Ärztin später mit einer Mobiliar-Umgestaltung wieder gewährleistet.
In den Praxis-Räumlichkeiten fanden sich außerdem Plakate mit der Aufschrift wie „Es besteht Keine Maskenpflicht in unserer Praxis“ und „Corona ist nicht gefährlicher als eine Grippe“ oder „Politiker treffen Entscheidungen ohne zuverlässige Datenbasis“. Die Ärztin bot ihren Patienten jedoch auch an, auf Wunsch eine Maske zu tragen.
Die Anordnung des Landkreises ist nicht zu beanstanden, urteilte das Verwaltungsgericht. Das Argument der Ärztin, sie könne Patienten oder Mitarbeiter nicht zu einer bestimmten Verhaltensweise zwingen, sei nicht überzeugend. Sie müsse nach der behördlichen Verfügung als Betreiberin einer Gesundheitseinrichtung darauf hinwirken, „dass die notwendigen Hygiene- und Schutzmaßnahmen beachtet“ werden. Dazu gehöre auch, das Aufhängen von Plakaten mit dem Inhalt „keine Maskenpflicht“ zu unterlassen.
Az.: 5 K 125/21.NW
Der Präsident der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH), Hermann Sollfrank, wechselt am 1. Oktober zum Caritasverband der Erzdiözese München und Freising. Er wird den Vorsitz des Vorstandes übernehmen.
Gabriele Stark-Angermeier und Thomas Schwarz, die als Vorstand den Wohlfahrtsverband in den vergangenen Monaten geleitet haben, begrüßen die Personalentscheidung. „Mit Professor Sollfrank gewinnt die Caritas der Erzdiözese nicht nur einen profunden Kenner der Sozialen Arbeit und zusätzliche wissenschaftliche Expertise, sie gewinnt vor allem einen Menschen, der unsere Erzdiözese sehr gut kennt, in Oberbayern beheimatet ist und ein großes Netzwerk an Partnern in den diözesanen Strukturen und im Wissenschaftsbereich mitbringt“, erklärten sie.
Sollfrank studierte von 1987 bis 1991 Soziale Arbeit an der KSH München. Vor seinem Zweitstudium, den Erziehungswissenschaften an der Universität in Augsburg, war er als Sozialpädagoge rund zehn Jahre in der Jugendpflege, in der pädagogischen Leitung und im Management des Jugendamts der Erzdiözese München-Freising tätig. Er promovierte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und wurde dann als Professor für Sozialpädagogik in der Sozialen Arbeit an die KSH berufen. Sollfrank ist seit Oktober 2014 der Präsident der KSH in zweiter Amtszeit.
Sollfrank sieht der neuen Aufgabe mit Freude entgegen, wie er mitteilte. „Die Weiterentwicklung des Verbandes ist mir ein wichtiges Anliegen. Gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern werde ich mich sehr gerne mit meinen spezifischen Kompetenzen mit hohem Engagement einbringen.“
Der Caritasverband als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege vertritt neben den eigenen Einrichtungen in der Erzdiözese München und Freising gut 100 katholische Fachverbände und angeschlossene Träger in der Kinder- und Jugendhilfe, der Pflege, der Eingliederungshilfe und vielen anderen Bereichen der sozialen Arbeit. Insgesamt arbeiten rund 30.000 Beschäftigte beim Diözesan-Caritasverband und den angeschlossenen Trägern.
Peter Rösner ist zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates von Fröbel e.V. gewählt worden. Er folgt auf Rainer Borgmann-Quade, der nach rund sechs Jahren in diesem Amt und nach mehr als sieben Jahren im Vorstand des überregionalen Träger von Kindertageseinrichtungen in den Ruhestand geht. Rösner ist im Hauptberuf Leiter der Stiftung Louisenlund, dem zweitgrößten Internat Deutschlands. Zuvor war er Gründungsgeschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Haus der Kleinen Forscher“. Neu im Aufsichtsrat ist Gudrun Rannacher, die fünf Jahre lang im Vorstand des Vereins und als Geschäftsführerin der Fröbel Bildung und Erziehung gGmbH aktiv war.
Bettina Annette Bubach ist ab 1. September Richterin am Bundesarbeitsgericht (BAG). Die Richterin am Arbeitsgericht Kaiserslautern wurde von Bundespräsident zur Bundesrichterin ernannt. Das Präsidium des BAG hat Bubach dem Fünften Senat zugeteilt. Dieser ist insbesondere zuständig für Rechtsfragen des Arbeitsentgelts und der Entgeltfortzahlung. Bubach ist 1974 in Ludwigshafen am Rhein geboren. Sie war in ihrer Laufbahn an verschiedenen Arbeitsgerichten eingesetzt. Von Januar 2016 bis März 2018 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim BAG tätig.
Volker Hausdorf (55) übernimmt zum 1. September die Leitung des Geschäftsbereichs Kinder, Jugend und Familie bei der Diakonie München und Oberbayern. Der Diplomsozialpädagoge war 25 Jahre im Münchner Stadtjugendamt in verschiedenen Positionen tätig und hat die Diakonie als Kooperationspartner erlebt. Diakonie-Vorständin Andrea Betz lobt Hausdorf als „sehr erfahrenen Jugendhilfeexperten. Er bringt einen großen Erfahrungsschatz, vielfältige Kenntnisse des Jugendhilfenetzwerks und eine kluge strategische Haltung mit.“
Margareta Halek und Stefan Zimmer übernehmen im Herbst als erstes Tandem die Leitung des Dekanats der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke. Halek, Professorin und Departmentleiterin der Pflegewissenschaft, und Professor Zimmer, Departmentleiter der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, lösen Professor Stefan Wirth ab, der nach zehn Jahren aus dem Amt ausscheiden wird. Hinter der Tandemlösung steht nach den Angaben die Idee, die Führungspositionen an der Uni diverser und gleichberechtigter zwischen Frauen und Männern aufzuteilen.
David Heuckeroth (34) ist seit 1. August Geschäftsführer des Christlichen Hospizes Ostsachsen mit Sitz in Herrnhut. Diese Aufgabe nimmt er als Vorstandsreferent der Stiftung Herrnhuter Diakonie im Nebenamt wahr. Gemeinsam mit Michael Hellerling, dem Kaufmännischen Vorstand der Stiftung, verantwortet er die operative Arbeit der Hospizgesellschaft. Das Christliche Hospiz Ostsachsen wird von der Herrnhuter Diakonie und der Diakonie Bautzen getragen. In der Geschäftsführung des Christlichen Hospizes folgt Heuckeroth auf Volker Krolzik, der diese Aufgabe seit 2010 wahrgenommen hatte.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.
1.-2.9.:
Online-Fortbildung „Die Anwendung der ICF in der Hilfeplanung“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
6.-7.9. Berlin:
Seminar „Den Jahresabschluss prüffertig meistern“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275 82 82 27
6.-8.9. Freiburg:
Seminar „ Wenn das Miteinander zur Herausforderung wird - Fach- und Führungskräfte als Vermittelnde bei Konflikt und Mobbing“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
7.9.:
Webinar „Datenschutzunterweisung für Mitarbeitende in sozialen Einrichtungen“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-159
8.-10.9. Berlin:
Seminar „Ältere Mitarbeitende binden und wertschätzend verabschieden“
Tel.: 030/26309-139
8.9.-26.10.:
Seminar „Qualität in stationären Hospizen sorgsam gestalten - Fortbildung zur nachhaltig erfolgreichen Arbeit mit dem Bundesrahmenhandbuch stationäre Hospize“
der Fortbildungsakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/739 28 85
14.9. Berlin:
Seminar „Controlling für Einrichtungen der Eingliederungshilfe“
der Solidaris Unternehmensberatung
Tel.: 02203/8997-221
15.9.-26.11. Nethpen:
Fortbildung „Wenn Gespräche schwieriger werden“
Tel.: 030/26309-139
20.9-1.11.:
Online-Fortbildung „Rechtliche Beratung in der Wohnungslosenhilfe Mehr GeRECHTigkeit auf der Straße“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0173/5105498
21.-24.9. Eisenach:
„36. Bundesweite Streetworktagung - Selbstbemächtigung marginalisierter Personengruppen“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0173/5105498
24.9.:
Online-Seminar „Wirtschaftlichkeit ambulanter Pflegedienste“
der Solidaris Unternehmensberatung
Tel.: 02203/8997-221
27.-29.9. Netphen:
Seminar „Gesunde Führung - Fehlzeiten reduzieren und Mitarbeiter/Innen motivieren“
Tel.: 030/26309-139