Berlin (epd). Die beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie dringen auf die pünktliche Umsetzung einer ausreichend hohen Kindergrundsicherung. „Die vorgesehenen Leistungen pro Kind sind zu gering“, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie am 13. September in Berlin. Auch hätten viele Kinder keinen Zugang zu den Hilfen. Die Diakonie fordert zudem, das Existenzminimum von Kindern neu zu berechnen. Lilie äußerte sich für das Bündnis Kindergrundsicherung, in dem sich zahlreiche Verbände seit Jahren für eine Kindergrundsicherung einsetzen.
Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es sei bei einem so großen Vorhaben zwar nötig, dass alle Details gut vorbereitet würden. Es müsse aber auch der Zeitplan eingehalten werden. „Gerade bei diesem Vorhaben muss die Messlatte an die Leistungsfähigkeit der Verwaltung hoch liegen, denn es geht darum, die Unterstützung für Familien verlässlich leicht erreichbar zu machen“, sagte Welskop-Deffaa. Dafür brauche die Bundesagentur für Arbeit mindestens ein Jahr Zeit.
Es dürfe nicht dazu kommen, dass die Attraktivität der Kindergrundsicherung beim Start an einer unzureichenden Vorbereitung der digitalen Umsetzung scheitere, sagte Welskop-Deffaa: „Ein Hauptziel des Vorhabens besteht ja darin, für Menschen, die ohnehin belastet sind, Leistungen, die ihnen zustehen, verlässlich, sicher und leicht zugänglich zu machen.“
Zur Höhe der Leistungen, die von den meisten Sozialverbänden als zu gering kritisiert werden, sagte die Caritas-Chefin, wenn es nicht gelinge, rechtzeitig das Existenzminimum für Kinder neu zu berechnen, müssten für eine Übergangszeit zumindest die stark gestiegenen Energiekosten und Lebensmittelpreise - notfalls über zusätzliche Pauschalen - berücksichtigt werden.
Anders als geplant hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) in seiner Sitzung am 13. September nicht beschlossen. Paus erklärte, es gehe „noch um juristische und technische Details“. Der Gesetzentwurf solle aber im September vom Kabinett beschlossen werden, versicherte die Ministerin. Es bestehe „in der Bundesregierung Einigkeit zur Kindergrundsicherung“.
Bei den strittigen Details handelt es sich dem Vernehmen nach unter anderem um eine Extra-Regelung, die verhindern soll, dass Kinder von Asylbewerberinnen und -bewerbern durch die Neuordnung der Familienleistungen schlechter gestellt werden könnten. Aus dem Familienministerium verlautete, es gehe außerdem um die Berechnung der künftigen Leistungen der rund 1,9 Millionen Kinder, die heute Bürgergeld beziehen. Das Finanzministerium verlangt danach eine genauere Prüfung. Aus Sicht des Familienministeriums wären die zusätzlichen Verwaltungskosten zu hoch.
In der Kindergrundsicherung sollen von 2025 an mehrere Familienleistungen und das Bürgergeld für Kinder zusammengefasst werden. Über die Finanzierung hatte die Ampel-Regierung monatelang gestritten. Ziel der Reform ist, dass möglichst alle Familien erreicht werden, die Anspruch auf staatliche Leistungen für ihre Kinder haben.
In einer früheren Fassung des Entwurfs hieß es, es werde „ein Paradigmenwechsel weg vom Prinzip der Holschuld hin zum Prinzip der Bringschuld angestrebt“. Dieser Satz ist in der jüngsten Fassung des Gesetzentwurfs gestrichen worden.
Wenn der Entwurf in zwei Wochen im Kabinett beschlossen werden sollte, geht das Gesetz danach in den Bundesrat und Bundestag. Eine Zustimmung der Bundesländer ist nötig. Je nach Dauer der Beratungen verkürzt sich die Zeit für die Vorbereitungen in der Verwaltung, insbesondere bei der Bundesagentur für Arbeit. Sie soll die Familienkassen, die das Kindergeld auszahlen, zu Servicestellen für die Kindergrundsicherung ausbauen.