sozial-Branche

Pflege

Eigenanteile für Heimbewohner deutlich gestiegen




Zwei Heimbewohnerinnen und ihr Alltagsbegleiter spielen Karten.
epd-bild/Thomas Rohnke
Die Kosten für einen Platz in einem Pflegeheim steigen weiter. Mittlerweile liegt der Eigenanteil bei fast 2.000 Euro - und damit deutlich über der durchschnittlichen Rente. Kritiker fordern eine Reform der Pflegeversicherung.

Pflegebedürftige müssen für einen Heimplatz immer tiefer ins Portemonnaie greifen. Seit Oktober 2018 stieg die Eigenbeteiligung nach Angaben der privaten Krankenkassen im Durchschnitt um mehr als 110 Euro auf nunmehr fast 1.930 Euro im Monat. Der Anstieg beläuft sich damit auf mehr als sechs Prozent, wie eine Auswertung der "Pflegedatenbank" des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV) ergab, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte, Pflegebedürftige vor Armut zu schützen.

Eigenanteil zwischen 1.350 und 2.400 Euro

Am stärksten stiegen nach Angaben der PKV die Eigenbeteiligungen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Hier kletterten die Beträge, die die Pflegebedürftigen selbst aufbringen müssen, um etwa zehn Prozent.

Am tiefsten in die eigene Tasche greifen müssen derzeit die Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen, wie aus den PKV-Daten hervorgeht. Hier lag der Eigenanteil zum 1. September bei 2.406 Euro. Am 1. Oktober 2018 waren es noch 2.309 Euro gewesen. Es folgen das Saarland mit 2.301 (2.178) Euro sowie Baden-Württemberg mit 2.250 (2.116) Euro. Im Mittelfeld liegen unter anderem Berlin mit 1.931 (1.856) Euro, Hessen mit 1.936 (1.783) Euro oder Brandenburg mit 1.646 (1.527) Euro. Am preiswertesten sind Heimplätze derzeit in Mecklenburg-Vorpommern, wo 1.346 (1.238) Euro bezahlt werden müssen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte, die Eigenanteile für die Pflegebedürftigen künftig auf maximal 15 Prozent der Kosten zu begrenzen. Die Pflegekassen seien stärker in die Pflicht nehmen. Eine Reform der Pflegeversicherung sei "überfällig, um künftig nicht nur gute Pflege zu gewährleisten, sondern die Betroffenen auch vor Armut zu schützen", erklärte der Verband.

Obergrenze für Zuzahlung gefordert

Der Paritätische wies darauf hin, dass die durchschnittliche Rente für Neurentnerinnen und Neurentner bei 874 Euro (West) und 1.019 Euro (Ost) liege und damit deutlich unter den durchschnittlich anfallenden Eigenanteilen für einen Heimplatz. Auch die Sozialhilfequote von fast 40 Prozent unter Pflegeheimbewohnern zeige, dass die Pflegeversicherung bei der Absicherung der Pflege versage. Notwendig sei "eine klare Haltelinie": 15 Prozent der Kosten sei das äußerste, was den Pflegebedürftigen an Eigenanteil zuzumuten sei.

Die Diakonie Deutschland hält die Pflegeversicherung für "nicht mehr zeitgemäß", da die Leistungen nicht an die steigenden Lebenshaltungskosten und veränderte demografische Verhältnisse angepasst worden seien. "Die Pflegeversicherung muss dringend weiterentwickelt werden", sagte Vorstand Maria Loheide.

Die Kosten für Qualitätsverbesserungen, die Erhöhung des Personalschlüssels, Vergütungssteigerungen würden regelmäßig den Versicherten aufgebürdet. Daher wachse die Sorge älterer Menschen, im Pflegefall die Kosten nicht tragen zu können und auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. "Wir wollen nicht, dass Pflegebedürftige aus finanziellen Gründen schlecht versorgt sind und pflegende Angehörige unter der Pflegelast selbst zum Pflegefall werden. Deshalb schlagen wir ein flexibles Serviceangebot vor, das die pflegenden Angehörigen entlastet und unterstützt", sagte Loheide.

Oppositionsparteien sehen Reformbedarf

Die Linke forderte die Abschaffung des Eigenanteils. "Es braucht eine Pflege-Vollversicherung, die alle Pflegeleistungen umfasst", sagte Parteichef Bernd Riexinger.

Nach der Auffassung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen sollte der Eigenanteil für die pflegebedürftigen Menschen festgeschrieben werden, so dass die Pflegeversicherung künftig alle pflegebedingten Kostensteigerungen übernimmt. Dadurch würden "vermutlich die Kosten für die Versichertengemeinschaft steigen, aber dem Anstieg wollen wir mit einer gerechten und stabilen Finanzierung durch eine Pflege-Bürgerversicherung begegnen", sagte die Sprecherin für Alten - und Pflegepolitik, Kordula Schulz-Asche.

Auch die FDP sieht die steigenden Eigenanteile mit Sorge. Eine Deckelung der Eigenanteile sei aber nicht generationengerecht zu finanzieren und auch sozialpolitisch nicht zielgenau, sagte Nicole Westig, die pflegepolitische Sprecherin der Fraktion. "Stattdessen müssen die bestehenden Eigenanteile gesenkt und mehr Kapitaldeckung in der Pflegefinanzierung erreicht werden."

Als Hauptursache für die gestiegenen Eigenanteile gelten Lohnerhöhungen für das Pflegepersonal. Die Beschäftigten werden jedoch nach wie vor schlechter bezahlt als Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger.

Markus Jantzer