sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Markus Jantzer
epd-bild/Heike Lyding

es ist viel passiert, aber es ist immer noch zu wenig: Die Zahl der angestellten Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas ging in den vergangenen zehn Jahren deutlich nach oben, aber Pädagogen fordern eine noch intensivere Zuwendung in den Bildungseinrichtungen für die Kleinen.

Von den Flüchtlingen, die in Deutschland einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, sind nur zehn Prozent weiblich. Dominiert bei den Flüchtlingspaaren das alte Rollenbild: Mann arbeitet, Frau bleibt zu Hause? Auf die Wahl-Wiesbadenerin Mozhgan Noorzai, die 2015 aus Afghanistan floh, trifft dieses Urteil jedenfalls nicht zu: Die selbstbewusste 26-Jährige schloss in Hessen eine Ausbildung zur Industriekauffrau ab - und macht sich nun zuversichtlich auf die Suche nach einem attraktiven Arbeitsplatz.

Er läuft und läuft und läuft: John McGurk hat schon viele tausend Kilometer zurückgelegt und dabei mehr als 1,5 Millionen Euro für soziale Zwecke erlaufen. Der unermüdliche Schotte mit Wohnsitz Osnabrück hat eine alptraumhafte Kindheit hinter sich, wurde zum Alkoholiker, bis das Leben des tiefgläubigen Christen eine Wende nahm und ihm schließlich kein Weg zu weit war für das Sammeln von Sponsorengeldern.

Ständig Streit unter den Kollegen, die Streithähne nicht zu einer einvernehmlichen Lösung der Konflikte bereit: Solche Zerwürfnisse können großen Schaden im Betrieb anrichten. Das Landesarbeitsgericht Schwerin hat einem diakonischen Pflegeheimbetreiber die Versetzung einer streitbaren Köchin in ein anderes Haus ausdrücklich gestattet. Die Maßnahme sei "zur Verhinderung von Störungen im Produktionsprozess" geeignet.

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Hier geht es zur Gesamtausgabe von epd sozial 39/2019.

Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen

Markus Jantzer




sozial-Thema

Kinder

Studie: In deutschen Kitas fehlen 106.500 Fachkräfte




Spielerisch lernen in einer Kita
epd-bild/Kathrin Doepner
Die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertageseinrichtungen nimmt zu. Doch noch immer reicht das Personal nicht aus, wie aus einer Studie hervorgeht. Gewerkschaften und Verbände dringen auf eine bundesweite Strategie.

Mit dem Kita-Ausbau ist in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher um 54 Prozent aufgestockt worden. Der Betreuungsschlüssel in deutschen Kindertagesstätten hat sich entsprechend verbessert, doch laut dem am 26. September in Gütersloh veröffentlichten "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2019" der Bertelsmann Stiftung reicht das Personal noch nicht aus. Mittlerweile wird zudem nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes jedes dritte Kind unter drei Jahren in Deutschland in einer Kita betreut - Tendenz steigend. Gewerkschaften und Verbände forderten eine gemeinsame Strategie von Bund, Ländern und Kommunen.

Fünf Milliarden Euro mehr jedes Jahr

Derzeit kommen auf eine vollzeitbeschäftigte pädagogische Fachkraft durchschnittlich 4,2 ganztags betreute Krippenkinder unter drei Jahren oder 8,9 ältere Kindergartenkinder, wie es in der Bertelsmann-Studie heißt. 2013 sei eine Erzieherin durchschnittlich noch für 4,6 Krippen- oder 9,6 Kindergartenkinder zuständig gewesen.

Trotz der Verbesserung werde ein kindgerechtes Betreuungsverhältnis immer noch selten erreicht, hieß es. Laut Empfehlung der Stiftung soll eine Erzieherin statistisch für höchstens drei Kleinkinder oder 7,5 Kinder über drei Jahren zuständig sein. Um die Lücke zu schließen, sind laut Studie bundesweit zusätzlich fast 106.500 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte erforderlich. Das würde jährlich fünf Milliarden Euro mehr kosten. Grundlage der jährlichen Studie sind Auswertungen von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder vom März 2018.

Der bundesweite Ländervergleich zeigt ein großes Gefälle: Den besten Personalschlüssel belegen laut Studie seit Jahren die Kitas in Baden-Württemberg, wo nach aktuellem Stand eine Erzieherin jeweils drei Krippenkinder und sieben Kindergartenkinder betreut. Schlusslicht bei den jüngeren Kindern ist Sachsen (1 zu 6,2) und bei den älteren Kindern Mecklenburg-Vorpommern (1 zu 13,2).

Große regionale Unterschiede

Zugleich steigt nach Daten des Statistischen Bundesamtes vom Donnerstag die Zahl der unter Dreijährigen, die in einer Kita betreut werden. Mittlerweile besuchen 818.500 Mädchen und Jungen unter drei Jahren eine Kindertagesbetreuung, das sind 3,7 Prozent mehr als 2018. Bundesweit sind die Quoten der betreuten Kinder sehr unterschiedlich - für ganz Deutschland liegt sie bei 34,3 Prozent, für das Schlusslicht Nordrhein-Westfalen gerade mal bei 28,2 Prozent.

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, forderte bundeseinheitliche Qualitätsstandards für die Kita-Betreuung. Im "Gute-Kita-Gesetz" von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) fehlten nach wie vor verbindliche Vorgaben für kindgerechte Betreuungsverhältnisse, um überall gleiche Bedingungen realisieren zu können, kritisierte er.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft pochte auf eine nationale Strategie. Diese dürfe nicht am Föderalismus scheitern, erklärte Björn Köhler, Vorstandsmitglied für Jugendhilfe, in Frankfurt am Main.

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisierte, der Personalschlüssel verbessere sich viel zu langsam. Die jährlich von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Zahlen seien "immer wieder ein Trauerspiel", beklagte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann in Berlin.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte, dass insgesamt zu wenig Mittel in die nachhaltige und strukturelle Stärkung des Betreuungssystems flössen. Die Qualität drohe trotz des "Gute-Kita-Gesetzes" auf der Strecke zu bleiben, warnte Marion von zur Gathen vom Paritätischen Gesamtverband.

Jana Hofmann


Kinder

Expertin: Weiterbildung und Konzepte entscheiden über Kita-Qualität



Die Osnabrücker Bildungsexpertin Renate Zimmer warnt davor, die Zahl der Fachkräfte pro Kind zum alleinigen Gradmesser für die Qualität von Kindertagesstätten zu machen. Ebenso wichtig seien das pädagogische Konzept und die Räume einer Kita sowie die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, sagte die ehemalige Direktorin des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Blick auf die Betreuungsschlüssel ist nach Angaben der Expertin aus politischer Sicht durchaus wichtig: "Das sind harte Fakten, an denen sich messen lässt, wie sehr ein Bundesland sich in der frühkindlichen Bildung engagiert", sagte Zimmer. Die Empfehlung der Stiftung, wonach eine Erzieherin statistisch für höchstens drei Kleinkinder oder 7,5 Kinder über drei Jahren zuständig sein soll, hält sie unter den gegebenen Umständen für "in Ordnung" - wenngleich etwa in Skandinavien Betreuungsschlüssel von bis zu 1 zu 2 beziehungsweise 1 zu 5 in Geltung seien. "Aber wir müssen sehen, was in Deutschland realistisch ist. In den nordischen Ländern wird insgesamt viel mehr Geld in die Bildung investiert."

Mehr Kreativität verlangt

Entscheidend sei darüber hinaus, dass Fachkräfte sich regelmäßig fortbilden könnten und durch Fachberater begleitet würden. Zudem sollten Geringqualifizierte wie etwa Sozialassistenten und Kinderpflegerinnen die Möglichkeit erhalten, sich berufsbegleitend zur pädagogischen Fachkraft weiterbilden zu lassen. Solche Weiterbildungen sollten bezahlt werden, forderte die Erziehungswissenschaftlerin. Das gleiche gelte für die berufsbegleitende Erzieher-Ausbildung, die aus ihrer Sicht durch eine Vergütung an Attraktivität gewinnen würde.

Die Professorin appellierte an die Bundesländer und Kita-Träger, angesichts der vielfach zu geringen Zahl an Kita-Plätzen und Gebäuden kreativer zu sein. "Die schlechteste Vatiante ist es sicherlich, Container aufzustellen und dort Kita-Gruppen unterzubringen." Gerade in Zeiten der Digitalisierung sei es besser und zudem kostengünstiger, zum Beispiel nach dem Konzept des Waldkindergartens zu arbeiten. "Da braucht man nur einen Bauwagen. Die Kinder lieben es, in der Natur frei zu spielen."



Kinder

Wasserschlacht im Waschraum




Kita-Kinder putzen die Zähne
epd-bild/Klaus Günter Kohn
Lange war umstritten, ob sich die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten standardisieren lässt, um ihre Qualität zu messen. Das war gestern. Mittlerweile lässt sich an unterschiedlichen Kategorien prüfen, ob eine Kita gut mit Kindern umgeht.

Die Waschbecken laufen über, das Wasser sprudelt auf den Fliesenboden und sorgt im Bad der Kindertagesstätte für eine ordentliche Überschwemmung. Mittendrin ein paar Kinder, die sichtlich mehr Vergnügen am Spiel mit dem Wasser haben als am Zähneputzen. Dann steht die Erzieherin in der Tür. "Na, ihr habt ja Spaß", ruft sie den Kindern zu.

Die Szene ist konstruiert, ist so oder so ähnlich aber durchaus schon vorgekommen, sagt Elke Meiners, die die evangelische Kindertagesstätte im Bremer Stadtteil Borgfeld leitet. "Und die Kollegin hat richtig reagiert, indem sie erst mal die Bedürfnisse der Kinder wahrgenommen und nicht die Regel in den Vordergrund gestellt hat: Im Waschraum nicht planschen, damit kein Wasser vergeudet wird und niemand ausrutscht. Auch wenn darüber sicher noch gesprochen werden muss - aber eben später."

Qualität in der Kita-Arbeit

Für Kinder sind es magische Momente, wenn Regeln nicht immer eingehalten werden. Wenn sie etwas scheinbar Unvernünftiges tun, sich dabei selbst verwirklichen, erfüllt sie das mit großer Freude, bestätigt Kita-Leiterin Meiners. Haben Erziehende das im Blick, sprechen Experten von qualitativ guter Arbeit, von "Prozessqualität". Dass das manchmal nicht ganz einfach umzusetzen ist, verdeutlicht das Beispiel der Wasserschlacht im Waschraum. Und dem damit verbundenen schmalen Grat zwischen Willen und Wohl des Kindes, dem Spaß einerseits und der Sicherheit andererseits.

"Qualität in der Kita-Arbeit ist in den vergangenen Jahren zu einem Mega-Thema geworden", sagt Carsten Schlepper aus Bremen, Vorsitzender der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (Beta). Der diakonische Fachverband vertritt die Interessen von bundesweit 9.200 Einrichtungen mit mehr als 100.000 Fachkräften und 560.000 Kita-Plätzen. Vor zehn Jahren hat Beta für seine Kitas ein "Bundesrahmenhandbuch" herausgegeben, um nachprüfbare Standards in der pädagogischen Arbeit zu beschreiben.

Dabei geht es längst nicht nur um die personelle Ausstattung der Einrichtungen, die die Bertelsmann Stiftung schwerpunktmäßig in ihrem am Donnerstag veröffentlichten "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" in den Blick nimmt. "Wir beschreiben Abläufe und pädagogische Kernprozesse wie den Übergang in die Schule oder den Umgang mit Sprache in der Kita", verdeutlicht Schlepper.

Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern

Ob sich die Qualität pädagogischer Arbeit, also in erster Linie Beziehungsarbeit, überhaupt standardisieren und damit messen lässt, war lange umstritten. "Heute wissen wir: Der Bundesrahmenplan ist wichtig, weil er uns hilft, unsere Arbeit mit Kindern und Eltern zu reflektieren", betont Schlepper.

Dass dabei die Prozessqualität eine zentrale Rolle spielt, betont auch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung in Berlin. Sie prüft deshalb entsprechende Kriterien in ihrem Wettbewerb um den Deutschen Kita-Preis 2020. "Für die mit insgesamt 130.000 Euro dotierte Auszeichnung haben sich mehr als 1.500 Einrichtungen beworben", sagt Stiftungssprecher Mario Weis. Die Kategorien, um die es dabei geht: Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder, Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern, Eltern und Mitarbeitenden, Sozialraum-Orientierung und die Frage, ob sich die Kita selbst als lernende Organisation begreift.

Zu den wichtigsten Bildungsaufgaben von Kindertagesstätten gehört ohne Zweifel der Spracherwerb, der somit auch zu den zentralen Qualitätskriterien der Vorschularbeit zählt. "Begrüße ich die Kinder persönlich, gehe ich beim Sprechen in die Knie, spreche ich mit den Kindern also auf Augenhöhe, spreche ich schnell, ruhig, schrill, laut, gebe ich mit korrekter Aussprache ein gutes Vorbild - das und noch viel mehr gehört dazu", sagt Anke Bräuer, Fachberaterin im Bremer Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder.

Fatal sei es, Kinder bei Fehlern rigoros zu verbessern. Das raube den Spaß an der Sprache und löse Angst vor dem Sprechen aus. Bräuer gibt ein Beispiel: "Auf den Satz 'Ich habe am Wochenende gefußballt' nicht mit einer Verbesserung reagieren, sondern mit der grammatikalisch richtigen Wiederholung 'Ach, du hast am Wochenende Fußball gespielt?'" Zuerst auf die Kinder schauen, Inhalt vor Form, das sei auch hier gute Qualität in der pädagogischen Arbeit. Genauso wie bei der Wasserschlacht im Waschraum.

Dieter Sell



sozial-Politik

Flüchtlinge

"Ich will nicht zu Hause auf meinen Mann warten"




Die Afghanin Mozhgan Noorzai hat eine Ausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen.
epd-bild/Heike Lyding
Geflüchtete Frauen sind deutlich seltener berufstätig als männliche Flüchtlinge. Es fehlt an Deutschkenntnissen und Weiterbildung – oft sind die Frauen nicht so weit, dass sie schon eine Stelle suchen können. Besser sieht es bei Frauen ohne Kinder aus.

Zaynab Mahmoud lebt seit sechs Jahren in Frankfurt am Main. Im kommenden Sommer sollen ihre vier Kinder in den Kindergarten oder die Schule gehen, sagt die 30-jährige Muslima, die aus Somalia nach Deutschland geflohen ist. Mahmoud, die Kopftuch und einen weiten Rock trägt, hätte dann endlich mehr Zeit für sich selbst: Sie will eine Ausbildung zur Erzieherin machen und danach halbtags arbeiten. "Ich will nicht zu Hause auf meinen Mann und die Kinder warten, ich will etwas tun."

Aktive Jobsuche bei Frauen eher selten

Auch Mozhgan Noorzai will unbedingt arbeiten. Die 26-Jährige floh vor vier Jahren aus Afghanistan nach Deutschland, weil die Fahrt zur Arbeit – von der Stadt aufs Land – zu gefährlich war. Eine Taliban-Gruppe nahm eine ihrer Kolleginnen genau auf dieser Strecke fest und hielt sie eine Woche lang gefangen, berichtet die 26-Jährige. "Mein Ziel war es, irgendwohin zu gehen, wo ich arbeiten kann."

Viele geflüchtete Frauen sind motiviert zu arbeiten, wie aus einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2017 hervorgeht. Darin gaben 88 Prozent der befragten Frauen aus den acht Hauptherkunftsländern wie Syrien, Irak und Iran an, in Deutschland "vielleicht" oder "sicher" einen Job finden zu wollen.

Aktiv nach einem Job gesucht hatten vier Wochen vor der Befragung allerdings nur neun Prozent der Frauen. Tatsächlich arbeiten bislang nur wenig geflüchtete Frauen. Während im Oktober vergangenen Jahres laut IAB 41 Prozent der Männer aus den Hauptherkunftsländern einer Erwerbsarbeit nachgingen, waren es bei den Frauen nur 13 Prozent.

In Deutschland drei Kinder geboren

Fast drei Viertel der geflüchteten Frauen sind Mütter, bei den Männern haben nur 25 Prozent ein Kind, sagte der Leiter des Bereichs Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung beim IAB, Herbert Brücker, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Oft versorgten die Frauen zwei oder drei Kinder. Die Hälfte der Kinder sei jünger als drei Jahre. "Die meisten Frauen sind mit ihrem Partner oder Ehemann gekommen oder ihnen später gefolgt."

Die Somalierin Mahmoud kam 2013 zwei Jahre nach ihrem Ehemann nach Deutschland – mit ihrem zweijährigen Sohn. In Deutschland bekam sie drei weitere Kinder. An Arbeit war da zunächst gar nicht zu denken. "Ich hatte nur meine Muttersprache. Ich musste erst Deutsch lernen", sagt sie. Bis sie ihren ersten Sprachkurs besuchte, hat es drei Jahre gedauert. Die Afghanin Noorzai hatte da einen klaren Vorteil: Sie kam ohne Kind nach Deutschland, lernte direkt Deutsch und machte eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Jetzt sucht die Frau, die gerne rote High Heels und schwarze Hosenanzüge trägt, eine Stelle.

"Kinder erschweren die Integration der Eltern in jeglicher Hinsicht", sagte Brücker. Es werde schwieriger, an Deutschkursen oder Arbeitsmarktprogrammen teilzunehmen – weil nun einmal jemand auf das Kind aufpassen müsse. So waren laut IAB nur sechs Prozent der geflüchteten Mütter im zweiten Halbjahr 2017 in Arbeit. Auch die Männer waren, wenn sie Kinder hatten, mit 20 Prozent deutlich seltener erwerbstätig. Woran liegt das?

Kitas sind akzeptiert

Meist bleibt ein Elternteil zu Hause, um auf die Kinder aufzupassen. Oft falle die Wahl, wer sich um die Kinder kümmert, dann auf die Frau, sagte die Professorin für Migrationsforschung an der Universität Osnabrück, Helen Schwenken. Das habe nichts mit einem veralteten Rollenbild von Mann und Frau zu tun. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Frau arbeitet." Die Männer seien auch deshalb oft die Ersten, die berufstätig seien, weil sie früher als ihre Frau nach Deutschland gekommen seien und die Sprache besser beherrschten.

Einwände gegen Kinderbetreuungsangebote hätten geflüchtete Eltern nur selten. Frauen und Männer aus den ländlicheren Gebieten müssten in Deutschland zwar erst an Kitas oder Kindergärten herangeführt werden, in der Regel nähmen sie solche Angebote aber gerne an. Flüchtlinge aus größeren Städten hätten ihre Kinder schon in ihren Herkunftsländern betreuen lassen.

Für Mahmouds Ehemann ist es kein Problem, dass seine Frau arbeiten will, sobald die Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind. "Er hat gesagt, wenn du das machen willst, dann mach das", erklärt die Somalierin. Sie selbst sagt, sie sei eine starke Frau, freue sich aber, wenn ihr Mann sie unterstützt. Von ihrem künftigen Job erhofft sich Mahmoud dennoch auch ein wenig Unabhängigkeit: "Wenn ich arbeite, verdiene ich und muss nicht ständig meinen Mann nach Geld fragen, wenn ich etwas kaufen will."

Ausbildung zur Hebamme

Für die Arbeitgeber sind aktuell noch die Männer die interessanteren Kandidaten. Ihnen helfe die Berufserfahrung aus den Herkunftsländern bei der Arbeitsmarktintegration in Deutschland, sagt IAB-Experte Herbert Brücker. Während 75 Prozent der Männer im Herkunftsland gearbeitet hätten, seien es bei den Frauen lediglich 37 Prozent gewesen. Auch die 26-jährige Noorzai aus Afghanistan und die 30-jährige Mahmoud aus Somalia haben noch nicht länger als ein Jahr lang gearbeitet. Mahmoud machte eine Ausbildung zur Hebamme und danach ein einjähriges Praktikum im Krankenhaus. Noorzai studierte Agrarwissenschaft und arbeitete acht Monate lang bei einer Organisation als Projektleiterin.

Noorzai sucht aktuell einen Job als Industriekauffrau. Sie ist zuversichtlich, dass sie bald eine Stelle hat. "Es werden so viele Industriekaufleute gesucht, ich bekomme jeden Tag neue Stellen vom Jobcenter geschickt", sagt sie.

Mahmoud, die noch vor ihrer geplanten Ausbildung als Erzieherin steht, ist ebenfalls optimistisch. Sie will bis zum Ausbildungsstart im August kommenden Jahres mindestens das Sprachlevel B2 erreichen. "Als Erzieherin muss ich gut deutsch reden, ich darf keine Fehler machen."

Patricia Averesch


Wohnen

Die umstrittene Rolle des Staates in der Wohnungskrise




Wohnen in einem Berliner Hochhaus
epd-bild/Jürgen Blume
Dass es in vielen Ballungsgebieten an Mietwohnungen mangelt, ist unbestritten. Wenn es um den richtigen Weg aus dieser Misere geht, scheiden sich jedoch die Geister. Im Kern geht es bei dem Meinungsstreit um die Rolle des Staates.

Aus der Wohnungskrise kann nur ein stärkeres Engagement des Staates auf dem Wohnungsmarkt führen, sagen die einen. Hingegen raten Wirtschaftsliberale zu weniger Staat. Diese Position vertritt etwa der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium und fordert weniger sozialen Wohnungsbau.

Der Staat soll durch den Bau von Sozialwohnungen aktiv in den Wohnungsmarkt eingreifen, fordert etwa die von 50 Organisationen unterstützte europäische Bürgerinitiative "Housing for All". Sie will für ihre wohnungspolitischen Forderungen in sieben EU-Staaten bis März 2020 mehr als eine Million Unterschriften sammeln.

"Europa in tiefer Wohnungskrise"

Karin Zauner-Lohmeyer, die Urheberin der Initiative "Housing for all", arbeitet in Wien für ein stadtnahes Unternehmen im Wohnbaubereich. Ihr Ziel ist es, mit einer millionenfach unterzeichneten Petition von der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament gehört zu werden. "Mit dem Menschenrecht auf Wohnen wird heute in ganz Europa in einem unfassbaren Ausmaß spekuliert", sagte sie. Wohnen sei in vielen Städten viel zu teuer.

"Europa befindet sich in einer tiefen Wohnungskrise", findet Zauner-Lohmeyer. Viele Menschen würden durch die hohen Wohnkosten aus den Städten verdrängt. Hier müsse die nationale Politik eingreifen und die EU müsse bessere Voraussetzungen schaffen.

Als Gründe für die Krise hat sie "Großinvestoren" ausgemacht, die "auf hohe Renditen spekulieren und ganze Stadtteile aufkaufen". Hinzu komme, dass Immobilien als derzeit sicherste Anlageform auch für kleinere Vermögen gelten. "Diese beiden Faktoren verstärken die Wohnungsnot und lassen die Boden- und Immobilienpreise explodieren."

Bauvorschriften lockern

Dem direkt entgegengesetzt ist das wirtschaftsliberale Denken, wie es sich etwa im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium zeigt: "Der soziale Wohnungsbau sollte nicht wiederbelebt, sondern im Gegenteil zurückgefahren werden", empfiehlt der Beirat in seinem Gutachten "Soziale Wohnungspolitik" vom vergangenen Jahr. An erster Stelle steht die Forderung nach staatlicher Zurückhaltung: "Das Angebot von Wohnraum sollte durch größere Anreize zur Schließung von Baulücken und durch Lockerung unzureichend begründeter Bauvorschriften erhöht werden. Soweit der Staat für die Verteuerung neuer Wohngebäude verantwortlich ist, sollte er seine Regelungen überprüfen", schreiben die 34 Professoren.

Der Wissenschaftliche Beirat stützt sich häufig auf Daten des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Auch in dessen jüngster Studie "Ist der Wohnungsbau auf dem richtigen Weg?" spielt der soziale oder kommunale Wohnungsbau keine Rolle. Die Wohnungskrise könne nur gelöst werden, indem der Fachkräftemangel im Baugewerbe und der Personalmangel in den Baubehörden beseitigt werden. Außerdem seien die Bauvorschriften zu vereinfachen.

Rudolf Stumberger


Wohnen

Europäische Bürgerinitiative



Seit 2012 existiert in der EU ein demokratisches Instrument, das weitgehend unbekannt ist: die Europäische Bürgerinitiative (EBI). Damit ist es den Bürgern der EU möglich, auf die Gesetzgebung Europas einzuwirken. Voraussetzung dafür ist, dass in mindestens sieben EU-Ländern insgesamt eine Million Unterschriften gesammelt werden. Dann kann die Europäische Kommission aufgerufen werden, ein Gesetz für Bereiche vorzuschlagen, für die die EU zuständig ist.

Eine EBI kann von jedem Bürger der EU gegründet werden. Ihre erste Aufgabe ist die Bildung eines Bürgerausschusses. Dieser muss aus mindestens sieben EU‑Bürgerinnen und -Bürgern bestehen, die Einwohner von mindestens sieben verschiedenen EU‑Ländern sind. Bürgerinitiativen können nicht von Organisationen geleitet werden. Eine Organisation kann jedoch eine Initiative fördern oder unterstützen. Dabei muss volle Transparenz gewährleistet sein.

Bei der Initiative "Housing for all" kommen die Mitglieder des Bürgerausschusses aus Österreich, Spanien, Deutschland, Schweden, Kroatien, Portugal und Zypern. Sprecherin ist die Österreicherin Karin Zauner-Lohmeyer. In den einzelnen Ländern gilt eine Mindestzahl an Unterschriften, die erreicht werden muss. In Deutschland sind das 72.000.



Abtreibung

Wenn eine Frau ihr Kind nicht will




Abtreibungsgegner protestieren in Berlin.
epd-bild/Christian Ditsch
Expertinnen der Schwangerschaftskonfliktberatung sehen den Strafrechtsparagrafen 219a auch nach der Neuregelung kritisch. Es habe "keine genügende Entkriminalisierung" bei dem Thema stattgefunden. Leidtragende seien die Frauen.

Viele Menschen meinen, es sei leicht, ein Kind abzutreiben. "Aber das stimmt nicht", sagt Beate Schlett-Mewis von pro familia in Würzburg. Allein an Informationen zu kommen, sei mühsam, denn Ärzte dürfen nicht damit "werben", dass sie abtreiben. So will es Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs. Dass er kürzlich reformiert wurde, hat die Situation kaum entschärft. "Er muss weg", sagt Schlett-Mewis mit Blick auf den Aktionstag für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs am 28. September.

Informationsfreiheit eingeschränkt

Die meisten Staaten in Europa gehen laut Schlett-Mewis heute liberal mit dem Thema um: "Medizinisch korrekte Informationen über sichere Abbrüche zu verbreiten, ist erlaubt." Deutschland gehöre neben Albanien, Russland und drei weiteren Ländern zu jenen Staaten, in denen die Informationsfreiheit eingeschränkt wird. Dagegen will der Aktionstag vorgehen. Ein "Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung", in dem auch pro familia Mitglied ist, fordert eine europaweit einheitliche Politik. Ärzte sollen grundsätzlich darüber informieren dürfen, dass sie Abbrüche anbieten und wie sie Abbrüche vornehmen.

In welche Notlage Schwangere geraten können, veranschaulicht Beate Schlett-Mewis am Beispiel ihrer Klientin Melanie Schön (Name geändert). Kurz, nachdem Schön schwanger geworden war, stellte sie fest, dass ihr neuer Partner, Vater des ungeborenen Kindes, massive psychische Probleme hat. "Er stellte völlig verrückte Sachen an, außerdem behandelte er die sechsjährige Tochter der Frau schlecht", erzählt ihre Konfliktberaterin. Die werdende Mutter geriet in Panik. Würde sie das Kind austragen, würden sie und ihre Tochter jahrelang mit diesem Mann zu tun haben: "Das war für sie unvorstellbar, weshalb sie sich entschloss, die Schwangerschaft abzubrechen."

In Fällen wie diesem kann Abtreibung dem Kinderschutz dienen, meint Schlett-Mewis: "So paradox das klingt." Schön befürchtete, dass ihr Kind in chaotische Verhältnisse hineingeboren würde. Andere Frauen berichten Schlett-Mewis in der Beratung von großen finanziellen Problemen. Oder sie erzählen von prekären Wohnverhältnissen, in denen ein Kind nicht gesund aufwachsen könne. Manchmal hört Schlett-Mewis sogar: "Was ich mache, tue ich aus Liebe zu meinem Kind." Die meisten Frauen fragen im Beratungsgespräch direkt nach einem Arzt, der Abbrüche vornimmt. Doch pro familia darf keine Adressen herausgeben.

Lückenhafte Liste

Das, so Schlett-Mewis, ist ihnen offiziell verboten: "Wir haben eine entsprechende Weisung von der Regierung von Unterfranken." Nur Gesundheitsämter, Krankenkassen und Gynäkologen sei es erlaubt, Namen und Adressen zu nennen. Außerdem gibt es neuerdings eine Liste der Bundesärztekammer (BÄK). Die wird nach Auskunft der BÄK-Pressestelle seit Ende Juli aufgebaut. Noch ist sie lückenhaft. Bayerische Ärzte fanden sich darauf bis vor kurzem gar nicht. Dass es in Würzburg eine stationäre und ambulante Möglichkeit gibt, Abbrüche vornehmen zu lassen, ist der Liste bis heute nicht zu entnehmen.

Immerhin sei es jetzt möglich, sich zu informieren, sagt Sabine Demel, bayerische Vorsitzende des Vereins "donum vitae" zur Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens. Natürlich seien noch nicht allzu viele Ärzte aufgeführt. Das liege allerdings auch daran, mit dass der Schwangerschaftsabbruch nicht zur ärztlichen Grundversorgung gehört. "Es bleibt der Gewissensentscheidung jedes Arztes vorbehalten, ob er sich in die Liste eintragen lässt." Auch die Frauen, die in die ergebnisoffene Konfliktberatung von "donum vitae" kommen, dürfen am Ende ihr Gewissen entscheiden lassen: "Wobei wir uns als Christen wünschen, dass sie Ja sagen zu ihrem Kind."

Andere Lebensschützer kennen für abtreibende Frauen kein Pardon. Genau eine Woche vor dem Aktionstag für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs demonstrierten sie in einem "Marsch fürs Leben" in Berlin gegen Abtreibungen. Der Polizeilichen Kriminalstatistik zufolge zeigten Lebensschützer in den vergangenen Jahren auch immer häufiger Ärzte an, die darüber informierten, wie sie Abtreibungen durchführen. Erst im Juni wurden wieder zwei Berliner Gynäkologinnen verurteilt.

Ideologische Vorurteile gegen Frauen

Nach Einschätzung von Schlett-Mewis erschweren ideologische Vorurteile gegen Frauen die neu entflammte Debatte um Schwangerschaftsabbrüche. "Es wird so getan, als würden Frauen dies leichtsinnig tun und als seien sie nicht imstande, eine überlegte Entscheidung zu treffen", sagt die Pro familia-Mitarbeiterin. Doch das habe sie in ihrer Beratungsarbeit noch nie erfahren. Viele Frauen blieben bis zum Schluss leicht ambivalent - zu ihrem eigenen Nachteil: "Wir haben es schon erlebt, dass sich Klinikärzte wegen dieser Ambivalenz geweigert haben, den Abbruch durchzuführen."

Das stürze Frauen in seelische Qualen. Denn sie könnten sich trotz leichter Zweifel letztlich nicht vorstellen, das Kind, das in ihrem Bauch heranwächst, zur Welt zu bringen. Sehr problematisch ist laut Schlett-Mewis auch, dass die Frauen allein auf ein Vorgespräch in der Klinik mitunter lange warten müssen: "Teilweise bekommt man erst nach drei Wochen einen Termin." Bis zum Eingriff könne eine weitere Woche vergehen. Manche Frauen seien dann über der gesetzlichen Frist von zwölf Wochen ab Befruchtung - und müssen ihr Kind austragen.

Dass der Paragraf 219a trotz Neuregelung heikel bleibt, bestätigt Carola Mägdefrau vom Frauen & Mädchen Gesundheitszentrum Nürnberg (FMGZ): "Es hat keine genügende Entkriminalisierung stattgefunden." Zwar dürften Ärzte informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen: "Sie müssen aber weiterhin mit Strafanzeigen rechnen, wenn sie beschreiben, welche Methoden sie anwenden." Das Team des Gesundheitszentrums ist deshalb einhellig der Meinung: "Der Paragraf 219a gehört ersatzlos gestrichen."

Frauen, befürchtet das FMGZ, werden wieder vermehrt ins Ausland reisen, weil die Situation hierzulande so problematisch sei. In Nürnberg selbst gebe es zwar eine Praxis auf dem Gelände des Klinikums, die Abbrüche vornimmt. Mägdefrau: "Wenn eine Frau aber nicht dorthin gehen möchte, weil sie im Klinikum arbeitet und es ihr zu nah ist, wird es sehr schwierig."

Pat Christ


Kirchen

Katholische Bischöfe wollen Entschädigungen für Missbrauchsopfer neu regeln




Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
epd-bild/Annette Zoepf
Zwei Modelle für Anerkennungsleistungen liegen auf dem Tisch. Die Bischöfe wollen in den kommenden Monaten darüber entscheiden. Opfervertreter befürworten eine pauschale Entschädigungsleistung von 300.000 Euro.

Die katholische Bischöfe wollen die Entschädigungen für Opfer sexuellen Missbrauchs neu regeln. Die Deutsche Bischofskonferenz beriet während ihrer Herbst-Vollversammlung den Vorschlag einer Arbeitsgruppe, der am 25. September in Fulda vorgestellt wurde. Demnach kommen zwei Modelle in Frage: eine pauschale Entschädigungsleistung in Höhe von 300.000 Euro oder ein Stufen-Modell mit Beträgen zwischen 40.000 und 400.000 Euro, das den Einzelfall stärker berücksichtigt. Eine Entscheidung darüber, welches Modell die Bischöfe einführen wollen, wurde nicht getroffen, wie der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, mitteilte.

Grund-Schmerzensgeld von 10.000 Euro

Bislang habe die katholische Kirche rund 2.100 Betroffenen eine finanzielle Anerkennung für erlittenes Leid gezahlt, sagte Ackermann. Nach Angaben der Bischofskonferenz beläuft sich die bisher gezahlte Gesamtsumme auf rund neun Millionen Euro. 5.000 Euro pro Antrag gelten bislang als Richtwert. Zusätzlich wurden oft anfallende Therapiekosten übernommen.

Nach dem neuen Modell könnte in Zukunft ein Grund-Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro gezahlt werden. "Damit sind minderschwere Fälle wie Grenzverletzungen und sexuelle Belästigungen erfasst", heißt es in dem Arbeitspapier. Über diese Grundsumme hinaus sollen Betroffene Entschädigungsleistungen nach einem der beiden Modelle erhalten - entweder als Einmalzahlung oder in Form einer monatlichen Rente.

Anspruch auf eine solche Anerkennungsleistung haben demnach zunächst zum Tatzeitpunkt minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs. Sexueller Missbrauch umfasst nach dem Vorschlag der Arbeitsgruppe sowohl strafrechtlich sanktionierbare Handlungen, wie auch nicht strafrechtlich relevante Handlungen, die die Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen missachten.

Kirche ohne Weisungsrecht

Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, betonte am Mittwoch, es gehe nicht nur um Anerkennung des erlittenen Leids, sondern um Verantwortungsübernahme durch die Institution Kirche. Er sprach sich erneut für eine pauschale Entschädigungszahlung in Höhe von 300.000 Euro aus. Eine Pauschale habe Vorteile für die Opfer sexuellen Missbrauchs. "Es erspart den Opfern eine Menge und es beschleunigt das Verfahren", sagte Katsch. Eine Pauschalisierung sei daher "schonender und fairer".

Katsch hatte am 24. September den Vorschlag der Arbeitsgruppe den Bischöfen vorgestellt. Es sei das erste Mal, dass ein Vertreter der Betroffenen an dieser Stelle vor der Vollversammlung gesprochen habe, sagte er. "Es ist nicht einfach für ein Opfer sexueller Gewalt, hier zu stehen", fügte Katsch hinzu.

Er forderte außerdem, auch die Deutsche Ordensoberenkonferenz finanziell und organisatorisch an dem geplanten neuen Verfahren zu beteiligen, weil viele der Taten in Einrichtungen von Orden verübt worden seien. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe sieht auch vor, das Verfahren für Entschädigungszahlungen zu ändern. Dafür soll ein Fonds eingerichtet werden, der gegenüber der Kirche nicht weisungsgebunden sein soll.

Wann die Bischofskonferenz über die Art des Entschädigungsmodells, das Verfahren und die Höhe der Summen entscheiden wird, ist unklar. Ackermann sprach davon, "zügig" innerhalb der kommenden Monate entscheiden zu wollen. Katsch betonte, er hoffe, den Betroffenen bald "ein Ende des langen Weges" aufzeigen zu können.

Franziska Hein


Wohnen

Niedersachsen will Gesetz gegen Schrottimmobilien



Die niedersächsische Landesregierung hat ein Gesetz zum Schutz vor Schrottimmobilien auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss am 24. September in Hannover den Entwurf eines neues Wohnraumschutzgesetzes, damit Kommunen künftig schneller bei unzumutbaren Wohnzuständen eingreifen können, teilte die Landesregierung in Hannover mit. Das Gesetz soll im ersten Quartal 2020 in Kraft treten.

Bauminister Olaf Lies (SPD) erinnerte an den Skandal um zwei Wohnblöcke im Delmenhorster Wollepark vor zwei Jahren. Mangels rechtlicher Handhabe habe die Stadt damals nicht gegen die katastrophalen Zustände vorgehen können. "Damit soll künftig Schluss sein, solche Zustände können und wollen wir in Niedersachsen nicht dulden." Verstöße sollen mit bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

Pro Bewohner mindestens neun Quadratmeter

Das neue Gesetz schreibe Mindestbedingungen fest, wie etwa ausreichende natürliche Beleuchtung und Belüftungsmöglichkeiten, hieß es. Außerdem müsse jede Mietwohnung über Anschlüsse für Energie- und Wasserversorgung, eine Feuerstätte oder eine Heizung sowie eine Sanitäreinrichtung verfügen. Sollte der Wohnraum im äußersten Fall als unbewohnbar erklärt werden, müsse der Vermieter die Bewohner auf eigene Kosten anderweitig unterbringen. Außerdem sollen pro Bewohner mindestens neun Quadratmeter, für Kinder sechs Quadratmeter, an Wohnraum zur Verfügung stehen.

Vor zwei Jahren eskalierte der Streit um zwei Wohnblöcke im Delmenhorster Wollepark. Die rund 50 Eigentümer der 80 maroden Wohnungen hatten die Zahlungen der Mieter für Gas und Wasser einbehalten und nicht an die Versorger weitergeleitet. Nachdem eine sechsstellige Summen aufgelaufen war, drehte die Stadtwerkegruppe Delmenhorst im Mai 2017 Gas und Wasser für die 350 Bewohner ab.

Die Bewohner, darunter viele Kinder, mussten über einen Hydranten vor den Häusern mit Wasser versorgt werden. Die Diakonie unterstützte die zumeist in prekären Verhältnissen lebenden Menschen mit Beratungen, Decken und Heizgeräten. Anfang Oktober 2017 erklärte die Delmenhorster Bauordnungsbehörde die Gebäude wegen schwerer baulicher Mängel für "unbewohnbar". Die Mieter mussten die Wohnungen verlassen. Am 1. November wurden die Gebäude versiegelt.



Bundesregierung

2.800 Anträge auf geförderte Pflegestellen



Träger von Pflegeeinrichtungen haben bis Mitte Juli bundesweit rund 2.800 Anträge auf Förderung von zusätzlichem Pflegepersonal gestellt. Mehr als 300 Anträge waren zu dem Zeitpunkt bewilligt. Seit Jahresbeginn wurden Fördermittel in Höhe von mehr als sieben Millionen Euro zu dem Zweck gezahlt, wie es in der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion heißt.

Wie viele der in Aussicht gestellten 13.000 neuen Stellen in der Altenpflege bisher besetzt werden konnten, ist den Angaben zufolge noch nicht klar. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müsse erstmals bis Ende dieses Jahres und danach jährlich über die Zahl der durch den Vergütungszuschlag finanzierten Pflegekräfte, den Stellenzuwachs und die Ausgabenentwicklung berichten.

Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) lag die Zahl der offenen Stellen in Pflegeheimen im Juli 2019 bei rund 9.400. Allerdings würden nicht alle offenen Stellen gemeldet, hieß es.



Niedersachsen

Ministerium bringt Evaluation der Pflegekammer auf den Weg



Das niedersächsische Sozialministerium hat das Startsignal für die Evaluation der umstrittenen Landespflegekammer gegeben. Sozialministerin Carola Reimann (SPD) vergab den Auftrag an die Unternehmensberatung "Kienbaum Consultants International GmbH" mit Sitz in Köln, wie das Ministerium am 25. September in Hannover mitteilte. "Wir wollen herausfinden, ob beziehungsweise an welchen Stellen sich die Pflegekammer optimieren lässt, damit sie uneingeschränkt ihrer Aufgabe gerecht wird, eine starke und effektive Vertretung und Stimme der vielen engagierten Pflegekräfte in Niedersachsen zu sein", sagte Reimann.

Der Pflegekammer gehören nach eigenen Schätzungen rund 90.000 Pflegefachkräfte an. Sie war Anfang 2017 als berufspolitische Vertretung aller Pflegekräfte im Land gegründet worden. Pflichtmitglieder sind Fachkräfte mit Abschlüssen in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Kinderkrankenpflege. Seit dem Jahreswechsel gab es zum Teil heftige Proteste gegen die Kammer und deren Beitragspflicht. Einer entsprechenden Online-Petition hatten sich rund 50.000 Menschen angeschlossen.




sozial-Branche

Pflege

Eigenanteile für Heimbewohner deutlich gestiegen




Zwei Heimbewohnerinnen und ihr Alltagsbegleiter spielen Karten.
epd-bild/Thomas Rohnke
Die Kosten für einen Platz in einem Pflegeheim steigen weiter. Mittlerweile liegt der Eigenanteil bei fast 2.000 Euro - und damit deutlich über der durchschnittlichen Rente. Kritiker fordern eine Reform der Pflegeversicherung.

Pflegebedürftige müssen für einen Heimplatz immer tiefer ins Portemonnaie greifen. Seit Oktober 2018 stieg die Eigenbeteiligung nach Angaben der privaten Krankenkassen im Durchschnitt um mehr als 110 Euro auf nunmehr fast 1.930 Euro im Monat. Der Anstieg beläuft sich damit auf mehr als sechs Prozent, wie eine Auswertung der "Pflegedatenbank" des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV) ergab, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte, Pflegebedürftige vor Armut zu schützen.

Eigenanteil zwischen 1.350 und 2.400 Euro

Am stärksten stiegen nach Angaben der PKV die Eigenbeteiligungen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Hier kletterten die Beträge, die die Pflegebedürftigen selbst aufbringen müssen, um etwa zehn Prozent.

Am tiefsten in die eigene Tasche greifen müssen derzeit die Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen, wie aus den PKV-Daten hervorgeht. Hier lag der Eigenanteil zum 1. September bei 2.406 Euro. Am 1. Oktober 2018 waren es noch 2.309 Euro gewesen. Es folgen das Saarland mit 2.301 (2.178) Euro sowie Baden-Württemberg mit 2.250 (2.116) Euro. Im Mittelfeld liegen unter anderem Berlin mit 1.931 (1.856) Euro, Hessen mit 1.936 (1.783) Euro oder Brandenburg mit 1.646 (1.527) Euro. Am preiswertesten sind Heimplätze derzeit in Mecklenburg-Vorpommern, wo 1.346 (1.238) Euro bezahlt werden müssen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte, die Eigenanteile für die Pflegebedürftigen künftig auf maximal 15 Prozent der Kosten zu begrenzen. Die Pflegekassen seien stärker in die Pflicht nehmen. Eine Reform der Pflegeversicherung sei "überfällig, um künftig nicht nur gute Pflege zu gewährleisten, sondern die Betroffenen auch vor Armut zu schützen", erklärte der Verband.

Obergrenze für Zuzahlung gefordert

Der Paritätische wies darauf hin, dass die durchschnittliche Rente für Neurentnerinnen und Neurentner bei 874 Euro (West) und 1.019 Euro (Ost) liege und damit deutlich unter den durchschnittlich anfallenden Eigenanteilen für einen Heimplatz. Auch die Sozialhilfequote von fast 40 Prozent unter Pflegeheimbewohnern zeige, dass die Pflegeversicherung bei der Absicherung der Pflege versage. Notwendig sei "eine klare Haltelinie": 15 Prozent der Kosten sei das äußerste, was den Pflegebedürftigen an Eigenanteil zuzumuten sei.

Die Diakonie Deutschland hält die Pflegeversicherung für "nicht mehr zeitgemäß", da die Leistungen nicht an die steigenden Lebenshaltungskosten und veränderte demografische Verhältnisse angepasst worden seien. "Die Pflegeversicherung muss dringend weiterentwickelt werden", sagte Vorstand Maria Loheide.

Die Kosten für Qualitätsverbesserungen, die Erhöhung des Personalschlüssels, Vergütungssteigerungen würden regelmäßig den Versicherten aufgebürdet. Daher wachse die Sorge älterer Menschen, im Pflegefall die Kosten nicht tragen zu können und auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. "Wir wollen nicht, dass Pflegebedürftige aus finanziellen Gründen schlecht versorgt sind und pflegende Angehörige unter der Pflegelast selbst zum Pflegefall werden. Deshalb schlagen wir ein flexibles Serviceangebot vor, das die pflegenden Angehörigen entlastet und unterstützt", sagte Loheide.

Oppositionsparteien sehen Reformbedarf

Die Linke forderte die Abschaffung des Eigenanteils. "Es braucht eine Pflege-Vollversicherung, die alle Pflegeleistungen umfasst", sagte Parteichef Bernd Riexinger.

Nach der Auffassung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen sollte der Eigenanteil für die pflegebedürftigen Menschen festgeschrieben werden, so dass die Pflegeversicherung künftig alle pflegebedingten Kostensteigerungen übernimmt. Dadurch würden "vermutlich die Kosten für die Versichertengemeinschaft steigen, aber dem Anstieg wollen wir mit einer gerechten und stabilen Finanzierung durch eine Pflege-Bürgerversicherung begegnen", sagte die Sprecherin für Alten - und Pflegepolitik, Kordula Schulz-Asche.

Auch die FDP sieht die steigenden Eigenanteile mit Sorge. Eine Deckelung der Eigenanteile sei aber nicht generationengerecht zu finanzieren und auch sozialpolitisch nicht zielgenau, sagte Nicole Westig, die pflegepolitische Sprecherin der Fraktion. "Stattdessen müssen die bestehenden Eigenanteile gesenkt und mehr Kapitaldeckung in der Pflegefinanzierung erreicht werden."

Als Hauptursache für die gestiegenen Eigenanteile gelten Lohnerhöhungen für das Pflegepersonal. Die Beschäftigten werden jedoch nach wie vor schlechter bezahlt als Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger.

Markus Jantzer


Kriminalität

Staatsanwalt erhebt Anklage gegen Vorgesetzte von Ex-Pfleger Högel




Patientenmörder Niels Högel
epd-bild/Hauke-Christian Dittrich/dpa-Poolfoto
Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel sitzt wegen 85 Morden lebenslänglich hinter Gittern. Nun sollen sich auch seine früheren Vorgesetzten verantworten. Laut Anklage haben sie ihn weiter töten lassen, um das Ansehen ihrer Klinik zu schützen.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat fünf ehemalige Vorgesetzte des wegen 85-fachen Mordes verurteilten früheren Krankenpflegers Niels Högel angeklagt. Den Beschäftigten des Klinikums Oldenburg werde Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am 26. September dem Evangelischen Pressedienst (epd). Trotz deutlicher Hinweise hätten sie Högel bei den Morden an Patienten nicht gestoppt.

Haftstrafen zwischen fünf und 15 Jahren drohen

Angeklagt sind dem Sprecher zufolge der langjährige Geschäftsführer, die damalige Pflegedirektorin, der ehemalige Chefarzt der Herzchirurgie, der Chefarzt der Anästhesie sowie ein Stationsleiter. Dem Geschäftführer und der Pflegedirektorin werden jeweils 63 Fälle vorgeworfen, einem Chefarzt 60 Fälle, dem zweiten Chefarzt und dem Stationsleiter je drei Fälle. Ihnen drohen zwischen fünf und 15 Jahren Haft. Drei der Angeschuldigten arbeiten nicht mehr im Klinikum. Högel wurde Anfang Juni vom Landgericht Oldenburg zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die Anklage gehe davon aus, dass die Verantwortlichen spätestens ab Ende Oktober 2001 die von Högel ausgehende Gefahr erkannt hätten, hieß es. Zu diesem Zeitpunkt habe eine interne Liste vorgelegen, aus der ersichtlich gewesen sei, dass Högel weit häufiger bei Reanimationen mit Todesfolge dabei war als andere Pflegekräfte.

In der Folge sei es zu mehreren Besprechungen gekommen, bei denen auch das Einschalten der Strafverfolgungsbehörden thematisiert worden sei. Doch es sei entschieden worden, die Polizei nicht zu informieren. Laut der Anklage blieben die Angeschuldigten "aus Sorge um ihre persönliche Reputation, die Reputation der kardiochirurgischen Intensivstation und des Klinikums Oldenburg insgesamt" untätig.

Klinik mit gutem Zeugnis verlassen

Stattdessen sei Högel aufgrund des Verdachtes auf die Anästhesie-Station versetzt worden. Auch dort sei er auffällig geworden. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft habe der Chefarzt der Station spätestens von diesem Zeitpunkt an ebenfalls die von dem Pfleger ausgehende Gefahr erkannt. Die Pflegedirektorin und der Geschäftsführer hätten dafür gesorgt, dass Högel bei laufenden Bezügen für drei Monate freigestellt wurde und schließlich das Klinikum mit einem guten Zeugnis verlassen konnte.

Die Anklage wirft den Angeschuldigten vor, mit dem falschen Zeugnis die von Högel ausgehende tödliche Gefahr für Patienten verschleiert zu haben. So habe der Ex-Krankenpfleger eine neue Anstellung am Krankenhaus Delmenhorst bekommen können, wo er weiter mordete. Darum seien diese drei Angeschuldigten auch für die 60 Morde und Mordversuche in Delmenhorst in der Zeit vom Dezember 2002 bis Juni 2005 verantwortlich.

Nun muss das Oldenburger Landgericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Dies dürfte jedoch noch dauern: Sowohl Högel als auch ein Nebenkläger haben gegen das Mordurteil vom Juni Revision vor dem Bundesgerichtshof beantragt. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens ist das Urteil gegen Högel nicht rechtskräftig. Doch ohne das rechtskräftige Urteil wäre Högel als Zeuge gegen seine Vorgesetzten wertlos. Er könnte seine Aussage verweigern, um sich nicht selbst weiter zu belasten. Mit einem Urteil steht ihm dieses Recht nicht zu.

Högel hatte zwischen 2000 und 2005 in Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst mindestens 85 Patienten ermordet. In weiteren 15 Fällen wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Laut Feststellung des Gerichts vergiftete er seine Patienten mit Medikamenten, die zum Herzstillstand führten, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er vor Kollegen als kompetenter Retter glänzen. Wegen sechs weiterer Taten war er bereits in früheren Prozessen verurteilt worden.

Jörg Nielsen


Fundraising

Vom geschundenen Kind zum unermüdlichen Helfer




Der Schotte John McGurk läuft im Kilt gegen Kinderarmut. Mitt dabei ist der ehemalige Schalke-Profi Olaf Thon (3. von li.).
epd-bild/McGurk
Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen: Der Benefizläufer John McGurk hat über den Kampf um sein Leben und für eine bessere Welt ein Buch geschrieben.

Von den überforderten Eltern vernachlässigt und verstoßen, vom Heimleiter verprügelt, von Ärzten vollgepumpt mit Antidepressiva. "Manchmal war ich mir selbst nicht sicher, ob ich das alles wirklich erlebt habe", sagt John McGurk. Seit fast 30 Jahren läuft der gebürtige Schotte und Wahl-Osnabrücker, um Geld für Kinder zu sammeln, deren Start ins Leben ähnlich schwer war wie seiner. Das Markenzeichen des 58-Jährigen ist der Kilt, der kariert gemusterte Schottenrock. Mit ihm hat er viele tausend Kilometer zurückgelegt und mehr als 1,5 Millionen Euro erlaufen. Vor vier Jahren begann er, seine eigene Geschichte zu recherchieren und Dokumente zu sammeln. Nun erzählt er sie in einem Buch, das in diesen Tagen in die Buchhandlungen kommt: "Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen."

Begegnung mit Gott

Der Titel ist eine Art Lebensmotto für den tiefgläubigen Christen: "Ich hätte wirklich allen Grund gehabt, Gott die Schuld für meine Kindheit in die Schuhe zu schieben", sagt der Extremsportler. Stattdessen fühlt er sich von Gott berufen, sich für Kinder einzusetzen. Entwaffnend offen erzählt McGurk von Träumen, in denen ihm, als er längst erwachsen war, Engel erschienen. Es sei ihm egal, ob es vielleicht auch nur Einbildung gewesen sei: "Für mich war es eine Begegnung mit dem lebendigen Gott", schreibt er im Buch. Und weiter: "Als ich ganz unten war, kam er in mein Leben, um mich zu retten."

Aufgewachsen ist McGurk mit sieben Geschwistern in einem Armenviertel im schottischen Glasgow. "Wir hatten nie genug zu essen, keine Schuhe, keine passende Kleidung, trieben uns schon als Kleinkinder in den Straßen herum." Der Vater war arbeitslos, trank und schlug die Mutter. Eines Tages hielt sie es nicht mehr aus und floh nach Irland. Als der Vater sich aufmachte, sie zu suchen, wurden die Kinder in Heime gesteckt - jedes in ein anderes. John war zehn Jahre alt. "Ich glaube, für solche Momente wurde der Begriff mutterseelenallein erfunden", sagt McGurk erstaunlich gefasst und ergänzt: "Ich kann mich an keinen wirklich glücklichen Moment in meiner Kindheit erinnern."

Misshandlungen im Kinderheim

Das Leid seiner frühen Jahre war jedoch noch nicht zu Ende. Der Heimleiter war egozentrisch und jährzornig. Er schlug vor allem die Jungen, die sich wie John gegen Ungerechtigkeiten auflehnten. "Einmal hat er mich gegen die Wand geworfen und so auf mich eingeprügelt, dass ich in eine Klinik gebracht werden musste." Die Ärzte verschrieben dem Jungen Psychopharmaka, damit er ruhiger wurde. Mit 14 Jahren kam McGurk endlich zurück zu seiner Mutter, die mit ihrem neuen Partner wieder in Glasgow wohnte.

Auch danach hatte der Heranwachsende und später dann der gestandene Mann noch manche Hürde zu überwinden. Anfang der 1980er Jahre kam er als britischer Soldat nach Osnabrück und blieb. Seit einigen Jahren lebt er in Lotte, einer westfälischen Gemeinde direkt an der Stadtgrenze. McGurk litt unter Albträumen und Flashbacks, hatte depressive Phasen und wurde fast zum Alkoholiker. Er fand dennoch eine Anstellung in einer Papierfabrik. 1992 heiratete er "die Liebe meines Lebens" und wurde selbst fürsorglicher Vater zweier Kinder. Für seine Benefiztätigkeit gründete er in Osnabrück einen eigenen Verein.

Der Schotte trainiert auch heute noch fast täglich für seine Benefizläufe, überzeugt mit seinem Verein "Sportler 4 a childrens world" unermüdlich Sponsoren. Mal läuft er 2.000 Kilometer quer durch Deutschland für die Arche-Zentren der Diakonie, mal 500 Kilometer für Straßenkinder in Brasilien. Er rennt für einen Kindergarten im afghanischen Kabul, für an Aids erkrankte Kinder in Südafrika, für terre des hommes und SOS-Kinderdörfer. Dass er für seine Berufung das Laufen wählte, "lag einfach daran, dass es am einfachsten war. Und ich werde es tun, so lange ich lebe."

John McGurk: Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen. SCM Verlagsgruppe, Holzgerlingen 2019

Martina Schwager


Pflege

Expertin: Kaum Kurzzeit-Plätze für Demenzkranke



Demenzkranke werden nach Expertenansicht bei der Vergabe von Kurzzeitpflegeplätzen häufig benachteiligt. "Menschen mit Demenz sind bei den Pflegeheimen unbeliebter, weil sie die schwierigeren Patienten sind", sagte die Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Sabine Jansen, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für die Pflegekräfte bedeute ein demenzkranker Bewohner einen erhöhten Arbeitsaufwand, weil er beispielsweise versuche, aus der Einrichtung wegzulaufen oder sich wegen der ungewohnten Umgebung unruhig verhalte.

Menschen mit Demenz gewöhnen sich Jansen zufolge nur schlecht an die neue Situation in einer Pflegeeinrichtung. Sie seien stark auf ihre Bezugsperson, den pflegenden Angehörigen, fixiert.

Lange Wartelisten

Kurzzeitpflege ist für Angehörige als Überbrückung gedacht, etwa wenn sie in den Urlaub fahren wollen. Kurzfristig ist laut Jansen in den meisten Einrichtungen allerdings kaum noch ein Platz zu finden. "In manchen Regionen Deutschlands müssen sich die Angehörigen ein Jahr im Voraus um einen Pflegeplatz kümmern." Die Einrichtungen verfügten oft über lange Wartelisten, sagte die Sozialpädagogin, die seit 22 Jahren für die Deutsche Alzheimer Gesellschaft tätig ist.

Pflegende Angehörige warteten ohnehin in der Regel lange, bevor sie sich entschieden, den Demenzkranken in Kurzzeitpflege zu geben. "Wenn die Angehörigen sich eine Auszeit gönnen, sind sie oft bereits am Ende ihrer Kräfte", sagt Jansen. Erhielten sie für den Demenzkranken auf absehbare Zeit keinen Pflegeplatz, sei das für sie dramatisch.

Alleingelassen und isoliert

Jansen zufolge erkranken pflegende Angehörige häufiger an Depressionen. Sie fühlten sich in ihrer Situation oft alleingelassen und isoliert. Auch für den Pflegebedürftigen sei es keinesfalls gut, wenn sein Betreuer an seine Belastungsgrenzen stößt, fügte die Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft hinzu. "Die Situation kann dann eskalieren und in verbaler oder körperlicher Gewalt enden, die eigentlich nicht gewollt ist."

Die Angehörigen, die in der Kurzzeitpflege aktuell keinen freien Platz finden, geben laut Jansen in der Folge oft die häusliche Pflege auf. "Ihnen bleibt fast nichts anderes übrig, als dauerhaft auf ein Heim auszuweichen, wenn sich keine andere Lösung findet", sagt die 57-Jährige.

In Deutschland sind nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft 1,7 Millionen Menschen demenzkrank, zwei Drittel von ihnen werden zu Hause gepflegt. Angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung rechnen Experten damit, dass sich die Zahl der Demenzkranken bis 2050 auf drei Millionen Menschen erhöhen wird. Am 21. September ist Welt-Alzheimer-Tag.

Patricia Averesch


Inklusion

Gewerkschaft fordert dauerhaft zweite Fachkraft im Unterricht



Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt davor, die Inklusion kaputtzusparen. Der Mangel an Lehrkräften an allen Schulformen gefährde den Erfolg des gemeinsamen Unterrichts für Kinder mit und ohne Förderbedarf, sagte die Vorsitzende des niedersächsischen Landesverbandes, Laura Pooth dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Um Inklusion gelingen zu lassen, müsste permanent im Team unterrichtet werden."

Optimal wäre als zweite Person eine Förderschullehrkraft oder eine pädagogische Fachkraft. Zusätzlich sollte die Zahl der Kinder pro Klasse deutlich gesenkt werden. "Das muss das politische Ziel sein und das muss auch finanziert werden", sagte Pooth. Therapeutische und pädagogische Fachkräfte stünden durchaus zur Verfügung. Allein 1.000 wollten von Teilzeit auf Vollzeit umstellen. Aber die Landesregierung in Hannover verzögere die Umwandlung der Verträge.

Situation unbefriedigend

Derzeit sei die Situation für alle Seiten unbefriedigend, erklärte die Gewerkschafterin. Allgemeine Lehrkräfte unterrichteten in gemischten Klassen und würden nur in wenigen Stunden durch Förderschullehrkräfte unterstützt. "Sie fühlen sich mit der Inklusion allein gelassen und können sich dem einzelnen Kind nicht so widmen, wie sie es für richtig halten und wie es die Schüler verdient hätten." Förderschullehrkräfte müssten zwischen Förderschulen und Regelschulen pendeln und könnten so ebenfalls den Kindern nicht gerecht werden.

Das führe zu hohen Belastungen der Kolleginnen und Kollegen und vermutlich zu vermehrten Krankschreibungen. Genaue Zahlen zu den Krankenständen unter Lehrern wolle das Kultusministerium erstmals im nächsten Jahr veröffentlichen. Die Rückmeldung der Lehrkräfte sei aber eindeutig, sagte Pooth: "Sie betrachten es als größte Belastung, nicht das umsetzen zu können, was die Eltern für ihre Kinder zu Recht fordern."

Notwendig ist Pooth zufolge in erster Linie die Ausbildung weiterer Förderschullehrkräfte. Sie kritisierte, dass derzeit dennoch nicht alle Studienplätze für Förderschullehrkräfte besetzt würden. Zudem seien Weiterbildungsangebote für allgemeine Lehrkräfte gestrichen worden.

Martina Schwager


Auszeichnungen

Innovatio-Sozialpreis geht an Fernfahrerprojekt "Lenkpause"



Der innovatio-Sozialpreis 2019 geht an das Projekt "Lenkpause für Körper und Seele" der Arbeitnehmerseelsorge im Erzbistum Freiburg und des evangelischen Dekanats Hegau. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wurde am 24. September am Sitz des Projektträgers in Singen am Bodensee verliehen. Mit seinen Gesprächs-Angeboten für Fernfahrer schaffe es das Projekt, Menschen zu erreichen, die als Einzelkämpfer täglich unter hohen Belastungen unterwegs sind, würdigte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie die Preisträger. Das Projekt sei zugleich ein schönes Beispiel dafür, wie lebendiges, kirchliches Leben auch an eher ungewöhnlichen Orten gelingen könne.

Caritas-Präsident Peter Neher bezeichnete das Veranstaltungsformat als innovativ. Es bringe eine bunte Mischung Ehrenamtlicher aus vielen Bereichen des Lebens zusammen - aus ökumenischen Netzwerken und unterschiedlichen Kirchengemeinden bis hin zu Gewerkschaften und der Polizei. "Kirche geht zu den Menschen, wenn diese nicht selber kommen können", sagt Urs Keller, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Baden, in seiner Laudatio. Die Auszeichnung sei insofern auch Ermunterung und Auftrag für die Kirche, auf diesem Weg weiterzugehen.

Bei der "Lenkpause" engagieren sich mehr als 50 Ehrenamtliche an mehreren Wochenenden im Jahr mit einer Mischung aus geistlichem Impuls, Gesprächen bei Kaffee und Kuchen und einem Kulturprogramm an der Autobahnkapelle Engen auf dem Rastplatz Hegau-West.

Der Sozialpreis innovatio wird in diesem Jahr zum zwölften Mal verliehen. Schirmherren sind die Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes und der Diakonie Deutschland, Peter Neher und Ulrich Lilie. Seit 1998 haben sich mehr als 1.300 Projekte um die Auszeichnung beworben. Das Preisgeld wird durch den Versicherer im Raum der Kirchen gestiftet.



Kooperation

Diakonie Stetten und Paulinenpflege Winnenden gründen Fachschule



Die Diakonie Stetten und Paulinenpflege Winnenden bilden zukünftig gemeinsam aus. Die Einrichtungen haben einen Kooperationsvertrag zur Eröffnung einer gemeinsamen Fachschule für Jugend- und Heimerziehung in Waiblingen abgeschlossen, teilten die Einrichtungen am 20. September mit. Die Schule solle zum Schuljahr 2020/2021 eröffnet werden.

Die angehenden Erzieher werden in der Schule sowohl für unmittelbare Betreuungsaufgaben als auch für zusätzliche Verwaltungs- und Leitungsaufgaben qualifiziert, heißt es in der Mitteilung. Ziel ist es, pro Jahr mindestens einen Ausbildungskurs mit 25 bis 28 Teilnehmern zum Abschluss zu bringen. Die Ausbildung erfolgt im Wechsel von theoretischen Einheiten an der Fachschule und praktischen Einheiten, die in den beiden Einrichtungen und weiteren Kooperationseinrichtungen absolviert werden würden. Der Standort der neuen Fachschule wird an der Ludwig Schlaich Akademie der Diakonie Stetten sein.

Erste Schritte im Rahmen der Kooperation sind den Angaben zufolge die gemeinsame Entwicklung eines Curriculums sowie die Ausschreibung einer Schulleitungsstelle, die ab Frühjahr 2020 besetzt werden soll. Die Diakonie Stetten bietet soziale Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen an und bildet Fachkräfte in sozialen Berufen aus. Die Arbeitsschwerpunkte der Paulinenpflege sind Wohnangebote und Werkstätten in der Behindertenhilfe, Berufsbildung und Schulen für hörgeschädigte, sprachbehinderte oder autistische junge Menschen sowie ein Jugendhilfeverbund.



Kirchen

Diakonie Herzogsägmühle in Familienpakt Bayern aufgenommen



Die Diakonie Herzogsägmühle ist jetzt Mitglied im Familienpakt Bayern. Familienfreundlichkeit sei ein "immer wichtigeres Kriterium" für Fachkräfte bei der Wahl des Arbeitgebers, sagte Direktor Wilfried Knorr am 23. September in Peiting.

Herzogsägmühle wurde bereits mehrmals mit dem Gütesiegel Familienorientierung der Diakonie Bayern ausgezeichnet. Zu den familienfreundlichen Angeboten des Wohlfahrtsunternehmens gehörten unter anderem Betreuungsplätze für Kinder von Mitarbeitenden sowie Beratung und flexible Arbeitszeiten für pflegende Angehörige.

Der Familienpakt Bayern ist eine Initiative der Landesregierung, der Industrie- und Handelskammern, der Bayerischen Wirtschaft und dem Bayerischen Handwerkstag und will die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken. Nach eigenen Angaben hat der Familienpakt derzeit 879 Mitglieder und Netzwerkpartner und bietet Unternehmen Beratung zur Umsetzung von familienfreundlichen Maßnahmen.




sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Versetzungen für den Betriebsfrieden




Großküche in Berlin
epd-bild/Juergen Blume
Wenn es zwischen Kollegen ständig Streit gibt und ein gedeihliches Arbeiten kaum noch möglich scheint, dann kann die Unternehmensleitung einen Beschäftigten im Betrieb versetzen. Nach einem Gerichtsurteil muss er nicht vorher die genauen Streitursachen klären.

Ein Heimbetreiber darf bei starken zwischenmenschlichen Konflikten zwischen Beschäftigten die Versetzung anordnen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, zunächst die genauen Ursachen und Verantwortlichkeiten der Streitereien aufzuklären, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 30. Juli.

Im konkreten Fall ging es um eine 52-jährige Köchin, die seit dem 24. Juli 1990 in einem diakonischen Pflegeheim arbeitete. In der Küche des Heimes sind fünf Köche einschließlich der Küchenleitung sowie zwei Hilfskräfte beschäftigt.

Erhebliche Spannungen

Zwischen der 52-Jährigen und insbesondere der Küchenleitung, aber auch zu anderen Beschäftigten kam es seit längerem zu erheblichen Spannungen. Wiederholte Personalgespräche in der Vergangenheit konnten die anhaltenden Streitereien nicht lösen.

Im Mai 2017 eskalierte dann der Konflikt zwischen der Küchenleiterin und der Klägerin. Die Vorgesetzte warf der 52-Jährigen vor, dass diese statt 13 Liter Senfsoße tatsächlich 25 Liter und damit viel zu viel angerührt habe. Die Köchin war daraufhin so aufgebracht, dass sie vor den Augen der Küchenleiterin die überschüssige Menge der Soße im Abfluss entsorgte.

Beide Parteien bezeichneten ihr Verhältnis als "zerrüttet". Der diakonische Dienstgeber griff nun durch, um den Betriebsfrieden und die Funktionsfähigkeit der Pflegeheim-Küche zu gewährleisten. Er ordnete die Versetzung der 52-Jährigen in ein anderes Pflegeheim an.

Zu Selbstkritik nicht bereit

Die Frau ist seitdem ununterbrochen arbeitsunfähig. Gegen ihre Versetzung wehrte sie sich jedoch gerichtlich. Der Dienstgeber habe es versäumt, die genaue Ursache der Konflikte aufzuklären und sie anzuhören. Er hätte ja auch die Küchenleiterin versetzen können. Stattdessen sei allein sie mit der Versetzung bestraft worden. Sie sei zudem regelmäßig gemobbt worden. Sie legte ein ärztliches Attest vor, das die psychischen Gesundheitsstörungen auf Mobbing zurückführte.

Auch ihre Fahrzeit zur Arbeit habe sich nun von 20 auf 50 Minuten verlängert. Dies stelle eine nicht hinnehmbare Belastung für sie dar, erklärte die Klägerin.

Der Dienstgeber bestritt, dass mit der Versetzung die Frau sanktioniert werden sollte. Die zwischenmenschlichen Konflikte bestanden auch nicht nur zur Küchenleiterin, sondern ebenso zu anderen Beschäftigten. Die nicht konfliktfähige Köchin sei nicht bereit, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen. Eine Versetzung sei für den Betriebsfrieden daher erforderlich gewesen.

Das LAG bestätigte, dass der Dienstgeber ein berechtigtes Interesse an der Versetzung hatte und er diese auch wegen seines Direktionsrechts anordnen durfte. Die unterbliebene Anhörung führe nicht zu einer unwirksamen Versetzung, da er die Interessen der Klägerin ausreichend berücksichtigt habe.

"Nachhaltiges Mobbing"

Hier habe außerdem eine längere Konfliktlage zwischen der Klägerin und der Küchenleiterin sowie zu anderen Beschäftigten bestanden. Die Klägerin habe der Küchenleiterin "allerschwerstes und nachhaltiges Mobbing" vorgeworfen. Konkret belegt habe sie dies aber nicht.

"Bei dieser Ausgangslage war ein schnelles und wirksames Eingreifen … zur Verhinderung von Störungen im Produktionsprozess" zulässig, wenn nicht sogar geboten gewesen, urteilte das LAG. Der Dienstgeber habe hierfür auch nicht die Ursache der vielschichtigen Konflikte im Einzelnen aufklären müssen. Die Versetzung sei geeignet gewesen, "den sich aus der täglichen Zusammenarbeit ergebenden Konflikt kurzfristig und wirksam zu lösen".

Ob weitere Gespräche eine konfliktfreie Zusammenarbeit hätten bewirken können, sei zweifelhaft, befanden die Schweriner Richter. Die mit der Versetzung verbundenen Nachteile der Klägerin seien zudem begrenzt. Auch wenn sich die Fahrtzeit zum neuen Arbeitsplatz von 20 auf 50 Minuten verlängert habe, sei dies noch ein "üblicher Zeitaufwand" für einen Arbeitsweg.

Az.: 5 Sa 233/1

Frank Leth


Bundesarbeitsgericht

Freigestellte Arbeitnehmer in Altersteilzeit ohne Urlaubsanspruch



In der Altersteilzeit freigestellte Arbeitnehmer können für in dieser Zeit nicht genommenen Urlaub keine Urlaubsabgeltung vom Arbeitgeber verlangen. Denn bei der Altersteilzeit im Blockmodell bestehe in der Freistellungsphase keine Arbeitspflicht, so dass auch keine Urlaubsabgeltung geltend gemacht werden könne, urteilte am 24. September das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.

Im konkreten Fall hatte der in der Metallbranche tätige klagende leitende Angestellte mit seinem Arbeitgeber eine Altersteilzeit vereinbart. Vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. März 2016 sollte der Mann weiter voll arbeiten, dabei allerdings nur noch 50 Prozent Gehalt erhalten. Danach war er bis zum 31. Juli 2017 von der Arbeit freigestellt, erhielt aber weiter seine 50-prozentige Gehaltszahlung.

Um diese Altersteilzeit im Blockmodell zu fördern, zahlte der Arbeitgeber freiwillig einen steuerfreien "Aufstockungsbetrag" von weiteren 16 Prozent auf den vollen Lohn. Insgesamt kamen so monatlich 7.035 Euro für den leitenden Angestellten zusammen.

Dieser verlangte jedoch noch einen Nachschlag. Da er in der Freistellungsphase keinen Urlaub nehmen könne, müsse der Arbeitgeber den nicht genommenen Urlaub bezahlen.

Dem widersprach jedoch das BAG. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehe bei einer "Arbeitspflicht". Hier sei der Kläger jedoch in der zweiten Hälfte des Altersteilzeitmodells von der Arbeit freigestellt worden. Beginne bei einem Beschäftigten die Freistellungsphase im Laufe eines Kalenderjahres, bestehe nur für die davorliegende Zeit ein anteiliger Urlaubsanspruch.

Az.: 9 AZR 481/18



Bundessozialgericht

Rentenversicherung muss Ergebnis der Betriebsprüfungen mitteilen



Die Deutsche Rentenversicherung muss künftig nach Betriebsprüfungen über die Einhaltung der Sozialversicherungspflicht den Arbeitgebern immer das Prüfergebnis mitteilen. Selbst wenn keinerlei Beanstandungen festgestellt wurden, muss aus Gründen der Rechtssicherheit erläutert werden, welche Personen und was konkret überprüft wurden, urteilte am 19. September das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Damit muss die Rentenversicherung ihre bisherige Prüfpraxis umstellen.

In den vor Gericht verhandelten Fällen ging es um Familienbetriebe wie etwa ein Autohaus. In dem Unternehmen, einer GmbH, waren mehrere Familienmitglieder als Geschäftsführer tätig, darunter auch zwei, die nur Minderheitengesellschafter waren. Diese zahlten für ihre Geschäftsführertätigkeit keine Sozialabgaben. Sie gingen davon aus, dass sie nach der Rechtsprechung des BSG nicht sozialversicherungspflichtig sind. Bei einer Betriebsprüfung wurde dies auch nicht beanstandet.

Als dann der 12. BSG-Senat im Jahr 2012 Zweifel äußerte, dass Minderheitengesellschafter einer GmbH sozialversicherungsfrei seien, verlangte die Deutsche Rentenversicherung Bund rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge, im Falle des Autohauses mehr als 115.000 Euro.

Keinerlei Beanstandungen

Das Autohaus klagte und berief sich auf die bisherige BSG-Rechtsprechung. Außerdem habe die Betriebsprüfung keinerlei Beanstandungen festgestellt. Es müsse daher Vertrauensschutz gelten.

Vor dem BSG hatten die Familienbetriebe jedoch keinen Erfolg. Weder begründeten die beanstandungslosen Betriebsprüfungen noch die frühere Rechtsprechung des BSG einen Vertrauensschutz. Bei der früheren Rechtsprechung habe es sich nur um Einzelfälle gehandelt, auf die kein Vertrauen gestützt werden könne.

Allerdings sei künftig die Deutsche Rentenversicherung Bund verpflichtet, dem Arbeitgeber das genaue Ergebnis von jeder Betriebsprüfung mitzuteilen. Es reiche nicht mehr der Hinweis aus, dass keine Beanstandungen festgestellt wurden. Vielmehr müsse auch erläutert werden, was und wer geprüft wurde, entschied das BSG mit Verweis auf die seit 2017 geänderten Prüfvorschriften. Werde in einem Bescheid das Prüfergebnis genau erläutert, sei dies auch grundsätzlich verbindlich.

Az.: B 12 R 25/18 R und weitere



Landesarbeitsgericht

Kein Überstundenzuschlag für Teilzeitkräfte



Teilzeitbeschäftigte an kommunalen Kliniken können für geleistete Mehrarbeit keinen Überstundenzuschlag beanspruchen. Nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - Krankenhäuser (TVöD-K) ist der Zuschlag erst dann vorgesehen, wenn die Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten über die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgeht und damit Überstunden vorliegen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem am 19. September veröffentlichten Urteil. Das Gericht stellte sich damit teilweise gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und ließ die Revision zu.

Geklagt hatte eine in einem kommunalen Krankenhaus in Teilzeit angestellte Pflegekraft. Diese hatte von Januar bis Juli 2017 insgesamt knapp 103 Stunden mehr gearbeitet, als in ihrem Arbeitsvertrag vorgesehen war. Hierfür machte sie den tariflichen Überstundenzuschlag geltend, insgesamt 560 Euro. So solle ihr erlittener Freizeitverlust wieder ausgeglichen werden.

Im Widerspruch zum BAG

Der Arbeitgeber lehnte den Zuschlag ab. Die Klägerin habe zwar mehr gearbeitet, als im Arbeitsvertrag festgelegt war, allerdings jedoch weniger, als ein Vollzeitbeschäftigter regelmäßig leistet. Damit liege lediglich eine Mehrarbeit vor, für die der TVöD-K keine Überstunden-Zuschläge vorsehe.

Die Klägerin verwies dagegen auf ein Urteil des BAG vom 23. März 2017. Darin wurde betont, dass nach dem TVöD-K ein teilzeitbeschäftigter Gesundheits- und Krankenpfleger für die Ableistung ungeplanter Überstunden ein Überstundenzuschlag beanspruchen kann. Dass Überstunden erst bei Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten anfallen sollten, stelle eine gleichheitswidrige Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten dar.

Doch das LAG widersprach dieser Rechtsprechung und wies die Klage ab. Nach der Intention des Tarifvertrages solle mit dem Überstundenzuschlag die besondere Arbeitsbelastung ausgeglichen werden, die über der regulären Vollarbeitszeit geleistet werde. Die tariflichen Bestimmungen würden zudem zwischen Mehrarbeit und Überstunden unterscheiden.

So setzen Überstunden ausdrücklich das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten für die festgesetzten Arbeitsstunden voraus. Teilzeitbeschäftigte würden Mehrarbeit leisten, wenn die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit bis zur regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten überschritten werde. Eine unzulässige Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten liege nicht vor, weil für die gleiche Anzahl von Arbeitsstunden für Teilzeit - und Vollzeitarbeitnehmer die gleiche Gesamtvergütung geschuldet werde.

Az.: 3 Sa 348/18

Az.: 6 AZR 161/16 (BAG-Urteil vom 23. März 2017)



Finanzgericht

Gemeinnützigkeit nach kostenlosen Diensten für den Chef aberkannt



Kostenfreie Pflegedienste für den eigenen Geschäftsführer kosten einen Pflegedienst die Gemeinnützigkeit. Nimmt der Geschäftsführer unentgeltliche Leistungen entgegen, handelt der Pflegedienst nicht mehr "selbstlos" und ist damit steuerpflichtig, entschied das Finanzgericht Düsseldorf in einem am 10. September bekanntgegebenen Urteil.

Das klagende Unternehmen ist im Bereich der Behinderten- und Altenpflege tätig. 2008 war es als gemeinnützig anerkannt und entsprechend von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit worden. Doch 2015 erfuhr das Finanzamt, dass der Geschäftsführer von August 2010 bis Dezember 2010 unentgeltliche Pflegeleistungen erhalten hatte. Daraufhin hob die Behörde die Gemeinnützigkeit auf und setzte Körperschaftsteuer fest.

Das Finanzamt habe richtig entschieden, urteilte das Finanzgericht. Der Geschäftsführer habe "unentgeltliche Pflegeleistungen in erheblichem Umfang" erhalten. Bei anderen Kunden habe es demgegenüber "allenfalls in Ausnahmefällen" Preisermäßigungen gegeben. Die Tätigkeit des Pflegedienstes sei daher "nicht selbstlos" gewesen.

Ein gemeinnütziges Unternehmen dürfe keine Gewinne erwirtschaften, die über den eigenen konkreten Finanzierungsbedarf hinausgehen. Die kostenlosen Leistungen für den Geschäftsführer seien aber letztlich eine "verdeckte Gewinnausschüttung" gewesen.

Hier habe der Pflegedienst zudem 2008 einen Überschuss von 250.000 Euro, 2009 von 300.000 Euro und 2010 von rund 500.000 Euro gemacht. Rechtfertigungen hierfür habe das Unternehmen nicht vorgebracht. Solche erheblichen Gewinne drei Jahre in Folge seien ebenfalls ein Grund, die Gemeinnützigkeit zu entziehen, erklärten die Finanzrichter.

Az.: 6 K 3664/16 K,F,AO



Verfassungsgericht

Sterbehilfe in bestimmten Fällen in Italien zulässig



Das italienische Verfassungsgericht hat in einem mit Spannung erwarteten Urteil Sterbehilfe in bestimmten Fällen für zulässig erklärt. Beihilfe zum Suizid sei nicht strafbar, wenn sie bei Kranken geleistet würde, die sich aus freiem Willen zum Sterben entschieden hätten und an einer unheilbaren Krankheit litten, die unerträgliches Leiden mit sich bringe, begründete das Gericht am 25. September in Rom seine Entscheidung. Die Verfassungsrichter forderten überdies das Parlament auf, die Gesetzeslücke zu füllen, die zu der Anklage geführt hatte.

Die Obersten Richter entschieden im Fall des Mailänder Discjockeys Fabio Antoniani, der nach einem Verkehrsunfall von 2014 querschnittsgelähmt war. Mit Unterstützung des Aktivisten Marco Cappato gelangte Antoniani 2017 in die Schweiz, wo der unter dem Künstlernamen "DJ Fabo" bekannte Mann sein Leben in einer Sterbehilfeklinik beendete. Cappato zeigte sich bei seiner Rückkehr nach Italien wegen Verstoßes gegen das Verbot von Beihilfe zum Suizid selbst an.

"Jetzt sind wir alle freier, auch die, die dagegen sind", sagte Cappato nach dem einstimmig gefällten Gerichtsentscheid. Der Vatikan und die katholischen Bischöfe Italiens kritisierten das Urteil. Der italienische Kardinal Angelo Becciu, der Präfekt der vatikanischen Heiligsprechungskongregation, warnte vor dem "Risiko, eine Kultur des Todes zu säen".




sozial-Köpfe

Leitungswechsel

Zwei neue Geschäftsführer für Münchner "diakonia"




Thomas J. Rosenberger und Sandra Bartmann
epd-bild/diakonia
Nahtloser Wechsel bei der "diakonia": Geschäftsführer Dieter Sommer geht im Frühjahr 2020 in den Ruhestand. Seine beiden Nachfolger Thomas J. Rosenberger und Sandra Bartmann steigen schon jetzt in die Geschäftsführung ein.

Thomas J. Rosenberger und Sandra Bartmann übernehmen die Geschäftsführung des Münchner Beschäftigungsbetriebs "diakonia". Der derzeitige Prokurist Rosenberger leitet ab 1. Oktober die wirtschaftliche Steuerung des Unternehmens, teilte die "diakonia" mit. Am 1. Januar trete dann die Diplompsychologin Sandra Bartmann ihre Stelle an, die ab 31. März für die Bereiche Strategie und Marketing verantwortlich sein wird. Das neue Duo in der Geschäftsführung löst damit Dieter Sommer, Gründer des Beschäftigungsbetriebs, ab, der das Unternehmen zum April verlässt. Sommer hat das Unternehmen 25 Jahre lang geleitet.

Diplom-Betriebswirt Rosenberger (44) arbeitet seit vier Jahren bei der "diakonia". Bartmann (49) war bislang beim Caritasverband in Trier und München in der Geschäftsführung tätig.

Mit dem abgestuften Wechsel würden "Wissenstransfer und neue Impulse für die Gesellschaft" verknüpft, sagte Innere-Mission-Vorstand Günther Bauer. Die diakonia gGmbH ist ein Beschäftigungsbetrieb mit rund 450 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von etwa 12 Millionen Euro. Träger sind die Innere Mission und das evangelisch-lutherische Dekanat München.

Gegründet wurde die "diakonia" 1996 als mobiler Hausmeisterbetrieb. Heute liegen die Schwerpunkte unter anderem auf der Textilverwertung, der hauswirtschaftlichen Versorgung von Kindertagesstätten und auf dem Malerfachbetrieb. Die "diakonia" bietet Beschäftigungsverhältnisse für Langzeitarbeitslose und Menschen mit Handicaps, um ihnen nach eigenen Angaben "den beruflichen Anschluss zu ermöglichen". "Wenn jemand seine berufliche Existenz hat, lösen sich viele soziale und gesundheitliche Probleme – oder es kommt erst gar nicht dazu", sagte der scheidende Geschäftsführer Sommer.



Weitere Personalien



Rudolf Henke wird nicht erneut als Vorsitzender des Marburger Bundes kandidieren. Nach zwölf Jahren an der Spitze des Bundesverbandes der Ärztevertretung endet Henkes dritte Amtszeit im November auf der Hauptversammlung in Berlin. Bevor der Aachener Internist im Jahr 2007 erstmals zum Vorsitzenden des Marburger Bundes gewählt wurde, hatte er 18 Jahre lang das Amt des zweiten Vorsitzenden inne. "Nach 40 Jahren im Beruf und 30 Jahren an vorderster Stelle im Marburger Bund ist es nun Zeit, die Verantwortung für Europas größten Ärzteverbund an Jüngere zu übergeben", sagte Henke (65) zu seinem Abgang.

Martin Bujard ist neuer Präsident der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf). Am 20. September löste der Politikwissenschaftler und Soziologe Christel Riemann-Hanewinckel ab, die nach zehn Jahren aus dem Amt schied. Bujard arbeitet am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden, seit 2015 ist er dort als Forschungsdirektor tätig. Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie ist der familienpolitische Dachverband der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Frank Werneke ist neuer ver.di-Vorsitzender. Der Bundeskongress der Dienstleistungsgewerkschaft wählte Werneke am 24. September zum Nachfolger von Frank Bsirske, der ver.di insgesamt 18 Jahre lang leitete. Der Bielefelder Werneke hat eine Ausbildung zum Verpackungsmittelmechaniker gemacht. Bevor er seit 2002 stellvertretender ver.di-Vorsitzender wurde, war er unter anderem im Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Medien.

Markus Leyck Dieken (54) leitet seit dem 1. Juli die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik). Der Internist folgt auf Alexander Beyer. Leyck Dieken war seit September 2018 Geschäftsführer bei Shionogi Europe, zuvor hat er an Kliniken in Köln und Engelskirchen gearbeitet. Gematik ist zuständig für die digitale Vernetzung im deutschen Gesundheitswesen. Gesellschafter des Unternehmens sind unter anderem das Bundesgesundheitsministerium, der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung.

Hans-Heinrich Willberg führt als Vorsitzender künftig den Aufsichtsrat des neuen Sozialunternehmens Diakoneo an. Sein Stellvertreter ist Jürgen Gießler. Damit sind die beiden früheren Unternehmen in der Führung des neuen Aufsichtsgremiums vertreten. Zur Diakoneo haben sich im Juli die Diakonie Neuendettelsau und das Diak Schwäbisch Hall zusammengeschlossen. Willberg war für die Diakonie Neuendettelsau zuvor in ähnlicher Funktion tätig. Der zwölfköpfige Aufsichtsrat, besetzt mit acht Vertretern aus dem Raum der Diakonie Neuendettelsau und vier aus dem Raum des Diak Schwäbisch Hall, hat als Aufgabe, den Diakoneo-Vorstand zu beraten und die Geschäftsführung zu kontrollieren. Mit 10.000 Mitarbeitern gehört die Diakoneo nach eigenen Angaben zu den fünf größten diakonischen Arbeitgebern in Deutschland. Sie verfügt über mehr als 200 Einrichtungen aus den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pflege und Arbeit, darunter sind sechs Kliniken.

Katja Mast ist neue Vorsitzende der Evangelischen Familienerholung. Die SPD-Bundestagsabgeordnete löst Gabriele Lösekrug-Möller ab, die die Interessenvertretung der evangelischen Familienferienstätten zuvor zehn Jahre lang geführt hatte. Mast ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Seit 2005 ist sie Mitglied im Deutschen Bundestag. Die Evangelische Familienerholung vertritt 31 Familienferienstätten, die Familien bundesweit günstige Urlaubsangebote bieten.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis November



September

30.9.-1.10. Siegburg:

Symposium "Anstrengende Vielfalt. Kirche in der pluralen Gesellschaft"

der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen

Tel.: 0561/70341-3014

Oktober

8.10. Köln:

Seminar "Vergütungsverhandlungen in der Behindertenhilfe: Vorbereitung, Strategie und Verhandlungsführung"

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997-221

10.-11.10. Jena:

Bundeskongress "Bildung - Chancen - Gerechtigkeit"

des Deutschen Vereins

Tel.: 030/62980605

15.10.: Berlin:

Fachtagung "Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung, Pflegebudget 2020"

des Bundesverbands Pflegemanagement

Tel.: 030/44037693

15.10. München:

Fachtag "Gemeinnützigkeit & Steuerrecht"

der Unternehmensberatung Curacon

Tel.: 0251/92208-292

16.10. Berlin:

Forum "Monetäre Leistungen für Familien und Kinder - Endlich gemeinsam aus dem Leistungsdschungel?"

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel. 030/62980-419

17.10. Kassel:

Symposium "Digitale innovationen in der Sozialwirtschaft: Ideen - Konzepte - Realisierung"

des Fachverbandes Informationstechnologie in der Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung

Tel.: 030/42084-512

23.10. Berlin:

Seminar "Wissensmanagement und Dokumentationsmanagement in Unternehmen der Sozialwirtschaft"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

23.10. Kassel:

Fachtag "Das Bundesteilhabegesetz im Blick: Partizipation abhängigkeitskranker Menschen per Gesetz?!"

des Gesamtverbandes Suchthilfe

Tel. 030/83001-500

28.10. Berlin:

Fortbildung "Einsatz von Einkommen und Vermögen in der Sozialhilfe"

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980605

31.10. Köln:

Seminar "Integrierte Finanzplanung und Berichtswesen in Pflegeeinrichtungen und anderen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens"

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997-0

5.11. Berlin:

Symposium "360 Grad Pflege - Qualifikationsmix für den Patienten - in der Praxis"

der Robert Bosch Stiftung

Tel.: 0221/46861-30

14.-15.11. Berlin:

Symposium "Jetzt wird's personell - Wer pflegt die kommenden Generationen?"

des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege

Tel.: 030/83001-267