

Frankfurt a.M. (epd). Aus der Wohnungskrise kann nur ein stärkeres Engagement des Staates auf dem Wohnungsmarkt führen, sagen die einen. Hingegen raten Wirtschaftsliberale zu weniger Staat. Diese Position vertritt etwa der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium und fordert weniger sozialen Wohnungsbau.
Der Staat soll durch den Bau von Sozialwohnungen aktiv in den Wohnungsmarkt eingreifen, fordert etwa die von 50 Organisationen unterstützte europäische Bürgerinitiative "Housing for All". Sie will für ihre wohnungspolitischen Forderungen in sieben EU-Staaten bis März 2020 mehr als eine Million Unterschriften sammeln.
Karin Zauner-Lohmeyer, die Urheberin der Initiative "Housing for all", arbeitet in Wien für ein stadtnahes Unternehmen im Wohnbaubereich. Ihr Ziel ist es, mit einer millionenfach unterzeichneten Petition von der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament gehört zu werden. "Mit dem Menschenrecht auf Wohnen wird heute in ganz Europa in einem unfassbaren Ausmaß spekuliert", sagte sie. Wohnen sei in vielen Städten viel zu teuer.
"Europa befindet sich in einer tiefen Wohnungskrise", findet Zauner-Lohmeyer. Viele Menschen würden durch die hohen Wohnkosten aus den Städten verdrängt. Hier müsse die nationale Politik eingreifen und die EU müsse bessere Voraussetzungen schaffen.
Als Gründe für die Krise hat sie "Großinvestoren" ausgemacht, die "auf hohe Renditen spekulieren und ganze Stadtteile aufkaufen". Hinzu komme, dass Immobilien als derzeit sicherste Anlageform auch für kleinere Vermögen gelten. "Diese beiden Faktoren verstärken die Wohnungsnot und lassen die Boden- und Immobilienpreise explodieren."
Dem direkt entgegengesetzt ist das wirtschaftsliberale Denken, wie es sich etwa im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium zeigt: "Der soziale Wohnungsbau sollte nicht wiederbelebt, sondern im Gegenteil zurückgefahren werden", empfiehlt der Beirat in seinem Gutachten "Soziale Wohnungspolitik" vom vergangenen Jahr. An erster Stelle steht die Forderung nach staatlicher Zurückhaltung: "Das Angebot von Wohnraum sollte durch größere Anreize zur Schließung von Baulücken und durch Lockerung unzureichend begründeter Bauvorschriften erhöht werden. Soweit der Staat für die Verteuerung neuer Wohngebäude verantwortlich ist, sollte er seine Regelungen überprüfen", schreiben die 34 Professoren.
Der Wissenschaftliche Beirat stützt sich häufig auf Daten des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Auch in dessen jüngster Studie "Ist der Wohnungsbau auf dem richtigen Weg?" spielt der soziale oder kommunale Wohnungsbau keine Rolle. Die Wohnungskrise könne nur gelöst werden, indem der Fachkräftemangel im Baugewerbe und der Personalmangel in den Baubehörden beseitigt werden. Außerdem seien die Bauvorschriften zu vereinfachen.