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Bundesregierung

Lindners Steuerpläne kommen nicht gut an




Finanzminister Christian Lindner
epd-bild/Christian Ditsch
Finanzminister Lindners Steuerpläne sorgen für Empörung bei den Sozialverbänden. Ungerecht und unausgewogen sei das Vorhaben - weil Lindner vor allem die Mittelschicht entlasten will. Und Geringverdiener gingen weitgehend leer aus.

Berlin (epd). Kaum hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat seine bereits bekannten Steuerpläne öffentlich präsentiert, da wurde heftige Kritik von denen laut, die die Interessen der Menschen am Rande der Gesellschaft vertreten - von den Sozialverbänden. VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Es ist sachgerecht, die kalte Progression auszugleichen. Aber das hat gerade nicht Priorität. Aktuell ist es wichtiger, dafür zu sorgen, dass Rentnerinnen und Rentner im Winter nicht frieren, anstatt die kalte Progression auszugleichen.“

Dagegen sagte der Minister, wenn der der Bund nicht handele, „droht 48 Millionen Deutschen eine massive Steuererhöhung“. Das sei in den gegenwärtigen Zeiten „nicht fair“. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und einer unsicheren Wirtschaftslage gehe es ihm um die Vermeidung einer weiteren Belastung der Bürger.

Grundfreibetrag und Kindergeld sollen steigen

Lindner will mit einem „Inflationsausgleichsgesetz“ die sogenannte kalte Progression ausgleichen und den Grundfreibetrag sowie das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöhen. Der Minister erklärte, für die Bedürftigen werde bereits viel getan. Er verwies auf die Entlastungspakete wegen der steigenden Energiekosten und die geplanten Verbesserungen beim Wohngeld sowie die Einführung des Bürgergelds im kommenden Jahr.

Seinen Plänen zufolge würde der Staat im kommenden Jahr auf rund zehn Milliarden Steuereinnahmen verzichten. Im Durchschnitt beträgt die Steuerentlastung Lindner zufolge 192 Euro.

Die unteren Einkommen profitieren prozentual stärker, die höheren durch höhere Summen. Ab 70.000 Euro Jahreseinkommen beträgt die Entlastung nach Angaben des Bundesfinanzministeriums 479 Euro. Bei niedrigen Einkommen, beispielsweise 20.000 oder 30.000 Euro im Jahr, liegt sie bei 115 Euro beziehungsweise 172 Euro.

„Das ist nicht mehr nur sozial nicht ausgewogen, sondern ein Skandal“, sagte AWO-Präsident Michael Groß: „Entlastungen müssen bei jenen ankommen, die sie wirklich brauchen und einen hohen Anteil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse verausgaben: ganz sicher nicht Personen in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung, sondern Geringverdienende und Menschen im Sozialleistungsbezug.“

Verena Bentele sagte, es sei das Gebot der Stunde, die vorhandenen Steuermittel richtig einzusetzen. Ihr Verband fordere eine Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner in Höhe von 300 Euro. Zudem müsse die Regierung so schnell wie möglich die Kindergrundsicherung und die angekündigte Reform des Wohngelds umsetzen. Der Empfängerkreis beim Wohngeld muss ausgeweitet und die Heizkosten müssen übernommen werden. „So gelingt es, Menschen mit kleinen Einkommen oberhalb von Hartz IV zu entlasten.“ Einen Abbau der kalten Progression könne man sich nur leisten, wenn Reiche mehr Verantwortung übernehmen und steuerlich einen größeren Anteil leisten.

Diakonie: Die Ärmsten werden vergessen

Auch die Diakonie-Vorständin Sozialpolitik Maria Loheide kritisierte, der Vorschlag wirke bei den Ärmsten am schlechtesten. „Mit der geplanten Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags will die Bundesregierung mit der Gießkanne eine allgemeine Entlastung verwirklichen.“

Loheide verwies darauf, dass nur die von der vorgesehenen Entlastung profitieren, die Einkommensteuern zahlten. Was fehle, sei die gezielte Entlastung von Haushalten mit geringen Einkommen. Die Diakonie schlage deshalb einen Sofortzuschlag von 100 Euro im Monat für ein halbes Jahr für jene Menschen vor, die Transferleistungen erhalten.

Kindergelderhöhung zu niedrig

„Angesichts der steigenden Inflation ist die für das kommende Jahr geplante Kindergelderhöhung mit acht Euro für das erste und zweite Kind schon vollkommen unzureichend. Ab dem dritten Kind sollen es gar nur zwei Euro sein und für vierte und weitere Kinder entfallen die Erhöhungen gänzlich“, kritisierte Bernd Heimberg, Vizepräsident der „evangelischen arbeitsgemeinschaft für familienfragen“ (eaf). Die Armutsbetroffenheit von Familien steige aber mit der Kinderzahl.

Die Inflationsrate in Deutschland ist im Juli laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zum Vormonat leicht auf 7,5 Prozent zurückgegangen. Dämpfend haben sich demnach seit Juni zwei Maßnahmen ausgewirkt: das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas