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Verbände: Schlechte Zahlungsmoral der Sozialämter gefährdet Heimbetrieb




Spielenachmittag in einem Pflegeheim
epd-bild/Werner Krüper
Soweit sie bekannt sind, lassen die Zahlen nur einen Schluss zu: Mit der Zahlungsmoral der Sozialämter, die die Kosten für mittellose Heimbewohner tragen, ist es nicht weit her. Verbände sehen durch verzögerte Überweisungen gar den Betrieb der Heime gefährdet. Dem Dachverband der Sozialämter ist das Problem indes nicht bekannt.

Frankfurt a.M. (epd). Führende Fachverbände der Pflegebranche sehen in verzögerten Zahlungen der Sozialämter für die Versorgung von mittellosen Seniorinnen und Senioren in Heimen eine latente Gefahr für den Betrieb der Einrichtungen. Thomas Neeb, Vorstand des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) und Geschäftsführer der Johanniter Seniorenhäuser GmbH, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir als diakonische Träger müssen leider bestätigen, dass die Einrichtungen teils sehr lange auf die Zahlungen der Sozialhilfeträger warten müssen.“ Die „normale“ durchschnittliche Bearbeitungszeit der Sozialämter je Bundesland liege zwischen vier Wochen und drei Monaten, so der Fachmann.

Ein Drittel der Heimbewohner bezieht Sozialhilfe

Nach seinen Angaben erhält mehr als ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner in Heimen der Diakonie Leistungen der Sozialhilfe. Blieben diese Gelder über Wochen oder gar Monate aus, „kommt es zu hohen Forderungsbeständen und es drohen wirtschaftliche Schieflagen“.

Auch komme es vor, dass während langer Bearbeitungszeiten Heimbewohner sterben. Wenn danach die Bescheide durch die Behörden abschlägig beschieden würden, müssten die Träger versuchen, „Gelder für bereits erbrachte Leistungen gegenüber den Erben geltend zu machen.“ Das gelinge jedoch nicht immer und gehe dann erneut zulasten des Trägers.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) als Dachverband der Heime in privater Trägerschaft bestätigt das Problem und kann seinen Ärger kaum zügeln. Der Berliner Landesvorsitzende Oliver Stemmann sagt: „Die Pflegeeinrichtungen sind keine Bittsteller, sondern die Zahlungen sind für bereits erbrachte Leistungen vertraglich vereinbart.“ Während die Einrichtungen pünktlich ihre Gehälter und auch ihre Steuern bezahlten, beriefen sich die Bezirksämter zumeist auf den Personalmangel. Sie blieben die fälligen Zahlungen oft einfach schuldig. „Das könnte sich kein Unternehmen leisten.“

Berlin: Säumige Zahlungen von über sieben Millionen Euro

Der bpa hat in der Hauptstadt eine Branchenumfrage in Auftrag gegeben und kennt daher die Zahlungsrückstände genau. Ergebnis: 250 teilnehmende Pflegeeinrichtungen meldeten säumige Zahlungen der Bezirksämter in Höhe von 7,3 Millionen Euro.

Auch andere Landesverbände des bpa klagen über hohe Summen, die nicht oder nur verzögert gezahlt werden. Hochgerechnet auf alle Pflegeeinrichtungen in Schleswig-Holstein beliefen sich die Sozialamtsschulden den Angaben nach auf rund 20 Millionen Euro.

In der internen Umfrage meldeten 130 Einrichtungen im Norden unbezahlte Rechnungen der Sozialhilfeträger in Höhe von fast 1,9 Millionen Euro. Landesvorsitzender Mathias Steinbuck, der selbst Pflegeeinrichtungen betreibt, klagte: „Bis zum abschließenden Bescheid und zur Begleichung der Rechnungen müssen die Einrichtungen diese Liquiditätslücke irgendwie kompensieren.“ Da könne „die Luft schon einmal dünn werden“.

Steigende Zahl von Sozialhilfeempfängern Problem

Das Problem werde in der Zukunft noch drängender, sagte Steinbuck voraus. Denn: „Immer mehr Menschen können die steigenden Eigenanteile im Heim nicht mehr bezahlen und sind auf Sozialhilfe angewiesen. Wenn sich die Zahlungsmoral der Sozialhilfeträger nicht ändert, bedroht das die pflegerische Versorgung in Schleswig-Holstein.“

In Nordrhein-Westfalen ermittelte der bpa bei 200 Einrichtungen unbezahlte Rechnungen der Sozialhilfeträger in Höhe von mehr als zwölf Millionen Euro. „Mit den unbezahlten Rechnungen verstärken die Kommunen und Kreise die wirtschaftliche Drucksituation für die Pflegeeinrichtungen“, mahnte der bpa-Landesvorsitzende Bernhard Rappenhöner.

Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) sieht im Verwaltungsversagen vieler Sozialämter ebenfalls einen „wesentlichen Faktor für das Insolvenzrisiko in der Branche“. Bundesgeschäftsführer Thomas Knieling sagte dem epd: „Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe als Kreditinstitute für Sozialämter missbraucht werden.“

VDAB spricht von Skandal

Die Mitgliedseinrichtungen berichteten fast flächendeckend von viel zu langen Bearbeitungszeiten schon bei den Anträgen auf Sozialhilfe und auch nach dem Eingang des Bescheides von lange verzögerten Auszahlungen. „Es ist ein Skandal, dass örtliche Träger der Sozialhilfe durch eigenes Versagen als wirtschaftlicher Brandbeschleuniger fungieren.“

Matthias Krömer, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe, sagte dagegen dem epd, über die vom VDAB behauptete Problematik „ist uns nichts bekannt. Wir müssen diese daher bestreiten.“ Auch sei der VDAB mit diesem Thema bislang nicht an die Arbeitsgemeinschaft herangetreten.

VKAD sieht kein flächendeckendes Problem

Der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) teilte auf Anfrage mit, er sehe in der fehlenden Zahlungsmoral der Sozialämter kein flächendeckendes Problem. „Vermehrte Problemanzeigen durch unsere Mitgliedseinrichtungen gibt es dazu nicht“, sagte Geschäftsführer Andreas Wedeking. Aber, so räumt er ein: „Das Problem ist dennoch grundsätzlich bekannt.“

Und wie ließe es sich lösen? Der Berliner bpa-Chef Oliver Stemmann sagt dazu: „Wenn die Behörden nicht in der Lage sind, die Abrechnungen zeitnah zu prüfen, müssen die Bezirksämter eben erst zahlen und dann prüfen.“ Bernhard Rappenhöner, bpa-Vorsitzender in NRW, forderte Landkreise und Kommunen auf, „im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten während der Bearbeitung bereits Abschlagszahlungen an die Pflegeeinrichtungen vorzunehmen“.

Dirk Baas