Kirchen

Bedford-Strohm sieht 219a-Ergänzung um Informationspflicht skeptisch


Heinrich Bedford-Strohm beim epd-Interview
epd-bild/Theo Klein
"Ich bezweifle, dass eine Gesetzesänderung notwendig ist", sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Debatte um das Werbeverbot für Abtreibungen.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, stellt die Koalitionspläne infrage, das Werbeverbot für Abtreibungen um eine gesetzliche Bestimmung zu einem Informationssystem zu ergänzen. "Ich bezweifle, dass eine Gesetzesänderung notwendig ist", sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd) in München. "Man kann schlicht und einfach organisieren, dass jede Frau verlässlich und gut informiert wird", sagte er.

Keine "Bekenntnisfrage"

Am Ende sei die Entscheidung über eine Änderung am Gesetz für ihn aber keine "Bekenntnisfrage". "Entscheidend ist für mich, dass wir am unbedingten Ziel festhalten, die Zahl der Abtreibungen zu minimieren", sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten.

Der bayerische Landesbischof warb dafür, die erhitzte gesellschaftliche Debatte um den Paragrafen 219a zu versachlichen. "Es gibt doch eine große Einigkeit darüber, dass es Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch nicht geben darf", sagte er. Im Zentrum des ethischen Konflikts stünden die Not der Frau und das Leben eines werdenden Menschen.

Frauen soll geholfen werden

Einfache Antworten auf diesen Konflikt seien nicht tragfähig. "Frauen muss in dieser Situation geholfen, sie müssen gut beraten werden. Und nach ihrer Entscheidung müssen sie begleitet werden, egal wie die Entscheidung lautet", sagte Bedford-Strohm: "Und deswegen müssen auch medizinische Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch möglich sein."

Dem Einigungspapier der großen Koalition zufolge sollen die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung damit beauftragt werden, Informationen zur Verfügung zu stellen, welche Ärzte und medizinischen Einrichtungen Abtreibungen vornehmen. Der Informationsauftrag soll im Paragrafen 219a verankert werden. Details wurden für Januar angekündigt.

Auslöser des politischen Streits um das Werbeverbot für Abtreibungen war die Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe. Sie hatte auf der Internetseite ihrer Arztpraxis darüber informiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

epd-Gespräch: Franziska Hein und Karsten Frerichs


Bedford-Strohm: Einfluss von Rechtspopulisten wird schwinden

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erwartet, dass der Einfluss von Rechtspopulisten im nächsten Jahr schwindet. "Jene, die aufpeitschen, ohne Lösungen anzubieten, sitzen jetzt auch in den Parlamenten. Da bricht manches von den großen Worten schnell zusammen, davon bin ich überzeugt", sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd) in München.

"Gerade für die Europawahl im Mai wünsche ich mir entsprechende Ergebnisse", sagte der bayerische Landesbischof. Derzeit würde viele Menschen, die für die Demokratie einstehen, deutlich Flagge zeigen.

Bezogen auf Bayern konstatierte Bedford-Strohm eine Beruhigung des politischen Klimas nach der Landtagswahl im Oktober: "Die Demokraten stehen zusammen, die scharfen Töne haben abgenommen."

In Deutschland und gerade im wirtschaftlich starken Bayern bestehe die Chance, "ein ökologisches Wirtschaftsmodell zu entwickeln, das nicht auf der Zerstörung der Natur beruht". "Das wird man uns in spätestens zehn Jahren förmlich aus den Händen reißen", sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten: "Alle, die heute eine Transformation der Wirtschaft vorantreiben, handeln nicht nur entlang ethischer Grundorientierungen, sie sind auch besonders klug."

epd-Gespräch: Franziska Hein und Karsten Frerichs


Kirchen rufen an Weihnachten zum Zusammenhalt auf

Die Hoffnung auf Frieden und mehr Menschlichkeit standen im Mittelpunkt der kirchlichen Weihnachtsbotschaften. Papst Franziskus rief dazu auf, die "Spirale von Gier und Maßlosigkeit" zu durchbrechen.

Die Kirchen haben an Weihnachten zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zu mehr Menschlichkeit aufgerufen. Die Weihnachtsbotschaft setze dem Nationalismus, der Menschenfeindlichkeit und dem Aufhetzen der Menschen untereinander ein Ende, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am ersten Weihnachtstag in seiner Predigt in München. Der Papst spendete in Rom den traditionellen Segen "Urbi et orbi".

Papst Franziskus rief die Menschen angesichts von Kriegen und Konflikten weltweit dazu auf, sich als Brüder und Schwestern zu verstehen. Vor Zehntausenden Pilgern und Touristen spendete er am 25. Dezember auf dem Petersplatz den Segen "Urbi et orbi" (der Stadt und dem Erdkreis). "Unsere Verschiedenheit schadet uns nicht, sie bedeutet keine Gefahr. Sie ist vielmehr ein Reichtum", sagte er. Zugleich rief das Oberhaupt der Katholiken zu stärkeren Friedensbemühungen in vielen Konfliktregionen der Welt auf.

Papst prangert "Spirale von Gier und Maßlosigkeit" an

In der Mitternachtsmette hatte der Papst am Heiligabend kritisiert, viele Menschen seien gierig und unersättlich geworden. "Das Haben, das Anhäufen von Dingen scheint für viele der Sinn des Lebens zu sein", sagte Franziskus im Petersdom. Er rief zur Besinnung auf die ursprüngliche christliche Botschaft auf. Durch Christus könnten die Gläubigen "in der Liebe wiedergeboren werden und die Spirale von Gier und Maßlosigkeit durchbrechen".

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, rief dazu auf, Gräben zwischen Menschen und Religionen zu überwinden. Mit Blick auf die Weihnachtsbotschaft sei weder eine "fundamentalistische Religion" möglich, noch könne der Glaube auf ein "Traditionschristentum" reduziert werden, betonte der Münchner Erzbischof.

Weihnachten hat nach Überzeugung des EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm die Welt verändert. Gott sei im Kind von Bethlehem Mensch geworden und habe "einer Welt, in der es so viele Kriegserklärungen gibt, ein für allemal die Liebe erklärt", sagte der bayerische Landesbischof am ersten Weihnachtstag in der Münchner Matthäuskirche. Weihnachten verändere auch das persönliche Leben der Menschen. An Heiligabend hatte Bedford-Strohm in München eine Unterkunft für Obdachlose besucht.

Landesbischof Meister: Weihnachten gibt Hoffnung

Der hannoversche evangelische Landesbischof Ralf Meister betonte, Weihnachten gebe Hoffnung trotz aller Kriege und Katastrophen in der Welt. Wer in der Familie Versöhnung stifte, die Menschenwürde gegen Hassparolen verteidige oder sich als Politiker den Schutz der Schöpfung einsetze, sei ein Beispiel dafür, sagte er an Heiligabend in der hannoverschen Marktkirche.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, sieht in der christlichen Weihnachtsbotschaft "eine große Protestkraft". Die Menschwerdung Gottes durch Jesu Geburt stelle die Machtfrage, sagte Rekowski an Heiligabend in der Düsseldorfer Johanneskirche. Der Glaube an Jesus, den Friedensbotschafter, könne die Menschen von ihrem Egoismus erlösen und aus der Spirale von Gewalt und Gegengewalt befreien.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki appellierte an die Gläubigen, sich um bedürftige und einsame Menschen zu kümmern. "Es geht um die Tatsache, dass es bei Millionen Menschen niemals klingelt, dass keine private E-Mail eingeht, dass keiner mit ihnen spricht und ihnen nicht mal jemand ein Zwitschern via Twitter schickt", sagte der katholische Theologe am ersten Weihnachtstag im Kölner Dom.



Rund 19.000 Menschen feiern Vesper an Dresdner Frauenkirche


Rund 19.000 Menschen kamen zur Vesper vor der Frauenkirche.
epd-bild/Matthias Rietschel
In Dresden haben rund 19.000 Menschen an wohl Deutschlands größtem regelmäßig stattfindenden Gottesdienst unter freiem Himmel teilgenommen. An der Frauenkirche riefen Ministerpräsident und Landesbischof zu friedlichem Miteinander und Respekt auf.

Rund 19.000 Menschen haben am 23. Dezember die traditionelle weihnachtliche Vesper an der Dresdner Frauenkirche gefeiert. Die Veranstaltung ist nach Angaben der Organisatoren der größte regelmäßig unter freiem Himmel stattfindende Gottesdienst in Deutschland. Dabei riefen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing zu einem respektvollen und friedlichen Miteinander auf. Das Weihnachtsfest sollte genutzt werden, um das eigene Leben und Handeln zu reflektieren, sagte Rentzing in seiner Predigt.

Ministerpräsident Kretschmer appellierte in seiner Rede, respektvoll miteinander umzugehen und sich für die friedvolle Begegnung mit anderen Menschen zu öffnen. "Wir alle haben es in der Hand, wie unser Land aussieht, ob es weltoffen und solidarisch ist", sagte Kretschmer. Der Ministerpräsident erinnerte auch an die zehn christlichen Gebote und die drei Tugenden "Glaube, Liebe und Hoffnung". Diese seien auch aktuell für die Gesellschaft wichtig, wenn sie in Zuversicht, Zuwendung und Zukunftsfreude mündeten. Jeder habe die Verantwortung aus seinem Leben etwas zu machen und sich für die Welt einzusetzen, sagte Kretschmer.

Der Ministerpräsident würdigte zudem die täglich in Vereinen, in Kirchen und im privaten Umfeld praktizierte Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Menschenliebe. Auch künftig werde man in Sachsen auf den Zuzug von Menschen aus anderen Kulturen angewiesen sein, betonte Kretschmer weiter. Dabei sei es wichtig, "dass wir unsere Kultur und Werte leben, dass wir ihrer sicher sind". Je überzeugender man mit Selbstverständlichkeit die eigene Kultur lebe, "desto überzeugende sind wir für andere", sagte der Ministerpräsident. Er fügte hinzu: "Wir feiern nicht irgendein Fest, wir feiern Weihnachen, wir feiern Christi Geburt."

Bischof Rentzing: Herzen öffnen und den Blick weiten

Bischof Rentzing betonte: "Wir können und müssen neu darüber nachdenken, was uns wichtig ist." Er warb dafür, die Herzen zu öffnen und den Blick zu weiten. Bis zum heutigen Tag verbinde sich mit der Weihnachtsgeschichte von der Geburt Jesu die Hoffnung nach Frieden. Der Bischof rief dazu auf, für ein friedliches Miteinander einzustehen und Streit, Neid und Unfrieden hinter sich zu lassen. Symbolisch stehe dafür das Friedenslicht von Bethlehem, das vor Weihnachten von einem Kind in der Geburtsgrotte von Bethlehem entzündet und in mehr als 30 Länder getragen wird. Das Friedenslicht wurde nach dem Gottesdienst auf dem Dresdner Neumarkt an die Besucher weitergegeben.

Musikalisch gestaltet wurde der Open-Air-Gottesdienst von Solisten, dem Dresdner Motettenchor unter der Leitung von Matthias Jung und dem Blechbläserensemble Ludwig Güttler sowie der Sächsischen Posaunenmission unter Leitung von Tilman Peter.

Veranstalter der Vesper ist die Fördergesellschaft der Frauenkirche. 2017 kamen dazu rund 21.000 Menschen auf den Dresdner Neumarkt. Die erste Open-Air-Vesper fand am 23. Dezember 1993 vor dem kurz zuvor aus den Trümmern freigelegten Altar der Frauenkirche statt.

Die Kosten für die Vesper liegen der Fördergesellschaft zufolge bei rund 70.000 Euro. Die Gelder müssten ohne öffentliche Zuschüsse finanziert werden. Das sei nur durch Honorarverzicht sowie mit Hilfe von Ehrenamtlichen, Spenderinnen und Spendern möglich, hieß es.



Theologin: Künftig zwei orthodoxe Kirchen in der Ukraine


Dagmar Heller
epd-bild/privat

In der Ukraine wird es nach Ansicht der Ostkirchen-Expertin Dagmar Heller künftig zwei orthodoxe Kirchen geben, die sich gegenseitig nicht anerkennen: die am 15. Dezember auf dem "Vereinigungskonzil" neu gegründete ukrainisch-orthodoxe Kirche und eine, die zum russischen Patriarchat gehört. Letztere werde eine wesentlich geringere Rolle in der Gesellschaft spielen. "Russland und alles Russische wird als feindlich angesehen", sagte die Referentin für Orthodoxie am Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bislang gab es in dem osteuropäischen Land drei orthodoxe Kirchen, eine unter russischem Patriarchat und zwei, die sich 1992 beziehungsweise um 1920 abspalteten. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche unter russischem Patriarchat ist laut Heller autonom, nur ihr Oberhaupt wird von Moskau bestimmt. Ein russisches Feindbild mit dieser Kirche zu verbinden, sei nicht richtig, sagte Heller. "Die Menschen in diesen Gemeinden sind ebenso loyale Ukrainer wie alle anderen." Theologische Unterschiede gebe es ebenfalls nicht.

Die russisch-orthodoxe Kirche akzeptiert die Gründung nicht

Obwohl die neu gegründete Kirche offiziell alle drei ukrainisch-orthodoxen Kirchen vereinen wolle, seien de facto nur die beiden Ableger in ihr vertreten, sagte Heller. "Die russisch-orthodoxe Kirche akzeptiert die Gründung nicht." Die neue Kirche werde ihre Autokephalie, also ihre Eigenständigkeit, vom Patriarchen von Konstantinopel erhalten, dem in der Orthodoxie ein Ehrenvorsitz zusteht. Die zukünftige Stellung der neuen Kirche werde davon abhängen, ob die anderen orthodoxen Kirchen sie anerkennen. Dies sei aber noch offen.

Die kirchenrechtliche Beurteilung der Neugründung hängt laut Heller von der jeweiligen Perspektive ab. Aus russischer Sicht verstoße die Gründung gegen das Kirchenrecht, weil es in einem bestimmten Land nur eine orthodoxe Kirche geben kann und in der Ukraine eine solche bereits existiert - unter Moskauer Patriarchat. Aus Sicht des Patriarchats von Konstantinopel gehe es um die Heilung einer Spaltung, die dem Ehrenvorsitz zusteht, sofern er darum gebeten wird.

Kirchengründung hat auch politische Gründe

"Die beiden Ableger waren lange unkanonisch, wurden also in der Orthodoxie nicht anerkannt." Dies habe sich erst geändert, als der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., sie vor kurzer Zeit kanonisiert habe. "Das bedeutet aber nicht, dass alle orthodoxen Kirchen sie anerkennen."

Über die Gründe, warum Bartholomäus I. der neuen Kirche die Autokephalie zugesprochen hat, kann laut Heller nur spekuliert werden. "Die Politik ist auf jeden Fall involviert." Der Gründungsprozess sei nach einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko bei Bartholomäus eingeleitet worden. Der Staatschef sei zudem auf dem "Vereinigungskonzil" gewesen: "Für Poroschenko ist die Neugründung im Wahlkampf ein großer Erfolg." Eine direkte Einflussnahme des Kremls durch die orthodoxe Kirche unter russischem Patriarchat, wie von Poroschenko behauptet, habe es aber vermutlich nicht gegeben.

epd-Gespräch: Jana-Sophie Brüntjen


Margot Käßmann: Bei Armut genauer hinschauen

Die Theologin Margot Käßmann ruft dazu auf, Armut stärker in den Blick zu nehmen. Es störe sie, dass das Thema Migration vermeintlich das einzige Thema sei, sagte Käßmann der in Bielefeld erscheinenden "Neuen Westfälischen" (24. Dezember). "Die Pflege, der Zustand der Schulen und die Frage, wie Menschen mit einem ganz geringen Lohn zurechtkommen, sind mindestens ebenso wichtig", sagte die ehemalige hannoversche Landesbischöfin und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Es gebe noch andere Fragen, die die Menschen sehr bewegten. "So müssen wir bei der Armut mehr hinschauen", sagte Käßmann. Die Proteste in Frankreich zeigten was sich entwickeln könne, wenn das ignoriert werde.

Die Theologin warb zudem für Toleranz und ein friedliches Miteinander. "Es sind nicht nur Muslime, Juden oder Schwule, denen derzeit Ignoranz und Intoleranz entgegenschlägt", sagte Käßmann und wies auf Gewalt in der Familie hin. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums wurden im vergangenen Jahr 147 Frauen von ihren Partnern getötet. Das sei ein Thema, das in der öffentlichen Debatte nicht stattfinde, beklagte die Theologin im Ruhestand, die bis zum vergangenen Jahr Botschafterin für das 500. Reformationsjubiläum der Evangelischen Kirche in Deutschland war.



Kirchen machen Regierung mitverantwortlich für Jemen-Katastrophe


Martin Dutzmann
epd-bild/Rolf Zöllner
Die Kirchen werfen der Bundesregierung vor, sich bei der Genehmigungspraxis von Rüstungsexporten nicht einmal an die eigenen Ankündigungen zu halten. Sie fordern einen Stopp aller Lieferungen an Saudi-Arabien.

Die beiden großen Kirchen haben die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung scharf kritisiert und eine Kehrtwende gefordert. Die Regierung sei mitverantwortlich für die humanitäre Katastrophe im Jemen, erklärten die Kirchenvertreter am 17. Dezember in Berlin bei der Vorstellung des diesjährigen Rüstungsexportberichts der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).

Sie zogen eine ernüchternde Bilanz der Aktivitäten der neuen Bundesregierung und warfen der Koalition aus Union und SPD vor, ihre eigenen Ankündigungen nicht umzusetzen. Der katholische GKKE-Vorsitzende Prälat Karl Jüsten kritisierte, die noch für 2018 angekündigte Verschärfung der Rüstungsexportrichtlinien sei nicht in Sicht. Der evangelische Vorsitzende Prälat Martin Dutzmann forderte die Regierung auf, dafür zu sorgen, dass Rüstungsproduzenten wie die Rheinmetall AG nicht länger trotz Exportstopp auf Umwegen Munition in Kriegsgebiete liefern können.

Kontrollgesetz gefordert

Erneut forderten die Kirchen ein Rüstungsexportkontrollgesetz. Dutzmann bemängelte außerdem, die neue Bundesregierung setze den Kurs des damaligen Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) im Umgang mit den Kritikern nicht fort. Er bedaure sehr, "dass der Dialog mit dem Bundeswirtschaftsminister über die Rüstungsexporte nicht fortgesetzt wird", sagte Dutzmann.

Die Kirchen verurteilen insbesondere die Waffenexporte an Saudi-Arabien, das die Kriegs-Koalition im Jemen anführt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Patrouillenboote aus Deutschland an der völkerrechtswidrigen Seeblockade gegen den Jemen beteiligt seien. Die Bundesregierung müsse alle erteilten Genehmigungen an die Staaten der Jemen-Koalition sofort widerrufen. Mit einem befristeten Exportstopp, wie ihn die Regierung nach der Ermordung des saudischen Journalisten und Regierungskritikers Jamal Khashoggi erklärt habe, sei es nicht getan.

Im Jemen bekämpfen sich seit 2015 die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen und die sunnitisch geprägte Regierung, die von einer Koalition unter saudi-arabischer Führung unterstützt wird. Es gab bereits Tausende Tote durch Gewalt und Hunger.

Insgesamt vermittelten die Zahlen zu den deutschen Rüstungsexporten nicht den Eindruck einer restriktiven Genehmigungspraxis, heißt es im GKKE-Bericht. Im Jahr 2017 erteilte die Regierung Ausfuhrgenehmigungen im Wert von insgesamt 6,2 Milliarden Euro. Das markiert einen Rückgang gegenüber 2016, aber einen Sprung nach oben um fast drei Milliarden Euro in den vergangenen zehn Jahren. Der Anteil der Lieferungen an Drittstaaten stieg dem Bericht zufolge im selben Zeitraum von 34 auf 61 Prozent.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Kritik der Kirchen sei nicht neu. Man sei mit zivilgesellschaftlichen Akteuren im Gespräch. Die Bundesregierung betreibe eine "restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik". Jeder einzelne Fall werde nach sorgfältiger Prüfung entschieden. Nach Saudi-Arabien gingen derzeit keine Rüstungsgüter, betonte Seibert: "An diesem Punkt sind wir vermutlich mit den Kritikern im Einklang."

"Ausnahme wird zur Regel"

Der GKKE-Bericht, der in Zusammenarbeit mit dem Bonner International Center for Conversion (bicc) erstellt wurde, bemängelt, dass weiterhin mehr als die Hälfte der Ausfuhrgenehmigungen für Lieferungen in Drittstaaten (61 Prozent) erteilt wird, also in Länder, die nicht der Nato oder der EU angehören. Im Jahr 2017 habe die Regierung Rüstungsexporte an 52 Staaten genehmigt, in denen die Menschenrechtslage als sehr schlecht eingestuft werde. Geliefert wurde auch an mehr als 20 Länder, die nach der EU-Übereinkunft für Rüstungsexporte als problematisch eingestuft werden müssten.

Die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug Weitzel, sagte mit Blick auf die Ergebnisse des GKKE-Rüstungsexportberichts, der eigentlich festgeschriebene 'Ausnahmefall' von Waffenlieferungen an Drittländer sei "längst zur Regel deutscher Exportpolitik geworden".

Positiv vermerkt der GKKE-Bericht, dass die Exportgenehmigungen für Kleinwaffen an Drittländer im ersten Halbjahr 2018 deutlich zurückgegangen sind. Die Koalition hat angekündigt, den Export von Kleinwaffen in Drittländer ganz zu stoppen.



Präses Kurschus: Kirchenasyl ist Atempause für neue Überprüfung

Die Präses der westfälischen evangelischen Kirche, Annette Kurschus, hat das Kirchenasyl als Teil des Rechtsstaats verteidigt. "Wir schaffen kein eigenes Recht und keinen rechtsfreien Raum", sagte Kurschus dem Bielefelder "Westfalen-Blatt" (24. Dezember). Dem Staat werde letztlich bei der Durchsetzung des Rechts geholfen, indem darauf hingewiesen werde, dass die rechtsstaatlichen Möglichkeiten in bestimmten Fällen nicht vollends ausgeschöpft sind. Das komme oft genug vor, betonte Kurschus.

"Das Kirchenasyl ermöglicht eine Atempause zu einer erneuten Überprüfung", sagte sie. Migration bezeichnete sie als eine Entwicklung, die neben Problemen auch Chancen bietet: "Wir können zeigen, dass der Glaube nicht nur etwas mit unserem Innern zu tun hat, sondern dass Glaube immer auch politisch ist", erklärte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen.

In den Gemeinden lasse die grundsätzlich offene Haltung nicht nach. Dennoch müssten auch die Sorgen und Befürchtungen in den Blick genommen werden. "Unser Zusammenleben wird bunter und mit Sicherheit konfliktreicher", sagte Kurschus. Christen rief sie daher dazu auf, sich wieder intensiver mit ihrem Glauben zu beschäftigen. "Denn die Angst vor anderen Religionen wächst, wenn man sich des eigenen Glaubens unsicher ist", mahnte sie.



Bischof Rentzing: Wir geben keine Wahlempfehlung von den Kanzeln

Die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens will Anfang des Jahres eine Analyse der politischen Wahlprogramme aller Parteien vorlegen. Sie basiere auf christlichen Vorstellungen und Haltungen, sagte Sachsen Landesbischof Carsten Rentzing dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Dresden. Zugleich betonte er: "Wir geben von den Kanzeln unserer Kirchen keine Wahlempfehlungen." Aber es werde auf die Werte und Haltungen hingewiesen, "die uns als Christen auszeichnen und die wir repräsentiert sehen wollen in der Politik".

Wahl am 1. September 2019

Sachsen wählt am 1. September 2019 einen neuen Landtag. Die kirchliche Analyse soll voraussichtlich Anfang Februar erscheinen. Daran solle jeder "sein Gewissen schärfen" und überlegen können, welchen Weg er bereit ist zu unterstützen und welchen nicht, sagte Rentzing.

Außerdem betonte der Bischof: "Wir leben in einem Land mit Wahlrecht und Wahlfreiheit. Niemand hat das Recht jemandem vorzuschreiben, was er zu wählen hat oder eben nicht." Das gelte in besonderer Weise auch für die Kirche. Bezogen auf die AfD und auch auf alle anderen Parteien sei es so, dass die Kirche an die Verantwortlichen in der Politik Fragen habe und auch Erwartungen. "Wir erwarten, dass sowohl Wählerinnen und Wähler als auch die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker zu einer menschenwürdigen Gesellschaft beitragen", sagte Rentzing.

epd-Gespräch: Katharina Rögner


Papst an Missbrauchstäter in der Kirche: "Übergebt euch der Justiz"

Hunderte Mädchen und Jungen wurden von katholischen Geistlichen missbraucht, im Laufe der vergangenen Monate kamen zahlreiche dieser Verbrechen ans Licht. Papst Franziskus forderte die Täter nun öffentlich auf, sich den Behörden zu stellen.

Papst Franziskus hat Missbrauchstäter in der katholischen Kirche zur Selbstanzeige aufgerufen. "Denjenigen, die Minderjährige missbrauchen, möchte ich sagen: Übergebt euch der menschlichen Justiz", sagte er am 21. Dezember beim Weihnachtsempfang für die vatikanische Kurie. Vatikansprecher Greg Burke betonte angesichts der düsteren Bilanz von Franziskus über die im Laufe der vergangenen Monate aufgedeckten Vergehen, das Kirchenoberhaupt habe "kein Blatt vor den Mund genommen".

Die Kirche habe in diesem Jahr schwierige Momente erlebt und sei von "Stürmen und Hurrikans" getroffen worden, sagte Franziskus im Apostolischen Palast vor den versammelten Bischöfen und Kardinälen. Noch heute gebe es Geistliche, die von ihrer Macht profitierten, um hinter einer Maske aus "grenzenloser Freundlichkeit, tadellosem Fleiß und einem Engelsgesicht" die Schwächsten auszunutzen, sagte er unter Hinweis auf Kindesmissbrauch durch Priester.

Die Kirche bemühe sich darum, dem Missbrauch ein Ende zu setzen, sagte der Papst in einer der wichtigsten Ansprachen des Jahres. Die Täter begingen "abscheuliche Verbrechen und üben weiter ihr Amt aus, als sei nichts gewesen". Franziskus gestand ein, dass das Problem in der Vergangenheit teilweise nachlässig behandelt worden sei. "Das darf nie wieder geschehen", mahnte der Pontifex. Die Kirche werde sich darum bemühen, nichts zu vertuschen, keinen Fall unterzubewerten und alle Täter zur Verantwortung zu ziehen.

Dank an Medien

In seiner Weihnachtsansprache an die Kurie wandte der Papst sich gegen die Behauptung, die Medien berichteten über Missbrauch in der Kirche, um ihr zu schaden. Er dankte den Medien ausdrücklich für ihre Bemühungen, die Taten aufzudecken und den Opfern eine Stimme zu geben. Unter Anspielung auf Versuche, ihn und seine Amtsführung in Misskredit zu bringen, verurteilte der Papst Würdenträger, die Zwietracht in der Kirche säten.

In den vergangenen Jahren hatte Franziskus seine Ansprache beim Weihnachtsempfang für schweren Tadel an "Kurienkrankheiten" wie Selbstgerechtigkeit und Arroganz gegenüber anderen Gläubigen und Andersdenkenden genutzt. Angesichts der zahlreichen Enthüllungen über Missbrauchsfälle in der Kirche widmete er die Ansprache in diesem Jahr einem Eingeständnis kirchlicher Verfehlungen. Dabei bekräftigte er, diese auch mit dem für Februar einberufenen Treffen mit den Spitzen der Bischofskonferenzen weltweit weiterhin bekämpfen zu wollen.



Bischof Bode spricht im Weihnachtsgottesdienst Missbrauchsfälle an

Der Osnabrücker katholische Bischof Franz-Josef Bode hat im Weihnachtsgottesdienst die vor kurzem bekanntgewordenen Missbrauchsfälle in seinem Bistum angesprochen. "In diesem Jahr erleben wir die tiefe Finsternis in besonderer Weise", sagte Bode am ersten Weihnachtstag im Osnabrücker Dom. Ein inzwischen 85-jähriger Priester hatte in den 60er bis 90er Jahren nach den bisherigen Erkenntnissen mehrere Kinder sexuell missbraucht.

"Ein Priester unseres Bistums hat sich schwerer sexueller Vergehen schuldig gemacht, die eine breite Spur des Unheils nach sich gezogen haben und es noch tun", sagte der Bischof. "Erst jetzt hat die Aussage einiger Opfer die Dinge aufgedeckt." Andere seien dadurch ermutigt worden, ebenfalls das Schweigen zu durchbrechen.

Erneut räumte Bode auch Versäumnisse und Fehler des Bistums ein. Nach seiner Pensionierung sei der Priester sogar zum zeitweiligen Leiter der Pfarrei und zum unterstützenden Priester ernannt worden. Dies habe er als Bischof selbst unterschrieben. "Dessen bin ich mir schmerzhaft bewusst, und ich bitte dafür um Vergebung und Entschuldigung." Das Bistum werde Konsequenzen ziehen, den Dingen an der Seite der Opfer weiter nachgehen und Hilfen suchen.



In Dachau gestorbener Priester kann seliggesprochen werden

Papst Franziskus hat den 1945 im Konzentrationslager Dachau ums Leben gekommenen Priester Richard Henkes als Märtyrer anerkannt und damit den Weg für dessen Seligsprechung geebnet. Der Geistliche sei "aus Hass auf den Glauben umgebracht" worden, heißt es in einer Vatikanmitteilung vom 22. Dezember zu insgesamt zwölf Papstdekreten für künftige Selige. Die übrigen künftig zur regionalen Verehrung empfohlenen Glaubenszeugen stammen aus Italien, Weißrussland, Spanien und Indien.

Der NS-Gegner Henkes hatte sich nach dem Ausbruch einer Typhus-Epidemie im Konzentrationslager Dachau mit Infizierten vom Rest der Gefangenen isolieren lassen, um sie zu pflegen. Im Februar 1945 erlag er dort selbst der Krankheit.

Für Seligsprechungsverfahren muss der Papst in der Regel eine medizinisch nicht erklärbare Heilung als Wunder anerkannt haben. Bei Märtyrern entfällt diese Voraussetzung. Die Diözese Limburg hatte 2003 das Seligsprechungsverfahren für den Pallottiner-Pater eröffnet, das nun zum Abschluss kam.



100. Geburtstag: 400 Menschen gedenken im Michel Helmut Schmidt

Mehr als 400 Menschen haben am 23. Dezember im Hamburger Michel an einer Mittagsandacht zum Gedenken an Helmut Schmidt teilgenommen. Der SPD-Politiker, Altkanzler, Buchautor und "Zeit"-Herausgeber wäre am 23. Dezember 100 Jahre alt geworden. Er war am 10. November 2015 im Alter von 96 Jahren gestorben. Die Trauerfeier für Hamburgs Ehrenbürger hatte knapp zwei Wochen später ebenfalls in der Hauptkirche St. Michaelis stattgefunden.

Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) bescheinigte Schmidt Gradlinigkeit und Kompetenz, die ihm über Parteigrenzen hinweg national und international Anerkennung gebracht habe. "Er hat unserem Land und unserer Stadt gedient und geholfen wie nur wenige andere Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg", sagte sie.

Pastor Alexander Röder erinnerte in seiner Ansprache an die Bedeutung der Musik im Leben Helmut Schmidts. Es sei Johann Sebastian Bach (1685-1750) gewesen, der ihn immer wieder auch in den Michel gezogen habe. Die Musik sei für Schmidt eine "Zwiesprache mit Gott" gewesen und habe ihn sein Leben lang begleitet und getröstet.

Stefan Herms, Vorstand der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, nannte den Altkanzler einen "streitbaren Christen". Zwar habe er stets eine kritische Haltung gegenüber den Kirchen gehabt, doch ihnen zugleich eine "relevante gesellschaftliche Funktion" zugesprochen. Gerade angesichts internationaler Herausforderungen habe Schmidt die Aufgabe der Kirchen darin gesehen, das friedliche Zusammenleben der Völker durch den interreligiösen Dialog zu befördern. "Schmidt sah den zentralen Zusammenhang zwischen Religionsfrieden und Weltfrieden", sagte Herms.



Pfarrer Prigge wechselt von Venedig nach Erfurt

Das evangelische Augustinerkloster in Erfurt bekommt einen neuen Pfarrer. Zum 1. Januar übernimmt Bernd Prigge die Pfarrstelle in einer der bedeutendsten Stätten der Reformation Mitteldeutschlands. Der 49-Jährige war in den vergangenen neun Jahren Pfarrer der lutherischen Gemeinde Venedigs. Prigge tritt die Nachfolge von Irene Mildenberger an, die bereits seit Sommer Pfarrerin in Bayreuth ist. Am 2. Februar soll Prigge offiziell ins Amt eingeführt werden.

Das Kloster, in dem Martin Luther (1483-1546) von 1505 bis 1511 als Mönch lebte, sei so etwas wie ein "evangelischer Wallfahrtsort", sagte Prigge dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er freue sich im neuen Amt auf die Zusammenarbeit mit Gemeinden jedweder Konfession, den Bildungseinrichtungen, der Stadt, dem Tourismus und der Kultur. "Das Kloster ist kein Museum, sondern hier sollen protestantischer Geist und Gastfreundschaft erlebbar sein", fügte Prigge hinzu.

Das Augustinerkloster ist heute eine evangelische Tagungs- und Begegnungsstätte mit Ausstellung und historischer Bibliothek. Mit rund 60.000 Besuchern und Gästen jährlich gehört das Kloster zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Erfurt und gilt als eine der wichtigsten Luther-Stätten weltweit.




Gesellschaft

Zwölf Glockenschläge für die Opfer


Gedenken am zweiten Jahrestag des Anschlags vom Berliner Breitscheidplatz
epd-bild/Christian Ditsch
Ein Großvater aus Berlin, eine junge Italienerin, eine Mutter aus Israel - drei von zwölf Todesopfern des Terroranschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016. Am zweiten Jahrestag wurde mit Kränzen, Schweigen und Glockenschlägen an sie erinnert.

Von stillem Gedenken am Vormittag bis zu Glockenschlägen für die Opfer zum Anschlagszeitpunkt am Abend: Berlin hat am 19. Dezember an die zwölf Toten der Terrorattacke auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz vor zwei Jahren erinnert. An dem 2017 eingeweihten Mahnmal für die Opfer wurden Kränze für die Toten aus sechs Ländern niedergelegt. Bei einer Gedenkandacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche rief Pfarrer Martin Germer am Abend jedes einzelne Opfer in Erinnerung. Für 20.02 Uhr waren bei reduzierter Beleuchtung und Stille auf dem Weihnachtsmarkt zwölf Glockenschläge des Glockenspiels im alten Turm der Kirche vorgesehen - symbolisch je ein Glockenschlag für jedes Opfer.

Vertreter der Bundesregierung wiesen am Jahrestag auf die nach dem 19. Dezember 2016 verbesserten Regelungen für Terroropfer hin. Angemahnt wurde vor dem Hintergrund mehrerer laufender Untersuchungsausschüsse eine weitere Aufarbeitung der Geschehnisse.

Für die Bundesregierung bezeichnete Regierungssprecher Steffen Seibert eine bessere Unterstützung der Opfer als zentral. Dies drücke sich auch aus in der Ernennung des Opferbeauftragten, des SPD-Bundestagsabgeordneten Edgar Franke. "Das alles macht das grausame Geschehen nicht ungeschehen", sagte Seibert. Es könne aber zusätzliches Leid nach der Tat verhindern. Die Gedanken seien am Jahrestag des Anschlags bei den Opfern und all jenen, für die das Leben nach dem 19. Dezember 2016 nicht mehr so sei wie vorher.

"Zu bürokratisch gehandelt"

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, er denke auch persönlich "immer wieder an diesen traurigen Tag zurück". Die Gebete und Gedanken seien an diesem Tag bei den Opfern und Hinterbliebenen. "Die Ereignisse in Straßburg haben auf schmerzliche Weise gezeigt, dass wir nicht darin nachlassen dürfen, uns gegen solchen menschenverachtenden Terrorismus zur Wehr zu setzen", fügte der Bundesinnenminister hinzu.

Kränze für die Opfer wurden am Vormittag niedergelegt unter anderem vom Opferbeauftragten sowie Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) und dem evangelischem Bischof Markus Dröge. Bei einer Gedenkandacht am Abend in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sprach Pfarrer Germer auch Versäumnisse bei der Betreuung der Opfer an. Es sei in den zurückliegenden zwei Jahren "vieles nicht geschehen, was aus heutiger Sicht nötig gewesen wäre". Dies habe zum Teil daran gelegen, dass es noch nicht die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen gegeben habe. "Es wurde oft aber auch zu bürokratisch und zu schematisch gehandelt", fügte Germer hinzu. Bei der Gedenkandacht wurde auch das Friedenslicht aus Bethlehem an die Anwesenden verteilt, und die Kerzen wurden später am Gedenkort abgestellt.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) warb dafür, dass alle Bundesländer Beauftragte für die Opfer von Terroranschlägen berufen. Bisher gebe es diese erst in fünf Bundesländern, sagte sie im ZDF-"Morgenmagazin". Der Opferbeauftragte Franke sagte dem SWR, der Staat habe aus den Versäumnissen nach dem Anschlag gelernt. Die psychologische Hilfe und Betreuung nach Anschlägen sei verbessert worden, und auch die finanziellen Hilfen wie Entschädigungen für Angehörige und Opfer seien deutlich aufgestockt worden. Insgesamt seien vier Millionen Euro an Opfer und Hinterbliebene ausgezahlt worden.

"Nicht in Angst verfallen"

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) rief dazu auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. Niemand könne ein Attentat ausschließen, sagte er im RBB-Inforadio. Worauf es aber ankomme, sei nicht "in Angst zu verfallen".

Bei dem Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 waren auf dem Berliner Weihnachtsmarkt nahe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zwölf Menschen aus Deutschland, Polen, Tschechien, der Ukraine, Israel und Italien getötet und mehr als 70 zum Teil schwer verletzt worden.



Überlebende der "Kindertransporte" erhalten Entschädigung

80 Jahre nach den Transporten jüdischer Kinder aus Nazi-Deutschland ins britische Exil können Überlebende jetzt Entschädigungszahlungen erhalten. Darauf habe sich die Jewish Claims Conference mit der Bundesregierung verständigt, teilte der jüdische Verband am 17. Dezember in Berlin mit. Der Präsident der Claims Conference, Julius Berman, sprach von einer "historischen Ankündigung".

Nach der Pogromnacht im November 1938 hatte das britische Parlament beschlossen, unbegleitete jüdische Kinder einreisen zu lassen, um sie vor der NS-Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Daraufhin wurden bis zum Kriegsausbruch 1939 aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei mehr als 10.000 Mädchen und Jungen ohne ihre Eltern nach Großbritannien gebracht, wo sie in Gastfamilien unterkamen. Jüdische Organisationen unterstützten die sogenannten Kindertransporte. In fast allen Fällen sahen die Kinder ihre Eltern nie wieder.

"Niemand kann sich den Schmerz auf den Bahnsteigen vorstellen, als die Kindertransporte begannen, und die außergewöhnlichen Schritte, die diese Eltern unternommen haben, um das Leben ihrer Kinder zu retten", sagte der Vizepräsident der Claims Conference, Greg Schneider. Mit der jetzigen Vereinbarung sei eine "schmerzliche Lücke der Entschädigungsregelungen" geschlossen worden.

Die 1951 gegründete Claims Conference vertritt die jüdische Gemeinschaft bei Verhandlungen zur Entschädigung von NS-Opfern. Dem internationalen Dachverband gehört auch der Zentralrat der Juden in Deutschland an. Unter anderem verhandelt die Claims Conference in jährlichen Gesprächen mit dem Bundesfinanzministerium über die Höhe monatlicher Beihilfen für jüdische NS-Verfolgte.



Flüchtlingsbürgen: Staat verlangt mehr als 21 Millionen Euro zurück

Während politische Bemühungen um eine Lösung für die Flüchtlingsbürgen andauern und viele Betroffene vor Gericht ziehen, zeigen neue Zahlen der Bundesregierung: In dem Streit geht es um mehr als 21 Millionen Euro - und die Summe dürfte noch wachsen.

Jobcenter fordern bundesweit von Flüchtlingsbürgen mindestens 21 Millionen Euro an Sozialleistungen zurück. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion hervor, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Demnach haben Jobcenter rund 2.500 Bescheide an Personen oder Initiativen verschickt, die sich zwischen 2013 und 2015 verpflichtet hatten, für den Lebensunterhalt syrischer Flüchtlinge aufzukommen.

Forderungen werden derzeit nicht eingetrieben

Allein auf Niedersachsen entfällt mit 7,2 Millionen Euro rund ein Drittel der bundesweit geforderten Erstattungen, wie es weiter hieß. Diese Summe verteilt sich auf 764 Kostenbescheide. Mit 750 Rechnungen an Flüchtlingsbürgen liegt Nordrhein-Westfalen knapp dahinter, dabei geht es um fast 5,7 Millionen Euro. Über eine Million Euro verlangen Jobcenter auch in Schleswig-Holstein, Hessen und Hamburg zurück, während in Brandenburg gerade einmal 57.000 Euro von zehn Verpflichtungsgebern erstattet werden sollen. Die Forderungen werden allerdings derzeit nicht eingetrieben, bis zu einer Klärung des Streits gilt eine sogenannte "befristete Niederschlagung".

Die von der Bundesregierung genannte Forderungssumme von 21 Millionen Euro bezieht sich den Angaben zufolge nur auf die 303 von der Bundesagentur für Arbeit gemeinsam mit den kommunalen Trägern eingerichteten Jobcenter. Nicht enthalten sind die 104 von Kreisen und kreisfreien Städten allein betriebenen Jobcenter, so dass sich das Volumen noch deutlich erhöhen dürfte. Hinzu kommen auch noch kommunale Sozialämter, die an Syrer gewährte Leistungen für Grundsicherung im Alter geltend machen - zum Beispiel in der Stadt Minden derzeit in 14 Fällen.

In den niedersächsischen Industrieregionen Wolfsburg (2,34 Millionen Euro) und Salzgitter (1,15 Millionen Euro) werden laut Bundesregierung bundesweit die jeweils größten Summen eingefordert. Danach folgen gleichauf mit knapp über 900.000 Euro die Jobcenter in den Universitätsstädten Gießen und Bonn. Noch darüber liegt der in der Übersicht des Bundesarbeitsministeriums nicht enthaltene ostwestfälische Kreis Minden-Lübbecke - das rein kommunale Jobcenter nannte dem epd auf Anfrage ein Forderungsvolumen von rund 990.000 Euro, das sich auf 61 Bescheide verteilt.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung äußerte sich auf epd-Anfrage "vorsichtig optimistisch", mit dem Bund bald zu einer politischen Einigung in dem Streit zu kommen. Der Bund habe nun Bereitschaft signalisiert, zur Entlastung der Bürgen einen gemeinsamen Lösungsvorschlag zu entwickeln, erklärten das NRW-Integrationsministerium und das NRW-Sozialministerium.

Seit fast zwei Jahren verschicken Jobcenter und Sozialämter Rechnungen an Einzelpersonen, Initiativen und Kirchengemeinden, die Verpflichtungserklärungen für syrische Flüchtlinge unterschrieben hatten. Zahlreiche Betroffene ziehen gegen die Kostenbescheide der Behörden vor Gericht. Denn die Geltungsdauer solcher Bürgschaften war damals ungeklärt: Während Länder wie Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen von einer Befristung bis zur Anerkennung der Syrer als Flüchtlinge ausgingen, galt die Verpflichtung nach Ansicht der Bundesregierung auch danach fort. Erst das Integrationsgesetz bestimmte 2016 eine Fünf-Jahres-Frist, die für "Altfälle" auf drei Jahre reduziert wurde.

Ungeklärter Konflikt beschäftigt Gerichte

Der ungeklärte Konflikt beschäftigt seit längerem auch die Verwaltungsgerichte. Allein in Niedersachsen laufen derzeit 482 solcher Verfahren, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes ergab. Das Verwaltungsgericht Köln meldete allein 100 Klagen aus Bonn. Rund 100 Bürgen suchen ihr Recht vor dem Verwaltungsgericht Minden, das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat 77 Fälle zu bearbeiten. Während das Verwaltungsgericht Köln jüngst mehreren Bürgen recht gab, weil die Behörden deren finanzielle Leistungsfähigkeit offenbar nicht ausreichend geprüft hatten, milderte das Verwaltungsgericht Gießen am Mittwoch die Forderungen lediglich um Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung ab.



Debatte um Moschee-Steuer


Freitagsgebet in einer Moschee
epd-bild/Peter Jülich
Moscheen in Deutschland sind häufig abhängig von ausländischen Geldgebern. Die Imame des größten Islamverbands Ditib etwa werden aus der Türkei entsandt. Im Gespräch ist deshalb eine Moschee-Steuer, die für finanzielle Selbstständigkeit sorgen soll.

Die liberale Muslimin Seyran Ates und Politiker der großen Koalition plädieren für die Einführung einer Moschee-Steuer für Muslime. Mit einer solchen Abgabe sollten die Muslime die Finanzierung ihrer Gemeinden verstärkt selbst organisieren, sagte Ates, Gründerin der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, dem Online-Portal der "Welt" (26. Dezember). Für Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) wäre eine Moschee-Steuer ein "wichtiger Schritt", um den Islam in Deutschland von ausländischer Einflussnahme zu emanzipieren.

Innenministerium verweist auf rechtliche Hürden

Das Bundesinnenministerium hält eine solche Abgabe für denkbar, verweist aber auf rechtliche Hürden. Der Vorschlag wird bereits seit einiger Zeit diskutiert.

Viele deutsche Moscheen greifen wegen fehlender Finanzmittel auf Imame aus dem Ausland zurück. Beim größten Moschee-Verband Ditib, der mit der türkischen Religionsbehörde in Ankara verbunden ist, werden Imame aus der Türkei entsandt.

Der für die Deutsche Islam Konferenz zuständige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, sagte der "Welt", Ziel müsse sein, "dass Moscheen in Deutschland nicht von Finanzhilfen aus dem Ausland abhängig sind". Eine Moschee-Steuer analog zur Kirchensteuer könne "eine Lösung" sein, sei aber Sache der Religionsgemeinschaft. Voraussetzung für die Steuer wäre, dass die Moscheen die Anforderungen des Religionsverfassungsrechts an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts erfüllen müssten.

In Deutschland besitzen vor allem die evangelische und die katholische Kirche den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Damit verbunden ist das Recht des Steuereinzugs bei den Mitgliedern.

Auch der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka zeigte sich offen für die Einführung einer Moscheesteuer. "Die Idee, die Finanzierung von muslimischen Gemeinden in Deutschland von ausländischen Geldgebern zu entkoppeln, halte ich für diskussionswürdig", sagte er der "Welt".

Dadurch ließe sich die Gefahr des Einflusses von außen und einer Radikalisierung verringern. "Bis zu einem fertigen Konzept dürfte es aber noch ein weiter Weg sein, den wir nur mit den Ländern gemeinsam gehen können, denn Kirchensteuern sind Ländersache", sagte Lischka.

Unions-Fraktionsvize Frei erklärte der "Welt", die Moschee-Steuer würde es Muslimen erlauben, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen. "Der Weg zur Erhebung einer solchen Steuer ist bereits heute grundsätzlich offen", betonte Frei. Der Justiziar der Unions-Fraktion, Michael Frieser (CSU), sagte, er gehe davon aus, dass eine solche Steuer für mehr Transparenz sorgen werde.

Auch die Grünen können einer Moschee-Steuer Positives abgewinnen. "Es wäre klug und höchste Zeit, dass wir für die muslimischen Gemeinden in Deutschland unabhängige Finanzierungsquellen finden", erklärte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Damit würde der schädliche Einfluss durch politisch gesteuerte Gelder und radikale Prediger aus der Türkei oder den Golfstaaten unterbunden.



Grübel fordert Anstrengungen zur Rückkehr von Jesiden in Nordirak


Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode erstmals einen Beauftragten für Religionsfreiheit bestellt: Markus Grübel.
epd-bild/Jürgen Blume

Der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), hat internationale Anstrengungen für die Rückkehr von Jesiden in den Nordirak gefordert. "Die Weltgemeinschaft sollte den Jesiden die Möglichkeit geben, wieder in ihre angestammten Siedlungsgebiete zurückzukehren", sagte Grübel dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Er wolle sich nicht damit zufrieden geben, "dass die Landkarte des Nordiraks dauerhaft vom IS gezeichnet ist, der Jesiden und Christen vertrieben hat".

Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode erstmals einen Beauftragten für Religionsfreiheit bestellt. Der aus Baden-Württemberg stammende Grübel hat sich nach eigenen Worten in den ersten Monaten im Amt im Schwerpunkt mit dem Nordirak befasst. "Wir fragen uns intensiv, was wir tun können, um Christen und Jesiden dort wieder ein kirchliches oder religiöses Leben zu ermöglichen", sagte er. Den Menschen dort sei alles genommen worden. "Sie brauchen Baumaterial, Saatgut, landwirtschaftliche Maschinen, Handwerkszeug, damit sie wieder eine Existenz aufbauen können", sagte der CDU-Politiker.

"Jesiden sind eher zurückhaltend"

Auf die Frage, ob er sich in absehbarer Zeit eine Rückkehr von Flüchtlingen in die umkämpfte Region vorstellen könne, sagte er, Christen seien sogar schon zurückgekehrt. "Die Jesiden sind eher zurückhaltend", sagte Grübel. Sie würden dem Frieden nicht trauen und überlegen, nach Europa oder Nordamerika zu gehen. "Das wäre aus meiner Sicht eine Tragödie, weil in der Diaspora so eine Religion nur schwer überleben kann", sagte Grübel.

Mit Blick auf das bevorstehende Weihnachtsfest brachte Grübel auch Sorge um Christen in anderen Ländern zum Ausdruck. "Überall dort, wo die Christen in der Minderheit sein, müssen sie vorsichtig sein", sagte er. In der Vergangenheit habe es Anschläge an Weihnachten gegeben. Die Gefahr sei dann besonders hoch, weil sich viele Menschen in den Kirchen versammelten. "Mit dieser Gefahr muss man auch in diesem Jahr rechnen", sagte der Beauftragte, dessen Amt zum Entwicklungsministerium gehört.

epd-Gespräch: Corinna Buschow und Mey Dudin


Vereinte Nationen nehmen Flüchtlingspakt an

Die UN reagieren mit einem rechtlich nicht bindenden Pakt auf die globale Flüchtlingskrise. Das Abkommen soll mehr finanzielle Hilfe der reichen Länder für arme Aufnahmestaaten von Flüchtlingen mobilisieren.

Die UN-Vollversammlung hat erwartungsgemäß mit großer Mehrheit den Globalen Pakt für Flüchtlinge angenommen. 181 Länder, darunter Deutschland, stimmten am 17. Dezember in New York für das rechtlich nicht bindende Abkommen. Nur die USA und Ungarn votierten dagegen. Drei Staaten enthielten sich der Stimme: sie Dominikanische Republik, Eritrea und Libyen.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, sagte, alle Staaten müssten sich zusammen um die Lösung der Flüchtlingskrisen bemühen. Das Ja zu dem Abkommen stärke die Kooperation in einer zersplitterten Welt.

Die UN wollen mit dem Pakt die Lasten der vielen Flüchtlingskrisen "besser, fairer und gerechter" verteilen, betonte Grandi. Fast 70 Millionen Menschen befinden sich laut den UN auf der Flucht, das sei der höchste Stand seit dem Zweiten Weltkrieg. Die große Mehrheit der Flüchtlinge hat den Angaben nach in armen Ländern Schutz gefunden.

Konkrete Ziele

Der Pakt gibt nun vier konkrete Ziele vor, die alle freiwillig erreicht werden sollen. Reiche Länder sollen finanzielle und andere Hilfen für schwache Länder bereitstellen, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Flüchtlinge sollen leichter etwa Zugang zu Bildungs- und Gesundheitssystemen in den Aufnahmeländern erhalten.

Besonders Hilfsbedürftige unter den Flüchtlingen, etwa alleinstehende Mütter mit Kindern, sollen vermehrt durch Härtefallaufnahme in sichere Länder gebracht werden. Durch diese Programme siedeln Flüchtlinge vor allem in wohlhabende Staaten um. Zudem sollen Flüchtlinge freiwillig und sicher in ihre Heimatstaaten zurückkehren können, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Laut Pakt soll ab 2019 alle vier Jahre ein Globales Flüchtlingsforum auf Ministerebene stattfinden, dort werden nach den Plänen die finanziellen und anderen Zusagen gemacht. Ausgearbeitet wurde der Pakt in den vergangenen zwei Jahren von Vertretern des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und den UN-Mitgliedsländern.

Der Pakt enthält laut dem Berliner UNHCR-Büro "keine neuen rechtlichen Verpflichtungen, die Deutschland nicht schon durch die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und anderer internationaler Abkommen erfüllt". Die nationale Souveränität der einzelnen Staaten bleibe gewahrt.

Sachliche Diskussion

Mitgliedstaaten, die den Pakt annehmen, bestimmten weiterhin unter Achtung ihrer bestehenden internationalen Verpflichtungen selbst, welche Flüchtlingspolitik für ihr Staatsgebiet sinnvoll sei, hieß es. Der neue Pakt beruht auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die Rechte der Geflohenen und Pflichten der Staaten festschreibt.

Ein diplomatischer Vertreter der Bundesregierung hatte vor der Abstimmung in der Vollversammlung für die Annahme des Flüchtlingspaktes geworben. Das Abkommen biete eine große Chance, die Folgen der globalen Flüchtlingskrise zu meistern.

Zu unterscheiden vom Globalen Pakt für Flüchtlinge ist der Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration. Beide Pakte gehen auf die New Yorker Erklärung von 2016 der UN zurück, sie richten sich aber an unterschiedliche Zielgruppen. Auf der einen Seite die Flüchtlinge: Sie fliehen vor Gewalt, Konflikt und Unterdrückung aus ihren Ländern. Auf der anderen Seite Migranten: Sie wandern aus wirtschaftlichen Gründen in andere Staaten aus.

Während der Migrationspakt, der vergangene Woche in Marrakesch angenommen wurde, heftige Debatten auslöste, verlief die Diskussion über den Flüchtlingspakt weitgehend sachlich.




Soziales

"Sie geben Geborgenheit und Gemeinschaft"


Bundespräsident Steinmeier besuchte die Wärmestube in der Heilig-Kreuz-Kirche
epd-bild/Rolf Zöllner
Der Bundespräsident und seine Frau besuchen eine Wärmestube für Obdachlose in Berlin, schmieren Stullen und teilen Suppe aus. Die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer sei unersetzlich, sagt Steinmeier.

Detlef kommt jede Woche hierher - "wenn die Beine mitmachen", wie er sagt. In der Wärmestube für Obdachlose und Einkommensarme in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche fühlt sich der 60-jährige Berufsinvalide willkommen und geborgen. Dort gibt es immer mittwochs von 12 bis 15 Uhr Kaffee, Tee, Suppe und belegte Brote umsonst, dazu Musik, eine Kleiderkammer und vor der Tür steht ein Caritas-Arztmobil, in dem sich die Gäste ohne Versichertenkarte behandeln lassen können. Bis zu 120 Menschen nutzen wöchentlich das Angebot.

An diesem 19. Dezember bekommt Detlef seine Suppe vom deutschen Staatsoberhaupt ausgeschenkt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender gekommen, um für eine Stunde mitzuhelfen. Das Ehepaar schmiert Stullen, teilt Suppe aus, spricht mit den Gästen und Helfern. Die Einrichtung in Kreuzberg gehört zur Berliner Kältehilfe, einem Netzwerk von Beratungsstellen, Notübernachtungen, Nachtcafés, Suppenküchen und Kältebussen, das Obdachlose vor dem Erfrieren retten soll und ihnen ein bisschen Würde zurückgeben will. Schätzungsweise 4.000 bis 10.000 Menschen leben in der Bundeshauptstadt auf der Straße, immer mehr von ihnen kommen aus Osteuropa.

Steinmeier sagt, er sei auch hier, um sich bei den ehrenamtlichen Helfern für ihren Einsatz zu bedanken: "Es bedarf Menschen wie ihnen, denen das Schicksal anderer nicht gleichgültig ist." Bei der Bekämpfung von Obdachlosigkeit sei zwar die Politik gefragt und seien staatliche Hilfen notwendig. "Das alles wird aber nicht ersetzen, was sie als Ehrenamtliche leisten." Menschen bekämen in der Wärmestube nicht nur Brote und Suppe, sondern Geborgenheit und Gemeinschaft - ein Gefühl, das für viele, die auf der Straße leben müssen, so selten geworden sei, betont der Bundespräsident.

Schnittstelle zwischen Arm und Reich

Den Gästen der Einrichtung wünscht Steinmeier - der einst über das Thema Obdachlosigkeit promoviert hat - die Möglichkeit, einen Ausstieg aus dem Leben auf der Straße zu finden. Berlin habe sich in den vergangenen Jahren nicht nur zur Schnittstelle zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Arm und Reich entwickelt, sagt Steinmeier. Während einerseits Menschen aus ganz Europa und der Welt in die Stadt kämen, um zu investieren oder Wohnungen zu kaufen, strandeten anderseits viele Menschen besonders aus Osteuropa dort auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben und landeten auf der Straße.

Das Mitgefühl mit Armen wie ihm nimmt Detlef dem Bundespräsidenten ab. "Wenn er das so sagt, glaube ich ihm das", sagt der gelernte Aufzugsmonteur. Ein Unfall warf den 60-Jährigen vor Jahren aus dem Berufsleben und katapultierte ihn an den Rand der Gesellschaft. Mit 300 Euro monatlich zum Leben zählt er zu den Einkommensarmen. Er hat zwar eine kleine Wohnung in Berlin-Hellersdorf, aber ohne Suppenküchen, Wärmestuben und Kleiderkammern käme er nur schlecht zurecht. Als nächstes freut sich Detlef auf das Weihnachtsessen für Obdachlose und Bedürftige von Entertainer Frank Zander am Freitag im Berliner Estrel-Hotel. Und Heiligabend geht es zum Kiezfrühstück in den Prenzlauer Berg. "So habe ich meine Termine."

Besuche von Obdachloseneinrichtungen gehören zur Tradition der Bundespräsidenten. Vergangenes Jahr besichtigte Steinmeier vor Weihnachten Deutschlands älteste Bahnhofsmission am Berliner Bahnhof Zoo. Noch als Außenminister schmierte er dort bereits ehrenamtlich Brote. Auch war er schon mit dem Kältebus der Berliner Stadtmission unterwegs. Bereits sein Vorgänger, Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, war wiederholt zu Besuch in Nachtcafes und Suppenküchen der Berliner Kältehilfe.

Von Markus Geiler (epd)


Fachkräfte können ab 2020 kommen

Die Bundesregierung hat das Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften beschlossen. Ab 2020 sollen auch Ausländer mit Berufsabschluss nach Deutschland kommen können. Der Bundestag muss jetzt beraten. Die Union meldet schon Änderungsbedarf an.

Die Bundesregierung hat den Weg für die Einwanderung von Fachkräften mit Berufsabschlüssen frei gemacht. Am 19. Dezember beschloss das Bundeskabinett das sogenannte Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Danach soll nicht mehr nur Hochqualifizierten und Akademikern das Arbeiten in Deutschland erlaubt sein, sondern auch beruflich Qualifizierten. Ab 2020 soll das nach den Plänen der Regierung möglich sein. Zunächst muss das Gesetz aber durch den Bundestag. Aus der Union wurde bereits weiterer Änderungsbedarf angemeldet - insbesondere, was die geplante neue Duldung für abgelehnte Asylbewerber betrifft. Die Opposition kritisierte die geplanten Regelungen als nicht weitreichend genug.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und die damit verbundene, zuletzt in ein eigenes Gesetz ausgegliederte Regelung für die Beschäftigungsduldung ist in Kooperation zwischen Bundesinnen-, Bundesarbeits- und Bundeswirtschaftsministerium entstanden. Der Kabinettsbeschluss markiere einen historischen Tag, weil man 30 Jahre einer ideologischen Debatte über ein Einwanderungsgesetz hinter sich lasse, erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Berlin. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, die deutsche Wirtschaft brauche Fachkräfte aus Ländern außerhalb der EU. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte: "Es ist ein Gesetz, das einlädt."

Beschäftigungsduldung

Es ist auch ein Gesetz, das nochmals "geschärft" wurde, wie es Innenminister Seehofer ausdrückte. Bis zum 18. Dezember hatte die Koalition um das Paket gerungen. Verschärft wurde auf den letzten Metern die sogenannte Beschäftigungsduldung, die neu eingeführt werden soll für abgelehnte Asylbewerber, die nicht abgeschoben werden können und einen Job haben. Statt ursprünglich zwei Jahre soll der Status 30 Monate gelten, bevor die Betroffenen einen Anspruch auf ein dauerhaftes Bleiberecht haben.

Der neue Status setzt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Umfang von 35 Stunden pro Woche voraus. Bereits vor Eintritt in die Beschäftigungsduldung müssen die Betroffenen mindestens 18 Monate in diesem Umfang gearbeitet haben, Deutschkenntnisse haben und dürfen nicht straffällig geworden sein. Bis zum dauerhaften Aufenthaltsrecht vergehen so also mindestens vier Jahre.

Die Minister wollten damit Befürchtungen in der Union entgegentreten, die Regelung könne einen Pull-Effekt auslösen, also jene anziehen, die es mit einem Asylantrag versuchen, aber eigentlich in Deutschland arbeiten wollen. Die jetzt gefundene Regelung könne das nicht verursachen, zeigte sich Heil überzeugt. Seehofer sagte, das Paket sei dazu da, illegale Migration zu verhindern, indem es eben die Arbeitsmigration regele.

Zudem wurde die Regelung für Geduldete bis zum 30. Juni 2022 befristet. Kritikern in der Union reicht das noch nicht. Im parlamentarischen Verfahren werde man mit der SPD über eine Verkürzung der Geltungsdauer reden, kündigte der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" an.

Vorrangprüfung fällt weg

Um Arbeitskräfte anzulocken sieht das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vor, die bislang geltende Beschränkung auf Engpassberufe fallenzulassen. Auch die sogenannte Vorrangprüfung, nach der deutsche oder EU-Bürger bei der Stellenbesetzung bevorzugt werden müssen, soll nicht mehr gelten. Ausländern soll zudem erlaubt sein, ein halbes Jahr nach Deutschland zu kommen, um hier einen Job oder einen Ausbildungsplatz zu suchen. Um die Fachkräfteeinwanderung zu erleichtern, sollen die Verfahren zur Anerkennung von Berufsabschlüssen und zur Erteilung der nötigen Visa beschleunigt werden.

Die Opposition zeigte sich von dem neuen Regelwerk nicht überzeugt. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt bezeichnete es als "detailversessene Groko-Minimallösung". Einwanderung bleibe damit bürokratisch. Auch der FDP-Politiker Johannes Vogel kritisierte eine "Verzettelung im Klein-Klein". Er schlug die Einführung eines Punktesystems und eine Zusammenführung der Aufenthaltstitel in der Blue Card vor. Die AfD forderte strengere Regeln für die Einreise. Es brauche ein Gesetz, "das Einwanderung regelt und beschränkt", sagte der AfD-Innenpolitiker Lars Herrmann.



Giffey stellt 300-Millionen-Euro-Programm für Erzieherberuf vor


Franziska Giffey
epd-bild/Rolf Zöllner
Kein Geld während der Ausbildung, schlechte Bezahlung in einem anstrengenden Job - viele junge Leute schrecken davor zurück, eine Erzieher-Ausbildung zu machen, obwohl sie eigentlich gern in dem Beruf arbeiten würden.

Mit neuen Zahlen und viel Schwung kam Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) am 18. Dezember in die Ruth-Cohn-Schule in Berlin, um ihr Bundesprogramm für die Erzieher-Ausbildung vorzustellen. Die Schule bildet die Fachkräfte aus, die in Kitas und Grundschulen gebraucht werden. Schon in sieben Jahren werden bundesweit rund 190.000 Stellen unbesetzt bleiben, wenn sich nichts ändert, im Jahr 2030 knapp 200.000.

Von den ernsthaften Interessenten für den Beruf, entscheiden sich nach einer Allensbach-Umfrage zwölf Prozent gegen eine Ausbildung, weil sie, anders als in den meisten anderen Berufen, in der Ausbildungszeit kein Geld bekommen - oder sogar Schulgeld zahlen müssen. Mit einem Modellprogramm des Bundes will Giffey nun dafür sorgen, dass 5.000 angehende Erzieher der nächsten beiden Jahrgänge im ersten Ausbildungsjahr 1.140 Euro, im zweiten 1.202 und im dritten 1.303 Euro pro Monat bekommen. Der Bund erstattet dem Schulträger im ersten Jahr alles, im zweiten 70 und im dritten 30 Prozent der Summe. Von Februar 2019 an können sich Fachschulen und Kitas für das Programm bewerben.

Geld gibt es außerdem für mehr Praxisanleiter in den Kitas und für Erzieherinnen, die sich weiterqualifizieren und mehr verdienen wollen. Der Bund zahlt einen Lohnaufschlag von 300 Euro, befristet bis zum Jahr 2022.

Beruf attraktiver machen

Insgesamt stellt das Programm 300 Millionen Euro zusätzlich für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern bereit. Es soll dazu beitragen, die zu erwartende Personallücke zu verkleinern. Giffey forderte die Länder und Kommunen auf, ihren Beitrag zu leisten, um die Ausbildung attraktiver zu machen. Die Familienminister der Länder haben sich darauf verständigt, das Schulgeld abzuschaffen. Weiteres Ziel ist, die Ausbildung zu vergüten. Bisher ist dies die Ausnahme. Selbst in den an der Spitze liegenden Ländern Baden-Württemberg, Hamburg und Berlin erhalten nur rund ein Drittel der Fachschülerinnen und Fachschüler eine Ausbildungsvergütung. Gegenwärtig befinden sich bundesweit knapp 38.300 Fachschüler und Fachschülerinnen in einer Erzieher-Ausbildung.

Giffey erhofft sich von dem Bundesprogramm einen Impuls für eine dauerhafte Attraktivitätssteigerung des Erzieher-Berufs. "Wir werden die Erzieher-Ausbildung konkurrenzfähig machen", sagte die Ministerin und hielt allen Kritikern entgegen: Statt zu reden, müsse man handeln. Das Modellprogramm zeige, wie es gehen könne - aber es müssten sich viele auf den Weg machen, auch in den Ländern. Für sie stehe nicht an erster Stelle, wer zuständig sei, sagte Giffey, sondern die "nationale Zukunftsaufgabe", rund drei Millionen Kita-Kindern unabhängig von ihrer Herkunft den Weg ins Leben zu ebnen. Dafür brauche man gutes Personal.

Giffey hatte die Fachkräfteoffensive bereits bei der Verabschiedung des sogenannten "Gute-Kita-Gesetzes" angekündigt. Insgesamt stellt der Bund in den nächsten Jahren 5,5 Milliarden Euro für mehr Qualität und weniger Gebühren in den Kindertagesstätten bereit sowie eine weitere Milliarde für den Ausbau von 100.000 zusätzlichen Plätzen. Hinzu kommt nun das Modellprogramm für die Erzieher-Ausbildung.

Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg (CDU), begrüßte die Fachkräfteoffensive, nannte das Bundesprogramm aber zugleich "einen Tropfen auf den heißen Stein". Um mehr Fachkräfte in die Kitas zu bekommen, müssten Länder, Kommunen, Träger und Verbände gemeinsam für eine Ausbildungsvergütung und bessere Arbeitsbedingungen sorgen, erklärte Weinberg.

Von Bettina Markmeyer (epd)


Organspende: Alternative zur Widerspruchslösung vorgelegt



epd-bild / Rolf Zöllner

Im Bundestag hat sich eine parteiübergreifende Parlamentariergruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und den CSU-Politiker Stefan Pilsinger auf einen gemeinsamen Vorschlag zur Neuregelung der Organspende geeinigt. Danach sollen sich die Bürger alle zehn Jahre bei der Ausgabe des Personalausweises zu ihrer Organspendebereitschaft äußern, wie Baerbocks Büro am 18. Dezember in Berlin bestätigte. Ein Gesetzentwurf soll im Februar vorliegen.

Mit der wiederkehrenden Befragung zur Organspendebereitschaft legt die Gruppe einen Alternativvorschlag vor zur Widerspruchslösung, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach favorisieren. Danach würde jeder Bürger automatisch Organspender, der nicht widerspricht. Bisher gilt in Deutschland die umgekehrte Regelung.

Baerbock erklärte, "dass jeder automatisch zum Spender wird, wenn er nicht widerspricht, ist rechtlich problematisch. Es greift zudem die Würde jedes Einzelnen an." Klar sei aber auch, dass gehandelt werden müsse. Noch immer stürben Menschen auf der Warteliste.

Dem Vorschlag von Baerbock und Pilsinger zufolge sollen die Bürger bei der Pass-Beantragung ausführliche und unabhängige Informationen über Organspenden von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ausgehändigt bekommen. Sie können sich persönlich von der BZgA beraten lassen oder ihren Hausarzt befragen.

Spahn stieß Debatte an

Bei der Ausweisabholung muss sich jeder entscheiden, ob und welche Organe er oder sie spenden will, ob er kein Spender sein will oder ob er sich aktuell nicht entscheiden will. Geklärt werden soll dann auch, wer im Unglücksfall entscheiden soll. Die Gruppe macht auch Vorschläge, wie die Beratungsgespräche abzurechnen sind und die Krankenhäuser Zugriff auf die nötigen Informationen erhalten.

Die Gruppe geht gegenwärtig davon aus, dass sie mehr Abgeordnete hinter sich hat als Spahn und Lauterbach für die Widerspruchslösung. Nach Informationen der Funke-Zeitungen zählen unter anderen die früheren Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Ulla Schmidt (SPD) sowie die Parteichefin der Linken, Katja Kipping, zu den Unterstützern.

Pilsinger sagte den Zeitungen, es müsse auch möglich sein, seine Entscheidung jederzeit ändern zu können. Er sei zuversichtlich, dass der Vorschlag auf große Resonanz stoße. je mehr abgeordnete sich damit befassten, umso größer werde die Zustimmung.

Der Bundestag hatte sich Ende November in einer Orientierungsdebatte erstmals mit der Neuregelung der Organspende befasst. Angestoßen worden war sie durch Spahns Forderung nach einer Widerspruchslösung. In Deutschland warten mehr als 10.000 Menschen auf Spenderorgane. Die Zahl der Organspenden hatte mit knapp 800 im vorigen Jahr einen neuen Tiefstand erreicht.




Medien & Kultur

Rechtsanwältin sieht in Knabenchören eine Diskriminierung


Knabenchöre bei einem Auftritt in Leipzig 2012
epd-bild / Matthias Knoch
Zu Weihnachten haben traditionelle Knabenchöre ihre großen Auftritte. Auch einige Mädchen wären gern dabei. Dass sie nicht mitsingen dürfen, will eine Anwältin aus Berlin nicht länger hinnehmen.

Für die Berliner Rechtsanwältin Susann Bräcklein ist die Sache klar: Dass in Knabenchören wie den berühmten Leipziger Thomanern keine Mädchen singen dürfen, ist ihrer Ansicht nach ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Wenn Mädchen keinen Zugang zu Knabenchören hätten, die staatlich gefördert würden, sei das eine Diskriminierung, sagte die Juristin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Musikwissenschaftler sehen das in Teilen anders und argumentieren vor allem damit, dass Knabenstimmen ein ganz eigenen Klang hätten.

Bräcklein beschäftigt sich derzeit mit Fällen, bei denen Mädchen von Spitzenchören abgelehnt wurden, darunter der Leipziger Thomanerchor. Sie beruft sich dabei auf Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes, der Benachteiligung unter anderem aufgrund des Geschlechts verbietet.

Anwältin: "Mädchen können genauso singen"

Gerade vor Weihnachten seien die traditionellen großen Knabenchöre in Kirchen und im Fernsehen präsent, sagte Bräcklein mit Blick auf festliche Auftritte etwa des Leipziger Thomanerchors, des Dresdner Kreuzchors, des Tölzer und des Windsbacher Knabenchors sowie der Regensburger Domspatzen. Mädchen, die ebenfalls Bach-Motetten, Schütz oder Mozart singen wollten, verstünden nicht, wieso das nur ihren Brüdern möglich sein solle. Ihnen werde suggeriert, Mädchen könnten das nicht. "Genau das stimmt aber nicht. Mädchen können genauso singen", betonte die Anwältin.

Musikwissenschaftler und Chor-Verantwortliche argumentieren, dass gerade Knabenchöre einen unverwechselbaren Klang besitzen. "Man kann Knabenstimmen als ein Instrument mit bestimmten Klangeigenschaften betrachten", sagte die Berliner Musikwissenschaftlerin Ann-Christine Mecke dem epd. Sie zitiert Untersuchungen, wonach der unterschiedliche Klang der Stimmen von Jungen und Mädchen hör- und messbar ist. Allerdings sei der Unterschied "kleiner, als viele behaupten".

Hochschulprofessor Schäfertöns widerspricht

Entschieden äußerte sich dazu laut Bräcklein auch der Dekan der Musikfakultät der Universität der Künste Berlin, Reinhard Schäfertöns. Der Hochschulprofessor schrieb der Anwältin: "Niemals kann ein Mädchen in einem Knabenchor mitsingen. So, wie niemals eine Klarinettistin in einem Streichquartett wird mitspielen können." Ein solches Recht könnten sich Musiker auch nicht juristisch erstreiten.

Auch Mecke hob hervor: "Wie Chöre besetzt werden sollten, ist eine künstlerische - und im Falle von Kindern auch eine pädagogische - Entscheidung, keine juristische." Der Staat sollte jedoch darauf achten, dass Mädchen und Jungen gleiche Möglichkeiten haben, sich singend auszudrücken. Insofern würde sie sich freuen, wenn die von Bräcklein angestoßene Debatte zu einer "sachlicheren" Betrachtung von Knaben- und Mädchenstimmen und "weniger Klischees und Mythen" führen würde, sagte die Musikwissenschaftlerin und Dramaturgin.

Anatomische Unterschiede, die sich auf den Klang der Stimme und "vielleicht auch auf den Klang der Gruppe" auswirkten, räumte Bräcklein ein. Rechtlich spielten diese jedoch keine Rolle, sagte sie. Der Unterschied sei zwar hörbar, aber nur "subtil", nur für Experten. Und auch das vielfach angeführte Argument, dass für Jungen ein anderes Repertoire komponiert worden sei als für Mädchen, will sie nicht gelten lassen: Das Argument der Werktreue sei relativ, stimmliche Besetzungen würden oftmals verändert.

Es sei schon problematisch, die Diskussion allein aus der Perspektive der Hörer zu führen: "Primär sollte es um die Grundrechtsverwirklichung von Kindern gehen", unterstrich Bräcklein. "Es handelt sich hier ja nicht um Baudenkmäler." Die bislang in den Knabenchören allein Jungen vorbehaltenen Ausbildungs- und Auftrittschancen sollten beiden Geschlechtern gehören, forderte sie.

"Die bekannten Knabenchöre müssen sich bei einer Öffnung natürlich umstellen. Hier sehe ich schon die Gefahr des reflexhaften Widerstands", sagte Bräcklein. Doch müssten beim Nachwuchs auch Mädchen gleichermaßen berücksichtigt und gefördert werden. Sie appellierte an die Führungskräfte in den Chöre, Traditionen mutig infrage zu stellen. Das würde auch gerichtliche Auseinandersetzungen ersparen.

Von Renate Kortheuer-Schüring (epd)


"Ein schöner Elchundselberwelch" - Der Dichter und Humorzeichner F.W. Bernstein ist tot


F.W.Bernstein 2013
epd-bild / Thomas Lohnes
Fritz Weigle alias F. W. Bernstein gehörte zu den Großmeistern der Neuen Frankfurter Satiriker-Schule. Mit Robert Gernhardt, F.K. Waechter und Hans Traxler hat er die deutsche Humorlandschaft umgepflügt. Nun ist er im Alter von 80 Jahren gestorben.

F.W. Bernstein liebte Molche, Elche und Engel und ließ sich zu den verrücktesten Reimen anregen. Er mochte Buchstabendreher wie bei "Erch und Flosch" und betätigte sich gerne als "Abtzeichner". Sein berühmter Zweizeiler "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche", der Hans Traxler zum Entwurf für das Wappentier der Frankfurter Satiriker inspirierte, "gehört zur kulturellen Folklore", wie Bernstein es selbst formulierte. "Das soll mir erst mal einer nachmachen!". Am 20. Dezember starb der Humorist und Karikaturist nach langer Krankheit im Alter von 80 Jahren.

Als Fritz Weigle wird er am 4. März 1938 in Göppingen geboren. Nach dem Abitur studiert er Kunst in Stuttgart und Berlin, wo er auch Robert Gernhardt kennenlernt. In dieser Zeit legt er sich das Pseudonym F. W. Bernstein zu, "um meinem unverständlichen schwäbischen Namen zu entgehen". 1964 heuert er zusammen mit Gernhardt in Frankfurt am Main bei der satirischen Monatszeitschrift "Pardon" an und versorgt später das Nachfolgeblatt "Titanic" regelmäßig mit Versen und Zeichnungen.

Bürgerliche Laufbahn

Daneben schlägt er eine bürgerliche Laufbahn ein: 1966 tritt er in Frankfurt in den Schuldienst ein, 1972 wird er Kunsterzieher an der Pädagogischen Hochschule in Göttingen. Dort legt vor allem Wert auf die Vermittlung der Grundlagen des Zeichnens: Architektur, Figuren, Proportionen.

"Bevor man deformiert, sollte man die realistische Darstellung beherrschen, sonst landet man unweigerlich in einer Sackgasse", ist Bernstein überzeugt. 1984 wird er auf die weltweit erste Professur für Karikatur und Bildgeschichte an der Berliner Hochschule der Künste berufen, die er bis zu seinem Ruhestand 1999 innehat.

Seine Schüler hängen ihm Girlanden des Respekts und der Bewunderung um: "Er ist ein schöner Elchundselberwelch", lobte etwa Wiglaf Droste. "Er ist ein Molchundselbersolch, ein Spieler, dem sich die Sprache hingibt, der sie aber, und das macht ihn einzig, nicht immerzu gefällig und fügsam haben will, sondern brüchig, sperrig und voller Überraschungen."

"Von der Feder in die Ferne"

Und der frühere "Titanic"-Chef Oliver Maria Schmitt hob hervor: F. W. Bernstein sei kein politischer Künstler, sondern ein Flaneur und Weltergründer, "der sich von seinem Strich entführen, von der Feder in die Ferne tragen lässt."

Bernstein nahm die Schwächen seiner Mitmenschen aufs Korn, schaffte Kontraste zu historischen Figuren und spürte dem Allzumenschlichen in der Tierwelt hinterher. Am liebsten porträtierte er sich selbst, immer augenzwinkernd, mal mit Tube, Taube oder Stromzähler, mal aus einem Ei schlüpfend, mal in fröhlicher Runde mit seinen Künstlerkollegen.

Und er experimentierte gerne mit Buntstift, Kreide, Pinsel und Zeichenunterlagen. So stellte er zum Beispiel Bast-Badematten her und benutzte für seine gezeichneten Postkarten grob gerastertes Briefpapier aus der ehemaligen DDR.

Kauziger Humor

Bernstein war Autor zahlreicher Gedichte, Lach- und Zeichenbücher. 1966 veröffentlichte er mit Gernhardt und Waechter "Die Wahrheit über Arnold Hau", es folgten die Gedichtbücher "Reimwärts" (1981) und "Reimweh" (1994), "Die Superfusseldüse. 19 Dramen im unordentlichen Zustand" (1994), "Richard Wagners Fahrt ins Glück" (2002) und der Gedichtband "Luscht und Geischt" (2007).

Im vergangenen Jahr legte der Mann mit dem weißen Haarschopf und dem gepflegten Schnauzbart den Band "Frische Gedichte" vor - ein weiterer Beleg für seinen kauzigen Humor und seinen unerschütterlichen Zukunftsglauben. Verse wie "Der Untergang des Abendlandes? Grad war's noch da - und dann verschwand es" verführen zum befreienden Lachen.

Zahlreiche bedeutende Preise

Mehr als 3.000 Zeichnungen von F. W. Bernstein befinden sich in der Sammlung des Caricatura-Museums Frankfurt. Gezeigt werden Bernsteins Bilder in seinem Kabinett in der Dauerausstellung "Die Zeichner der Neuen Frankfurter Schule".

Für sein Werk hat er zahlreiche bedeutende Preise erhalten, etwa 2003 den "Göttinger Elch", 2008 den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor, 2011 den Deutschen Karikaturenpreis und im Frühjahr dieses Jahres den Ludwig-Emil-Grimm-Preis der Stadt Hanau.

Von Dieter Schneberger (epd)


"Reporter ohne Grenzen": Weltweit 80 Medienschaffende getötet

Mindestens 80 Medienschaffende sind laut "Reporter ohne Grenzen" 2018 im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden, 15 mehr als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte von ihnen kam in nur fünf Ländern ums Leben: in Afghanistan, Syrien, Mexiko, Indien und im Jemen, wie die Organisation bei der Vorlage ihrer jährlichen Bilanz der Pressefreiheit am 18. Dezember in Berlin mitteilte. Zudem seien in diesem Jahr weltweit 348 Medienschaffende inhaftiert worden. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) und weitere Politiker forderten angesichts der Bedrohung von Journalisten in vielen Ländern, einen UN-Sonderbeauftragten einzusetzen.

"Wenn die Pressefreiheit endet, dann stirbt die Demokratie. Kritischer Journalismus ist ein Fundament unserer demokratischen Gesellschaft", erklärte Barley in Berlin. Ein Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen könne für einen besseren Schutz von Journalisten weltweit politischen Druck aufbauen. "Ein solches Amt wäre ein Signal für die Bedeutung der Pressefreiheit", unterstrich die SPD-Politikerin. Ähnlich äußerten sich Vertreter von CDU/CSU und Grünen. "Reporter ohne Grenzen" fordert ebenfalls einen UN-Sonderbeauftragten für Journalisten.

"Straflosigkeit beenden"

Nach wie vor seien bewaffnete Konflikte die größte Gefahr für Journalisten weltweit, erläuterte "Reporter ohne Grenzen"-Vorstandssprecher Michael Rediske. Ein erschreckendes Zeichen sei zugleich, dass so viele Journalisten außerhalb von Kriegsregionen ermordet werden. "Viel zu oft können Täter und Auftraggeber damit rechnen, dass selbst Morde für sie folgenlos bleiben", sagte Rediske. "Die Staatengemeinschaft muss endlich wirksame Mittel finden, Straflosigkeit überall auf der Welt zu beenden."

Die Länder mit den meisten getöteten Journalisten, Bürgerjournalisten und Medienmitarbeitern waren 2018 demnach Afghanistan (15 Tote), Syrien (elf), Mexiko (neun), Jemen (acht) und Indien (sechs). In den USA starben in diesem Jahr ebenfalls sechs Journalisten, vier von ihnen wurden bei einem Anschlag auf die Lokalzeitung "Capital Gazette" in Annapolis im Staat Maryland am 28. Juni gezielt getötet. Stichtag der Zählung war der 1. Dezember 2018.

Auch in Europa herrscht nach Ansicht von "Reporter ohne Grenzen" ein zunehmend medienfeindliches Klima. Besorgniserregend sei, dass es selbst in EU-Staaten teils nur ein geringes Interesse gebe, Morde an Journalisten aufzuklären, sagte der Geschäftsführer der Journalistenorganisation, Christian Mihr, dem SWR. Hier sehe er auch ein Versagen der EU. In der EU waren im vergangenen Jahr die maltesische Investigativ-Journalistin Daphne Caruana Galizia und im Februar der Slowake Jan Kuciak erschossen worden.

Weltweit starben nach Angaben von "Reportern ohne Grenzen" im vergangenen Jahr 44 Medienschaffende in Gebieten mit bewaffneten Konflikten, 36 außerhalb solcher Gebiete. Wie schon im Vorjahr war Mexiko das Land ohne bewaffneten Konflikt, in dem die meisten Journalisten ermordet wurden.

Bürgerjournalisten gefährdet

49 der getöteten 80 Medienschaffenden seien wegen ihrer journalistischen Tätigkeit gezielt ermordet worden, heiß es. Die übrigen 31 seien im Einsatz ums Leben gekommen. Unter den Getöteten waren laut "Reporter ohne Grenzen" 63 professionelle Journalisten, 13 Bürgerjournalisten sowie vier Tontechniker und Fahrer. Drei der Getöteten waren demnach Frauen. In den vergangenen zehn Jahren seien weltweit 702 professionelle Journalisten getötet worden, hieß es weiter.

Die Zahl getöteter Bürgerjournalisten habe sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt, von sieben auf 13, erklärte "Reporter ohne Grenzen". Bürgerjournalisten spielten gerade in Ländern mit autoritären Regimen und Kriegsländern eine immer wichtigere Rolle in der Berichterstattung, denn viele Regionen seien für professionelle Journalisten dort kaum zugänglich.

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, erklärte, die Berufung eines UN-Sonderbeauftragten sei aufgrund der zunehmenden Bedrohung von Medienschaffenden und der wachsenden Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit weltweit dringend geboten. Verbrechen gegen Journalisten müssten konsequent geahndet werden. Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Margit Stumpp, forderte die Bundesregierung auf, sich endlich auf internationaler Ebene für einen Sonderbeauftragten starkzumachen.



Urteil: Fotos von Kunstwerken dürfen nicht veröffentlicht werden

Ein Foto von Kunst im Museum schießen und bei Wikipedia online stellen: Der Bundesgerichtshof hat dies Wikipedia-Autoren nun untersagt. Wikimedia kritisiert: Das Urteil sei ein Rückschlag für die Rechte der Allgemeinheit am Kulturerbe.

Im kostenfreien Online-Lexikon Wikipedia dürfen nicht einfach eingescannte Fotos von Kunstwerken mit abgelaufenem Urheberrechtsschutz veröffentlicht werden. Dies verletze den sogenannten Lichtbildschutz, den der Fotograf für sein Foto beanspruchen kann, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 20. Dezember. (AZ: I ZR 104/17)

Wikimedia Deutschland, Betreiber von Wikipedia, kritisierte das Urteil: Man sehe in der Klage ein sehr problematisches Verständnis des öffentlichen Auftrags staatlich-geförderter Kulturinstitutionen, teilte der Verein in Berlin mit.

Geklagt hatte die Stadt Mannheim als Betreiberin des Reiss-Engelhorn-Museums. Ein aktiver Wikipedia-Nutzer hatte mehrere Fotos von Kunstwerken aus einem Ausstellungskatalog des Museums eingescannt und in das Wikipedia-Medienarchiv "Wikimedia Commons" hochgeladen. Die Kunstwerke waren gemeinfrei - es bestand damit kein Urheberrechtsschutz mehr. Das Museum hielt dies für rechtswidrig, auch wenn der Urheberschutz an den Gemälden selbst abgelaufen sei.

Lichtbildschutz

Laut BGH-Urteil dürfen eingescannte Fotografien auch von gemeinfreien Kunstwerken nicht einfach veröffentlicht werden. Dies verletze den Lichtbildschutz. Denn der Fotograf habe bei der Anfertigung des Fotos eine "persönliche geistige Leistung" erbracht, die schützenswert sei. Er habe sich Gedanken über die Belichtung, den Standort oder auch den Ausschnitt der Aufnahme gemacht.

Das Urteil sei ein Rückschlag für die Rechte der Allgemeinheit am gemeinsamen Kulturerbe, kritisierte Wikimedia Deutschland die Entscheidung. "Museen sollten alles daran setzen, Kunst und Kultur der vergangenen Jahrhunderte so leicht zugänglich zu machen wie möglich." Dazu gehöre selbstverständlich, dass diese Werke bei Wikipedia zu sehen sein müssten. "Wenn Museen das rechtlich unterbinden, versagen sie in ihrem gesellschaftlichen Auftrag", erklärte John Weitzmann, Leiter Politik und Recht bei Wikimedia Deutschland.

Benutzungsordnung

Auch von dem Nutzer selbst angefertigte Fotos der Kunstwerke durften nicht ohne Erlaubnis des Museums auf Wikimedia veröffentlicht werden, erklärte der BGH. Dies habe gegen die Benutzungsordnung des Museums verstoßen. Der Museumsbetreiber könne damit Schadenersatz verlangen.

Museumsdirektor Alfried Wieczorek wurde auf Wikipedia mit den Worten zitiert, man habe nichts gegen das Online-Lexikon, wolle aber selbst entscheiden, für welche Fälle die Freigabe in Wikipedia erteilt werde. Der Wikipedia-Nutzer habe sich zudem über ein geltendes Fotografierverbot im Museum hinweggesetzt.

Wikimedia Deutschland ist nach eigenen Angaben ein gemeinnütziger Verein mit rund 65.000 Mitgliedern. Seit der Gründung im Jahr 2004 unterstützt er verschiedene Wikimedia-Projekte - wie zum Beispiel Wikipedia. Der Verein setzt sich für den kostenlosen Zugang zu freiem Wissen ein.



Grünes Licht für Pina Bausch Zentrum in Wuppertal

Der Rat der Stadt Wuppertal hat den Weg für die Errichtung des Pina Bausch Zentrums freigemacht. Bis zum Jahr 2026 soll am ehemaligen Schauspielhaus ein Gebäudekomplex mit rund 16.000 Quadratmetern Fläche entstehen, wie die Stadt am 18. Dezember bekanntgab. Die in Wuppertal gestorbene Tänzerin Pina Bausch (1940-2009) gilt als eine der bedeutendsten Choreographinnen der Gegenwart.

Das künftige Zentrum soll dem renommierten Tanztheater Wuppertal Pina Bausch und der Pina Bausch Foundation mit ihrem Archiv ein Zuhause geben, internationalen Produktionen Raum für Proben und Aufführungen bieten und die Stadtgesellschaft miteinbeziehen.

Die Investitionskosten betragen den Angaben nach zum heutigen Stand 58,4 Millionen Euro. Dazu kommen fünf Millionen Euro Einrichtungskosten. Die Kosten teilen sich Stadt, Land und Bund.



Filme der Woche

Der Junge muss an die frische Luft

Der kleine Hans Peter wächst in einer gut behüteten Großfamilie im Ruhrpott der 90er Jahre auf. Seine Mutter leidet an Depressionen und er ist der einzige, der sie mit seinen Entertainer-Einlagen zum Lachen bringen kann. Doch dass sie Suizid begeht, verhindert er damit nicht. Aus dem kleinen Hans Peter wurde schließlich Hape Kerkeling, dessen Autobiografie Charlotte Link in Bildern eingefangen hat. Der Film oszilliert gekonnt zwischen Freude und Trauer, hat in Julius Weckauf einen talentierten Jungdarsteller und fängt kongenial die Seele des Ausgangswerkes ein.

Der Junge muss an die frische Luft (Deutschland 2018). R: Caroline Link. B: Ruth Toma (nach dem Buch von Hape Kerkeling). Mit Luise Heyer, Diana Amft, Sönke Möhring, Elena Uhlig, Joachim Krol, Maren Kroymann. 99 Min.

Shoplifters

In den Außenbezirken Tokios lebt eine Familie notgedrungen von Tricks und kleinen Diebstählen. Eines Tages sammeln Vater Osamu und der zwölfjährige Shota eine von ihren Eltern vernachlässigte Fünfjährige auf. Schnell integrieren sie das kleine Mädchen in ihrer Mitte, von Mutter Nobuyo, Großmutter Hatsue bis Halbschwester Aki. Das ist auch pragmatisch gedacht, denn Kinder taugen gut als Tarnung. Der japanische Meisterregisseur Hirokazu Kore-eda seziert gekonnt das familiale Beziehungsgeflecht und legt, seinen Figuren stets wohlwollend zugewandt, Abhängigkeiten und Machtstrukturen frei. "Film des Monats" der Jury der Evangelischen Filmarbeit.

Shoplifters (Japan 2018). R: Lucas Belvaux. R u. B: Hirokazu Kore-eda. Mit Lily Franky, Sakura Ando, Mayu Matsuoka, Kilin Kiki, Kairi Jyo, Miyu Sasaki. 121 Min.

Mary Shelley

Die 16-jährige Mary Wollstonecraft Godwin möchte ihrer verstorbenen Mutter nacheifern und Schriftstellerin werden. Als sie nach Schottland verschickt wird, lernt sie den Dichter Percy Bisshe Shelley kennen und brennt mit ihm und ihrer Stiefschwester Claire durch. Mit nur 18 Jahren wird Mary Shelley zur Autorin eines Klassikers der Horrorgeschichte werden: "Frankenstein oder der moderne Prometheus". Obwohl die Geschichte Anschlusspunkte an moderne Themen wie die Gender-Debatte bietet, gelingt es häufig nicht, das Potenzial über das eines opulenten Kostümdramas zu erheben.

Mary Shelley (Großbritannien/Irland/Luxemburg 2017). R: Haifaa Al Mansour. Mit Elle Fanning, Douglas Booth, Tom Sturridge, Bel Powley, Stephen Dillane, Joanne Froggatt. 120 Min.

Sibel

Stumm geboren kann sich die 25-jährige Sibel nur mit Pfeiflauten verständigen. Mit Vater und Schwester lebt sie in der türkischen Provinz. Als zudem noch starke Frau, ohne Kopftuch aber mit Selbstbestimmungsdrang ist sie gesellschaftlichen Anfeindungen ausgeliefert. Schlimmer wird es sogar noch, als sie beginnt, sich mit einem Deserteur der Armee zu treffen und ihre Sinnlichkeit entdeckt. Ihre eigene Schwester verbreitet daraufhin, sie beherberge einen Terroristen. "Sibel" ist ein fesselnder Emanzipationsthriller aus einem Bergdorf am Schwarzen Meer.

Sibel (Frankreich/Deutschland/Luxemburg/Türkei 2018). R: Cagla Zencirci, Guillaume Giovanetti. B: Cagla Zencirci, Ramata Sy, Guillaume Giovanetti. Mit Damla Sönmez, Emin Gürsoy, Erkan Kolçak Köstendil. 95 Min.

www.epd-film.de




Entwicklung

Unicef-Foto des Jahres zeigt behinderten Jungen aus Togo


Unicef-Foto des Jahres 2018
epd-bild/Antonio Aragon Renuncio
Mit dem Foto des Jahres will Unicef in jedem Jahr auf das Schicksal von Kindern aufmerksam machen, die hungern, im Krieg aufwachsen oder ausgegrenzt werden. Das Siegerfoto zeigt in diesem Jahr einen behinderten Jungen in Togo.

Ein kleiner Junge im gelben T-Shirt und mit Strohhut auf dem Kopf, in der Hand ein Stück Brot, der Blick an der Kamera vorbei, im Hintergrund stolziert ein Huhn. Erst auf den zweiten Blick fallen die metallenen Beinprothesen des Jungen auf. Er lebt in einem Heim in Togo, das ihm Sicherheit bietet. Das Foto, aufgenommen vom Spanier Antonio Aragón Renuncio, wurde am 20. Dezember als Foto des Jahres der Hilfsorganisation Unicef prämiert. Es halte einen "Moment der Vielschichtigkeit" fest, würdigte Schirmherrin Elke Büdenbender die Aufnahme.

"Jedes Kind zählt" war der internationale Fotowettbewerb in diesem Jahr überschrieben. Fotografen aus aller Welt reichten dafür mehr als 100 Foto-Reportagen ein, die in Bildern die Schicksale von Kindern erzählen, die im Krieg groß werden, unter Armut und Ausbeutung leiden, marginalisiert oder gequält werden. Renuncios Foto weist auf das Schicksal körperlich oder geistig behinderter Kinder hin, die in Westafrika nach Angaben von Unicef bis heute nicht selten von den Familien verstoßen oder gequält werden. Die Einrichtung "Saint Louis Orione-Zentrum" in Bombouaka im Norden Togos, wo das prämierte Foto entstanden ist, ist für sie ein Ort der Sicherheit.

Foto steht für vergessene Kinder

Das Foto des Jahres stehe für unzählige vergessene Kinder auf der Welt, sagte der stellvertretende Unicef-Vorsitzende in Deutschland, Peter-Matthias Gaede. 160 Millionen Kinder auf der Welt würden ausgebeutet, 50 Millionen Minderjährige könnten nicht zur Schule gehen, 93 Millionen hätten Behinderungen, sagte er. Auch sie dürften nicht vergessen werden.

Den zweiten Preis im Fotowettbewerb erhielt der aus Bangladesch stammende Fotograf Turjoy Chowdhury, der staatenlos geborene Babys in einem Flüchtlingscamp der aus Myanmar geflohenen Rohingya fotografierte. Die israelische Fotografin Rina Castelnuovo erhielt den dritten Preis für ihre Bilderreportage über den palästinensischen Jungen Mohammed, der an einer seltenen Autoimmunerkrankung leidet. Weil die im Gazastreifen nicht behandelt werden kann, gaben ihn die Eltern den Angaben zufolge in medizinische Obhut nach Israel. Der einzige Verwandte, der ihn dort regelmäßig besuchen könne, sei der Großvater. Zehn weitere Reportagen, aus denen jeweils ein Foto für den Preis herausgegriffen wurde, erhielten sogenannte ehrenvolle Erwähnungen von Unicef.

Von Corinna Buschow (epd)


BGH hebt Urteil im Kongo-Kriegsverbrecherprozess auf

Ein gebürtiger Ruander hat von Mannheim aus eine Rebellenmiliz im Kongo geleitet. Dafür wurde er zu 13 Jahren Haft verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil nun zurückgewiesen. Unklar sei, wie er die Kriegsverbrechen konkret förderte.

Der Kriegsverbrecherprozess in Deutschland gegen den Anführer einer Miliz im Kongo geht in eine neue Runde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am 20. Dezember das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart gegen Ignace Murwanashyaka auf. (Az: 3 StR 236/17) Der in Mannheim lebende FDLR-Milizenchef war im September 2015 wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen im Kongo und Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Sowohl Murwanashyaka als auch die Generalbundesanwaltschaft waren in Revision gegangen.

Der 3. Strafsenat des BHG in Karlsruhe entschied nun, das Urteil aufgrund von "Sachrügen des Angeklagten Dr. M. und der Generalbundesanwaltschaft" aufzuheben, hieß es in der Begründung. Die vorgebrachten Verfahrensrügen des Angeklagten seien hingegen erfolglos gewesen. Auch sei ein Großteil der Feststellungen aufrechterhalten worden.

Verurteilung wegen Beihilfe beanstandet

Konkret beanstandeten die Richter die Verurteilung Murwanashyakas wegen Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen in den Jahren 2008 und 2009. Bei der Annahme, der Angeklagte habe "die Kriegsverbrechen bei - nur - vier dieser Angriffe vorsätzlich gefördert", gebe es Rechtsfehler sowohl zugunsten als auch zulasten Murwanashyakas.

Die Richter stellten die Beurteilung des Oberlandesgerichts infrage, dass die Milizionäre sich Kriegsverbrechen, aber keiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hätten. Auf der anderen Seite monierten sie: "Wie der Angeklagte die Taten in dem Zeitraum konkret förderte, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt." Die im Ostkongo aktive FDLR ging aus Mitgliedern der früheren ruandischen Armee und in den Kongo geflohenen Hutu-Milizen hervor, die für den Völkermord in Ruanda 1994 mitverantwortlich waren. Bislang ist bekannt, dass der gebürtige Ruander Murwanashyaka von Mannheim aus Zubehör für Satellitentelefone beschaffte und für die FDLR Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit betrieb.

Angeklagter war nicht als Befehlshaber anzusehen

Die OLG-Richter erklärten, der promovierte Volkswirt habe nicht die Rolle eines militärischen Befehlshabers innegehabt. "Er hatte nicht die Möglichkeit, den Kommandeur seines Amtes zu entheben oder das Verhalten seiner Untergebenen zu unterbinden", hieß es. Die Verurteilung wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung hält der Strafsenat hingegen für richtig.

Im Falle von Murwanashyakas Vize Straton Musoni verwarf der BGH die Revision des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Dieses Urteil ist rechtskräftig. Musoni war vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen Rädelsführerschaft zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Durch die Untersuchungshaft von 2009 bis 2015 hatte Musoni aber bereits einen Großteil der Strafe verbüßt. Es war der erste Prozess nach dem Völkerstrafrecht in Deutschland.

Die Angeklagten hatten in der Revision unter anderem argumentiert, die FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) sei keine terroristische Organisation und ein Einfluss auf das Kriegsgeschehen in der Demokratischen Republik Kongo sei nicht belegt. Dagegen forderte die Bundesanwaltschaft eine schärfere Verurteilung, nicht nur wegen Beihilfe, sondern wegen Täterschaft. Nach dem Weltrechtsprinzip können Völkerstraftaten in Deutschland oder jedem anderen Land geahndet werden, auch wenn sie im Ausland begangen wurden.

Der Berliner Jurist Patrick Kroker wertet das Urteil als einen Ausdruck funktionierender Justiz. "Es ist gut, dass Fehler korrigiert werden", sagte der Völkerrechtsexperte von der Menschenrechtsorganisation ECCHR dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es werfe aber auch die Frage auf, ob Fehler nicht im Vorfeld hätten vermieden können.



Ebola-Arzt: Gewalt im Kongo bremst Helfer aus

Obwohl die internationale Gemeinschaft beim jüngsten Ebola-Ausbruch im Kongo schnell reagiert hat, breitet sich die Epidemie weiter aus. Der Tropenmediziner Christian Kleine, der für "Ärzte ohne Grenzen" im Ostkongo war, sieht vor allem die Gewalt in der Konfliktregion als Problem. "In Nord-Kivu operieren zahlreiche Rebellengruppen, vor allem im Dschungel. Dort können die Menschen nicht behandelt werden, Kontakte können nicht nachverfolgt werden", sagte der Frankfurter Arzt dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Gewalt könne zudem Hilfsmaßnahmen immer wieder zum Stillstand bringen, erklärte der 42-Jährige: "So mussten zum Beispiel Mitarbeiter von anderen Hilfsorganisationen nach einem Angriff nahe ihrem Hotel ihre Arbeit unterbrechen."

Misstrauen in der Bevölkerung

Auch Misstrauen in der Bevölkerung gelte es zu überwinden, wie dies auch bei der Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika der Fall war. Viele Menschen hätten Angst, in Behandlungszentren zu gehen, weil der Eindruck herrsche, dass man dort stirbt, sagte Kleine. "Und nicht zuletzt muss man oft auch erst einmal das Konzept eines Virus erklären. Immer wieder kommt es vor, dass Dorfälteste oder traditionelle Heiler das nicht akzeptieren. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in der Aufklärungsarbeit nicht nachlassen, um Vertrauen zu gewinnen."

Für die Bekämpfung der Epidemie stünden den Gesundheitskräften vor Ort zwar Schutzanzüge zur Verfügung, Sicherheitsvorkehrungen würden getroffen. Doch eine Reihe von Gesundheitsstationen seien auch bereits kontaminiert oder nicht mehr funktionstüchtig, betonte Kleine. "Menschen mit Malaria, Lungenentzündung oder Durchfallerkrankungen können dort nicht mehr versorgt werden. Es sterben ganz viele Menschen nicht nur an Ebola, sondern wegen Ebola."

epd-Gespräch: Silvia Vogt


Vorwurf des Abtreibungsversuchs: 20 Monate in Haft in El Salvador

In El Salvador ist eine jahrelang sexuell missbrauchte junge Frau, die einer versuchten Abtreibung angeklagt war, nach 20 Monaten Untersuchungshaft freigelassen worden. Ihr Baby war im April 2017 gesund zur Welt gekommen. Ein Gericht hob am 17. Dezember den Tatvorwurf des versuchten Mordes auf, wie die Tageszeitung "El Mundo" in San Salvador berichtete. Im Fall eines Schuldspruchs hätten Imelda Cortez 20 Jahre Haft gedroht. Die heute 20-Jährige war als Folge von Vergewaltigungen durch ihren Stiefvater schwanger geworden.

Cortez hatte ihre Schwangerschaft zunächst nicht bemerkt und schließlich zu Hause auf der Toilette ein Mädchen zur Welt gebracht. Als die junge Mutter zu verbluten drohte und ins Krankenhaus kam, informierten die Ärzte die Polizei. El Salvador hat eines der strengsten Abtreibungsverbote der Welt, das erst 1998 verschärft wurde. Der Fall Cortez hatte international Empörung ausgelöst. Frauengruppen feierten ihre Freilassung.

30 weitere Fälle

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sitzen derzeit in El Salvador mehr als 30 Frauen wegen Schwangerschaftsabbruchs in Haft. Im Fall der jungen Imelda Cortez hat inzwischen ein DNA-Test bestätigt, dass ihr Stiefvater sie geschwängert hatte. Er wurde festgenommen und muss sich vor Gericht verantworten. Die junge Frau wird mit Unterstützung von Frauenrechtsorganisationen mit ihrem Kind zusammenleben.

In El Salvador sind Abtreibungen auch nach Vergewaltigungen oder bei gesundheitlichen Risiken für die Mutter verboten. Selbst Fehlgeburten können als Abtreibungen angesehen werden. Ärzte sind verpflichtet, einen Verdacht auf einen Schwangerschaftsabbruch umgehend anzuzeigen. Tun sie das nicht, riskieren sie ebenfalls hohe Haftstrafen. Auch in Honduras, Nicaragua, Haiti und der Dominikanischen Republik gilt ein strenges Abtreibungsverbot mit hohen Strafen.




Termine

15.1. Frankfurt am Main

Rosa Luxemburg - Kämpferin für eine bessere Gesellschaft. "Revolution! Alles andere ist Quark." Ein Zitat von Rosa Luxemburg (1871-1919). Die Rebellin für eine gerechtere Gesellschaft wurde vielfach diffamiert und ausgegrenzt und schließlich, am 15. Januar 1919 auf grausame Art und Weise ermordet. Der Publizist Sebastian Haffner nannte den brutalen Mord an ihr in der Morgendämmerung der Weimarer Republik einen „Mord an überlegenem Mut und an überlegenem Geist“. Als Frau, als gebürtige Jüdin und Polin, als linke Politikerin stand sie am Rande der Gesellschaft, bildete politisch gesehen eine Minderheit innerhalb einer Minderheit. Auch heute noch werden Menschen bei uns ausgegrenzt, werden ihnen bewusst und systematisch Teilhabemöglichkeiten am gesellschaftlichen Leben entzogen. Wie vollzieht sich heute der Kampf gegen Ausgrenzung? Worauf kann sich die Hoffnung auf Beteiligung stützen? Hat das Eintreten, hat die Rebellion für eine bessere Gesellschaft in der Gegenwart eine Chance?

www.evangelische-akademie.de

16.-18.1. Hofgeismar

"Das darf doch wohl nicht wahr sein!" - Recht und Gerechtigkeit im Widerstreit!? Urteile aus deutschen Gerichtssälen machen die Öffentlichkeit immer häufiger fassungslos. Besonders bei Prozessen, wo es um Kindesmissbrauch, Vergewaltigung oder fahrlässige Tötung geht, klafft oft eine eklatante Lücke zur «gefühlten Gerechtigkeit». Deshalb fragen wir auf dieser Tagung nach dem schwierigen Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit, von Recht und «Rechtsempfinden», diskutieren dieses Verhältnis anhand aufsehenerregender Urteile und gehen der Frage nach, wie der Einzelne und insbesondere der Polizist im Rechtsstaat mit dieser Lücke umgehen kann und sollte.

www.akademie-hofgeismar.de

18.-20.1. Tutzing

Zusammenhalt. Die Stadt als Lebensform. In einer Zeit neoliberaler Wirtschaftsentwicklung, politischer Fragilität und vielfältiger Bedrohungsszenarien schwindet das Vertrauen in die Integrationskraft gesellschaftlicher Systeme. In unseren Städten wird täglich spürbarer, wie sich Stadtteile auflösen, wie Einkommen und Bildungschancen auseinanderdriften, wie sich Bürger individualisieren und wie dadurch Gemeinschaften zerbrechen. Ist in solchen Zeiten der Ruf nach Zusammenhalt das Heilmittel, um Gesellschaften zu stabilisieren? Vermag ein deutliches „Wir" die sich weitenden Risse in lokalen Gemeinwesen wieder zu kitten? Was kann künftig den Zusammenhalt einer Gemeinschaft fördern, und wie lassen sich Bürger für diesen gewinnen? Denn städtisches Leben formt sich seit jeher aus Konsens und Dissens, aus Zusammenhalt und Durchlässigkeit. Stadt lebt von der Diversität und braucht doch einen Konsens, um ein Miteinander zu gestalten.

www.ev-akademie-tutzing.de