sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

zu wenig Personal, jede Menge Überstunden und fehlende Anerkennung. Neu sind diese Zustände in der Pflege nicht. Aber wer im Internet die Blogs von Pflegekräften verfolgt, bekommt eine Ahnung von vielen existenziellen Nöten, die in der Branche mit Händen zu greifen sind. Das Erschreckende: In der Politik kommen seit Jahren keine grundlegenden Reformen voran - obwohl die Forderungen schon ewig auf dem Tisch liegen.

Die Sozialverbände lassen kein gutes Haar an Finanzminister Lindners Plänen für eine milliardenschwere Steuerentlastung für Bürgerinnen und Bürger. Zwar sei es „sachgerecht“, die kalte Progression auszugleichen, aber das habe derzeit wirklich keine Priorität. Die Inflation belaste besonders Bedürftige, Geringverdiener und Familien mit wenig Einkommen. Lindners Pläne seien unsozial, es fehle ein Konzept, das vor allem arme Menschen finanziell in den Blick nehme, so der SoVD.

Auf die Pflegeheime kommen ab Oktober unschöne Zeiten zu. Und dabei geht es ausnahmsweise mal nicht um Corona. Die Gasumlage wird deren wirtschaftliche Lage spürbar verschlechtern. Denn die Energiepreise samt Umlage könnten ihre Kosten womöglich verdoppeln. Die Träger sind in der Bredouille, denn sie dürfen die höheren Gasrechnungen nicht einfach auf die Bewohner der Einrichtungen umlegen. Dazu müssen erst Entgeltverhandlungen geführt werden. Doch Experten verweisen darauf, dass die Pflegekassen hier „zurückhaltend sind“.

Viele Alleinerziehende haben ein hohes Armutsrisiko. Folglich sind sie besonders von der Inflation gebeutelt. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) appelliert an die Politik, Betroffene gezielt zu entlasten. Wie das geschehen könnte, steht in einem Konzeptpapier, das epd sozial dokumentiert.

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Ihr Dirk Baas




sozial-Politik

Personalmangel

"Wenn die Pflege wegfällt, bricht alles zusammen"




Streik an der Charité in Berlin für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Unter den Hashtags #Medizinbrennt, #Pflegebrennt und #Pflegenotstand berichten Pflegefachkräfte auf Twitter eindrücklich über ihre miesen Arbeitsbedingungen. Eine von ihnen ist die ehemalige Intensivpflegerin Lea R. Sie hat den Beruf aufgegeben. Schweren Herzens.

Berlin (epd). Wer sich ein reales Bild von der Stimmung in Kliniken und Heimen machen will, sollte das Internet nutzen. Unter den Hashtags #Medizinbrennt, #Pflegebrennt und #Pflegenotstand ist die alte Debatte über die Krise am Bett neu entfacht.

Wochenlang streikten die Beschäftigten in den sechs Universitätskliniken Nordrhein-Westfalens, um bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Der Intensivpfleger und Aktivist Ricardo Lange schreibt auf Twitter: „Der Personalmangel gefährdet nicht nur in NRW die Gesundheit und das Leben der Patienten, sondern jede Klinik und Pflegeeinrichtung ist davon betroffen.“ Aber, auch das sorgt für viel Frust: Grundlegende politische Reformen sind nicht in Sicht.

Die ehemalige Pflegerin Lea R. gab vor vier Jahren ihren Beruf auf. Leicht sei ihr das nicht gefallen, wie sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) schildert: „Dieser Job war meine absolute Leidenschaft. Es gibt nichts Schöneres, als einen Menschen beim Genesungsprozess zu begleiten. Zu sehen, wie er zum ersten Mal wieder eigenständig atmet oder sich im Krankenbett aufsetzt.“ Doch nach neun Jahren in der Pflege sah die 33-Jährige keine andere Möglichkeit, als aufzuhören. Die Arbeitsbelastung sei einfach zu hoch geworden.

Zu viele Schichten, zu wenig Personal

„Man arbeitet immer länger als geplant, springt ein bei Ausfall, will die Patienten so gut versorgen, wie es nur geht,“ sagt Lea R. „Ich kann in einer Schicht drei Patienten durchbringen, aber ich kann sie nicht umfassend betreuen.“ Sie fordert eine Eins-zu-eins-Betreuung auf Intensivstationen. Das bedeutet: Auf einen Pfleger kommt ein Patient.

Die hohe Arbeitsbelastung findet sich in erschreckenden Zahlen wieder: Mehr als 92 Millionen Überstunden haben sich in deutschen Kliniken allein in diesem Jahr angesammelt. Allein auf deutschen Intensivstationen fehlen rund 50.000 Pflegekräfte, wie eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie zeigt. Im gesamten Pflegebereich wächst die Versorgungslücke weiter. Prognosen des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge könnten in Deutschland im Jahr 2035 bis zu 500.000 Pflegekräfte fehlen.

Kernproblem: die Ökonomisierung des Gesundheitswesens

Als Wurzel des Problems sieht Lea R. die Profitorientierung des Gesundheitssystems. Die führe dazu, dass möglichst viele Patienten möglichst kostensparend versorgt werden. Sie warnt vor den Folgen, wenn viele Fachkräfte dem Job den Rücken kehren: „Wenn die Pflege wegfällt, bricht alles zusammen.“

Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, sagte dem epd: „Die Forderungen sind schon lange bekannt - bessere Arbeitsbedingungen durch angemessene Personalschlüssel und gute Gehälter, Mitspracherechte im Gesundheitssystem.“ Doch die Bedingungen würden eher schlechter. Problematisch seien auch die vielen Abbrecher in der Pflegeausbildung. Die Quote liege bei 30 Prozent.

Mehr Zugänge zum Beruf eröffnen

Grundsätzlich werden laut Vogler verschiedene Zugänge zu den Pflegeberufen gebraucht, die den Schulabgängern von Hauptschule bis Abitur entsprechende Ausbildungs- und Studiengänge anbieten, die bundesweit gültig sind und Laufbahnkarrieren ermöglichten. So werden Über- und Unterforderungen vermieden und viele verschiedene Zielgruppen angesprochen.

Lea R. wünscht sich eine Akademisierung der Pflege nach amerikanischem Vorbild. Und sie fordert die Aufweichung starrer Dienstpläne und eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden bei voller Bezahlung. Nur so könne dem Pflegenotstand in Deutschland mit Erfolg der Kampf angesagt werden.

Stefanie Unbehauen


Bundesregierung

Scholz: "Wir haben ernste Zeiten"




Bundeskanzler Olaf Scholz
epd-bild/Christian Ditsch
Zum ersten Mal ist bei der Sommerpressekonferenz in der Hauptstadt Kanzler Scholz zu Gast. Er spricht von "ernsten Zeiten" und sagt, welche Bevölkerungsgruppe seine besondere Aufmerksamkeit hat: Geringverdiener, Ruheständler und Studierende.

Berlin (epd). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schwört die Menschen in Deutschland angesichts gestiegener Preise auf einen schwierigen Winter ein. „Wir haben ernste Zeiten“, sagte er am 11. August bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin und fügte hinzu, „ernste Zeiten, die uns auch noch viel abverlangen werden, was diesen Winter und das nächste Jahr betrifft“. Der Kanzler versprach weitere Entlastungsmaßnahmen, wobei er erneut den britischen Fußballsong „You'll never walk alone“ zitierte. Scholz versicherte: „Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass wir sie nicht alleine lassen werden.“

Der Kanzler wies auf bereits beschlossene Maßnahmen der Regierung hin. Er betonte, dass zwei Entlastungspakete als Reaktion auf drastische Preissteigerungen in nahezu allen Lebensbereichen geschnürt worden seien - im Umfang von insgesamt 30 Milliarden Euro. Die Pakete enthalten etwa Hilfen für Sozialleistungsempfänger, einen Kinderbonus, Heizkostenzuschüsse, den Tankrabatt, die vorzeitige Abschaffung der EEG-Umlage und das 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr.

„Sehr effizientes Paket“ versprochen

Ein weiteres, „sehr effizientes“ Paket werde hinzukommen, kündigte Scholz an. Eine konkrete Summe für die weiteren Entlastungen nannte er nicht, aber er bezog sich auf Wohngeld, Bürgergeld, Leistungen für Studierende und Rentner sowie Menschen, die wenig verdienen und von Steuerentlastungen wenig profitieren. Die benötigten Summen würden zusammengerechnet und dann zeige sich, ob der Bund sich das leisten könne, sagte Scholz: „Ich meine, dass wir das können.“

Mit Blick auf diejenigen, die jeden Tag berufstätig seien und manchmal sehr wenig Geld verdienten, sprach er über Respekt: „Respekt ist für mich das, was in unserer Gesellschaft leider zu viel abhandengekommen ist und was aber wichtig ist für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.“ Ihm gehe es vor allem um Entlastungen für diese Menschen, betonte Scholz, um Mindestlohnempfänger oder um Familien, die keine Rücklagen haben und sich Sorgen machen, wie sie mit Bruttoeinkommen von 2.000 bis 3.000 Euro durch die nächste Zeit kommen sollen.

Scholz: Wir werden uns unterhaken

„Das wird auch meine Tätigkeit als sozialdemokratischer Kanzler bestimmen“, sagte Scholz, verwies aber zugleich darauf, dass die Koalition ein „Gesamtpakt“ schnüren werde. Dazu gehörten auch die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagenen Steuerentlastungen, die von der Opposition und Sozialverbänden als sozial ungerecht kritisiert werden. Dass es angesichts steigender Preise Unruhen in Deutschland geben könnte, glaubt der Kanzler nicht. Er sei zuversichtlich und sicher, „dass wir uns unterhaken“ werden.

Auf Vorschlag von Scholz war im Juli eine „konzertierte Aktion“ gestartet worden, Beratungen von Regierung, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden darüber, wie mit dem Preisdruck umgegangen werden kann. Eine zweite Sitzung ist für September geplant. Der Kanzler sagte, dass er die Gespräche in der bisherigen Konstellation fortsetzen wolle. Denn dies bedeute „das Anknüpfen an eine der wichtigsten Kraftquellen des Landes“, nämlich an die Sozialpartnerschaft. Er erteilte damit den Sozialverbänden eine Absage.

Zuletzt hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband gefordert, die Verbände zu beteiligen und das Anliegen damit begründet, dass sie Menschen in prekären Lebenslagen vertreten. Zuvor hatte bereits der Sozialverband Deutschland einen Sozialgipfel gefordert.

Mey Dudin, Bettina Markmeyer


Bundesregierung

Lindners Steuerpläne kommen nicht gut an




Finanzminister Christian Lindner
epd-bild/Christian Ditsch
Finanzminister Lindners Steuerpläne sorgen für Empörung bei den Sozialverbänden. Ungerecht und unausgewogen sei das Vorhaben - weil Lindner vor allem die Mittelschicht entlasten will. Und Geringverdiener gingen weitgehend leer aus.

Berlin (epd). Kaum hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat seine bereits bekannten Steuerpläne öffentlich präsentiert, da wurde heftige Kritik von denen laut, die die Interessen der Menschen am Rande der Gesellschaft vertreten - von den Sozialverbänden. VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Es ist sachgerecht, die kalte Progression auszugleichen. Aber das hat gerade nicht Priorität. Aktuell ist es wichtiger, dafür zu sorgen, dass Rentnerinnen und Rentner im Winter nicht frieren, anstatt die kalte Progression auszugleichen.“

Dagegen sagte der Minister, wenn der der Bund nicht handele, „droht 48 Millionen Deutschen eine massive Steuererhöhung“. Das sei in den gegenwärtigen Zeiten „nicht fair“. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und einer unsicheren Wirtschaftslage gehe es ihm um die Vermeidung einer weiteren Belastung der Bürger.

Grundfreibetrag und Kindergeld sollen steigen

Lindner will mit einem „Inflationsausgleichsgesetz“ die sogenannte kalte Progression ausgleichen und den Grundfreibetrag sowie das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöhen. Der Minister erklärte, für die Bedürftigen werde bereits viel getan. Er verwies auf die Entlastungspakete wegen der steigenden Energiekosten und die geplanten Verbesserungen beim Wohngeld sowie die Einführung des Bürgergelds im kommenden Jahr.

Seinen Plänen zufolge würde der Staat im kommenden Jahr auf rund zehn Milliarden Steuereinnahmen verzichten. Im Durchschnitt beträgt die Steuerentlastung Lindner zufolge 192 Euro.

Die unteren Einkommen profitieren prozentual stärker, die höheren durch höhere Summen. Ab 70.000 Euro Jahreseinkommen beträgt die Entlastung nach Angaben des Bundesfinanzministeriums 479 Euro. Bei niedrigen Einkommen, beispielsweise 20.000 oder 30.000 Euro im Jahr, liegt sie bei 115 Euro beziehungsweise 172 Euro.

„Das ist nicht mehr nur sozial nicht ausgewogen, sondern ein Skandal“, sagte AWO-Präsident Michael Groß: „Entlastungen müssen bei jenen ankommen, die sie wirklich brauchen und einen hohen Anteil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse verausgaben: ganz sicher nicht Personen in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung, sondern Geringverdienende und Menschen im Sozialleistungsbezug.“

Verena Bentele sagte, es sei das Gebot der Stunde, die vorhandenen Steuermittel richtig einzusetzen. Ihr Verband fordere eine Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner in Höhe von 300 Euro. Zudem müsse die Regierung so schnell wie möglich die Kindergrundsicherung und die angekündigte Reform des Wohngelds umsetzen. Der Empfängerkreis beim Wohngeld muss ausgeweitet und die Heizkosten müssen übernommen werden. „So gelingt es, Menschen mit kleinen Einkommen oberhalb von Hartz IV zu entlasten.“ Einen Abbau der kalten Progression könne man sich nur leisten, wenn Reiche mehr Verantwortung übernehmen und steuerlich einen größeren Anteil leisten.

Diakonie: Die Ärmsten werden vergessen

Auch die Diakonie-Vorständin Sozialpolitik Maria Loheide kritisierte, der Vorschlag wirke bei den Ärmsten am schlechtesten. „Mit der geplanten Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags will die Bundesregierung mit der Gießkanne eine allgemeine Entlastung verwirklichen.“

Loheide verwies darauf, dass nur die von der vorgesehenen Entlastung profitieren, die Einkommensteuern zahlten. Was fehle, sei die gezielte Entlastung von Haushalten mit geringen Einkommen. Die Diakonie schlage deshalb einen Sofortzuschlag von 100 Euro im Monat für ein halbes Jahr für jene Menschen vor, die Transferleistungen erhalten.

Kindergelderhöhung zu niedrig

„Angesichts der steigenden Inflation ist die für das kommende Jahr geplante Kindergelderhöhung mit acht Euro für das erste und zweite Kind schon vollkommen unzureichend. Ab dem dritten Kind sollen es gar nur zwei Euro sein und für vierte und weitere Kinder entfallen die Erhöhungen gänzlich“, kritisierte Bernd Heimberg, Vizepräsident der „evangelischen arbeitsgemeinschaft für familienfragen“ (eaf). Die Armutsbetroffenheit von Familien steige aber mit der Kinderzahl.

Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juli laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zum Vormonat leicht auf 7,5 Prozent zurückgegangen. Dämpfend haben sich demnach seit Juni zwei Maßnahmen ausgewirkt: das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas


Corona

Gesundheitsminister sehen neuen Infektionsschutz kritisch




Die Schulen sollen grundsätzlich offen bleiben, ob und wann auch wieder Masken getrragen werden müssen, entscheiden die Länder.
epd-bild/Paul-Philipp Braun
Die Diskussionen über den künftigen Umgang mit Corona gehen weiter. Die Länder sehen in Detailfragen weiteren Gesprächsbedarf, um weitere Details zu klären. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält dagegen.

Schwerin, Berlin (epd). Nach der Sondersitzung der Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am 9. August gibt es weiter Differenzen in Sachen Corona-Infektionsschutzgesetz. Die Gesundheitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Stefanie Drese (SPD), hält weitere Beratungen für nötig: „Wir haben heute in einem ersten Austausch tiefgehend über den Gesetzesentwurf beraten. Auf dieser Grundlage müssen nun aber dringend weitere wichtige Detailfragen geklärt werden.“

Vergangene Woche hatte die Bunderegierung einen Vorschlag zur Weiterentwicklung des Infektionsschutzgesetzes nach dem 23. September vorgelegt. Zu den vorgesehenen Maßnahmen zählen unter anderem eine Maskenpflicht in Verkehrsmitteln, für den Zutritt zu Krankenhäusern sowie voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen. Ausnahmen sollen für frisch geimpfte oder getestete Personen gelten.

Ausnahmen für Geimpfte nicht praktikabel

„Die Ausnahmeregelungen für Menschen, die kürzlich geimpft worden sind oder einen tagesaktuellen Test vorlegen können, halte ich für schwer umsetzbar. Hier müssen wir uns immer die Frage der praktischen Durchführung im Hinblick auf die erforderlichen Kontrollen stellen“, betonte Drese.

Auch die Frage der Testmöglichkeiten und ihrer Finanzierung sei in diesem Zusammenhang noch einmal neu einzubeziehen. Derzeit können nicht alle Personen kostenlos Tests in Anspruch nehmen. Nicht im Gesetzesentwurf enthalten seien darüber hinaus die genauen Indikatoren, nach denen die Pandemielage künftig bewertet werden soll.

Klare und verbindliche Parameter fehlen

„Für einen nachvollziehbaren und einheitlichen Umgang mit dem Virus brauchen wir möglichst genaue Parameter, an denen wir uns orientieren können. Diese müssen sowohl in Mecklenburg-Vorpommern, als auch in Bayern oder Hamburg gelten“, so Drese weiter. Als eine wichtige Kennzahl könne künftig unter anderem auch die Mortalität innerhalb der Bevölkerung im Zusammenhang mit einer Corona-Erkrankung betrachtet werden.

Im Entwurf zur Anpassung des Infektionsschutzgesetzes sind mehr Handlungsspielräume für die Bundesländer vorgesehen. Sie sollen unter anderem ohne Zustimmung des Parlaments die Masken- und Testpflicht ausweiten, zum Beispiel in anderen Innenräumen oder Schulen ab der 5. Klasse. Ausgenommen sind hierbei immer Genesene und vollständig geimpfte Personen.

Ministerin sieht „gute Grundlage“

Dagegen sagte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD), nach dem virtuellen Treffen, man habe mit dem Vorschlag für ein geändertes Infektionsschutzgesetz eine „gute Grundlage“ zur Pandemiebekämpfung im Herbst und Winter. „Zum einen bieten bundeseinheitliche Maßnahmen wie die Maskenpflicht im Flug- und Fernverkehr Leitplanken für die Bewältigung der Herbstwelle. Zugleich bekommen die Länder Befugnisse, um weitergehende Schutzmaßnahmen anzuordnen“, sagte Grimm-Benne. Weiter betonte sie, dass Schulen und Kitas offengehalten werden müssten.

Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lässt sich aus den Planungen zum neuen Infektionsschutzgesetz keine Aufforderung zur Corona-Impfung alle drei Monate ableiten. Das wäre abwegig und medizinisch unsinnig, sagte er am 9. August in den ARD-„Tagesthemen“. Die Gesetzespläne sehen vor, dass ab 1. Oktober Maskenpflichten für jene ausgesetzt werden, die frisch genesen sind oder deren jüngste Corona-Impfung weniger als drei Monate zurückliegt.

Farbige Kennzeichen im Impfzertifikat

Der Gesundheitsminister erläuterte, die Drei-Monats-Regel berücksichtige, dass Testergebnisse zu angepassten Impfstoffen, die ab Herbst auf den Markt kommen, auch gut vor Ansteckungen schützen. Kontrolliert werden könne die Ausnahme von der Maskenpflicht mit einer farblichen Kennzeichnung des Impfzertifikats in der Corona-Warn-App. Die Kontrolle des Zertifikats sei durch solch eine Kennzeichnung einfach, so der Minister.

Dem widerspricht der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Die Pläne seien „wenig alltagstauglich“. So sei in den neuen Corona-Regeln vorgesehen, dass Menschen, die vor weniger als drei Monaten geimpft wurden, keine Maske tragen müssen. Wie solle das überprüft werden, fragte Reinhardt am 10. August im Südwestrundfunk (SWR). Zudem fehlten klare Kriterien, anhand derer eine mögliche Überlastung des Gesundheitssystems festgestellt werden soll. Insgesamt sei eine Balance nötig zwischen Rücksichtnahme einerseits und Teilnahme am öffentlichen und sozialen Leben andererseits.

Markus Geiler, Dirk Baas


Corona

DAK: Mehr Arbeitsausfall im Osten als im Westen



Hamburg (epd). In den östlichen Bundesländern hat das Coronavirus einer Untersuchung der DAK-Gesundheit zufolge im ersten Halbjahr 2022 für deutlich mehr Fehltage gesorgt als im Westen. Insgesamt seien die Krankschreibungen wegen Corona in diesem Zeitraum jedoch in ganz Deutschland stark gestiegen, teilte die Krankenkasse am 5. August in Hamburg mit. Den meisten Arbeitsausfall habe die Omikron-Variante des Virus verursacht.

Die Erhebung basiert auf Daten aller 2,3 Millionen Beschäftigten, die bei der DAK versichert sind. Aufgrund dieser hohen Zahl gehe die Ersatzkasse davon aus, dass die Zahlen repräsentativ für ganz Deutschland sind, sagte DAK-Sprecherin Dorothea Wiehe dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Mecklenburg-Vorpommern ist Spitzenreiter

Die meisten Corona-Fehltage gab es der Studie zufolge mit 92 Tagen pro 100 Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern. Das seien doppelt so viele wie in Nordrhein-Westfalen gewesen, wo es nur 46 Tage waren. Auf den Plätzen zwei und drei landeten demnach Thüringen mit 88 Tagen und Brandenburg mit 86 Tagen.

Am wenigsten fielen Corona-bedingt laut DAK-Zahlen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bremen und Hamburg aus. In beiden Stadtstaaten habe das Virus für je 41 Fehltage pro 100 Beschäftigte gesorgt.

Den höchsten Anteil an Krankschreibungen wegen Corona in westlich gelegenen Bundesländern hatte der Untersuchung zufolge Bayern mit 84 Fehltagen pro 100 Beschäftigte. Im Ost-Vergleich war demnach Sachsen-Anhalt mit 66 Tagen noch am wenigsten betroffen.



Demonstration

Protest gegen zunehmende Armut in Berlin




Protest gegen zunehmende Kluft von Arm und Reich
epd-bild/Christian Ditsch

Berlin (epd). Unter dem Slogan „#IchBinArmutsbetroffen“ haben Aktivisten am 7. August in Berlin Unterstützung für Menschen mit niedrigen Einkommen angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise gefordert. Ziel der Kundgebung sei es, die Betroffenen sichtbar zu machen, sagte eine Sprecherin der Gruppe, die die Aktion vor dem Roten Rathaus in Berlin koordiniert hatte, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Stiftung „OneWorryLess“ hatte angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise bundesweit zu neuen Protesten für eine Umverteilung der vorhandenen Ressourcen aufgerufen. Neben Berlin waren auch Demonstrationen unter anderem in Hamburg, München und Köln geplant. Allein in Berlin seien 827.000 Menschen von Armut betroffen, hieß es.

Not der Armutsbetroffenen wächst

Durch die steigenden Preise wachse die Not der Armutsbetroffenen und erreiche auch Kreise, die sich bisher abgesichert fühlten, hieß es. Immer mehr Menschen könnten bereits am 10. des Monats nicht mehr ihre Lebensmittel, Hygieneartikel oder notwendige, zuzahlungspflichtige Medikamente bezahlen.

Die Initiative „OneWorryLess“ mit Sitz in Amsterdam und Berlin wendet sich gegen die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich. Sie unterstützt Menschen, die auf Twitter unter dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen auf ihre Not aufmerksam machen.



Armut

Rund 40.000 leere Pfandflaschen lenken Blick auf Obdachlosigkeit




Rund 40.000 leere Pfandflaschen lenken Blick auf Obdachlosigkeit.
epd-bild/Michael Grau

Hannover (epd). Mit einem Kunstwerk aus rund 40.000 leeren Plastikflaschen will eine Initiative in Hannover auf das Problem der Obdachlosigkeit aufmerksam machen. „Es ist wichtig, dieses Thema nach vorn zu bringen“, sagte die Künstlerin Kerstin Schulz vom Verein „Schwarmkunst“ anlässlich der Eröffnung dem Evangelischen Pressedienst (epd).

„Viele Menschen haben kein Zuhause und müssen von Pfandflaschen leben“, so Schulz weiter. Deshalb hätten die Initiatoren bewusst das Symbol der PET-Flasche gewählt. Der Pfandwert der ausgestellten Flaschen liegt insgesamt bei 10.000 Euro.

Werk noch zwei Wochen zu sehen

Das Werk mit dem Titel „Ob(D)Acht - My Home is my Castle“ ist noch zwei Wochen lang unter freiem Himmel in der Innenstadt zu sehen. Rund 800 „Schwarmkünstler“ hätten zwei Monate lang daran gearbeitet, sagte Schulz. Dazu gehörten Helfende aus der Kunst-Szene ebenso wie zufällig vorbeikommende Passanten, Touristen und Kinder. Neben dem Kunstwerk machen eine Fotoausstellung sowie Lesungen und Diskussionen auf die Situation obdachloser Menschen aufmerksam.

Das Projekt wird vom Bund, von Stadt und Region Hannover, von Diakonie und Caritas sowie vom Straßenmagazin „Asphalt“ und der „Aktion Mensch“ unterstützt. Allein in Hannover gibt es Schätzungen zufolge rund 3.000 bis 4.000 Menschen ohne festen Wohnsitz. Rund 500 von ihnen schlafen regelmäßig im Freien.



Arbeit

Deutlich weniger Lohn in Ostdeutschland in vielen Branchen



Berlin (epd). Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung verdienen viele ostdeutsche Beschäftigte immer noch deutlich weniger als ihre Kollegen in Westdeutschland. So wird in zehn Bereichen der deutschen Wirtschaft im Osten mehr als 25 Prozent weniger Lohn gezahlt als im Westen, wie aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf eine Anfrage des Ostbeauftragten der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann, hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Dazu zählen die Bekleidungsindustrie, die Schifffahrt und die Möbelindustrie.

Laut Angaben des Ministeriums lag der Mittelwert eines Bruttomonatslohns für fast 22 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte verschiedener Wirtschaftszweige in ganz Deutschland zum Stichtag 31. Dezember 2021 bei 3.516 Euro. In Westdeutschland betrug er demnach 3.626 Euro, im Osten dagegen nur 3.007 Euro - und damit gut 600 Euro weniger.

Höchste Differenz in der Bekleidungsindustrie

Am höchsten war die Differenz laut einer der Antwort beigefügten Statistik der Bundesagentur für Arbeit in der Bekleidungsindustrie. In ostdeutschen Bundesländern verdienten die Angestellten dort im Schnitt monatlich 2.088 Euro brutto. In Westdeutschland waren es 3.542 Euro und damit 1.454 Euro mehr. Auch im Maschinenbau verdienten die Beschäftigten in Ostdeutschland mit monatlich 3.217 Euro den Angaben nach 1.260 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Westdeutschland (4.477 Euro).

Ähnlich hohe Gehaltsverluste im Osten waren in den Bereichen Schifffahrt (28,2 Prozent weniger), Kohlebergbau (27,4 Prozent weniger) und der Möbelindustrie (26,4 Prozent weniger) zu verzeichnen. In der Autoindustrie betrug der Statistik zufolge der monatliche Bruttolohn in Westdeutschland 5.115 Euro, in Ostdeutschland hingegen nur 3.635 Euro.

Von Einheit auf dem Arbeitsmarkt weit entfernt

„Von einer deutschen Einheit auf dem Arbeitsmarkt sind wir noch meilenweit entfernt“, sagte Pellmann dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Der Linken-Politiker forderte Lohnsteigerungen in ganz Deutschland, „die mindestens die Inflation ausgleichen“ und einen „Fahrplan zur Angleichung der Löhne zwischen Ost und West bis zum Ende der Legislaturperiode 2025“.

Vergleichsweise geringe Gehaltsverluste in Ostdeutschland gab es laut der Statistik der Arbeitsagentur unter anderem in der Gastronomie (7,2 Prozent weniger) und bei Informationsdienstleistungen (2 Prozent weniger). In der Luftfahrt verdienten ostdeutsche Beschäftigte geringfügig mehr Geld als ihre westdeutschen Kolleginnen und Kollegen.



Arbeit

Studie: Mindestlohn beeinflusst Wettbewerb kaum



Mannheim (epd). Das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sieht nur geringe Auswirkungen des Mindestlohns auf die Wettbewerbsbedingungen. Eine Studie des Instituts zeige, dass die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 und dessen Erhöhung 2017 kaum Marktaustritte von Unternehmen verursacht habe, teilte das ZEW am 5. August in Mannheim mit.

Manche Branchen sind der Studie zufolge durch die Lohnuntergrenze sogar produktiver geworden. Das gelte beispielsweise für das Spiel-, Wett- und Lotteriewesen, die Werbe- sowie die Verlagsbranche. „Zum einen kann das damit zusammenhängen, dass Unternehmen verstärkt in Kapital, also Maschinen oder Technologien, investieren und somit ihre Arbeitskräfte produktiver einsetzen“, sagte Moritz Lubczyk, Co-Autor der Studie. „Andererseits ist denkbar, dass Unternehmen statt auf geringfügige mehr auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse setzen und auch somit die Produktivität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigt.“

Hohe Arbeitsnachfrage ist Vorteil bei Jobverlust

Wenn es Marktaustritte gab, hat das der ZEW zufolge die Arbeitslosigkeit kaum steigen lassen. „Solange die Arbeitsnachfrage hoch ist, finden die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei anderen Unternehmen eine Folgebeschäftigung“, erläuterte Lubczyk.

Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern, wo die Löhne vor Einführung einer Untergrenze oft darunter lagen, hätten Firmen ihr Geschäft aufgegeben. Das sei aus wirtschaftspolitischer Sicht aber nicht unbedingt ein Problem. Denn dies seien oft Kleinstunternehmen mit weniger als vier Beschäftigten gewesen, die häufig zu den unproduktiveren Unternehmen gezählt hätten.

Zum Januar 2015 hatte die damalige große Koalition eine gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro brutto eingeführt. Im Januar 2017 erhöhte sie ihn auf 8,84 Euro pro Stunden, seither stieg sie um weitere Stufen. Seit Juli des laufenden Jahres müssen Arbeitgeber mindestens 10,45 Euro bezahlen, eine Erhöhung auf 12 Euro ab Oktober ist bereits beschlossen.




sozial-Branche

Pflege

Gasumlage bleibt zunächst an den Heimen hängen




Mittelbar werden die Preise in den Heimen wegen der Gasumlage weiter steigen.
epd-bild/Heike Lyding
Die ab Oktober fällige Gasumlage ist von allen Endkunden zu bezahlen, auch von den Sozialeinrichtungen wie Pflegeheimen. Die sind alarmiert. Sofort können die Eigenanteile der Heimbewohner nicht erhöht werden.

Frankfurt a.M. (epd). Grundsätzlich gilt: Die Träger von vollstationären Pflegeeinrichtungen als Endkunden von Gasversorgern dürfen die Kosten der künftigen Umlage an die von ihnen versorgten Pflegebedürftigen weitergeben. Das gilt auch für alle anderen Wohn- und Versorgungsformen wie etwa betreute Wohngemeinschaften. Doch wann deren Hotel- und Unterkunftskosten, in die die hohen Gaspreise ebenso wie teurere Lebensmittel einfließen, steigen werden und in welcher Höhe, das können Experten bis dato nicht sagen. Auch, weil die Höhe der Umlage je Kubikmeter verbrauchten Gases erst am 15. August bekanntgegeben werden soll.

Welche Kosten stehen im Raum? Dazu macht Andreas Wedeking, Geschäftsführer des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) folgendes Rechenbeispiel für ein Heim mit 90 Plätzen in NRW auf: Es hatte 2021 Kosten für Strom und Heizung von 95.500 Euro zu zahlen. Sollten diese Zahlungen um 100 Prozent steigen, dann müsste die Einrichtung zusätzlich 95.500 Euro zunächst selbst finanzieren - und dann in der nächsten Pflegesatzverhandlung mit den Kostenträgern geltend machen. Die müssten die höheren Kosten für Energie anerkennen, was wiederum zu höheren Pflegesätzen führen würde.

Heime müssen Kosten zunächst selbst stemmen

Denn die Rechtslage sei klar: „Steigende Energiekosten können erst einmal nicht an die Bewohner weitergegeben werden, sondern erst, wenn sie in den Entgeltverhandlungen geltend gemacht werden konnten. Das heißt, es braucht erst eine entsprechende Vergütungsvereinbarung“, so der Geschäftsführer.

„Um welche Beträge die Belastung der Bewohner zusätzlich steigen werden, können wir nicht abschätzen“, heißt es beim BIVA Pflegeschutzbund. Das hänge auch vom Energieverbrauch in der jeweiligen Einrichtung ab. „Man kann aber sicherlich von einer weiteren Steigerung des Eigenanteils zwischen 50 und 150 Euro monatlich ausgehen“, sagte Rechtsreferent Markus Sutorius dem epd.

Pflegesatzvereinbarungen müssen angepasst werden

Für die Heimträger besteht nach seinen Worten das Problem, dass sie die Kosten der Gasumlage nicht unmittelbar weitergeben können. Denn es gelten die bestehenden Pflegesatzvereinbarungen, ganz so, wie viele private Gaskunden laufende Verträge mit (noch) günstigeren Tarifen haben. In den Pflegesatzverhandlungen werden auch die Entgelte für die Hotel- und Unterkunftskosten festgelegt.

„Solche Pflegesatzvereinbarungen haben meist eine Laufzeit von einem Jahr“, so Sutorius. Schwierig werde es, wenn die einmal festgelegten Unterkunftskosten wegen unerwarteter Preissteigerungen - wie der Gasumlage - nicht mehr kostendeckend refinanziert werden können. Doch gebe es die Möglichkeit, dass die Einrichtungsträger die Pflegesatzvereinbarung aufkündigen und in neue Verhandlungen mit den Pflegekassen oder Sozialhilfeträgern treten. „Auf diese Weise können die höheren Energiekosten dann relativ kurzfristig an die Bewohner weitergereicht werden“, betont der Experte.

Er zeigt sich optimistisch, dass ein solches Vorgehen zum Erfolg führt. Viele Einrichtungsträger treten trotz Bestehens einer Pflegesatzverhandlung bereits in neue Verhandlungen, um so die jüngst gestiegenen Personalkosten an die Pflegebedürftigen weiterreichen zu können: „Das dürfte bei einer Erhöhung der Energiekosten auch hier gelingen.“

Unterschiedliche Laufzeiten der Verträge

Dazu Markus Sutorius: „Momentan ist die Situation in den Einrichtungen sehr unterschiedlich, je nachdem, wann das letzte Mal verhandelt wurde oder aber auch welche Laufzeiten die aktuellen Verträge der Energieversorger mit den Einrichtungen haben.“ Vor Ort hänge es also davon ab, wann die nächsten Entgeltverhandlungen anstehen.

Andreas Wedeking verweist auf eine weitere Möglichkeit, die höheren Kosten auf die Heimbewohnerinnen und -bewohner umzulegen. Das Sozialgesetzbuch XI erlaube es, während des laufenden Vergütungszeitraums Anpassungen für bestimmte Kostenpositionen vorzunehmen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Kostensteigerungen „wesentlich“ und „unvorhersehbar“ sind beziehungsweise waren. „Das wird in den Regionen unterschiedlich ausgelegt und auch gehandhabt.“ Viel Hoffnung auf Entgegenkommen bei den Kostenträgern hat auch Wedeking nicht: „ Wir konnten erfahren, dass die Kassen zurückhaltend sind.“

Ruf nach staatlichen Hilfen

Für BIVA-Sprecher David Kröll folgt daraus: „Sollte sich der Gesetzgeber nicht zu einem Zuschuss oder einer anderen Entlastung entschließen, werden auch diese Kosten den Bewohnern auferlegt.“

Auch die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände in Thüringen ist alarmiert: „Im Bereich der Pflege werden die Kostensteigerungen unweigerlich zu einer Erhöhung des Selbstkostenbeitrags führen. Die sozialen Einrichtungen brauchen Hilfe, denn sie gehören elementar zur Daseinsvorsorge und es ist staatliche Aufgabe, unmittelbar für Abhilfe zu sorgen.“

Dirk Baas


Diakonie

Präsident Lilie trifft Seeleute, Wohnungslose und Schüler



Hamburg, Schwerin (epd). Das Thema Einsamkeit steht im Mittelpunkt der Sommerreise von Diakonie-Präsident Ulrich Lilie vom 22. bis 26. August. In Hamburg trifft er dabei unter anderem auf Seeleute und Wohnungslose, in Parchim auf Schülerinnen und Schüler, wie die Diakonie Deutschland am 10. August mitteilte. Sowohl in der Hansestadt als auch in Schwerin liest er aus seinem gemeinsam mit dem EKD-Kulturbeauftragten Johann Hinrich Claussen verfassten Buch „Für sich sein - Ein Atlas der Einsamkeiten“.

Zu Lilies Stationen in Hamburg zählen die zur Stiftung „Das Rauhe Haus“ gehörende evangelische Wichern-Schule und das Quartier Spannskamp. Das Quartier ist Pilotprojekt für generationsgerechtes Wohnen und Leben in aktiven und solidarischen Nachbarschaften. Die Schiffszimmerer-Genossenschaft betreibt dort mit der diakonischen Martha-Stiftung eine Wohngemeinschaft für demenziell Erkrankte, eine Mehr-Generationen-WG für körperlich eingeschränkte Menschen und eine Pflegewohnung auf Zeit.

Lesungen an zwei Orten

Am Abend liest Lilie gemeinsam mit Claussen in der Buchhandlung Felix Jud aus dem „Atlas der Einsamkeiten“, am 24. August liest er allein im Wichernsaal in Schwerin. An beiden Orten ist ein Publikumsgespräch vorgesehen.

Die Seemannsmission Hamburg-Altona und das Diakonie-Zentrum für wohnungslose Menschen (DZW) besucht Lilie ebenfalls am 24. August. Weitere Station an dem Tag ist das Kooperationsprojekt „Mittenmang in Eidelstedt“ der Diakonie Hamburg und der Kirchengemeinde Eidelstedt, ein Begegnungs- und Unterstützungsangebot für Menschen ab 60 Jahren, die von Armut, Einsamkeit und Isolation betroffen oder bedroht sind.

Am 25. August ist Lilie zu Besuch im Kinder-, Jugend- und Familientreff in Parchim, über den das Diakoniewerk Kloster Dobbertin unter anderem einen Jugendclub, Schulsozialarbeit, einen Jugendmigrationsdienst sowie Hilfen zur Erziehung und Beratungsangebote beispielsweise für Schwangere anbietet.



Kirchen

Caritas: Mögliche Schulabbrecher müssen aufgefangen werden



Köln (epd). Die Caritas fordert mehr Anstrengungen, um junge Menschen vom Schulabbruch abzuhalten. Es brauche dringend Instrumente, um jene Schülerinnen und Schüler aufzufangen, sagte Johannes Hensel, Direktor des Diözesan-Caritasverbands für das Erzbistum Köln, am 5. August zum Schuljahresbeginn in Nordrhein-Westfalen.

Die Landesjugendämter und das Institut für Sozialpädagogische Forschung in Mainz (ISM) rechneten für 2021 mit einer Verdoppelung der Schulabbrüche auf mehr als 100.000 im Vergleich zu 2019, teilte die Caritas mit. Offensichtlich seien viele Schülerinnen und Schüler durch Schulschließungen und Distanzunterricht verloren gegangen, sagte Hensel. „Wenn dazu noch der direkte Kontakt zu Mitschülerinnen und Mitschülern fehlt, steigt das Risiko für Schulabbruch und Schulverweigerung deutlich.“

Jeder Schulabbruch sei ein Drama für den betreffenden jungen Menschen. Auch die Gesellschaft könne es sich nicht leisten, zehntausende Jugendliche einem „Tagelöhner-Dasein“ zu überlassen, mahnte Hensel. Schulen und die Schulsozialarbeit sollten gemeinsam mit den Kommunen Angebote schaffen, um die durch Corona abgehängten Schülerinnen und Schüler zu stabilisieren. Ebenso wichtig seien Projekte der außerschulischen Jugendbildung.



Kirchen

Diakonie Baden fürchtet um Arbeitslosenberatungszentren



Karlsruhe (epd). Das Diakonische Werk Baden befürchtet das Aus der Arbeitslosenberatungszentren in Baden-Württemberg. Vor dem Hintergrund der Sparvorgaben bei den Haushaltsberatungen für 2023/2024 bestehe die Sorge, dass die für den Betrieb der Zentren nötigen Gelder nicht wieder in den Haushalt eingestellt würden, teilte das evangelische Hilfswerk am 11. August in Karlsruhe mit. Solch niedrigschwellige Angebote mit großem Nutzen sollten jedoch weitergeführt werden.

Mit geringem finanziellem Aufwand könnten hier Menschen für den Arbeitsmarkt wiedergewonnen werden, sagte der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Baden, Urs Keller. Das lohne sich besonders in Zeiten des Fachkräftemangels. Die Zentren seien wichtiges Bindeglied zu den Jobcentern und entlasteten das gesamte Hilfesystem. Die Beratungszentren richteten sich an Arbeitslose, die bislang an den üblichen Behördenwegen gescheitert seien.

Keller betonte, die Landesregierung selber fördere dieses Instrument seit 2013 mit dem Ziel, Langzeitarbeitslose auf dem Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Im Unterschied zu den Jobcentern sei der Kontakt zu den Menschen hier viel enger und vertrauensvoller. Allein in den vergangenen vier Jahren hätten die Arbeitslosenberatungszentren in Baden-Württemberg in mehr als 30.000 Beratungen Menschen direkt geholfen, heißt es weiter.



Caritas

Direktorin: Unikliniktarif führt zu Fachkräfte-Kannibalismus



Düsseldorf (epd). Vor einer weiteren Zuspitzung des Fachkräftemangels beim Pflegepersonal in den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern warnt die Caritas. Insbesondere die Auswirkungen des kürzlich zwischen der Gewerkschaft ver.di und den Universitätskliniken abgeschlossenen „Tarifvertrag Entlastung“ kritisierte der katholische Sozialverband am 5. August vehement. Der sehe zwar Arbeitsentlastung für deren Pflegepersonal vor, belaste damit jedoch indirekt alle anderen Krankenhäuser, heißt es in einer Mitteilung, die in Düsseldorf veröffentlicht wurde.

„Wenn die Beschäftigten an den Unikliniken zusätzliche freie Tage erhalten, führt das dort automatisch zu einem höheren Personalbedarf, der in der aktuellen Situation nur durch Abwerbung von anderen Kliniken oder Pflegeeinrichtungen gedeckt werden kann“, sagte Caritasdirektorin Esther van Bebber aus dem Erzbistum Paderborn. Damit verschärfe sich in NRW zwangsläufig die Konkurrenz ums Personal, würden Lücken untereinander gerissen und bewusst in Kauf genommen: „Dieser Tarifabschluss führt zu einem ‚Fachkräfte-Kannibalismus‘ unter den Kliniken.“ Die einzelnen Krankenhäuser könnten dem ohne strukturelle Lösungen nicht entkommen.

Landesförderung in der Kritik

Nach langem Streik hatten sich die Unikliniken in NRW ver.di am 19. Juli auf ein Eckpunktepapier zu einem „Tarifvertrag Entlastung“ geeinigt. Dieser soll Anfang 2023 in Kraft treten. Das Land Nordrhein-Westfalen habe angekündigt, die Universitätskliniken bei der Umsetzung des Tarifvertrages finanziell zu unterstützen. „Vor dem Hintergrund der gesetzlich verankerten Trägervielfalt und im Sinne eines fairen Wettbewerbes unter den Krankenhäusern ist eine solche einseitige Finanzierungszusage nach Auffassung der Caritas in NRW schlicht Wettbewerbsverzerrung“, so die Direktorin.

Um eine Ungleichbehandlung zu verhindern, müsse sich eine Finanzierungszusage des Landes auf alle Krankenhäuser erstrecken. Zusätzliche finanzielle Mittel des Landes müssten allen Krankenhäusern und deren Pflegekräften zugutekommen, unabhängig von deren Trägerschaft und Größe. Die Katholischen Krankenhäuser seien starke und gute Arbeitgeber, benötigten aber ebenso faire und gerechte Rahmenbedingungen. „Das sind genau die strukturellen Herausforderungen rund um den Pflegeberuf, die die Politik lösen muss“, forderte die Caritas in NRW.



Energiepreise

Verband: Menschen mit Behinderung auf Strom angewiesen



Berlin (epd). Der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland hat angesichts steigender Stromkosten vor finanziellen Engpässen bei Menschen mit elektrisch betriebenen Hilfsmitteln gewarnt. Oftmals würden Kosten für den Betrieb von Treppenliften, das Aufladen von E-Rollstühlen, elektrische Badewannensitze oder auch das Hausnotrufgerät nicht übernommen, erklärte der Sozialberater des Verbandes, Dennis Riehle, am 11. August in Berlin. Menschen mit einem Handicap seien oftmals auf elektrische Hilfsmittel angewiesen und könnten deshalb nicht auf etwaigen Stromfluss verzichten.

Riehle sagte: „Die Nachteilsausgleiche, die behinderten Personen vom Staat zugestanden werden, reichen bei Weitem nicht aus, die gestiegenen Ausgaben für den Bereich der Stromnutzung für Hilfsgeräte auch nur im Ansatz zu decken.“ Allerdings wüssten viele Betroffene auch nicht, „dass es Möglichkeiten gibt, sich zumindest Teile der Elektrizitätskosten zurückzuholen“.

Gerade bei Menschen, die als pflegebedürftig eingestuft sind, übernehme die Krankenkasse ganz erhebliche Kostenaufwendungen für Hilfsmittel, sagte der Sozialberater weiter. Zudem könne das Sozialamt im Rahmen von Hilfen zum Lebensunterhalt und für Gesundheit mögliche Unterstützung leisten. Auch ein Schwerbehindertenausweis könne finanzielle Entlastung bringen.



Alleinerziehende

Dokumentation

Wie wirkt sich die Inflation für Alleinerziehende aus?




Alleinerziehende sind von der Inflation besonders betroffen
epd-bild/Maike Glöckner
Familien mit kleinen Einkommen und somit viele Alleinerziehende treffen nach Angaben des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) die steigenden Preise und Energiekosten besonders hart. Dagegen müsse die Politik etwas tun, fordert der Verband. Dazu hat er ein Konzeptpapier vorgestellt, das epd sozial in gekürzter Form dokumentiert.

Die Inflation trifft viele Bezieher kleiner Einkommen hart, doch für Alleinerziehende ist die Situation besonders heikel. Schon vor dem Anziehen der Preissteigerung seien 43 Prozent von ihnen von Armut bedroht gewesen. Für sie gebe es keine finanziellen Puffer für Ungeplantes, so der Verband, der verschiedene soziale Reformen anmahnt.

Einkommen

Obwohl viele Alleinerziehende einer Erwerbstätigkeit nachgehen, reicht der Arbeitslohn häufig nicht, um das Existenzminimum für sich und ihre Kinder zu sichern:

Bei 71 Prozent der Haushalte von Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern ist die Erwerbstätigkeit des Elternteils 2020 die Haupteinkommensquelle. Dabei müssen jedoch 57 Prozent der Alleinerziehenden mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.400 Euro auskommen. (...) 2020 mussten 33,5 Prozent der alleinerziehenden Haushalte mit minderjährigen Kindern SGB II-Leistungen in Anspruch nehmen. Von allen Familienhaushalten mit Kindern im SGB II-Bezug waren 2021 mehr als die Hälfte (51,9 Prozent) Haushalte von Alleinerziehenden. 40 Prozent von ihnen stockten damit Erwerbseinkommen auf, (...) um das Existenzminimum für sich und die Kinder zu sichern. Unter allen Haushaltsformen weisen alleinerziehende Familien das höchste Risiko auf, ihr Arbeitseinkommen aufstocken zu müssen. Mehr als jeder sechste erwerbstätige Alleinerziehende bezieht zusätzlich SGB II-Leistungen.

Durchschnittliche Konsumausgaben

Höchste Belastung bei Wohnen, Energie und Nahrung:

Eine Berechnung auf Grundlage der EVS (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe) 2018, zeigt, dass Alleinerziehende mit einem Kind und einem durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen in Höhe von 2.356 Euro und durchschnittlich 710 Euro (35 Prozent der Konsumausgaben) für ihr im Haushalt lebendes Kind ausgaben, wobei sich allein die Ausgaben für dessen Wohnbedarf auf circa 200 Euro beliefen. (...) Im Referenzjahr 2018 lagen das sächliche Kinderexistenzminimum und der Mindestunterhalt bei 399 Euro im Monat. Die größten Anteile des Warenkorbs der Konsumausgaben, die auf das Kind entfielen, betrafen mit 19,7 Prozent Ausgaben für Nahrung und Getränke sowie mit 30,3 Prozent Ausgaben im Zusammenhang mit Wohnen und Energie. Dies sind jedoch gleichzeitig die Ausgabenarten, die am meisten von der Inflation betroffen sind. (...)

Steigende Wohnkosten

Wohnungsnotfälle vorprogrammiert:

Vor der Inflation hatten Alleinerziehende mit niedrigen Einkommen mit knapp 50 Prozent des Haushaltsbudgets bereits eine viel zu hohe Wohnkostenbelastung. Diese Situation wird sich weiter verschärfen, wenn es durch die Inflation zu deutlichen Mieterhöhungen kommt (...). Während die Wohnungsmiete und Heizkosten im Rahmen der Kosten der Unterkunft (KdU) übernommen werden, müssen Stromkosten (...) aus dem Regelsatz beglichen werden. Der Anteil für Strom in den aktuell geltenden Regelbedarfen (...) spiegelt in keiner Weise die derzeitigen Preisentwicklungen wider. (...)

Inflationsraten wirken sich unterschiedlich aus

Die soziale Schere geht weiter auseinander:

Die haushaltsspezifischen Inflationsraten zeigen, dass Haushalte mit geringeren Einkommen und Kindern durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und sich auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker niederschlägt. (...) Wie eine Kurzexpertise von Prognos zeigt, reicht die absolute Mehrbelastung der Haushalte Alleinerziehender im Juni 2022 von durchschnittlich 156 Euro pro Monat im ersten Einkommensquartil bis zu 354 Euro pro Monat im vierten Einkommensquartil. Setzt man die absolute Mehrbelastung ins Verhältnis zur Höhe der durchschnittlichen Haushaltseinkommen im jeweiligen Quartil, so wird deutlich, dass die aktuellen Preissteigerungen umso stärker belasten, je geringer die Einkommen sind. (...) Dort wo jeder Euro für die grundlegenden Lebenserhaltungskosten ausgegeben werden muss, besteht auch keine Möglichkeit mehr, sich weiter einzuschränken.

Weitere Entwicklungen in den nächsten Monaten?

Am Ende der Leistungsfähigkeit steigt die Preisspirale weiter:

Unterschiedliche Kostenschätzungen zu steigenden Energiepreisen gehen von Erhöhungen im vierstelligen Bereich pro Haushalt im Jahr aus. So geht die Verbraucherzentrale Brandenburg aktuell von einer Verdopplung der Gaspreise und einem weiteren Anstieg der Lebensmittelkosten um 20 Prozent sowie der Stromkosten um 15 Prozent aus. Hinzu kommen Preissteigerungen in Höhe von voraussichtlich 35 Prozent für Kraftstoffe19 und (...) Mieterhöhungen (...). Für Alleinerziehende mit kleinem Einkommen könnte das schnell ein Monatsgehalt oder mehr sein.

Alleinerziehende stärker entlasten

Einmalzahlungen helfen nur begrenzt:

Laut Hans-Böckler-Stiftung können Alleinerziehende mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen (...) von 2.000 bis 2.600 Euro durch die Entlastungspakete der Bundesregierung zu 48 Prozent bei den Mehrkosten entlastet werden. Im Vergleich dazu können Paare mit zwei Kindern und gleichem Haushaltsnettoeinkommen zu 64 Prozent entlastet werden. Entscheidend dabei ist, dass von der Energiepreispauschale vor allem Erwerbstätige profitieren können. Deshalb stehen Paare mit zwei Kindern, in denen beide Eltern arbeiten gehen, besser da als Alleinerziehende oder eine Familie, in der nur eine Person berufstätig ist. Insgesamt stellt sich die Frage, inwieweit eine einmalige Unterstützung geeignet ist, eine dauerhafte Belastung durch Preissteigerungen und Geldentwertung aufzufangen. Es braucht in der Krise sowohl kurz- und mittelfristige Hilfen als auch eine langfristige Perspektive und nicht nur Einmalzahlungen (...).

Was kurzfristig tun?

Um gezielt Familien mit kleinen Einkommen zu unterstützen, sollte der Sofortzuschlag für Kinder mindestens 78 plus Inflationsausgleich statt 20 Euro betragen. (...) Um ein menschenwürdiges Existenzminimum sicherzustellen, müssten zudem die Regelsätze mindestens entsprechend der Inflation angehoben werden. Ebenso notwendig wäre eine Erhöhung der Einkommensgrenze für den Bezug des Wohngeldes sowie die Höhe des Wohngeldes (...) entsprechend den Preisentwicklungen zu erhöhen. Außerdem sollte der Freibetrag für Alleinerziehende beim Wohngeld realitätsgerecht erhöht werden. In der Grundsicherung und bei Wohngeldempfängern sollten (...) Energiekosten (inklusive Stromkosten) komplett übernommen werden. Darüber hinaus müssen Wohnungsnotfälle (...) vermieden werden: Strom- und Gassperren sollten verhindert und Mieterhöhungen stärker reglementiert werden.

Was ist grundsätzlich zu tun?

Insgesamt ist jedoch ein umfassender Politikansatz notwendig, um (...) das Armutsrisiko von Alleinerziehenden und ihren Kindern zu senken. (...) Alleinerziehende wollen eine Arbeit, von der sie leben können, eine gute Kinderbetreuung, die zu ihren Arbeitszeiten passt beziehungsweise Arbeitszeiten, die zur vorhandenen Kinderbetreuung passen, eine bezahlbare Wohnung, ein Steuersystem, das sie nicht benachteiligt und familienpolitische Leistungen, bei denen sie nicht länger durchs Raster fallen. Um Kinder aus der Armut zu holen, braucht es eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen auch verdient. Die Basis für die eigenständige Leistung für jedes Kind ist ein (...) realistisch berechnetes kindliches Existenzminimum. (...) An der Schnittstelle zum Unterhaltsrecht muss eine Kindergrundsicherung so ausgestaltet werden, dass am Lebensmittelpunkt eines Kindes (...) genug Geld ankommt, um die Bedarfe des Kindes zu decken. (...)




sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Pflegeheim muss leitende Tätigkeit nach Tarif bezahlen




Nicht die Anzahl der angeleiteten Fachkräfte ist für die Bezahlung ausschlaggebend, sondern die zugewiesenen Leitungsaufgaben.
epd-bild/Jürgen Blume
Pflegeheimbetreiber müssen sich bei der Entlohnung leitender Beschäftigter nach deren Aufgabenbereich orientieren. Wie viele Mitarbeiter den leitenden Beschäftigten unterstellt sind, ist nicht ausschlaggebend, entschied das Bundesarbeitsgericht.

Erfurt (epd). Träger von Pflegeheimen müssen leitende Beschäftigte auch für diese herausgestellte Funktion bezahlen. Nur weil im Wohnbereich eines Heimes nur eine geringe Anzahl von Pflegekräften tätig ist, darf nicht geringer entlohnt werden, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 28. Juli veröffentlichten Beschluss. Nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) kommt es für die richtige Eingruppierung einer leitenden Mitarbeiterin nicht auf die Anzahl der ihr unterstellten Fachkräfte an, sondern auf ihren konkreten Aufgabenbereich.

Im Streitfall ging es um ein Pflegeheim aus Baden-Württemberg, das aus sechs „Wohnbereichen“ besteht. In jedem Wohnbereich leben 16 bis 26 Bewohner. Fest zugeordnete Pflegekräfte und eine Wohnbereichsleitung kümmern sich um das Wohlergehen der pflegebedürftigen Menschen. Je höher der Pflegegrad der Bewohner ist, desto mehr Pflegekräfte arbeiten in dem Heimbereich.

Streit über Eingruppierung nach Versetzung

Der Arbeitgeber wollte einer Beschäftigten die Leitung eines dieser Wohnbereichs übertragen und dorthin versetzen. Vom Betriebsrat verlangte er dafür die Zustimmung.

Die Mitarbeitervertretung hatte gegen die Versetzung keine Einwände, lehnte jedoch die Zustimmung zur Eingruppierung der Frau in die Entgeltgruppe P 10 Stufe 6 des TVöD/VKA ab. Diese Eingruppierung sei für „Teamleiterinnen“ vorgesehen. Der „Wohnbereich“ sei aber mit einer „Station“ wie in einem Krankenhaus vergleichbar. Der Tarifvertrag sehe für die „Stationsleitung“ eine höhere Eingruppierung in die Entgeltgruppe P 12 vor.

Der Pflegeheimbetreiber wollte das aber nicht bezahlen. Die Arbeitnehmerin übe nur die unterste Leitungsfunktion einer Teamleiterin aus. Eine „Stationsleitung“ gebe es in dem Pflegeheim gar nicht. Deren Aufgaben würden durch die übergeordnete Pflegedienstleitung wahrgenommen. In dem Wohnbereich, in dem die Beschäftigte arbeiten soll, seien ihr auch nur 6,64 Vollzeitkräfte unterstellt. Das sei ein Indiz dafür, dass die Arbeitnehmerin nur als Teamleiterin tätig sein solle.

Team besteht aus maximal neun Beschäftigten

Denn der TVöD/VKA geht laut Heimträger davon aus, dass einer Teamleiterin nicht mehr als neun Beschäftigte unterstellt sind. Bei einer „Stationsleitung“ seien in der Regel nicht mehr als zwölf Beschäftigte unterstellt.

Das BAG entschied, dass der Betriebsrat zu Recht die Eingruppierung in die höhere Entgeltgruppe P 12 verlangt hat. Der Tarifvertrag gehe ebenso wie in Krankenhäusern auch in dem Pflegeheim „regelmäßig“ von einem mehrstufigen Organisations- und Leitungsmodell aus. Das bestehe aus einem „Bereich/Abteilung“, einer „Station“ und als unterste Leitungsebene die „Gruppe“ beziehungsweise das „Team“. Nur weil in dem Pflegeheim formal nicht alle Leitungsebenen vorhanden sind, im Streitfall die „Stationsleitung“, schließe das die höhere Eingruppierung der Beschäftigten nicht aus, befand das Erfurter Gericht.

Als „Station“ seien hier die einzelnen „Wohnbereiche“ zu werten. Vergleichbar mit einer „Station“ im Krankenhaus handele es sich bei dem „Wohnbereich“ um eine organisatorisch auf Dauer abgegrenzte und verselbstständigte Einheit. Ihr seien Mitarbeiter fest zugeordnet, die Dienstpläne werden von der Wohnbereichsleitung erstellt. Die Beschäftigte übe auch die Tätigkeiten einer „Stationsleitung“ aus. Dass sie auch selbst pflegerische Tätigkeiten übernimmt, schmälere ihre Leitungstätigkeit nicht.

Für Bezahlung sind die übertragenen Aufgaben entscheidend

Dass der leitenden Mitarbeiterin weniger als neun Beschäftigte unterstellt sind, stehe der höheren Eingruppierung ebenfalls nicht entgegen. „Die Unterscheidung einer Station von einem Team beruht nicht auf der Anzahl der unterstellten Beschäftigten, sondern auf der Organisation und den der Leiterin jeweils übertragenen Aufgaben“, betonte das BAG.

Eine „Station“ könne auch dann vorliegen, wenn die Zahl der unterstellten Beschäftigten geringer als neun ist. Die im TVöD/VKA enthaltene Zahl der unterstellten Mitarbeiter diene nur „regelmäßig“ der Unterscheidung zwischen den jeweiligen Leitungsebenen. Eine starre Grenze sei das nicht. Maßgeblich sei auch nicht die tatsächliche Anzahl der unterstellten Mitarbeiter, sondern die nach dem Stellenplan vorgesehene Stellenbesetzung.

Betriebsrat darf Zustimmung nicht verweigern

Allerdings können Betriebsräte die Verlängerung eines zuvor befristeten Arbeitsverhältnisses nicht zum Anlass nehmen, für den betroffenen Mitarbeiter einen höheren Lohn durchzudrücken, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart bereits in einem Beschluss vom 10. Juli 2013 entschied. Auch hier komme es auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an. Ändere sich diese nicht, dürfe der Betriebsrat seine Zustimmung zur ursprünglichen tariflichen Eingruppierung des Arbeitnehmers nicht verweigern.

Im Streitfall war die Wiedereinstellung zeitgleich mit der Überführung in einen neuen Eingruppierungstarifvertrag verbunden. Auch danach sei es aber richtig gewesen, den Angestellten in seiner bisherigen Entgeltgruppe zu belassen, so das LAG.

Az.: 4 ABR 25/21 (Bundesarbeitsgericht)

Az.: 13 TaBV 2/13 (Landesarbeitsgericht)

Frank Leth


Bundesverfassungsgericht

Karlsruhe stärkt Recht auf Intimsphäre für Häftlinge



Karlsruhe (epd). Häftlinge müssen nicht die Entblößung ihres Genitals für beaufsichtigte Urinkontrollen dulden. Es stelle eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, wenn für ein anlassloses Drogenscreening Gefangene immer bei der Urinabgabe beobachtet und keine alternativen Kontrollmöglichkeiten geprüft würden, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 10. August veröffentlichten Beschluss.

Vor Gericht war ein inhaftierter Straftäter gezogen. Die Gefängnisleitung ließ regelmäßig allgemeine Drogenscreenings bei den Häftlingen durchführen, um Suchtmittelmissbrauch zu verhindern. Dafür musste der Gefangene sein Genital vor einem Beamten entblößen und eine Urinprobe abgeben. So sollte verhindert werden, dass der Gefangene heimlich Fremdurin abgibt.

Kontrollen ohne Verdacht fraglich

Das Bundesverfassungsgericht sah in diesem Vorgehen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Intimsphäre. Es sei bereits fraglich, ob eine Justizvollzugsanstalt ohne konkreten Verdacht des Drogenmissbrauchs solche Urinkontrollen durchführen dürfe.

Das zuständige Landgericht Bochum hätte die prüfen müssen. Die landesrechtlichen Regelungen sähen zudem als Alternative für ein Drogenscreening die Blutabgabe in Form einer Punktion der Fingerkuppe vor. Auch dies hätte das Landgericht in den Blick nehmen müssen, erklärten die Verfassungsrichter. Die Häufigkeit der Urinkontrollen - eine pro Woche - sei ebenfalls nicht auf ihre Verhältnismäßigkeit hin bewertet worden. Dies müsse das Landgericht alles nun nachholen.

Az.: 2 BvR 1630/21



Bundesarbeitsgericht

Negative Corona-Tests machen Weiterarbeit möglich



Erfurt (epd). Nach einem Aufenthalt in einem Corona-Risikogebiet darf ein Arbeitgeber negativ getestete Beschäftigte nicht für 14 Tage den Zutritt zum Betrieb mitsamt Lohnfortzahlung verweigern. Eine solche betriebliche Anordnung ist unwirksam, wie am 10. August das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt urteilte.

Im konkreten Fall war der Kläger als Leiter der Nachtreinigung bei einem Lebensmittelproduzenten in Berlin tätig. Um Corona-Infektionen im Betrieb zu verhindern, hatte der Arbeitgeber für Arbeitnehmer eine 14-tägige Quarantäne ausgesprochen, wenn sie aus einem Corona-Risikogebiet zurückkehren. Lohn sollten die Beschäftigten für diese Zeit auch nicht erhalten.

Rückreise aus Risikogebiet Türkei

Die Berliner Verordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie sah zwar ebenfalls eine Quarantäne vor. Allerdings konnten sich Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet mit einem PCR-Test freitesten lassen.

Als der Kläger wegen des Todes seines Bruders in die Türkei reisen musste, durfte er nach seiner Rückkehr für 14 Tage nicht auf der Arbeit erscheinen. Die Türkei war als Risikogebiet eingestuft worden. Trotz Symptomfreiheit und zweier negativer Corona-PCR-Tests verbot der Arbeitgeber den Zutritt zum Betrieb. Der Beschäftigte verlangte für die Zeit des Betretungsverbots seine Vergütung, insgesamt 1.512 Euro.

Zu Recht, urteilte das BAG. Der Arbeitgeber durfte demnach nicht von sich aus die Arbeitsleistung des Klägers ablehnen. Die betriebliche Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Lohnfortzahlung fernzubleiben, sei unbillig und damit unwirksam. Für einen angemessenen Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Betrieb hätte es ausgereicht, den Kläger zu einem weiteren PCR-Test aufzufordern, so das Gericht.

Az.: 5 AZR 154/22



Bundesfinanzhof

Umsätze von Altersheim-Cafeteria steuerpflichtig



München (epd). Ein Altersheim muss die Umsätze aus seiner Cafeteria versteuern. Das gilt zumindest dann, wenn die Heimbewohner umfassend verpflegt werden und die Cafeteria-Getränke und Speisen ein zusätzliches Angebot darstellen, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 4. August veröffentlichten Urteil. Denn „der Betrieb der Cafeteria ist in solch einem Fall für die Pflege und Versorgung der Heimbewohner nicht unerlässlich“, so die Begründung der obersten Finanzrichter.

Geklagt hatte der Betreiber eines Altersheims, der für seine Cafeteria-Umsätze der Jahre 2014 bis 2016 Umsatzsteuer zahlen sollte. In dem Altersheim lebten in dieser Zeit rund 150 teils bettlägerige Bewohnerinnen und Bewohner. Auf den einzelnen Stationen gab es Speisesäle, in denen die Mahlzeiten eingenommen wurden. Diese umfassten Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie einen Nachmittagssnack. Zusätzlich konnten die Bewohner und ihre Besucher in der Altersheim-Cafeteria Kaffeetrinken oder selbst gebackenen Kuchen kaufen. Auch für Feierlichkeiten wie Geburtstage konnte dieses Angebot genutzt werden.

Cafeteria-Angebot nicht „unerlässlich“

Das Finanzamt hielt die Cafeteria-Umsätze für umsatzsteuerpflichtig. Sie seien nicht eng mit dem Betrieb „von Einrichtungen zur Pflege und Betreuung körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Menschen verbunden“. Nur dann sei eine Umsatzsteuerbefreiung möglich. Die Cafeteria-Leistungen würden zwar das Wohlbefinden der Bewohner erhöhen, seien aber nicht „unerlässlich“.

Der Altersheimbetreiber sah dagegen die Cafeteria als eng verbunden mit der Einrichtung an. Dort würden auch weitere Freizeitangebote wie Singen oder Gesprächskreise stattfinden. Der Kontakt zur Außenwelt und anderen Bewohnern und Gästen werde so ermöglicht. In dem Ort gebe es zudem kein anderes Café. Die Cafeteria werde nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben, hieß es.

Der BFH urteilte jedoch, dass die Cafeteria-Umsätze steuerpflichtig seien. Die Cafeteria-Leistungen seien nicht „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit“ verbunden. Denn das Heim biete bereits eine umfassende Verpflegung der Heimbewohner an. Der Betreiber sei auch nach dem Heimgesetz nicht zur Errichtung der Cafeteria verpflichtet, so das Gericht.

Az.: V R 39/21

fle



Landesarbeitsgericht

Urlaubstage in Quarantäne können nicht nachgeholt werden



Mainz (epd). Ein vom Arbeitgeber genehmigter Urlaub in der Zeit einer behördlich angeordneten Quarantäne infolge des Kontakts zu einem mit Covid 19 infizierten Patienten verfällt. Arbeitnehmer können eine Gutschrift entgangenen Urlaubstage nur erhalten, wenn sie arbeitsunfähig erkrankt sind, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem am 5. August veröffentlichten Urteil im Fall einer Krankenschwester. Bei der häuslichen Quarantäne einer Kontaktperson sei das aber nicht der Fall, so die Mainzer Richter, die allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zuließen.

Das BAG will am 16. August in einem anderen, vergleichbaren Fall über den Wegfall von Urlaubsansprüchen entscheiden (Az.: 9 AZR 76/22).

Im aktuellen Verfahren hatte eine Krankenschwester während ihrer Arbeitszeit Kontakt zu einem mit Corona-infizierten Patienten gehabt. Das Gesundheitsamt ordnete am 12. November 2020 eine zehntägige häusliche Quarantäne an. Sieben Tage davon fielen genau in den Urlaub der Krankenschwester. Arbeitsunfähig erkrankt war sie jedoch nicht.

Klage wegen nicht erfülltem Urlaubsanspruch

Die Urlaubstage während der Quarantäne wollte die Frau nachholen und auf ihrem Urlaubskonto gutgeschrieben haben. Ihr Urlaubsanspruch sei ja nicht erfüllt worden, so die Begründung.

Doch der Arbeitgeber lehnte das ab. Er sei nicht verpflichtet, „die Gefährdung oder Vereitelung des Urlaubszwecks infolge urlaubsstörender Ereignisse durch Nachgewährung von zusätzlichen Urlaubstagen auszugleichen“. Nur wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt sei, sehe das Bundesurlaubsgesetz eine Nachgewährung von Urlaub ausnahmsweise vor. Die Krankenschwester sei aber nicht arbeitsunfähig krank gewesen.

LAG gibt Arbeitgeber recht

Das bestätigte auch das LAG. Mit der einmal vom Arbeitgeber erteilten Genehmigung des Urlaubs sei der Urlaubsanspruch untergegangen. Alle nach der Genehmigung eintretenden „urlaubsstörenden Ereignisse“ gehörten als „Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers“. Das schließe das Risiko ein, während des Urlaubs in Quarantäne gehen zu müssen. Daran ändere auch nichts, dass die klagende Krankenschwester während ihrer Arbeit Kontakt zu einem infizierten Patienten hatte.

Sie sei auch nicht arbeitsunfähig krank gewesen, befand das LAG. Schließlich enthalte das Infektionsschutzgesetz keine Regelungen, die eine Urlaubsgutschrift wegen einer häuslichen Quarantäne vorsehen.

Az.: 2 Sa 341/21




sozial-Köpfe

Personalien



Andreas Degelmann (36) übernimmt am 1. Oktober die Geschäftsführung der St. Augustinus Gruppe mit Sitz in Neuss. Er tritt die Nachfolge von Paul Neuhäuser an, der sich Ende September nach mehr als 20 Jahren in der Geschäftsführung von seinem Posten zurückzieht. Degelmann wird die Geschicke des Unternehmens künftig gemeinsam mit den Geschäftsführern Markus Richter und Rainer Pappert leiten. Er ist derzeit Sprecher der Geschäftsführung der Kplus Gruppe in Solingen. Bis Ende 2019 war er als Leiter der Zentralen Unternehmensentwicklung bereits bei der St. Augustinus Gruppe tätig und hat zuvor als Assistent der Geschäftsführung der St. Augustinus-Fachkliniken gGmbH gearbeitet. Degelmann ist Betriebswirt und hat einen Master in Caritaswissenschaften und Angewandter Theologie.

Andreas Lindner (52) hat die Leitung des Kreisverbands Erding des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) übernommen. Er folgt als Geschäftsführer Albert Thurner, der den Verband seit einem Jahr in seiner Funktion als stellvertretender Geschäftsführer leitet. Lindner arbeitet bei einem Telekommunikationsunternehmen im Projektmanagement. Beim BR-Kreisverband Erding hat er seit rund 30 Jahren ehrenamtliche Führungspositionen inne. In den vergangenen beiden Jahren war er darüber hinaus als Krisenmanager für den Verband aktiv.

Michael Müller (42) und Bastian Weippert (39) haben als Doppelvorstand die Führung des Caritasverbandes im Main-Tauber-Kreis übernommen. Müller wurde zum Vorstandsvorsitzenden gewählt und folgt damit auf Matthias Fenger, der neuer Caritasdirektor in der Diözese Rottenburg-Stuttgart wird. Müller ist ausgebildeter Rechtsanwalt und bereits seit 2014 im Vorstand des Verbands tätig. Weippert ist Heilerziehungspfleger und studierter Sozialmanager. Auch er ist seit 2014 in verschiedenen Leitungsfunktionen im Caritasverband tätig und verantwortet derzeit als Bereichsleitung Teilhabe alle Dienste und Einrichtungen des Verbands für Menschen mit Teilhabebeeinträchtigungen.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis September



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, das zu beachten.

August

24.8. Hamburg:

Seminar „Controlling in der stationären Altenhilfe - Planung, Reporting und Analyse“

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 040/359060

26.8. Berlin:

Seminar „Wirkung und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828224

29.-31.8. Berlin:

Seminar „Überzeugen muss kein Kraftakt sein - Einsatz von Körper, Stimme, Sprache in Verhandlungen und Präsentationen“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-476

30.8. Berlin:

Seminar „Grundlagen des Arbeitsrechtes in Einrichtungen der Sozialwirtschaft - Gestaltungsspielräume nutzen“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

31.8. Berlin:

Seminar „Betriebsverfassungsrecht aus Arbeitgebersicht“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

September

6.-7.9. Frankfurt a.M.:

Fortbildung „Datenschutz in sozialen Einrichtungen - Einführung in das KDG: rechtliche Anforderungen und Umsetzungen im operativen Tagesgeschäft“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/20011700

7.-23.9.:

Online-Kurs „Grundlagen des Zuwendungsrechtes“

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/263 09-142

8.-22.9.:

Online-Seminar „Digitale Öffentlichkeitsarbeit und Social Media für soziale Einrichtungen“

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/286976-10

9.9.:

Online-Fortbildung „Mit EU-Geldern das eigene Profil stärken - Einführung in EU-Förderprogramme 2021-2027“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761200-1700

12.-13.9. Berlin:

Seminar „Demenz und geistige Behinderung“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-495

12.-15.9. Freiburg:

Seminar „Konfliktmanagement als Führungsaufgabe“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761200-1700

21.-23.9.:

Online-Fortbildung „Agile Führungsansätze - Soziale Organisationen für die Zukunft ausrichten“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

26.9.:

Online-Fortbildung „Flucht und Behinderung - Rechtliche Möglichkeiten in der Flüchtlings- und Behindertenhilfe“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-495