schon wieder hakt es bei der Kindergrundsicherung: Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat den Gesetzentwurf nicht wie geplant am 13. September ins Kabinett eingebracht. Grund seien noch offene „juristische und technische Details“. Noch im September sollen aber alle Fragen geklärt sein. Derweil blicken Diakonie und Caritas mit Sorge auf die erneuten Verzögerungen. Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa mahnte, den ohnehin schon engen Zeitplan einzuhalten. Diakoniechef Ulrich Lilie pochte ebenfalls auf eine pünktliche Umsetzung des Vorhabens und betonte erneut: „Die vorgesehenen Leistungen pro Kind sind zu gering.“
Dachverbände von Pflegeheimbetreibern beklagen die schlechte Zahlungsmoral der Sozialämter. Die müssen die Kosten für die Unterbringung bedürftiger Heimbewohner tragen - und lassen sich wohl viel Zeit bei den Zahlungen. Das führt zu Problemen, denn laut Diakonie ist jeder dritte Heimbewohner von Sozialhilfe abhängig. Die Heime sehen durch die ausstehenden Zahlungen die Insolvenzgefahr steigen. In der Summe geht es um Millionen von Euro.
Kitas sind noch immer Frauendomänen: 93 Prozent der dort tätigen Fachkräfte sind weiblich. Dabei sind auch männliche Bezugspersonen für die Mädchen und Jungen Studien zufolge zentral. Immerhin nimmt ihre Zahl langsam, aber stetig zu: Seit 2009 hat sich die Zahl der Erzieher mehr als verdreifacht. Aber 2022 standen knapp 58.000 Männer noch immer 673.000 Frauen im Kita-Job gegenüber.
Länger krank zu sein, darf sich laut einem Urteil des Bundessozialgerichtes nicht auf den Elterngeld-Plus-Anspruch während der Partnerschaftsbonusmonate auswirken. Denn auch bei einer Arbeitsunfähigkeit liegt eine „Erwerbstätigkeit“ vor, so dass Elterngeld Plus gezahlt werden muss, entschied das Bundessozialgericht in Kassel. Eine anderslautende Richtlinie des Bundesfamilienministeriums sei nicht bindend, betonte das Gericht.
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Ihr Dirk Baas
Berlin (epd). Die beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie dringen auf die pünktliche Umsetzung einer ausreichend hohen Kindergrundsicherung. „Die vorgesehenen Leistungen pro Kind sind zu gering“, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie am 13. September in Berlin. Auch hätten viele Kinder keinen Zugang zu den Hilfen. Die Diakonie fordert zudem, das Existenzminimum von Kindern neu zu berechnen. Lilie äußerte sich für das Bündnis Kindergrundsicherung, in dem sich zahlreiche Verbände seit Jahren für eine Kindergrundsicherung einsetzen.
Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es sei bei einem so großen Vorhaben zwar nötig, dass alle Details gut vorbereitet würden. Es müsse aber auch der Zeitplan eingehalten werden. „Gerade bei diesem Vorhaben muss die Messlatte an die Leistungsfähigkeit der Verwaltung hoch liegen, denn es geht darum, die Unterstützung für Familien verlässlich leicht erreichbar zu machen“, sagte Welskop-Deffaa. Dafür brauche die Bundesagentur für Arbeit mindestens ein Jahr Zeit.
Es dürfe nicht dazu kommen, dass die Attraktivität der Kindergrundsicherung beim Start an einer unzureichenden Vorbereitung der digitalen Umsetzung scheitere, sagte Welskop-Deffaa: „Ein Hauptziel des Vorhabens besteht ja darin, für Menschen, die ohnehin belastet sind, Leistungen, die ihnen zustehen, verlässlich, sicher und leicht zugänglich zu machen.“
Zur Höhe der Leistungen, die von den meisten Sozialverbänden als zu gering kritisiert werden, sagte die Caritas-Chefin, wenn es nicht gelinge, rechtzeitig das Existenzminimum für Kinder neu zu berechnen, müssten für eine Übergangszeit zumindest die stark gestiegenen Energiekosten und Lebensmittelpreise - notfalls über zusätzliche Pauschalen - berücksichtigt werden.
Anders als geplant hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) in seiner Sitzung am 13. September nicht beschlossen. Paus erklärte, es gehe „noch um juristische und technische Details“. Der Gesetzentwurf solle aber im September vom Kabinett beschlossen werden, versicherte die Ministerin. Es bestehe „in der Bundesregierung Einigkeit zur Kindergrundsicherung“.
Bei den strittigen Details handelt es sich dem Vernehmen nach unter anderem um eine Extra-Regelung, die verhindern soll, dass Kinder von Asylbewerberinnen und -bewerbern durch die Neuordnung der Familienleistungen schlechter gestellt werden könnten. Aus dem Familienministerium verlautete, es gehe außerdem um die Berechnung der künftigen Leistungen der rund 1,9 Millionen Kinder, die heute Bürgergeld beziehen. Das Finanzministerium verlangt danach eine genauere Prüfung. Aus Sicht des Familienministeriums wären die zusätzlichen Verwaltungskosten zu hoch.
In der Kindergrundsicherung sollen von 2025 an mehrere Familienleistungen und das Bürgergeld für Kinder zusammengefasst werden. Über die Finanzierung hatte die Ampel-Regierung monatelang gestritten. Ziel der Reform ist, dass möglichst alle Familien erreicht werden, die Anspruch auf staatliche Leistungen für ihre Kinder haben.
In einer früheren Fassung des Entwurfs hieß es, es werde „ein Paradigmenwechsel weg vom Prinzip der Holschuld hin zum Prinzip der Bringschuld angestrebt“. Dieser Satz ist in der jüngsten Fassung des Gesetzentwurfs gestrichen worden.
Wenn der Entwurf in zwei Wochen im Kabinett beschlossen werden sollte, geht das Gesetz danach in den Bundesrat und Bundestag. Eine Zustimmung der Bundesländer ist nötig. Je nach Dauer der Beratungen verkürzt sich die Zeit für die Vorbereitungen in der Verwaltung, insbesondere bei der Bundesagentur für Arbeit. Sie soll die Familienkassen, die das Kindergeld auszahlen, zu Servicestellen für die Kindergrundsicherung ausbauen.
Berlin (epd). Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat am 12. September in Berlin den neuen Väterreport veröffentlicht. Demnach möchte jeder zweite Vater gern die Hälfte der Betreuung der gemeinsamen Kinder übernehmen. Trotz des Wandels des gesellschaftlichen Vaterbilds hapere es jedoch bei der Umsetzung partnerschaftlicher Vorstellungen, erklärte Paus. Die Zahlen zeigen: In der Praxis setze nur jeder fünfte Vater die hälftige Betreuung auch um.
Der Väterreport beschreibt auf Basis amtlicher Statistiken, wissenschaftlicher Studien und repräsentativer Bevölkerungsbefragungen die Lebenslagen, Werte und Einstellungen von Vätern in Deutschland. Er nimmt erstmals auch verschiedene Vätertypen und ihre Wünsche, Aufgabenteilung und berufliche Situation in den Blick, heißt es in einer Presseinformation.
Väter wünschten sich stärker als früher eine partnerschaftlich organisierte Aufgabenteilung in der Familie, erklärte Paus. Die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist dem Report zufolge jedoch erheblich: 68 Prozent der Mütter arbeiteten im Jahr 2022 in Teilzeit, aber nur acht Prozent der Väter - obwohl zwei Drittel der Väter erklären, sie seien für gleiche berufliche Chancen von Müttern und Vätern. Paus: „Es braucht mehr mutige Väter, die ihre Wünsche nach einer partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch umsetzen - und eine Politik und Wirtschaft, die Vereinbarkeit auch für Väter in den Blick nimmt.“
Außerdem zeigt die Studie, dass Väter heute präsenter im Leben ihrer Kinder sein wollen. Mehr Väter nehmen heute Elternzeit und sie verbringen mehr Zeit mit ihren Kindern: 2019 waren es durchschnittlich drei Stunden an Wochentagen - 1999 nur 1,9 Stunden.
Mit der Geburt des ersten Kindes stellten viele Paare zentrale Weichen, wie sie die Familien- und Erwerbsarbeit aufteilten, sagte Paus. Deshalb wolle sie mit der geplanten Familienstartzeit den Wunsch junger Eltern unterstützen, sich nach der Geburt eines Kindes „partnerschaftlich einzuspielen“. Paus' Plan zufolge sollen sich Väter bei vollem Lohnausgleich künftig zehn Arbeitstage freistellen lassen können. „Gelingt eine partnerschaftliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Anfang an, stärkt das gerade auch in Krisenzeiten die Stabilität der gesamten Familie“, so die Ministerin.
Das Modell des alleinigen Familienernährers wollen und leben noch ein Drittel der Väter. Die Mehrheit der Väter in Deutschland handelt bei der Kinderbetreuung zumindest ansatzweise partnerschaftlich. Der Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen, ist bis zum Jahr 2020 auf 44 Prozent gestiegen. Dabei handelt es sich um mindestens zwei Monate, die die Väter im Job pausieren. In dieser Zeit beziehen sie Elterngeld, das in der Regel 65 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens beträgt.
Die Familie und Sorgearbeit von Vätern sei durch deren Elternzeit sichtbar geworden und habe Einfluss auf betriebliche Prozesse genommen, hieß es. „Folglich nahm die Väterfreundlichkeit der Unternehmen zu. So hat sich der Anteil der Unternehmen, in denen männliche Führungskräfte Elternzeit nehmen, seit 2015 auf heute 34 Prozent verdoppelt.“
Berlin (epd). Immer mehr Menschen in Deutschland ziehen aufs Land. Aktuell erzielten bundesweit rund zwei von drei Landgemeinden Wanderungsgewinne, sagte Frederick Sixtus vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung am 12. September bei der Vorstellung einer Studie in Berlin: „Ein Jahrzehnt zuvor galt dies nur für rund jede vierte Landgemeinde.“ Eine ähnliche Entwicklung erlebten die Kleinstädte.
Seit 2017 habe die neue „Landlust“ Fahrt aufgenommen, Corona habe diesen Trend noch einmal verstärkt, sagte Sixtus. Dazu lockten häufig erschwinglicher Wohnraum, eine gute Verkehrsanbindung, ein schneller Internetanschluss für das digitale Arbeiten und eine gute Kinderbetreuung. Für die kleinen Gemeinden und Städte spielt es den Angaben nach kaum noch eine Rolle, ob sie in der Nähe einer Großstadt oder in der Peripherie liegen.
Am Beispiel von sechs Gemeinden in Deutschland mit viel Zuzug hat das Berlin-Institut in Zusammenarbeit mit der Wüstenrot Stiftung untersucht, wie die neue Landlust das Zusammenleben auf dem Land verändert. Jeweils für eine Woche wurden Alteingesessene und Zugezogene in Allmendingen in Baden-Württemberg, Borgstedt in Schleswig-Holstein, Großharthau in Sachsen, im oberfränkischen Mehlmeisel, in Sanitz bei Rostock und im hessischen Wanfried befragt. Bei der Analyse wurden laut Studienautorin Eva Eichenauer Kommunen in Speckgürteln und klassischen Urlaubsregionen explizit ausgeklammert, um kein verzerrtes Bild zu bekommen.
Die neue Lust aufs Land zieht sich dabei laut Mitautor Sixtus durch nahezu alle Altersgruppen. Die größte Gruppe stellen Familien mit Eltern zwischen 30 und 49 Jahren. Aber auch die sogenannten Berufswanderer zwischen 25 und 30 Jahren suchen sich gerne eine Bleibe abseits der Großstädte. Ebenfalls auf's Land zieht es Menschen über 50 und über 65 Jahren. Dagegen bevorzugt die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen weiterhin die Großstädte.
Das wachsende Interesse am Landleben sei für die kleinen Gemeinden grundsätzlich eine gute Nachricht, sagte Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts. So biete es die Chance, viele demografische Herausforderungen ländlicher Regionen abzumildern. Junge Familien mit Kindern sorgten dafür, dass Schule und Kita erhalten bleiben und als Fachkräfte seien sie bei ländlichen Mittelständlern sehr begehrt. Der Zuzug stelle für kleine Gemeinden aber auch eine Herausforderung dar: „Neuzugezogene und Alteingesessene müssen das Zusammenleben aktiv gestalten. Eine funktionierende Dorfgemeinschaft ist kein Selbstläufer“, so Hinz.
Integrationsmotoren seien beispielsweise Sport- und Kulturvereine oder die Freiwilligen Feuerwehren. Wichtig seien auch Treffpunkte wie die Kneipe, der Bäcker, Dorffeste und Gemeinschaftshäuser.
Manche Zugezogenen müssten das Zusammenleben auf dem Dorf erst kennenlernen, sagte Eichenauer. Nachteilig für das Zusammenwachsen sei auch, wenn Zugezogene in Neubaugebiete außerhalb der Ortsmitte ziehen, wo sie unter sich bleiben. Die Verantwortlichen in den Rathäusern stünden deshalb vor der Aufgabe, den Zuzug nachhaltig und zukunftsgerichtet zu gestalten.
„Ideenreichtum und ehrenamtliches Engagement sind schon immer ein wesentlicher Garant für die Lebensqualität in Dörfern und kleinen Städten“, betont Manuel Slupina, Leiter des Themengebiets Stadt & Land der Wüstenrot Stiftung. „Mit den Zugezogenen kommen weitere potenziell Engagierte, die das Dorfleben mitgestalten und mit Ideen stärken können.“ Eva Eichenauer, Mitautorin der Studie.: „Damit hier kein Nebeneinander oder ‚Dorf im Dorf‘ entsteht, braucht es Angebote wie Dorffeste und Orte, wo sich Neuzugezogene und Alteingesessene begegnen können.“
„Statt Einfamilienhaussiedlungen auf der grünen Wiese auszuschreiben, sollten zuerst die Ortskerne belebt werden, damit keine sogenannten 'Donutdörfer“ entstehen, wo in der Mitte nichts ist", sagte Eichenauer. Zudem brauche es passende Wohn- und Infrastrukturangebote für alle Alters- und Einkommensgruppen. Beklagt werde beispielsweise der Mangel an Mietwohnungen auf dem Land. Denn während ältere Menschen barrierefreie Wohnungen benötigen, vermissen gerade Jüngere auf dem Land Mietwohnungen. Mehrfamilienhäuser mit Wohnungen in verschiedener Größe und Ausstattung werden dabei eher den vielfältigen Wohnbedürfnissen gerecht als Einfamilienhäuser.
Hier sieht die Untersuchung vor allem die lokale Politik gefordert: Statt Einfamilienhaussiedlungen auf der grünen Wiese auszuschreiben, sollte sie zuerst die Innenentwicklung vorantreiben. „Ortskerne, in denen Häuser verfallen und Begegnungsorte dichtmachen, laden nicht zum Verweilen und zum Austausch ein.“
Berlin (epd). Deutschland hat die freiwillige Übernahme von Flüchtlingen aus Italien gestoppt. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am 13. September in Berlin mitteilte, ist Italien Ende August darüber informiert worden, dass bis auf Weiteres keine Teams mehr in das Land geschickt werden, um Interviews zu führen, die die Aufnahmen vorbereiten.
Begründet wurde das damit, dass Italien seit einiger Zeit bereits Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren nicht mehr annehme und es in Deutschland in vielen Kommunen eine angespannte Situation bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen gebe. Über den freiwilligen Mechanismus hat Deutschland bislang etwa halb so viele Flüchtlinge aus südeuropäischen Ländern aufgenommen wie im vergangenen Jahr zugesagt.
Der Solidaritätsmechanismus war im Juni vergangenen Jahres zwischen einigen EU-Ländern, darunter Deutschland, vereinbart worden. Deutschland hatte nach Angaben des Bundesinnenministeriums die Übernahme von bis zu 3.500 Flüchtlingen aus Mittelmeer-Anrainer-Staaten zugesagt. Rund 1.700 sind demnach seitdem aufgenommen worden, davon rund 1.000 aus Italien und 670 aus Zypern. Aus Malta gab es keine Übernahmen.
Deutschland sei seiner humanitären Verantwortung gerecht geworden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Auch unter Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) gab es bereits freiwillige Aufnahmen von aus Seenot geretteten Migranten, allerdings in kleinerer Zahl.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dringt darauf, dass Italien wieder Rücküberstellungen nach der Dublin-Regelung zulässt. Nach der ist der EU-Staat für Aufnahme und Versorgung eines Flüchtlings zuständig, über den dieser eingereist ist. Das sind in aller Regel die EU-Grenzstaaten wie Italien, Malta oder Griechenland. Reisen Asylbewerber weiter, können die Länder Flüchtlinge dorthin zurückschicken. Dafür müssen die betreffenden Staaten aber ihr Einverständnis erklären.
Bei mehr als 12.400 Überstellungsersuchen in diesem Jahr seien nur zehn Überstellungen erfolgt, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Deswegen würden die Vorbereitungen für weitere freiwillige Übernahmen aus Italien nun ausgesetzt. Übernommen werden sollen aber auch weiterhin diejenigen Schutzsuchenden, mit denen bereits Interviews geführt wurden, hieß es.
In Italien sind in diesem Jahr wieder mehr Schutzsuchende über das Mittelmeer angekommen. Laut Zahlen des Innenministeriums in Rom waren es bislang bereits rund 120.000 Migranten und damit mehr als im gesamten Vorjahr (105.131).
Einem Bericht der Nachrichtenagentur Ansa von Mittwochmorgen zufolge sind auf der Insel Lampedusa innerhalb von 24 Stunden allein mehr als 100 Boote mit Flüchtlingen und Migranten angekommen. Die Erstaufnahmeeinrichtung der Insel war demnach am 12. September erneut mit mehr als 4.000 Personen komplett überfüllt.
Berlin (epd). Mit dem Ausstieg aus Gas und Öl beim Heizen soll die Energiewende im Gebäudebereich gelingen, der in Deutschland für etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Der Bundestag hat am 8. September das Gebäudeenergiegesetz verabschiedet. Was das für Mieterinnen und Mieter bedeutet, hat epd sozial zusammengefasst.
Nach dem Einbau einer neuen, klimafreundlichen Heizung nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) dürfen Vermieter die Miete erhöhen. Das wird im Bürgerlichen Gesetzbuch über die Modernisierungsumlage geregelt. Modernisierungskosten sind Ausgaben für Dämmung, die neue Heizung oder neue Fenster.
Seit 2019 gilt: Vermieter können bis zu acht Prozent der Modernisierungsausgaben auf die Nettokaltmiete aufschlagen, pro Jahr und auf Dauer. In den ersten sechs Jahren nach der Modernisierung darf die Miete um nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter steigen. Für Wohnungen mit Mietpreisen unter sieben Euro vor der Modernisierung liegt die Kappungsgrenze in den ersten sechs Jahren bei zwei Euro pro Quadratmeter.
Für den Einbau einer neuen klimafreundlichen Heizung hat die Ampel-Koalition Folgendes vereinbart: Vermieter dürfen künftig zehn Prozent der Modernisierungskosten auf ihre Mieter umlegen - aber nur, wenn sie die staatliche Förderung in Anspruch nehmen. Die Summe, die sie vom Staat erhalten, wird von den Kosten abgezogen, bevor diese auf die Mieter umgelegt werden.
Parallel bleibt die bisherige Modernisierungsumlage erhalten. Vermieter, die die staatliche Förderung nicht in Anspruch nehmen - etwa weil sie ihnen zu gering ist - können weiterhin acht Prozent der Ausgaben umlegen. Die erlaubte Mieterhöhung allein für die Heizung wird immer bei 50 Cent pro Quadratmeter gekappt. Wird der Heizungstausch mit weiteren Maßnahmen kombiniert, greift die Gesamtkappungsgrenze von drei beziehungsweise zwei Euro pro Quadratmeter.
Im Gegenzug wurde eine ursprünglich geplante Deckelung künftiger Heizkosten für Mieterinnen und Mieter aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Es war vorgesehen, dass die Kosten für das Heizen mit blauem oder grünem Wasserstoff nur bis zu einer Höchstgrenze von den Mietern hätten bezahlt werden müssen. Ziel war, diese für Mieter besonders teure Heizform unattraktiv zu machen.
Göttingen (epd). Der Göttinger Soziologe Berthold Vogel sieht in der Energiewende und dem Klimaschutz die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Es gehe nicht allein um eine technische oder planungsrechtliche Herausforderung, sagte Vogel dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wohlstand und Zusammenhalt müssen gleichermaßen als soziale und ökologische Herausforderung betrachtet werden.“
Derzeit gelte die ökologische Wende aber oftmals als ein Projekt der Wohlhabenden, erläuterte der Professor vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen. „Windräder, Diesel-Aus, Ernährungsratschläge - das sind in den Augen der Landbevölkerung, der Industriearbeiterschaft und auch der prekär Beschäftigten oftmals Projekte 'der anderen', die mit den eigenen Interessen und Zukunftsperspektiven wenig zu tun haben.“ Nötig sei deshalb eine Klimasozialpolitik.
Diese müsse deutlich machen, dass Wärme-, Energie- und Verkehrswende nicht für individuelle Verluste stehe, sondern einen Beitrag zum kollektiven Wohlstand leiste. „Das gesellschaftliche und politische Versagen liegt darin, Klimaschutz und Ökologie nicht systematisch mit Daseinsvorsorge, öffentlicher Infrastruktur und Demokratie verknüpft zu haben.“ Was dies betreffe, fasse die Ampelregierung durchaus heiße Eisen an, sagte Vogel. „Die Debatten über Klimapolitik, Energiewende und sozialen Ausgleich sind im Heizungskeller angekommen.“
Erst wenn die öffentliche Infrastruktur leistungsfähig sei, erlebten Menschen sie als praktisch, etwa wenn es ums Pendeln zur Arbeit, den täglichen Einkauf oder die Gesundheitsversorgung gehe, betonte der Soziologe. Dann könne auch eine kollektive Veränderung stattfinden.
Frankfurt a.M. (epd). Führende Fachverbände der Pflegebranche sehen in verzögerten Zahlungen der Sozialämter für die Versorgung von mittellosen Seniorinnen und Senioren in Heimen eine latente Gefahr für den Betrieb der Einrichtungen. Thomas Neeb, Vorstand des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) und Geschäftsführer der Johanniter Seniorenhäuser GmbH, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir als diakonische Träger müssen leider bestätigen, dass die Einrichtungen teils sehr lange auf die Zahlungen der Sozialhilfeträger warten müssen.“ Die „normale“ durchschnittliche Bearbeitungszeit der Sozialämter je Bundesland liege zwischen vier Wochen und drei Monaten, so der Fachmann.
Nach seinen Angaben erhält mehr als ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner in Heimen der Diakonie Leistungen der Sozialhilfe. Blieben diese Gelder über Wochen oder gar Monate aus, „kommt es zu hohen Forderungsbeständen und es drohen wirtschaftliche Schieflagen“.
Auch komme es vor, dass während langer Bearbeitungszeiten Heimbewohner sterben. Wenn danach die Bescheide durch die Behörden abschlägig beschieden würden, müssten die Träger versuchen, „Gelder für bereits erbrachte Leistungen gegenüber den Erben geltend zu machen.“ Das gelinge jedoch nicht immer und gehe dann erneut zulasten des Trägers.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) als Dachverband der Heime in privater Trägerschaft bestätigt das Problem und kann seinen Ärger kaum zügeln. Der Berliner Landesvorsitzende Oliver Stemmann sagt: „Die Pflegeeinrichtungen sind keine Bittsteller, sondern die Zahlungen sind für bereits erbrachte Leistungen vertraglich vereinbart.“ Während die Einrichtungen pünktlich ihre Gehälter und auch ihre Steuern bezahlten, beriefen sich die Bezirksämter zumeist auf den Personalmangel. Sie blieben die fälligen Zahlungen oft einfach schuldig. „Das könnte sich kein Unternehmen leisten.“
Der bpa hat in der Hauptstadt eine Branchenumfrage in Auftrag gegeben und kennt daher die Zahlungsrückstände genau. Ergebnis: 250 teilnehmende Pflegeeinrichtungen meldeten säumige Zahlungen der Bezirksämter in Höhe von 7,3 Millionen Euro.
Auch andere Landesverbände des bpa klagen über hohe Summen, die nicht oder nur verzögert gezahlt werden. Hochgerechnet auf alle Pflegeeinrichtungen in Schleswig-Holstein beliefen sich die Sozialamtsschulden den Angaben nach auf rund 20 Millionen Euro.
In der internen Umfrage meldeten 130 Einrichtungen im Norden unbezahlte Rechnungen der Sozialhilfeträger in Höhe von fast 1,9 Millionen Euro. Landesvorsitzender Mathias Steinbuck, der selbst Pflegeeinrichtungen betreibt, klagte: „Bis zum abschließenden Bescheid und zur Begleichung der Rechnungen müssen die Einrichtungen diese Liquiditätslücke irgendwie kompensieren.“ Da könne „die Luft schon einmal dünn werden“.
Das Problem werde in der Zukunft noch drängender, sagte Steinbuck voraus. Denn: „Immer mehr Menschen können die steigenden Eigenanteile im Heim nicht mehr bezahlen und sind auf Sozialhilfe angewiesen. Wenn sich die Zahlungsmoral der Sozialhilfeträger nicht ändert, bedroht das die pflegerische Versorgung in Schleswig-Holstein.“
In Nordrhein-Westfalen ermittelte der bpa bei 200 Einrichtungen unbezahlte Rechnungen der Sozialhilfeträger in Höhe von mehr als zwölf Millionen Euro. „Mit den unbezahlten Rechnungen verstärken die Kommunen und Kreise die wirtschaftliche Drucksituation für die Pflegeeinrichtungen“, mahnte der bpa-Landesvorsitzende Bernhard Rappenhöner.
Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) sieht im Verwaltungsversagen vieler Sozialämter ebenfalls einen „wesentlichen Faktor für das Insolvenzrisiko in der Branche“. Bundesgeschäftsführer Thomas Knieling sagte dem epd: „Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe als Kreditinstitute für Sozialämter missbraucht werden.“
Die Mitgliedseinrichtungen berichteten fast flächendeckend von viel zu langen Bearbeitungszeiten schon bei den Anträgen auf Sozialhilfe und auch nach dem Eingang des Bescheides von lange verzögerten Auszahlungen. „Es ist ein Skandal, dass örtliche Träger der Sozialhilfe durch eigenes Versagen als wirtschaftlicher Brandbeschleuniger fungieren.“
Matthias Krömer, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe, sagte dagegen dem epd, über die vom VDAB behauptete Problematik „ist uns nichts bekannt. Wir müssen diese daher bestreiten.“ Auch sei der VDAB mit diesem Thema bislang nicht an die Arbeitsgemeinschaft herangetreten.
Der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) teilte auf Anfrage mit, er sehe in der fehlenden Zahlungsmoral der Sozialämter kein flächendeckendes Problem. „Vermehrte Problemanzeigen durch unsere Mitgliedseinrichtungen gibt es dazu nicht“, sagte Geschäftsführer Andreas Wedeking. Aber, so räumt er ein: „Das Problem ist dennoch grundsätzlich bekannt.“
Und wie ließe es sich lösen? Der Berliner bpa-Chef Oliver Stemmann sagt dazu: „Wenn die Behörden nicht in der Lage sind, die Abrechnungen zeitnah zu prüfen, müssen die Bezirksämter eben erst zahlen und dann prüfen.“ Bernhard Rappenhöner, bpa-Vorsitzender in NRW, forderte Landkreise und Kommunen auf, „im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten während der Bearbeitung bereits Abschlagszahlungen an die Pflegeeinrichtungen vorzunehmen“.
Berlin (epd). Das Verbändebündnis Digitalisierung in der Pflege fordert eine langfristige Finananzierung der Umstellung auf digitale Verfahren in der Pflegebranche. „In dem jüngst in Kraft getretenen Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) und dem Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf“, heißt es in einer Mitteilung vom 12. September.
Die Gesetze seien zwar wichtige erste Schritte auf dem Weg, die Potenziale der Digitalisierung zu heben. „Im Bereich der Akut- und Langzeitpflege greifen die Maßnahmen jedoch nicht weit genug“, so die Kritik. Im Bündnis haben sich acht Verbände aus dem Sozial-, Pflege- und Gesundheitswesen zusammengetan, um die Digitalisierung der Pflege voranzubringen.
Es fehle nach wie vor eine langfristige Finanzierung der digitalen Infrastruktur in den allen Pflegeeinrichtungen. Zur Verfügung stünden bislang nur Einmalzahlungen, die oftmals schon ausgeschöpft sind, sowie Pauschalen zur Finanzierung der Telematikinfrastruktur (TI). „Die Kosten für Personal, Wartung, fortlaufende Schulungen, technische Nachrüstungen sowie Updates und weitere Folgeaufwendungen werden nicht berücksichtigt“, moniert das Bündnis. Die digitale Infrastruktur in den Einrichtungen umfasst neben der TI insbesondere auch Anwendungen zur Pflegeplanung, Pflegedokumentation, Tourenplanung, Dienstplanung sowie digitale Assistenzsysteme oder KI in der Pflege.
Diese Kosten fielen nicht nur einmalig an und können nicht allein durch die zu Pflegenden getragen werden, warnte das Bündnis. Sie müssten auf Dauer in den Verhandlungen der Leistungsentgelte angemessen berücksichtigt werden. Sinnvoll sei beispielsweise eine bundeseinheitliche Digitalisierungspauschale pro Pflegetag oder pro Pflegeeinsatz.
Das Bündnis rief die Politik auf, Regelungen einer nachhaltigen Finanzierung der Digitalisierung für die Pflegeeinrichtungen zu schaffen. „Die Expertise aller relevanten Akteure ist zudem transparent, fortlaufend und verlässlich in den Prozess der Gestaltung der Pflegedigitalisierung einzubeziehen.“
Berlin (epd). Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hat die geplanten Millionen-Kürzungen bei den Freiwilligendiensten kritisiert. Er sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), sie stünden im Widerspruch zum erklärten Ziel der Ampel-Koalition, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Lilie verwies darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Zusammenhalt und Respekt werbe und sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier engagiert für einen sozialen Pflichtdienst einsetze. „Aber wir erleben, dass beim Freiwilligendienst die Mittel gekürzt werden“, kritisierte der Diakonie-Chef. Damit spare die Bundesregierung ausgerechnet dort, „wo junge Menschen sich aus freien Stücken engagieren“.
Zudem wählten ehemalige Freiwillige häufig soziale Berufe. „Wir wissen, dass das ein hoher Prozentsatz ist“, sagte Lilie. Freiwilligendienste seien für die Pflege- und Sozialbranche einer der besten Wege, motivierte Fachkräfte zu gewinnen. Daher seien Einsparungen auch in Hinblick auf den Personalmangel in der Sozialbranche „widersinnig“, kritisierte Lilie: „Die Kürzungen erfolgen am völlig falschen Ende und sind in keiner Weise politisch zu rechtfertigen.“
Der Diakonie-Präsident forderte die Regierung auf, die Pläne rückgängig zu machen. Stattdessen müsse möglichsten vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit eröffnet werden, sich sozial zu engagieren. Jugendliche von 16 bis 26 Jahre können ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr im In- und Ausland leisten. Im Bundesfreiwilligendienst können sich Erwachsene jeden Alters engagieren. SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, sie würden die Plätze in den Freiwilligendiensten „nachfragegerecht ausbauen“.
Diakonie-Präsident Lilie äußerte sich anlässlich des Jubiläums der evangelischen Freiwilligendienste. Die Diakonie ist gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) Gesellschafter der Evangelischen Freiwilligendienste. Vor 70 Jahren waren erstmals junge Freiwillige zum diakonischen Jahr angetreten. Seit 1954 haben 300.000 Menschen einen Freiwilligendienst in evangelischen Einrichtungen geleistet. Nach Angaben des Geschäftsführers der Evangelischen Freiwilligendienste, Martin Schulze, sind die Mittel seit 2011 nicht gekürzt und 2019 noch einmal erhöht worden. Die nunmehr angekündigten Einschnitte machten ein Drittel der bisherigen staatlichen Zuwendungen aus, sagte er dem epd.
In den kommenden beiden Jahren will die Ampel-Koalition die Mittel für die Jugendfreiwilligendienste und den Bundesfreiwilligendienst um insgesamt 113 Millionen Euro kürzen, um die Sparvorgaben für den Bundeshaushalt zu erfüllen. Bei den Jugendfreiwilligendiensten ist eine Verringerung der Ausgaben von derzeit 120 Millionen Euro auf 80 Millionen Euro vorgesehen. Die staatlichen Mittel für den Bundesfreiwilligendienst sollen von 207 Millionen Euro in diesem Jahr auf rund 134 Millionen Euro im Jahr 2025 sinken. Nach Angaben der Diakonie droht jede vierte Freiwilligenstelle wegzufallen.
Frankfurt a.M. (epd). Nach Angaben von Diakoniechef Carsten Tag wollen die beiden großen Trägerkirchen die Finanzzuweisungen an die Diakonie Hessen um 30 Prozent kürzen. Sollten die Planungen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) umgesetzt werden, muss die Diakonie Stellen abbauen, sagte Tag in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Beide Kirchen gemeinsam hatten der Diakonie Hessen im Jahr 2021 insgesamt zwölf Millionen Euro zugewiesen. Aus dieser Summe speise sich der Haushalt der Landesgeschäftsstelle zu 60 Prozent, sagte Tag. „Bei einer Personalkostenquote von 75 Prozent heißt das für uns, dass wir über einen Abbau von 30 Stellen sprechen, damit wäre jede dritte Stelle in der Geschäftsstelle gefährdet“, fügte der Diakoniechef hinzu.
Die EKHN habe einen Vorschlag für einen Überbrückungsfonds gemacht, mit dessen Hilfe man betriebsbedingte Kürzungen vermeiden wolle. Außerdem werde sich die Diakonie Hessen von einzelnen Arbeitsgebieten verabschieden müssen.
Über den Vorschlag der Kirchenleitungen sollen die Synoden von EKHN und EKKW im November entscheiden. „Wir hoffen, dass die Synode der EKHN für eine deutlich geringere Sparsumme eintritt“, sagte Tag. Dafür werde er sich mit aller Kraft einsetzen.
„Wir werden doppelt in die Zange genommen“, erläuterte der Diakoniechef, weil auch im Haushaltsentwurf der Bundesregierung massive Kürzungen im Sozialen vorgesehen sind. Als Beispiel nannte er die Bundesfreiwilligendienste. Bisher habe die Diakonie Hessen pro Jahr 650 junge Menschen in das Freiwillige Soziale Jahr vermittelt. Komme es zu den angekündigten Kürzungen, müsse die Diakonie diese Zahl um 200 Stellen kürzen: „Das geht zu Lasten von Kirchengemeinden und Einrichtungen, die ganz wesentlich auf Freiwillige angewiesen sind.“
Stuttgart (epd). „Max, Max“, hallt es freudig über den Flur der ökumenischen Kindertagesstätte Killesberg in Stuttgart. Wenig später schließt die sechsjährige Elisabeth Max Kling in die Arme. Er ist ihr Kita-Erzieher. Der 22-Jährige lernte nach dem Realschulabschluss zunächst Betreuer. Anschließend machte er eine dreijährige Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher. Damit ist er ein Exot.
2022 waren laut Statistischem Bundesamt deutschlandweit 57.904 männliche Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen tätig. Seit 2009 hat sich ihre Zahl damit zwar mehr als verdreifacht, nichtsdestotrotz ist die Anzahl der weiblichen Fachkräfte nach wie vor um ein Vielfaches höher: Im vergangenen Jahr arbeiteten knapp 673.000 Frauen im Bereich der Kinderbetreuung.
Für Max war immer klar, dass er Pädagoge werden würde, sagt er. Seine Kindergärtnerin habe ihn geprägt. Nicht ganz so klar war das für seinen Kollegen Maximilian Gockeler, der ebenfalls als Erzieher in der Kindertagesstätte Killesberg arbeitet. Der 31-Jährige studierte zunächst Ingenieurswesen und arbeitete auch in dem Bereich. „Man überlegt sich ja schon, welcher Beruf gesellschaftlich angesehen ist und was man verdient“, sagt er. Dann habe er aber gemerkt, dass ihn Geld und Status nicht glücklich machten. „Ich wollte etwas tun, wovon die Gesellschaft profitiert.“ Und was könnte da besser sein, als Kinder in ihren ersten Lebensjahren zu begleiten, dachte er sich. Also ließ er sich zum Erzieher ausbilden.
Max Klink und Maximilian Gockeler gehören zu einer Minderheit, die für Kindergartenkinder Fachleuten zufolge wichtig ist. So ergab die Studie „Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten“ im Auftrag des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2015, dass männliche Erzieher gerade für Jungs wichtige Rollenvorbilder sind. An ihnen könnten sie sich reiben und dadurch reifen. Männer bringen der Studie zufolge zudem andere Interessen und Sichtweisen mit als ihre Kolleginnen. Und schließlich lebten gemischte Kindergarten-Teams den Kindern vor, wie Männer und Frauen miteinander umgehen.
Als Ersatzväter sehen Klink und Gockeler sich nicht. „Aber natürlich entsteht ein Vertrauensverhältnis und man wird auch schon mal Papa genannt“, erzählt Maximilian Gockeler. Beide empfinden es als Vorrecht, Kinder in ihren ersten Lebensjahren begleiten und positiv prägen zu dürfen. Leider spiegele sich diese Verantwortung nicht in der Bezahlung wider. Das Gehalt für Erzieherinnen und Erzieher liegt laut Lohnspiegel beim Einstieg bei durchschnittlich 2.650 Euro pro Monat. Viele seiner Freunde würden da abwinken, meint Klink. „Wer den Mann noch in der klassischen Rolle des Ernährers sieht, muss da passen.“
Das sieht auch Aida Kiflu so. Die 39-Jährige leitet die Stuttgarter Einrichtung in Trägerschaft der evangelischen und der katholischen Kirche, hat Personalverantwortung für 32 Angestellte. „Jemand bei Porsche oder Mercedes ohne Personalverantwortung verdient mit Sicherheit mehr“, sagt sie. Ihr gehe es nicht in erster Linie ums Geld, sondern um die Anerkennung und Wertschätzung dessen, was in den Kindergärten tagein, tagaus geleistet werde und wovon die gesamte Gesellschaft profitiere: „Die Eltern bringen ihre Kinder jeden Morgen zu uns. Und nach fünf Jahren nehmen sie gereifte Persönlichkeiten wieder mit.“
Stuttgart (epd). Etwa alle acht Wochen hält Stephanie Hecke, Pfarrerin bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva), eine Trauerfeier für Menschen, die in Stuttgart ohne Angehörige verstorben sind. „Das waren im letzten Jahr etwa 500 oder 600 Personen.“ Für sie gibt es auf dem Stuttgarter Dornhaldenfriedhof ein Gräberfeld, das - auch dank starkem kirchlichem Engagement - von der Stadt Stuttgart in diesem Jahr neu gestaltet und mit Namenstafeln versehen wurde.
Die Idee zum Beratungsprojekt „Würdevolle Bestattung“ ist in der Pfarrerin jahrelang gereift, bei ihrem Vorstandsvorsitzenden Klaus Käpplinger rannte sie damit offene Türen ein. „Wenn es keine Angehörigen gibt, sorgt das Amt für öffentliche Ordnung für eine angeordnete Bestattung“, sagt Hecke. Menschen, die dem Verstorbenen nahestanden, hätten darauf keinen Einfluss, wenn sie keine Blutsverwandten seien. „Da hat jemand Jahrzehnte mit seinen Nachbarn in einer engen Hausgemeinschaft gelebt, doch nun bekommen sie keinerlei Informationen zu Todesursache und Todeszeitpunkt und können nichts tun. Dazu ist eine Verfügung nötig.“
Die Evangelische Gesellschaft Stuttgart (eva) hat eine Vorlage für eine solche Verfügung erstellt. Erläutert wird diese von Nicole Bornkessel. Die 48-jährige Bestatterin wurde von der dem diakonischen Träger als Projektleiterin angestellt. Die aus Spenden und Eigenmitteln finanzierte Beratung ist kostenlos. In der Vorlage könne eingetragen werden, wer sich nach dem Tod um die Bestattung kümmern soll. Dies kann auch ein Sozialarbeiter der eva sein.
„Mir ist es ein Herzensanliegen, eine Stimme für die Verstorbenen zu sein, die nicht mehr für sich selbst sprechen können“, sagt Bornkessel. „Ich möchte, dass die Wünsche der Menschen für ihre Bestattung umgesetzt werden.“
Zu den Ersten, die sich von Bornkessel beraten lassen, zählt der 60-jährige Dieter Hüttner. Er ist gesundheitlich stark angeschlagen und hat zu seiner Familie keinen Kontakt mehr. „Wenn ich jetzt sterben würde, wäre niemand für mich da.“ Im Gespräch beschreibt er, was er sich für seine Bestattung wünscht. „Auf gar keinen Fall traditionell“, sagt er. In der freien Natur, unter einem Baum, das könnte er sich als Begräbnisort am besten vorstellen. Für eine kurze Trauerfeier wünscht er sich fröhliche Musik. „Bitte keinen Herz-Schmerz-Song.“ Wer zu dieser Feier eingeladen werden soll, kann er ebenfalls festlegen.
„Das Thema wird gesellschaftlich immer relevanter“, sagt Hecke. „Immer mehr Menschen leben nicht mehr in traditionellen Familien.“ Die Einsamkeit von Menschen könne mit Armut verbunden sein, sagt Hecke, müsse es aber nicht. Sie kennt einen Fall, in dem eine Bestattung vorab komplett bezahlt war, der Wille der Verstorbenen aber leider nicht berücksichtigt wurde, es gab stattdessen eine angeordnete Bestattung. Damit eine Verfügung zuverlässig umgesetzt wird, kooperiert die eva mit Bestattungsunternehmen, sorgt auch dort für die nötige Hinterlegung.
Es gibt Fälle, in denen zwar Angehörige da sind, aber jemand auf keinen Fall möchte, dass diese sich nach seinem Tod um die Bestattung kümmern. Herrscht in der Familie Streit, kann die Würde des Verstorbenen sehr gefährdet sein.
Hecke hat so manche drastische Äußerung gehört, die nicht öffentlich zitierfähig sei. Nun aber freut sie sich, dass eine wichtige Lücke geschlossen ist. Schon bisher habe die eva Beratung für das ganze Leben angeboten: von der Schwangerenberatung über die Sucht bis ins Alter. Doch die Begleitung älterer Menschen habe mit dem Tod geendet. Gerade dann bestehe die Gefahr, dass die Würde verletzt werde: „Wenn ein Mensch gestorben ist, ist er zu hundert Prozent ausgeliefert.“
„Im Moment habe ich nur die eva“, sagt Dieter Hüttner nach dem ersten Beratungsgespräch. „Ich habe das Gefühl, ich bin hier gut aufgehoben.“
Berlin (epd). Markus Seidel, Journalist und Gründer der Off Road Kids Stiftung, hatte eine Vision: Es darf in Deutschland keine Straßenkinder geben. Darum gründete er mit Freunden die Hilfsorganisation Off Road Kids, die heute Streetwork-Stationen in Berlin, Hamburg, Dortmund, Köln und Frankfurt unterhält. Sie ist seit 1993 die erste und einzige bundesweit arbeitende Hilfsorganisation für Straßenkinder, Ausreißer und von Obdachlosigkeit bedrohte Jugendliche. Das 30-jährige Bestehensfest wurde am 8. September in Berlin gefeiert.
Mittlerweile beschäftigt die Stiftung 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Doch trotz aller Erfolge ist klar: Es gibt weiterhin Straßenkinder, die dringend der Hilfe bedürfen. Und, so ist zu hören: Jeden Monat kommen über 500 neue Jugendliche dazu, so viele, wie nie zuvor.
„Unser Erfolgsrezept von Beginn an war, dass wir mit unseren Streetworkern vor Ort sein, Vertrauen schaffen und für viele der jungen Menschen wieder eine Brücke in die Heimat bauen konnten“, sagte Vorstandssprecher Seidel rückblickend. „Eigentlich dürfte es uns gar nicht geben, in einem Land wie Deutschland“, so Seidel weiter. Faktisch aber nimmt nach seinen Worten die Zahl der Hilfebedürftigen und der Hilferufe weiter zu. Laut Wohnungslosenstatistik leben aktuell rund 38.000 Menschen, die jünger sind als 27 Jahre, in verdeckter oder tatsächlicher Obdachlosigkeit: „Die Situation immer dramatischer.“
Heute seinen die jungen Menschen häufig verdeckt wohnungslos. Sie meldeten sich über Telefon oder Chat bei der virtuellen Streetwork-Station „sofahopper.de“, der bundesweit verfügbaren Online-Hilfe als erster Kontaktstelle. „Meist müssen wir zuerst die akuten Probleme lösen - vom fehlenden Ausweis über die Beantragung von Transferleistungen bis hin zum Schlafplatz für die kommende Nacht“, berichtete Ines Fornaçon, Leiterin der Berliner Streetwork-Station. Ohne Zwang und Repressionen werde gemeinsam nach Lösungen gesucht. „Nur wenn der junge Mensch von sich aus etwas ändern will, kann die Unterstützung greifen“, sagt Fornaçon aus Erfahrung. Und: Erst wenn die akuten Themen gelöst seien, beginne eigentliche Arbeit: das Entwickeln einer neuen Lebensperspektive. „Ohne professionelle Beratung und Begleitung schaffen die jungen Menschen diese wichtigen Schritte nicht“, so die Sozialarbeiterin.
Die Off Road Kids Stiftung finanziert ihre Hilfen zu 90 Prozent durch Spenden finanziert. 2023 werde man voraussichtlich 50.000 Beratungsstunden leisten. „Aber das Spendenaufkommen ist wegen der vielen Krisen stark rückläufig, das stellt uns vor enorme Herausforderungen“, betonte Seidel. Er verwies auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Arbeit und rechnete vor: „Für jeden jungen Menschen, mit dem wir eine Perspektive für ein dauerhaft selbstbestimmtes Leben mit eigenem Einkommen und Dach über dem Kopf entwickeln, verhindern wir lebenslange Sozialhilfefälle. Jedes Mal spart der Staat etwa 900.000 Euro.“
Ein weiteres Problem außer dem sinkenden Spendenaufkommen ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. „Es gibt kaum noch adäquate Unterkünfte für unsere Klientel“, berichtet Ines Fornaçon aus der Hauptstadt. Sie wünscht sich eine stärkere Finanzierung durch die öffentliche Hand. Das wäre ein Gewinn für alle Seiten: den Staatshaushalt, die Bürger, die unterstützenden Ämter - und die jungen Menschen.
Ebersbach (epd). Zum gemeinsamen Aktionstag der Jugendmigrationsdienste am 13. September hat das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) gegen die geplante Kürzung der Bundeszuschüsse für das Präventionsprogramm an Schulen protestiert. „Angesichts steigender Zustimmung zu demokratiefeindlichen Parteien ist die ersatzlose Streichung der Respekt Coaches schockierend und zutiefst besorgniserregend“, sagte Oliver Stier, Sprecher des CJD-Vorstandes.
Die Respekt Coaches sind an rund 600 weiterführenden Schulen aktiv. Sie sind ausgebildete Expertinnen und Experten beispielsweise in den Bereichen Demokratiebildung, Konfliktbewältigung, Extremismusprävention, aber auch Wertevermittlung. 2018 wurde das Programm vom Bundesfamilienministerium ins Leben gerufen.
Die positiven Rückmeldungen zur Arbeit im Programm verdeutlichten die große Bedeutung der Respekt Coaches für die gesellschaftliche und politische Stabilität in Deutschland, so Stier. Respekt Coaches arbeiten über Klassenverbünde hinweg mit Schülerinnen und Schülern. Dabei bestimmen die Schülerinnen und Schüler selbst oder in Zusammenarbeit mit den Coaches, welche Themen sie bearbeiten. Die von den eigenen Respekt Coaches befragten Schülerinnen und Schüler hätten ausschließlich ein positives Feedback gegeben und wünschten sich weiterhin diese Angebote an ihren Schulen.
„Kürzen kostet Zukunft. Das Streichen des Programms destabilisiert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und beeinträchtigt die Zukunft junger Menschen. Das müssen wir verhindern“, so Stier abschließend.
Kassel (epd). Frisch gebackene Eltern sollen nach dem Willen des Gesetzgebers mit dem Erhalt von Elterngeld Plus Teilzeitarbeit und Kinderbetreuung besser unter einen Hut bringen können. Teilen sich beide Eltern gleichzeitig Arbeit und Betreuung, dürfen sie auch während der sogenannten Partnerschaftsbonusmonate längere Zeit arbeitsunfähig erkranken, ohne dass sie dann das Elterngeld Plus wieder zurückzahlen müssen, urteilte am 7. September das Bundessozialgericht (BSG). Eine vom Bundesfamilienministerium anderslautende entsprechende Richtlinie sei nicht bindend, betonten die Kasseler Richter.
Schultern Eltern mit der Geburt ihres Kindes neue finanzielle Lasten, hilft der Staat mit Elterngeld, etwa um Einbußen infolge einer unterbrochenen oder eingeschränkten beruflichen Arbeit abzumildern. Den Eltern stehen gemeinsam insgesamt 14 Monate Basiselterngeld zu, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen. Die Sozialleistung kann ein Elternteil für mindestens zwei und höchstens zwölf Monate beanspruchen. Sie beträgt mindestens 300 Euro und höchstens 1.800 Euro monatlich, abhängig vom vorherigen Einkommen.
Um Teilzeitarbeit und Kindererziehung besser vereinbaren zu können, hatte der Gesetzgeber das Elterngeld Plus eingeführt. Dieses kann doppelt so lang beansprucht werden. Die Höhe ist dann aber auf die Hälfte des Basiselterngeldes beschränkt. Arbeiten beide Elternteile gleichzeitig zwischen 24 und 32 Wochenstunden und teilen sie sich die Kindererziehung auf, kann jeder bis zu vier weitere Elterngeld-Plus-Monate als Partnerschaftsbonus erhalten. Für vor dem 1. September 2021 geborene Kinder musste die Teilzeitarbeit der Eltern zwischen 25 und 30 Stunden betragen. Den Partnerschaftsbonus gab es dann nur für vier Monate.
Im Streitfall hatten auch Eltern aus Langenhagen bei Hannover auf das Elterngeld Plus vertraut. Um zusätzliche vier Monate als Partnerschaftsbonus erhalten zu können, hatte der Kläger mit seinem Arbeitgeber eine Teilzeitarbeit von 30 und seine Frau von 25 Wochenstunden vereinbart. Die Betreuung ihres Kindes teilten sie sich auf.
Doch bereits nach einer Woche Elterngeld Plus-Bezugs erlitt der Vater eine Kniegelenksverletzung und war dreieinhalb Monate arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber zahlte sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, danach erhielt der Vater Krankengeld.
Die Elterngeldstelle der Stadt Langenhagen meinte, dass mit dem Krankengeldbezug der Vater keinen Anspruch mehr auf Elterngeld Plus habe. Die Behörde forderte für den Streitzeitraum die Sozialleistung wieder zurück, insgesamt über 640 Euro. Denn für den Elterngeld-Plus-Anspruch müsse eine Erwerbstätigkeit vorliegen. Das Bundesfamilienministerium habe in einer Richtlinie festgelegt, dass diese nur bis Ende der vom Arbeitgeber gewährten Lohnfortzahlung im Krankheitsfall besteht. Beim späteren Krankengeldbezug sei dies nicht mehr der Fall.
Das BSG gab dem klagenden Vater recht. Auch wenn das Bundesfamilienministerium in seiner Richtlinie anderes meint, sei dies nicht bindend. Der Kläger habe Anspruch auf vier weitere Monate Elterngeld Plus. Dieser sei wegen des Krankengeldbezugs weder entfallen noch gemindert. Für das Elterngeld Plus müsse zwar eine „Erwerbstätigkeit“ bestehen. Dies sei aber auch bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit der Fall. Das Arbeitsverhältnis bestehe schließlich weiter fort, die konkrete Tätigkeit werde voraussichtlich wieder aufgenommen.
Auch wolle der Gesetzgeber mit dem Elterngeld Plus die Teilzeittätigkeit von Eltern während des Elterngeldbezugs wirtschaftlich absichern. Dieses Ziel werde jedoch nicht erreicht, wenn Zeiten des Krankengeldbezugs zu einer Rückforderung des Elterngeldes führten.
Allerdings kann während des Elterngeldbezugs bei einer mehr als sechs Wochen andauernden Erkrankung das von der Krankenkasse gezahlte Krankengeld mindernd angerechnet werden, urteilte das BSG bereits am 18. März 2021. Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz sehe die Anrechnung sogenannter Lohnersatzleistungen vor. Zu diesen gehöre auch das Krankengeld. Dabei habe sich der Gesetzgeber im Interesse einer einheitlichen Regelung gegen eine Ausnahme für das Krankengeld entschieden. Lediglich 300 Euro Elterngeld pro Monat bleiben danach anrechnungsfrei.
Erhalten zudem Eltern innerhalb von zwölf Monaten vor der Geburt ihres Kindes noch eine Gehaltsnachzahlung, fällt das Elterngeld höher aus. Denn bei der Elterngeldberechnung ist es entscheidend, welches laufende Arbeitseinkommen ihnen in diesem Zeitraum tatsächlich zugeflossen ist, wie das BSG in einem am 27. Juni 2019 verkündeten Urteil entschied.
Az.: B 10 EG 2/22 R (BSG, Bonusmonate)
Az.: B 10 EG 3/20 R (BSG, Krankengeldanrechnung)
Az.: B 10 EG 1/18 R (BSG, Gehaltsnachzahlung)
Osnabrück (epd). Ein gesetzlich Krankenversicherter hat keinen Anspruch auf Versorgung mit medizinischem Cannabis, sofern Behandlungsalternativen bestehen. Dies hat das Sozialgericht Osnabrück bereits im Juli entschieden, wie es am 7. September mitteilte. Von seinem Arzt wurden dem Kläger Cannabisblüten zur Vaporisation auf Privatrezept verordnet. Dafür fallen monatlich Kosten von rund 430 Euro an, die er von seiner Krankenkasse ersetzt haben wollte.
Der Mann leidet laut Gericht an verschiedenen Erkrankungen auf psychiatrischem, orthopädischem und lungenfachärztlichem Gebiet. Er gab an, durch den Konsum von Cannabis hätten sich seine Probleme mehr verbessert als mit Behandlungen durch Medikation, stationäre Aufenthalte oder Rehabilitationsmaßnahmen. Die Krankenversicherung vertrat die Auffassung, alternative Behandlungsmöglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft.
Das Sozialgericht schloss sich dieser Einschätzung an. Zwar leide der Kläger an einer die Lebensqualität beeinträchtigenden Erkrankung. Die alternativen Behandlungsmöglichkeiten gingen aber eindeutig aus Entlassungsberichten nach stationären Aufenthalten hervor. Daher müssten diese Möglichkeiten erst genutzt werden, bevor Cannabiskosten ersetzt werden könnten. Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig.
Az.: S 46 KR 160/22
Brüssel, Straßburg (epd). Eine Französin darf das Sperma ihres verstorbenen Mannes nicht nach Spanien ausführen, um dort ein Kind auszutragen. Eine Klage der Frau gegen das Verbot wies der Europäische Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) am 14. September in Straßburg zurück.
In Frankreich, wie auch in Deutschland, ist die Verwendung von Samen und Eizellen zur Befruchtung verboten, wenn der Spender nicht mehr am Leben ist. In Spanien ist die sogenannte posthume Zeugung dagegen erlaubt, wenn der Spender zu Lebzeiten zugestimmt hat. Der EGMR entschied in seinem Urteil vom Donnerstag, dass die Ausfuhr des Samens nach Spanien das Verbot in Frankreich umgehen würde und es „keinen Grund gibt, von den Feststellungen der nationalen Gerichte abzuweichen“.
Beim Mann der Klägerin wurde 2016 ein Hirntumor diagnostiziert. Weil Chemotherapie die Fruchtbarkeit beeinflusst, gab der er eine Samenspende ab. Das Paar hatte bereits einen ersten, erfolglosen Versuch der künstlichen Befruchtung unternommen, als der Mann starb. In seinem Testament überließ er es seiner heute 31-jährigen Frau, nach seinem Tod ein Kind mit seinem Samen zu zeugen. 2019 beantragte die Frau eine Genehmigung zur Ausfuhr des Spermas an eine spanische Gesundheitseinrichtung, um dort die künstliche Befruchtung vorzunehmen. Französische Gerichte verweigerten die Genehmigung.
Die Richter der EGMR erklärten, das Verbot, das Sperma des verstorbenen Ehemannes nach Spanien auszuführen, wo die posthume Empfängnis erlaubt ist, habe das Privatleben der Klägerin beeinträchtigt. Es liege aber keine Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention vor.
Az.: 22296/20 und 37138/20
Trier (epd). Christoph Wutz ist Betriebswirt und studierte auch Politikwissenschaft, Europarecht sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte und sammelte in seiner Berufslaufbahn bereits an verschiedenen Stellen Führungserfahrung. „Ich bin dankbar, dass mit Christoph Wutz als Direktor die Leitung des Caritasverbandes wieder komplett ist. Ich bin zuversichtlich, dass die Doppelspitze mit Benedikt Welter den Caritasverband angesichts der vielfältigen Herausforderungen im sozialen Sektor gut weiterentwickeln wird“, sagte Bischof Stephan Ackermann.
Wutz stammt aus Miltenberg. Seit 2018 ist er Vorstandsvorsitzender der Stiftung Lebensräume Offenbach am Main, einem seit 2010 bestehenden Träger gemeindepsychiatrischer Einrichtungen und Dienste. Weitere Stationen seines beruflichen Weges waren unter anderem Organisationen im Bereich der beruflichen Rehabilitation und Bildung und der Beschäftigungsförderung, in denen er in leitenden Funktionen tätig war.
Der sozial-caritative Bereich ist dem neuen Direktor unter anderem aus seiner Tätigkeit bei der Kolping-Mainfranken gGmbH vertraut, in der er als Geschäftsführer verschiedener Tochtergesellschaften tätig war. „Ich freue mich sehr, dies bald mitgestalten zu dürfen und meine über zwanzigjährige Erfahrung in der Sozialwirtschaft einbringen zu können“, sagte Wutz in Trier.
Walter Lampe, Gründer des niedersächsischen Straßenmagazins „Asphalt“, ist tot. Der langjährige evangelische Diakoniepastor aus Hannover starb am 10. September nach langer Krankheit im Alter von 80 Jahren im Kreis seiner Familie. Lampe leitete von 1989 bis 2007 das Diakonische Werk Hannover und wurde in diesem Amt zu einer prägenden Persönlichkeit für die Stadtgesellschaft. Schwerpunkt seiner Arbeit war der Kampf gegen Armut und Obdachlosigkeit. 1994 gründete er mit Weggefährten das Straßenmagazin „Asphalt“, das heute in einer Auflage von rund 26.500 Exemplaren in etwa 20 Städten in Niedersachsen und angrenzenden Gebieten von rund 200 Menschen mit sozialen Schwierigkeiten verkauft wird. Vom Erlös können die Verkäufer die Hälfte für sich behalten. Bis 2012 war Walter Lampe Herausgeber der Zeitung. Der evangelische Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes würdigte Walter Lampe als höchst integren, kreativen und überzeugenden Theologen. „Hannover verliert mit ihm eine Persönlichkeit, die unserer Stadt gutgetan hat“, sagte er.
Andreas Wieland (56), Manager, Wirtschaftspsychologe und Theologe, ist neuer Geschäftsführer der Diakonie der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal. Er folgt auf Jutta Arndt, die das Unternehmen im Juli 2023 verlassen hat. Die Diakonie betreibt mit insgesamt rund 600 Mitarbeitern Einrichtungen der Jugend- und Altenhilfe, Kindertageseinrichtungen, einen Schulbauernhof sowie offene Betreuungsangebote und Schulen mit besonderen pädagogischen Schwerpunkten. Hauptstandorte sind Korntal mit mehreren Außenstandorten sowie Wilhelmsdorf bei Ravensburg und Oberschwaben.
Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein (CDU), übernimmt die Schirmherrschaft für den mitMenschPreis. Der evangelische Fachverband für Teilhabe hat diese Auszeichnung zum siebten Mal ausgeschrieben. Gesucht werden vorbildliche Projekte der Eingliederungshilfe oder Sozialpsychiatrie, die Menschen mit Lernschwierigkeiten, psychischer Erkrankung und/oder hohem Unterstützungsbedarf mehr selbstbestimmte Teilhabe ermöglichen. „Ich freue mich außerordentlich, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Der Wettbewerb rückt die selbstbestimmte Teilhabe in den Mittelpunkt und damit ein Thema, das uns alle angeht“, sagte Günther. Er hoffe auf zahlreiche Bewerbungen.
Timo Siebert (44) wird Kaufmännischer Direktor der LWL-Kliniken Münster und Lengerich. Er folgt auf Thomas Voß (65), der zum 30. September 2024 in den Ruhestand geht. Siebert ist derzeit Kaufmännischer Direktor des LWL-Klinikums Gütersloh und der LWL-Klinik Paderborn. Auch für die damit frei werdenden Stellen in Gütersloh und Paderborn ist bereits eine Nachfolgeregelung gefunden. Der bisherige Kaufmännische Direktor der LWL-Einrichtungen in Marsberg, Jan Hendrik Unger (43), übernimmt Sieberts Positionen am 1. Oktober 2024. Die Position der Kaufmännischen Direktion in Marsberg soll dann neu ausgeschrieben werden.
22.9.:
Online-Seminar „Klimaziele identifizieren, validieren & kommunizieren“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828-211
25.-28.9.:
38. Bundesweite Streetworker-Tagung „Armut, Klassismus, psychische Krisen: Wie alles dann doch zusammenhängt“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
28.-29.9. Berlin:
„Deutscher Pflegetag 2023“
Tel.: 030/300669-0
Oktober
5.10. Berlin:
Seminar „Psychische Gesundheit in der Sozialwirtschaft“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828-224
10.-11.10.:
Online-Seminar „Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
11.10.:
Online-Seminar „Sozialdatenschutz in der Online-Beratung - kompakt“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
18.-20.10. Freiburg:
Fortbildung „Kinderschutz in der Familienpflege - Auftrag und Handlungsoptionen im Einsatz“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
20.-21.10.:
Online-Tagung „Sterben wollen - Leben müssen - Sterben dürfen? - Von der Kontroverse in die Praxis: Umgang mit den assistierten Suizid“
des Hauses Villigst
Tel.: 02304/755-325
23.-24.10. Erkner:
Seminar „Die Umsetzung des KJSG in der Kindertagesbetreuung - Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven“
Tel.: 030/62980-219
23.-25.10. Hannover:
Fortbildung „Hilfe für wohnungslose Männer und Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
25.10. Köln:
Seminar „Pflegesatzverhandlungen in der stationären Altenhilfe: Vorbereitung, Strategie und Verhandlungsführung“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 0221/20930