in deutschen Parlamenten mangelt es an Vielfalt. Andrea D. Bührmann, Direktorin des Instituts für Diversitätsforschung an der Georg-August-Universität Göttingen: „Die bundesdeutsche Politik ist sehr weiß, sehr männlich und bürgerlich geprägt.“ Frauen, Migranten oder Menschen mit Behinderung seien in der Minderheit. Manche Parlamente im Ausland sind da weiter. Grünen-Politiker Michael Gerr setzt sich deshalb für „eine generelle Vielfaltsquote von einem Drittel“ ein, die auch Menschen mit Behinderung, Einwanderungsgeschichte oder aus der LGBTQ-Gemeinschaft einschließt. SPD-Landespolitikern Giorgina Kazungu-Haß berichtet im Interview mit epd sozial von ihren Erfahrungen, sich in der Politik durchzusetzen.
Am 18. August ist das neue Buch des Kölner Armutsforschers Christoph Butterwegge erschienen. Es heißt „Kinder der Ungleichheit“. Darin beklagt der Autor, dass die soziale Ausgrenzung in Deutschland durch die Corona-Pandemie weiter verstärkt worden sei. Im Interview mit dem epd erläutert Butterwegge, was Armut hierzulande bedeutet, welche Folgen beengtes Wohnen vor allem für Kinder hat und wie sich soziale Ausgrenzung über Generationen manifestiert.
Diakoniepräsident Ulrich Lilie ist auf Sommerreise durch Deutschland und besucht diakonische Einrichtungen, die bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit die Nase vorn haben. Es könnten noch weit mehr sein, so der Präsident im Interview mit epd sozial. Aber: Gemeinnützigen Organisationen fehle oft das Geld für die nötigen Investitionen in die Zukunft: „ Wir müssen dahin kommen, dass Investitionen etwa in energieeffiziente Immobilien refinanziert werden.“
Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, setzt sich in einem Gastbeitrag für epd sozial mit den seit Jahren aufgelaufenen Problemen in der Heimpflege auseinander. „Bis heute fehlen dynamisierende Leistungsbeträge der Pflegekassen. Leidtragende bleiben die Pflegebedürftigen, die immer tiefer in die eigene Tasche greifen müssen.“ Die Achillesferse ist das Konzept der festen Zuschüsse, schreibt er. Die neue Bundesregierung müsse endlich eine Reform auf den Weg bringen, die ihren Namen auch verdiene.
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Dirk Baas
Frankfurt a.M. (epd). Als er 2003 bei den Grünen eintritt, war erst alles gut. Er bekam positive Rückmeldungen, Unterstützung aus dem Umfeld, erzählt Michael Gerr. Dann kam das Getuschel. „Der hätte das ja gar nicht erreicht, wenn er nicht im Rollstuhl sitzen würde“, sagte eine Frau laut Gerr einmal, als sie nicht merkte, dass er in der Nähe war. Dabei ist es genau andersherum: Menschen, die wie der langjährige Würzburger Stadtrat Gerr eine offensichtliche Behinderung haben, haben statistisch gesehen deutlich schlechtere Chancen in der Politik.
In Deutschland haben nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes 7,9 Millionen Menschen eine Schwerbehinderung. Das entspricht etwa 9,5 Prozent der Bevölkerung. Wie viele es in den Parlamenten sind, wird nicht erhoben.
Natürlich seien nicht alle Einschränkungen offensichtlich, sagt Gerr. „Es müssten aber im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung allein 13 Menschen im Rollstuhl im Bundestag sitzen“, sagt er. Momentan trifft dies aber nur auf Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zu.
Allgemein mangele es in den Parlamenten an Vielfalt, sagt Andrea D. Bührmann, Direktorin des Instituts für Diversitätsforschung an der Georg-August-Universität Göttingen. „Die bundesdeutsche Politik ist sehr weiß, sehr männlich und bürgerlich geprägt“, sagt sie. Dies zeigt sich am Bundestag: In ihm sind aktuell 31 Prozent der Abgeordneten weiblich. Kurz nach der Bundestagswahl 2017 zählte der Mediendienst Integration 58 Abgeordnete aus Einwanderfamilien. Das entspricht einem Anteil von etwa acht Prozent. In der Gesamtbevölkerung hat nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes etwa jeder Vierte einen Migrationshintergrund.
Für diese Diskrepanz gebe es verschiedene Gründe, sagt Diversitätsforscherin Bührmann. Zum einen entspreche die Wohnbevölkerung nicht der Bevölkerung mit Wahlrecht. „Dazu kommt die Frage, ob Menschen eigentlich Zeit, Energie und Geld haben, sich in den Parteien einzubringen“, sagt sie. Dies sei bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte tendenziell seltener der Fall. Zudem glaube ein großer Teil der Bevölkerung, „dass Menschen mit Migrationshintergrund keine gute Politik für alle machen“.
Vielfältig sind laut Helga Lukoschat, Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin, auch die Gründe dafür, warum nicht die Hälfte der Abgeordneten weiblich ist. „Die moderne liberale Demokratie entstand unter Ausschluss der Frauen“, sagt sie. Umgangsformen seien in der Politik stark männlich geprägt, zum Beispiel durch dominantes Auftreten und Redeverhalten. Gleiches gelte für die Parteikultur.
Frauen übernehmen zudem einen großen Teil der familiären Sorgearbeit. Dies lasse sich zeitlich aber oft nicht mit Ämtern zu Beginn einer politischen Karriere vereinbaren, die in der Regel ehrenamtlich sind. Dazu komme, dass Direktmandate insbesondere bei den Unionsparteien mehrheitlich mit Männern besetzt würden.
Lukoschat plädiert daher für Änderungen im Wahlrecht. „Möglich wäre es zum Beispiel, die Zahl der Wahlkreise zu halbieren und dann für die verbliebenen Wahlkreise jeweils einen Mann und eine Frau wählen zu lassen“, sagt sie. Diversitätsforscherin Bührmann will nicht weiter auf freiwillige Zugeständnisse vertrauen und hält Quoten in der Politik für ein gutes Mittel. „Quotierungen bedeuten in der Regel, dass hochqualifizierte Menschen anderen hochqualifizierten Menschen vorgezogen werden“, betont sie.
Grünen-Politiker Gerr setzt sich für „eine generelle Vielfaltsquote von einem Drittel“ ein, die auch Menschen mit Behinderung, Einwanderungsgeschichte oder aus der LGBTQ-Gemeinschaft einschließt. Ein genaues Abbild der Bevölkerung werde sich zwar nie erreichen lassen, „aber jeder Mensch sollte das Gefühl haben, dass es im Parlament zumindest eine Person gibt, die ihn vertreten könnte“.
Aktuell ist Kazungu-Haß integrations- und religionspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und Vorsitzende des Bildungsausschusses. Im Interview mit Jana-Sophie Brüntjen erzählt sie von ihrem nicht gerade einfachen Weg in die Politik und davon, wie sie Türen für ihre Nachfolgerinnen offenhalten will.
epd sozial: Frau Kazungu-Haß, wie schwer hat man es in der Politik, wenn man erkennbar einen Migrationshintergrund hat?
Giorgina Kazungu-Haß: Es ist auf jeden Fall schwieriger, weil man sich mehrfach beweisen muss. Gerade Menschen in der ersten Generation haben das Gefühl, immer dankbar sein zu müssen. Bei ihnen kommen Ängste auf: ‚Ich bin jetzt schon eingebürgert worden, darf ich überhaupt verlangen, dass man mich wählt? Gehöre ich schon dazu, habe ich schon genug geleistet, um hier eine Führungsposition in Anspruch zu nehmen?‘ Diese Menschen wollen auf keinen Fall unangenehm auffallen oder irgendetwas falsch machen. In der zweiten Generation fehlen dann vielen die Erfahrungen der Eltern oder anderer Verwandte, die sie zum Beispiel zur ersten Ortsvereinssitzung mitnehmen.
epd: Wie war es bei Ihnen?
Kazungu-Haß: Ich wurde in Deutschland geboren und bin hier zur Schule gegangen. Ich konnte also die ‚Codes‘, das Verhaltens- und Wertesystem in Deutschland lernen. Außerdem war ich Juso-Vorsitzende in Rheinland-Pfalz, und im Jugendverband hat es keine Rolle gespielt, ob man einen Migrationshintergrund hat. Dadurch habe ich sehr viele Chancen bekommen.
epd: Wenn es im Jugendverband noch egal ist, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat, wieso finden sich nur so wenige dieser Menschen in Spitzenpositionen der Politik?
Kazungu-Haß: Das kann ich nicht genau sagen. Wir haben in der Partei heute sehr viele junge, starke und kluge Frauen mit Einwanderungsgeschichte aus der zweiten und dritten Generation. Ich und viele andere Politikerinnen versuchen jetzt, die Tür offenzuhalten, aber durchgehen müssen sie selbst. Ich denke, dass sich das Dankbarkeitsdenken der ersten Generation weiter bis zu ihren Kindern und Enkeln durchzieht. Aber in der Politik geht es nicht um Dankbarkeit. In der Politik geht es um Durchsetzungskraft. Da muss man nicht warten, bis jemand sagt: ‚Jetzt darfst du auch mal. Sondern man muss sagen: ‚Hey, Deutschland, ich habe etwas zu bieten.‘
epd: Es liegt also nicht daran, dass sich die eigene Partei Menschen mit Migrationsgeschichte entgegenstellt?
Kazungu-Haß: Ich habe nie mitbekommen, dass jemand daran gehindert wurde, sich aufzustellen. Es hat sich nur niemand getraut zu kandidieren. Ich würde mich freuen, wenn es noch eine Person wie mich im Landtag geben würde und würde mir wünschen, dass wir als Partei durchlässiger wären.
epd: Weil die SPD von mehr Diversität profitieren könnte?
Kazungu-Haß: Die Frage der Repräsentation, also die Vertretung aller Bürger, taugt nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen, und es hilft nicht, im Wahlkampf zu sagen: ‚Wir haben die diverseste Liste‘ oder ‚Wir sind die diverseste Partei‘. Vielfalt ist eine demokratie- und gesellschaftstheoretische Frage und Aufgabe, und die muss man als Politik gemeinsam bewältigen. Parteien dürfen nicht jedes Mitglied mit Migrationshintergrund zum Platzhalter für die unerfüllten Träume von Migration und Integration zu machen. Wir sind immer noch Individuen und haben bestimmte Kompetenzen und andere eben nicht.
epd: Wird von Politikerinnen und Politikern mit Einwanderungsgeschichte erwartet, dass sie sich alle für Migrationspolitik interessieren?
Kazungu-Haß: Ich glaube, viele würden sich dieses Themas annehmen, wenn es nicht so stereotyp wäre. Außerdem ist es ein sehr spezielles Feld. Es gibt schließlich verschiedene Einwanderungsgründe. Da werden dann Flüchtlinge in diesem Integrationstopf mit Leuten zusammengeworfen, die in der ersten, zweiten oder dritten Generation hier leben. Aber nur weil eine Person aus einer dieser Teilgruppen kommt, hat sie nicht unbedingt die Kompetenz, die anderen Teilgruppen zu verstehen.
epd: Welche Folgen hat es, wenn Menschen mit Migrationshintergrund mit ihren Perspektiven in den Parlamenten fehlen?
Kazungu-Haß: Es wird schwierig, gute Politik zu machen, die auf Integration und Inklusion setzt. Aktuell hat die Politik oft etwas Paternalistisches, weil zwar über Leute und über ihre Bedürfnisse nachgedacht wird, sie aber gar nicht gefragt werden. Das sieht man beim Impfen sehr gut. Da wird vermutet, dass Menschen sich nicht impfen lassen, weil sie kein Deutsch sprechen. Vielleicht sind diese Menschen aber auch einfach Impfgegner oder konsumieren Medien aus ihren Heimatländern, in denen die Impfbereitschaft wiederum ganz unterschiedlich ist. So fehlt der Blick dafür, was tatsächlich getan werden müsste, um die Impfbereitschaft zu steigern.
epd: Freiwilligkeit scheint mit Blick auf den Mangel an Vielfalt in den Parlamenten nicht zu reichen. Was halten sie von Quoten?
Kazungu-Haß: Ich habe immer auf der Frauenquote bestanden, auch weil Unterrepräsentation intersektional sehr stark zusammenhängt. Solange wir dieses grundsätzliche 50-50-Problem nicht lösen, werden wir auch die anderen Probleme bei der Diversität nicht lösen. Aber ich würde trotzdem mehr nach Wegen suchen, wie Menschen ihre eigene Motivation gut nutzen können. Da sind Modelle wie die Frauenförderung im öffentlichen Dienst sehr erfolgreich gewesen.
epd: Und das lässt sich auch auf den Migrationshintergrund ausweiten?
Kazungu-Haß: Genau. Auch da sehe ich vor allem Möglichkeiten im öffentlichen Dienst. Repräsentation betrifft nicht nur die Menschen, die in den Parlamenten sitzen. Für mich ist es zum Beispiel schön zu sehen: Da sind Polizisten, die eine Demo begleiten, und die sehen alle unterschiedlich aus. Außerdem haben Angestellte im öffentlichen Dienst ein ganz anderes Selbstbewusstsein, wenn sie sich bei einem Ortsverein für eine Kommunalwahl bewerben, weil sie eben schon für dieses Land arbeiten. Das war bei mir auch so. Als ich in die Schulleitung kam, war ich schon selbstbewusst, aber es war gut zu merken, dass ich akzeptiert wurde. Dass man nicht angefeindet wird und Leute einen ständig in der eigenen Autorität in Frage stellen.
epd: Was wäre für Sie eine ideale Repräsentation?
Kazungu-Haß: Wenn ich jetzt nur an die Repräsentation von Menschen mit Einwanderungsgeschichte denke, ist in einem Parlament, in dem nicht mindestens zehn Prozent sitzen, Luft nach oben. Allein, weil man an zehn Prozent der Parlamentarier nicht mehr vorbeischauen kann.
Frankfurt a.M. (epd). Von dem Anspruch, ein „Spiegel der Gesellschaft“ zu sein, sind die Landtage und der Deutsche Bundestag weit entfernt. Andere Staaten sind hier wesentlich weiter, egal ob bei Frauen, ethnischen Minderheiten oder beim Alter. Eine für alle perfekte Volksvertretung gibt es aber selbst in vorbildlichen Ländern nicht.
Neuseeland:
Das Parlament Neuseelands gehört zu den diversesten der Welt. Mit 58 weiblichen Abgeordneten erreicht die Volksvertretung einen Frauenanteil von rund 48 Prozent. Im Parlament sitzen außerdem sieben Maori.
Der vom Kulturministerium initiierten „Enzyklopädie von Neuseeland“ zufolge identifizieren sich 21 Prozent der Mitglieder des Parlaments als Maori, neun Prozent als Pazifische Insulaner und weitere neun Prozent als Menschen ohne europäischen Hintergrund.
Die Diversität des Parlaments spiegelt sich auch im 20-köpfigen Kabinett von Premierministerin Jacinda Ardern wider, wie Zahlen der Interparlamentarischen Union, eine globale Vereinigung nationaler Parlamente, zeigen. Demnach sind acht Mitglieder des Kabinetts weiblich, fünf sind Maori, drei sind Pazifische Insulaner und drei gehören der LGBTQ+-Gemeinschaft an. Die Regierung sei zudem im Schnitt dreieinhalb Jahre jünger als das vorherige.
Eins zu eins abbilden kann das Parlament des Pazifikstaats die Gesellschaft aber nicht. Das Statistische Amt Neuseeland gibt den Anteil der Maori an der Gesamtbevölkerung im Zensus 2018 mit 16,5 Prozent an, den von Pazifischen Insulaner mit 8,1 Prozent, den von Asiaten mit 15,1 Prozent und den von Menschen aus dem Nahen Osten, Lateinamerika und Afrika mit 1,5 Prozent an. Die Befragten konnten allerdings mehr als eine ethnische Zugehörigkeit auswählen.
USA:
Unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden ist das Kabinett wesentlich vielfältiger als das unter seinem Vorgänger Donald Trump. Elf der 24 Mitglieder sind weiblich, fünf von ihnen sind Schwarz. Zudem zogen drei Latinos und eine Latina, eine chinesisch-stämmige sowie eine Politikerin mit indigenen Wurzeln in den Ausschuss ein. Die Vizepräsidentin Kamala Harris ist die erste afroamerikanische und asiatisch-amerikanische Person in dieser Position.
Gleichzeitig zeigen sich im Senat und im Repräsentantenhaus nach Daten des Pew Research Centers noch immer deutliche Unterschiede zwischen der Verteilung ethnischer Minderheiten in den beiden Kammern und ihrer Verteilung in der Gesamtbevölkerung. So waren Anfang 2021 insgesamt 23 Prozent der Abgeordneten Nicht-Weiße. Wären die Parlamente eine exakte Kopie der Gesellschaft, müssten es 40 Prozent sein.
Finnland:
Das nordeuropäische Land war im Jahr 1906 der erste Staat in Europa, in dem Frauen das aktive und das passive Wahlrecht bekamen. In Deutschland wurde Frauen dieses Recht erst zwölf Jahre später zugestanden. Auch heute nehmen Frauen in Finnland eine stärkere Rolle in der Politik ein als in Deutschland. Nach der letzten Wahl 2019 zogen 46 Prozent weibliche und 54 Prozent männliche Abgeordnete ins Parlament ein. Das Land verzichtet dabei auf eine gesetzliche Quote für die Nominierungen der Kandidatinnen und Kandidaten.
Aktuell ist Sanna Marin Ministerpräsidentin Finnlands. Die 35-Jährige ist die jüngste Frau in dieser Position in der Geschichte des Landes. In ihrem Kabinett sitzen zehn Ministerinnen und acht Minister.
Schweden:
Wenn es um Diversität in Parlamenten geht, ist Schweden in Europa der Vorreiter. Im vergangenen Jahr waren 47 Prozent der Abgeordneten im Schwedischen Reichstag Frauen. Die schwedische Regierung bezeichnet sich selbst als feministisch.
Im schwedischen Parlament sind nach offiziellen Angaben sechs von zehn Abgeordneten jünger als 50 Jahre alt. Dies entspricht in etwa der Verteilung in der Gesamtbevölkerung. Etwa ein Viertel der Parlamentsmitglieder hat keinen Universitätsabschluss. Der durchschnittliche Bildungsgrad ist demnach höher als in der Allgemeinheit. Auch bei den Abgeordneten mit Migrationshintergrund hängt Schweden hinterher, obwohl die Differenz nicht so groß ist wie in Deutschland. Den Angaben zufolge wurden 11,5 Prozent der Volksvertreterinnen und -vertreter im Ausland geboren, während es in Gesamtschweden 19,7 Prozent sind.
Die indigenen Samen haben in Schweden - wie auch in Finnland und Norwegen - ein eigenes Parlament. Der Sametinget ist sowohl eine gewählte Volksvertretung als auch eine staatliche Behörde und soll eine gelebte samische Kultur sicherstellen. Unter anderem ist er offiziell für die Rentierhaltung zuständig.
Berlin (epd). Bluttests für Schwangere auf ein Down-Syndrom beim Kind werden künftig von den Krankenkassen bezahlt. Der Gemeinsame Bundesausschuss im Gesundheitswesen (G-BA) hat dazu am 19. August in Berlin den letzten, noch notwendigen Beschluss gefasst und die Versicherteninformation gebilligt. Die Broschüre wird künftig fester Bestandteil der ärztlichen Beratung sein. Ihre Fertigstellung war Bedingung, dass der bereits im September 2019 gefasste G-BA-Beschluss umgesetzt werden kann, die Gentests künftig in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen.
Die Versicherteninformation klärt die werdenden Eltern über die Tests (nicht-invasive Pränatal-Tests NIPT) auf. Außer einem Down-Syndrom (Trisomie 21) können damit auch die selteneren und schwerwiegenderen Trisomien 13 und 18 festgestellt werden. Die Gentests sollen keine Routineuntersuchung werden. Sie sollen nur im Einzelfall eingesetzt werden nach einer gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt gefällten Entscheidung oder wenn sich aus anderen Untersuchungen der Hinweis auf eine Trisomie ergeben hat.
Der Gentest erkennt am Blut der Schwangeren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, ob das Kind eine Trisomie hat. Bis zur Zulassung der Tests im Jahr 2012 war das nur über eine Fruchtwasser- oder Plazentauntersuchung möglich, die jeweils ein hohes Risiko für Fehlgeburten bergen. Diese sogenannten invasiven Untersuchungen werden von den Krankenkassen bezahlt, der risikoarme, nicht-invasive Bluttest hingegen bislang nicht.
Der Vorsitzende des Bundesausschusses, Josef Hecken, erklärte, es sei rational und medizinisch richtig, schwangeren Frauen, denen das Wissen um eine mögliche Trisomie bei ihrem Kind wichtig sei, eine sichere Alternative anzubieten. Der Bundesausschuss hatte mehrere Jahre über die Entscheidung beraten. Hecken seinerseits hatte die Politik aufgefordert, zu der auch ethisch bedeutsamen Frage Stellung zu beziehen.
Zuletzt hatten Bundestagsabgeordnete fast aller Fraktionen im Mai noch einen Anlauf unternommen, die Beratung vor und - bei einem positiven Ergebnis - auch nach einem Test verpflichtend zu machen. Die Gentests waren und sind politisch umstritten, weil sie die Feststellung einer Trisomie erleichtern. Vor allem Behindertenverbände sind gegen den Test als Kassenleistung. Sie sehen die Gefahr, dass kaum noch Kinder mit einem Down-Syndrom zur Welt gebracht werden.
In der Broschüre, die alle Schwangeren künftig ausgehändigt bekommen, die einen solchen Gentest wollen, wird betont, dass er nicht zu den allgemein empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen gehört. Die werdenden Eltern werden gebeten, sich vorher damit zu beschäftigen, was sie bei einem auffälligen Testergebnis tun wollen. Außerdem werden sie darüber aufgeklärt, wie häufig oder selten Trisomien vorkommen, welche Fehleranfälligkeit die Tests haben, an welche Beratungsstellen sie sich wenden können und wo sie Hilfe bekommen, wenn sie sich für ein behindertes Kind entscheiden.
Die Tests werden nach Angaben des Gemeinsamen Bundesausschusses frühestens ab dem Frühjahr 2022 Kassenleistung sein. Wenn das Bundesgesundheitsministerium den Beschluss nicht beanstandet, wovon auszugehen ist, haben anschließend Krankenkassen und Ärzteverbände ein halbes Jahr Zeit, die Honorierung für die Tests auszuhandeln.
Köln (epd). Im Gespräch mit dem Evangelische Pressedienst (epd) spricht der ehemalige Hochschulprofessor Butterwegge auch darüber, was Armut in Deutschland bedeutet, welche Folgen beengtes Wohnen hat und wie sich soziale Ausgrenzung manifestiert. Und er zeigt auch den Zusammenhang von Klima- und Sozialpolitik auf. Die Fragen stellte Franziska Jünger.
epd sozial: Herr Butterwegge, man könnte meinen, Corona ist kein Virus der Ungleichheit, weil es uns alle trifft und beeinflusst. Ganz so ist es aber nicht, oder?
Christoph Butterwegge: Nicht das Virus erzeugt Ungleichheit, sondern die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die Wohn-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind extrem unterschiedlich. Ein Virus, das alle Menschen gleich schlecht behandelt, trifft auf soziale Ungleichheiten, die dadurch klarer zutage treten. Das halte ich übrigens für positiv an der Pandemie: Vielen Menschen ist durch sie erst bewusst geworden, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob ein Kind im Eigenheim der Eltern mit Garten aufwächst und wie selbstverständlich digitale Endgeräte zur Verfügung hat, oder ob es mit seiner Familie in einer Zwei- oder Dreizimmerwohnung ohne Balkon lebt und sich den Computer mit Eltern und Geschwistern teilen muss. Dass dies sehr ungleiche Bildungschancen der betreffenden Kinder und Jugendlichen nach sich zieht, lässt sich nicht mehr leugnen.
Die Pandemie hat die soziale Ungleichheit aber nicht nur deutlicher erkennbar gemacht, sondern sie auch verschärft. Das betrifft beispielsweise Wohnungs- und Obdachlose, die nicht zuhause bleiben konnten, oder Werksvertragsarbeiter in der Fleischindustrie, die sich sowohl an ihrem Arbeitsplatz als auch in ihren Gemeinschaftsunterkünften leichter anstecken konnten.
epd: Soziale Ungleichheit ist erst einmal ein sehr abstrakter Begriff: In welchen Bereichen des Lebens ist diese Ungleichheit denn besonders ausgeprägt und sichtbar?
Butterwegge: Grundlegend sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Vor allem die Vermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt. Auf der einen Seite gibt es so viele reiche Kinder wie noch nie. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung besitzen 45 Familien in Deutschland so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung - mehr als 40 Millionen Menschen. Auf der anderen Seite leben etwa 1,9 Millionen Kinder von 13,6 Millionen in sogenannten Hartz-IV-Familien. Da gibt es kein Vermögen, höchstens negatives, also Schulden.
Ähnlich ungleich wie Einkommen und Vermögen sind die Bildungschancen der Kinder verteilt. Das gilt auch für ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen. Ein immer noch unterschätzter Lebensbereich ist aus meiner Sicht das Wohnen. Eine Familie, die im 25. Stock eines Hochhauses am Stadtrand lebt, wohnt da natürlich nicht der Aussicht wegen, sondern weil sie nur wenig Geld hat und dort die Miete niedrig ist. Wer an einer Schnellstraße und in beengten Wohnverhältnissen ohne eigenes Zimmer aufwächst, hat eine geringere Lebenserwartung. In einem Nobelstadtteil mit von privaten Sicherheitsdiensten bewachten Villen kann höchstens der Gärtner oder die Haushälterin das Coronavirus einschleppen.
epd: Wann ist denn ein Mensch in Deutschland arm? Woran bemisst sich das?
Butterwegge: Es werden meistens zwei Messlatten angelegt. Eine ist der Bezug von Sozialtransfers. Würde man diese erhöhen, gäbe es aber mehr Kinder im Hartz-IV-Bezug, weil sie dann mehr Eltern beantragen könnten. Deswegen ist die andere Messlatte geeigneter: Nach einer Konvention der Europäischen Union ist armutsbedroht, wer in einem Mitgliedsland weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Nach Zahlen von 2019, also vor der Pandemie, ist das bei einem Alleinstehenden in Deutschland der Fall, wenn er weniger als 1.074 Euro im Monat zur Verfügung hat. Hat ein Paar zwei Kinder unter 14 Jahren, liegt die Armutsrisikoschwelle der Familie bei 2.255 Euro. Rund 2,8 Millionen Kinder unter 18 Jahren wachsen in Familien auf, die armutsbedroht oder einkommensarm sind.
epd: Armut in Deutschland ist also natürlich etwas ganz anderes als in anderen Teilen der Erde. Ist sie deswegen weniger schlimm?
Butterwegge: Armut in einem reichen Land kann erniedrigender, demütigender und deprimierender sein als Armut in einem armen Land. Zwar muss jemand, der Hartz IV bezieht, nicht hungern oder gar verhungern. Aber er wird von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt, ausgegrenzt und verachtet, fühlt sich deshalb meist als Loser, schämt und versteckt sich.
Absolut arm ist jemand, der seine Grundbedürfnisse nicht befriedigen kann - also Hunger, kein sicheres Trinkwasser, kein Obdach, keine angemessene Kleidung oder medizinische Grundversorgung hat. Das gibt es auch in Deutschland, obwohl bei uns so getan wird, als gäbe es nur relative Armut. Relativ arm ist jemand, der seine Grundbedürfnisse befriedigen kann, sich aber vieles von dem nicht leisten kann, was in einer so reichen Gesellschaft wie unserer als normal gilt - Freunde einzuladen und mal ins Kino, Theater oder Restaurant zu gehen.
epd: Welche Kinder und Familien sind denn besonders von dieser Armut betroffen?
Butterwegge: Nach dem EU-Kriterium stehen an der Spitze der Hauptrisikogruppen die Arbeitslosen mit einem Armutsrisiko von über 57 Prozent. Bei Alleinerziehenden sind es über 42 Prozent und bei Menschen ohne deutschen Pass über 35 Prozent. Wenn eine alleinerziehende Mutter ohne Arbeit zwei und mehr Kinder hat, liegt ihr Armutsrisiko sogar über 60 Prozent. Das hat dann Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit und Wohnsituation der Kinder.
epd: Durch ehrenamtliches und karitatives Engagement versuchen privilegiertere Menschen ärmeren zu helfen. Sie beschreiben in Ihrem Buch am Beispiel der Lebensmitteltafeln, dass dies auch problematisch sein kann. Wieso?
Butterwegge: Zivilgesellschaftliches Engagement beseitigt nicht die Ursachen des Problems. Wenn man als Ehrenamtler bei einer Lebensmitteltafel hilft, ist das zwar aller Ehren wert, ändert jedoch nichts an den für Armut und soziale Ungleichheit verantwortlichen Strukturen. Man geht also nicht an die Wurzel des Übels, sondern erleichtert es den politischen Verantwortlichen sogar, sich ihrer Verantwortung zu entledigen und den Sozialstaat rückzubauen. Würden die Deutschen aus einem Volk der Dichter und Denker zu einem Volk der Stifter und Schenker, könnten Wohlhabende und Reiche entscheiden, welchen Armen wie geholfen wird und wohin sich die Gesellschaft als ganze entwickelt. Dafür gibt es aber demokratisch legitimierte Gremien. Karitatives Engagement kann den Sozialstaat ergänzen, darf ihn aber nicht ersetzen.
epd: Was kann und sollte denn aus Ihrer Sicht konkret auf politischer Ebene gegen die Ungleichheit und Armut von Kindern getan werden?
Butterwegge: Kinder sind arm, weil ihre Eltern arm sind. Man muss daher bei den Eltern anfangen und deren Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern. Wenn man das tut, verbessert sich auch das Leben der Kinder. Mein erster Punkt: Nötig ist ein sehr viel höherer Mindestlohn, der weit mehr als zwölf Euro betragen sollte. Beim derzeit geltenden Mindestlohn von 9,60 Euro brutto pro Stunde kann man selbst in Vollzeit keine Familie ernähren.
Der zweite Punkt betrifft eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle Wohnbürger einzahlen, auch Freiberufler, Selbstständige, Beamte, Abgeordnete und Minister. Auf alle Einkünfte müssten Beiträge erhoben werden, nicht nur auf Löhne und Gehälter, sondern auch auf Kapitaleinkünfte, Zinsen und Dividenden oder Mieterlöse. Dann hätte man den Sozialstaat auf eine solide finanzielle Grundlage gestellt und könnte darin eine soziale Grundsicherung einlassen, die anders als Hartz IV armutsfest, bedarfsgerecht und repressionsfrei ist, also ohne Sanktionen auskommt. Das von den meisten Anspruchsberechtigten gar nicht beantragte, weil bürokratische Bildungs- und Teilhabepaket gehört abgeschafft. Dafür müssten insbesondere die Kinderregelsätze deutlich erhöht werden.
Drittens: Wenn man die Wohlhabenden, Reichen und Hyperreichen höher besteuern würde, ließe sich die Zahl der armen Kinder reduzieren. Kapital- und Gewinnsteuern sind seit Jahrzehnten auf Talfahrt. Damit der Staat die soziale, Bildungs- und Betreuungsstruktur ausbauen kann, müssen sie wieder auf das frühere Niveau gebracht werden. Armutsbekämpfung ist teuer, aber ebenso dringlich wie der Klimaschutz.
epd: Mit Blick auf die Bundestagswahl: Welche Rolle werden da aus Ihrer Sicht Fragen von Armut und Reichtum spielen? Hängen sie mit der Klimafrage zusammen?
Butterwegge: Klima- lässt sich nicht ohne Sozialschutz gewährleisten und umgekehrt. Zwar kann der Kapitalismus „grüner“ werden, aber einen grünen Kapitalismus wird es nicht geben, weil die soziale Ungleichheit ökologische Nachhaltigkeit verhindert. So lange hohe Gewinne locken, so lange wird auch Raubbau an Arbeitskräften und an der Natur stattfinden, gerade im Finanzmarktkapitalismus. In der „Fridays-for-Future“-Bewegung zieht man daraus die Schlussfolgerung, dass die Klimawende einen Systemwechsel erfordert. Um das Klima wirksam zu schützen und die drohende Klimakatastrophe abzuwenden, muss man an die bestehenden Wirtschaftsstrukturen heran. Denn sie erzeugen immer wieder Armut und Reichtum.
epd: Zuletzt gab es viel Streit, darum wie der Klimaschutz sozialverträglich gestaltet werden kann. Wie kann das aus Ihrer Sicht gelingen?
Butterwegge: Ungeeignet ist die Scheinlösung der Union, die Entfernungspauschale anzuheben. Davon würden nur Menschen profitieren, die Einkommensteuer zahlen. Wer das nicht tut, weil er zu wenig verdient, hat gar nichts davon. Der Manager, der weite Wege zur Arbeit fährt, hat mehr davon als der pendelnde Geringverdiener, dem ein steigender Benzinpreis zusetzt. Das Energiegeld der Grünen ist gerechter, erinnert aber fatal an das bedingungslose Grundeinkommen - Sozialpolitik nach dem Gießkannenprinzip. Über allen den gleichen Geldbetrag auszugießen, ist nicht gerecht. Damit es gerecht zugeht, muss man Gleiche gleich und Ungleiche ungleich behandeln, wie schon die griechischen Philosophen der Antike wussten.
epd: Was schlagen Sie vor?
Butterwegge: Ich wünsche mir unabhängig vom Benzinpreis - denn die meisten Armen haben ja gar kein Auto - eine Regierungspolitik, die Ärmere besserstellt. Dann könnten sie auch leichter höhere Strom- und Energiepreise zahlen. Wenn man die Energiearmut der Familien bekämpft und beim Hartz-IV-Satz den für Strom gedachten Betrag erhöht, würde das den Armen jedenfalls mehr nützen, als wenn man die Entfernungspauschale anhebt. Manches, was die etablierten Parteien und ihre Spitzenpolitiker vorschlagen, ist halbherzig oder heuchlerisch. Wie man aus der Flutkatastrophe dieses Sommers zwar den Schluss ziehen kann, dass „mehr Tempo beim Klimaschutz“ (Armin Laschet) nötig ist, ohne ein Tempolimit auf den Autobahnen vorzusehen, erschließt sich mir nicht. Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, kommt auch um Verbote und schärfere Auflagen nicht herum. Verbote sind im Prinzip gerechter als drastische Preiserhöhungen, weil Arme darunter leiden und Reiche darüber lachen.
Gießen (epd). Die Freiheitsrechte von ungeimpften Menschen in der Pandemie unabhängig von einem Corona-Testergebnis einzuschränken, ist nach Meinung des Verfassungsrechtlers Steffen Augsberg nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch Menschen gibt, die sich nicht gegen das Sars-CoV-2-Virus impfen lassen können, wie etwa Kinder oder immungeschwächte Personen“, sagte der Gießener Jura-Professor und Mitglied im Deutschen Ethikrat dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem könnten auch Geimpfte das Virus weiterverbreiten.
Statt pauschal nur Geimpften und Genesenen den Zugang etwa zu Fitnessstudios oder Restaurants zu erlauben, müsse genauer hingeschaut werden, wie hoch das Ansteckungsrisiko bei einzelnen Personengruppen ist, sagte er. Auch regional unterschiedlich hohe Inzidenzen könnten berücksichtigt werden. Daran müssten sich die zu treffenden, differenzierten Gesundheitsmaßnahmen orientieren. Man müsse mehr ausprobieren, wie ein Leben mit dem Coronavirus möglich sei.
Auf die reduzierte Infektiosität von Genesenen und Geimpften zu reagieren sei zwar richtig, für verfassungsrechtlich problematisch hält Augsberg aber pauschale Beschränkungen für Ungeimpfte trotz negativen Corona-Tests. Allerdings müsse unterschieden werden zwischen sachlich begründeten Ungleichbehandlungen und einem bewusst eingeführten, mittelbaren Impfzwang, sagte Augsberg.
Nach der 3G-Regel, die Bund und Länder in der vergangenen Woche beschlossen hatten, haben neben Geimpften und Genesenen auch negativ Getestete Zugang zu Aktivitäten in Innenräumen - etwa in Fitnessstudios oder in Restaurants. Es gibt aber bereits Diskussionen, ab Herbst nur noch Geimpften und Genesenen (also 2G) Zutritt zu öffentlichen Orten zu erlauben. Eine überzeugende Strategie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sieht Augsberg darin nicht. „Man vertraut auf Biegen und Brechen auf den Erfolg der Impfung“, sagte der Jurist.
Es müsse viel genauer geprüft werden, welche Maßnahmen wo und bei welchen Personengruppen verhältnismäßig seien, forderte der Verfassungsrechtler. Gerade angesichts einer hohen Impfquote in der Bevölkerung seien drastische Freiheitseinschränkungen bei Ungeimpften nicht einfach zu begründen.
Das Virus werde auch in Zukunft in unserer Gesellschaft vorhanden sein. „Wir haben bislang aber nicht hinreichend geklärt, welche Risiken wir überhaupt dabei akzeptieren wollen. Jeden einzelnen Toten werden wir nicht verhindern können,“ sagte Augsberg.
Bielefeld (epd). Mehr Deutsche stimmen einer neuen Studie zufolge einer Willkommenskultur gegenüber Einwanderern zu, äußern jedoch zunehmend Vorbehalte gegenüber einer Beibehaltung kultureller Eigenheiten der Migranten. Eine grundsätzliche Offenheit gegenüber Einwanderung bedinge nicht mehr zwingend eine positive Integrationseinstellung, erklärte der Konfliktforscher Andreas Zick am 16. August in Bielefeld bei der Vorstellung der Untersuchung „Zugleich - Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit“. Sichtbare Zeichen kultureller Differenz wie etwa Moscheen oder Koranschulen dürften zwar in Deutschland sein, sollten aber nicht auffallen, meinen demnach fast zwei Drittel der Befragten.
Laut der von einem Forschungsteam der Universität Bielefeld realisierten Befragung stimmt mit 55 Prozent erstmals über die Hälfte der Befragten der Willkommenskultur zu - zwischen 2014 und 2018 hatte der Wert jeweils bei oder unter 40 Prozent gelegen. Andererseits sagen immer weniger Menschen in Deutschland Ja zur Integration von Einwanderern: Waren es 2014 noch 60 Prozent, äußerten dies 2020 nur noch 48 Prozent.
Ein knappes Drittel der Bevölkerung verlangt demnach von den Migranten eine Assimilation unter Aufgabe kultureller Besonderheiten. Zugleich plädieren über 70 Prozent für eine gesellschaftliche Teilhabe der Neuankömmlinge. Laut der Studie ist der Wunsch von Migranten, kulturelle Eigenarten beizubehalten, kein Zeichen von Abschottung: Nur fünf Prozent der Befragten mit Einwanderungsgeschichte identifizierten sich alleine nach ihrer Herkunft, 72 Prozent verstünden sich als deutsch, eher deutsch oder hätten zwei Identitäten, hieß es weiter.
Studienleiter Zick plädierte dafür, kulturelle Vielfalt sichtbarer zu machen und deren Akzeptanz durch Migrationsbildung, Einbürgerungen und die Stärkung von Migrantenorganisationen zu fördern. „Die Frage der Akzeptanz kultureller Eigenheiten und Identitäten ist für die Integration genauso entscheidend wie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch Arbeit und Bildung“, sagte der Hochschullehrer. In Deutschland müsse so etwas wie eine „Ankommenskultur“ entstehen.
Als Kriterien für eine Zugehörigkeit von Einwanderern zu Deutschland nannten die Befragten der Studie zufolge vor allem das Beherrschen der deutschen Sprache (94 Prozent), gefolgt von der Achtung der politischen Institutionen und Werte (93 Prozent) und eine Erwerbstätigkeit (86 Prozent). Weniger bedeutsam waren Eigenschaften wie „Christ sein“ mit 27 Prozent oder in Deutschland geboren zu sein mit 26 Prozent. Im Vergleich zu 2014 legten die Bürger die Messlatte für die Integration insgesamt höher, betonte Zick. Befragte, die seit mehr als fünf Jahren in Deutschland leben, hätten ähnliche oder gar „härtere“ Kriterien als Menschen ohne Migrationsgeschichte.
In Deutschland herrsche nach wie vor eine „sehr konservative Vorstellung“ von Einwanderung, erklärte der Sozialpsychologe Zick. Immigration werde immer noch als Angleichung an die Normen der Alteingesessenen verstanden - anders als in klassischen Einwanderungsländern wie etwa Kanada. Die Zukunft der Migration müsse dauerhaft „oben auf der Agenda der Politik bleiben“, forderte der Forscher: „Wir brauchen Antworten, aber leider ist Migration im Bundestagswahlkampf kein Thema.“
Für die Studie wurden den Angaben zufolge zwischen November 2020 und Januar 2021 insgesamt 2.005 Menschen telefonisch befragt. 71 Prozent davon seien in Deutschland geboren, 32 Prozent (646 Personen) hätten selbst eine Einwanderungsgeschichte, hieß es. Für die von der Essener Stiftung Mercator geförderte Langzeitstudie werden seit 2014 alle zwei Jahre neue Daten erhoben.
Köln (epd). Heiraten hat häufig weitreichendere rechtliche Konsequenzen als viele Brautpaare wissen: Daher sollten Standesämter nach Meinung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) potenzielle Ehepartner vor der Eheschließung genauer beraten. „Die Ehe ist ein Vertrag, und die Vertragspartner sollten wissen, was drin steht“, sagte der IW-Experte für Familienpolitik, Wido Geis-Thöne, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Es sei gut, sich etwa Regelungen über einen eventuellen Unterhaltsanspruch im Falle eine Trennung Gedenken zu machen, bevor Ehepartner möglicherweise zerstritten seien, sagte Geis-Thöne.
Das arbeitgebernahe IW hat jüngst einen Report veröffentlicht. Demnach setzt sich der Bedeutungsverlust der Ehe weiter fort, wenngleich jüngere Erwachsene wieder häufiger der Meinung sind, dass dauerhaft zusammenlebende Paare heiraten sollten. Geis-Thöne, Autor der Untersuchung, kommt zu dem Schluss, dass die Ehe vor allem für Paare mit Kindern attraktiver ist. Sie gelte nach wie vor als Versorgungsgemeinschaft, die Vorteile würden deutlich wahrgenommen - etwa bei möglichen Steuervorteilen durch das Ehegattensplitting.
Das Institut der deutschen Wirtschaft fordert jedoch, über Änderungen bei der Besteuerung von Ehepartnern nachzudenken. Oft würden damit negative Anreize für eine Erwerbstätigkeit des Ehepartners gesetzt. Dies betreffe häufig Frauen, da sie oft immer noch weniger verdienen als der Ehepartner und häufiger aus Gründen der Kinderbetreuung zu Hause blieben. Ein weiterer negativer Anreiz sei die beitragslose Mitversicherung des Ehepartners in der Sozialversicherung.
Geis-Thöne sagte, in der Fachwelt gebe es seit längerem die Auffassung, bei der Steuergesetzgebung stärker auf eine Familienförderung zu setzen. Das IW regt zudem an, die Rechte von Eltern, die nicht verheiratet sind, weiterzuentwickeln. Das Elternteil, das in einer ehelosen Partnerschaft weniger oder gar nicht arbeite, um die Kinder zu betreuen, habe bei einer Trennung nicht dieselben Ansprüche auf Versorgungs- und Vermögensausgleich wie verheiratete Elternteile. Diese Ansprüche müssten rechtlich festgelegt werden.
Bonn/Bad Neuenahr (epd). Ihr Auto konnte die junge Frau noch vor dem Hochwasser retten. Geld für eine Tankfüllung hat sie allerdings nicht mehr, weil ihr gesamtes Hab und Gut in den Fluten untergegangen ist. Wie soll sie nun zur Arbeit kommen? Gabriele Diener und Christiane Reiferscheid von der Sozialberatungsstelle des Diakonischen Werks Bonn und Region in Swisttal-Heimerzheim begegnen in diesen Tagen vielen Menschen, denen es am Nötigsten fehlt. Da ist etwa der Mann, der auf der Flucht vor dem Hochwasser keine Zeit mehr hatte, sich Schuhe anzuziehen. Nur mit Schlappen an den Füßen kam er in die Beratungsstelle. „Der Mann brauchte dringend richtige Schuhe, damit er überhaupt anfangen konnte, den Schlamm wegzuräumen“, sagt Diener.
„Die Menschen wissen oft nicht mehr weiter“, berichtet auch Richard Stahl, Geschäftsführer der Caritas-Geschäftsstelle in Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Manchmal brauchen sie Geld für eine neue SIM-Karte oder ein Werkzeug.“ Mit den Spendengeldern, die Caritas und Diakonie in den vergangenen Wochen gesammelt haben, können die Hilfsorganisationen jetzt zumindest solche akuten Notlagen zu lindern. „Schon 100 Euro können in dieser Situation für die Menschen einen großen Unterschied machen“, sagt Sozialberaterin Diener.
Für viele Menschen, denen es bis zur Flutnacht materiell gut ging, sei das eine bittere Erfahrung, erklärt die Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Euskirchen, Nadine Günther-Merzenich. „Den meisten Menschen sieht man an, dass sie es nicht gewohnt sind, um Hilfe zu bitten und dass ihnen das schwer fällt.“ Viele, die im Hochwasser alles verloren haben, seien seitdem auf die Notversorgung angewiesen. „Die Menschen sind unglaublich dankbar, dass sie mit dem Geld erstmals wieder selbst etwas einkaufen können,“ beobachtet Günther-Merzenich. Die Soforthilfe werde nach einem Beratungsgespräch unbürokratisch ausgezahlt, betonen Diakonie und Caritas.
„Wir befinden uns in einer Phase der absoluten Not, in der schnell geholfen werden muss“, erklärt Helga Siemens-Weibring, Beauftragte für Sozialpolitik der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Deshalb könnten die Anträge auch ohne großen Aufwand gestellt werden. Bislang habe die Diakonie rund 1,6 Millionen Euro an Soforthilfen für die Flutopfer ausgezahlt. Sobald es nicht mehr um akute Nothilfe, sondern um den Wiederaufbau gehe, müsse aber aufwendiger geprüft werden, kündigt Siemens-Weibring an. Derzeit befindet sich ein Spendenmanagement-System im Aufbau, an das alle Spendenorganisationen Zuwendungen melden, um Missbrauch vorzubeugen.
Auch bei anderen Spendenorganisationen ist die Soforthilfe angelaufen. Die Johanniter-Unfall-Hilfe etwa überwies nach eigenen Angaben an Haushalte im Landkreis Ahrweiler bereits Spenden in Höhe von insgesamt rund 1,3 Millionen Euro. Auch Bezirksverbände der Arbeiterwohlfahrt (AWO) haben mit der Ausschüttung der Spenden begonnen. Nach Angaben des AWO Bundesverbandes werden die Soforthilfen in Höhe von 500 bis 5.000 Euro nach Prüfung der Bedürftigkeit überwiesen. Beim Malteser Hilfsdienst und dem Arbeiter-Samariter-Bund werde die Verteilung der Soforthilfen derzeit vorbereitet, erklärten die Organisationen.
Es gehe aber nicht nur darum, den Flutopfern Geld in die Hand zu drücken, betont Caritas-Geschäftsführer Stahl. „Die Menschen haben den Kopf voll und ein großes Bedürfnis zu reden.“ Sie berichteten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von ihren dramatischen Erlebnissen, etwa der Flucht auf das Dach und dem verzweifelten Warten auf Hilfe. „Wir sind eine Mischung aus Seelsorge und Finanzhilfe“, sagt auch die Swisttaler Sozialberaterin Christiane Reiferscheid. Neben den materiellen Problemen sei den Betroffenen oftmals ihre Zukunftsperspektive weggebrochen. „Bei vielen droht der Verlust des Arbeitsplatzes.“ Da sei etwa die Mitarbeiterin eines Altenheims an der Ahr. Niemand weiß, ob es für ihr überschwemmtes Haus eine Zukunft gibt. Auch viele Geschäfte sind durch die Flut so zerstört, dass oft unklar ist, ob sie je wieder öffnen werden.
Ein großes Problem sei auch der Mangel an Wohnungen, berichten die Berater und Beraterinnen von Diakonie und Caritas an Ahr und Swist. Sie versuchen nun zu helfen, indem sie Wohnungsbörsen und Informationsnetzwerke aufbauen. „Es wird langfristig Beratung für die Menschen notwendig sein“, ist sich Stahl sicher.
Berlin (epd). „Akut gilt es, die Nachbarländer Afghanistans mit den Folgen der Fluchtbewegungen nicht allein zu lassen, indem Aufnahmeprogramme für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge geschaffen und finanziell abgesichert werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes, Jens M. Schubert, am 17. August in Berlin. Parallel müsse Deutschland Programme ins Leben rufen, die die dauerhafte Neuansiedlung der langfristig gefährdeten Menschen in sicheren Gebieten außerhalb Afghanistans ermöglichten. „Angesichts der deutschen Aktivitäten der letzten zwei Jahrzehnte in Afghanistan stehen wir hier in einer Verantwortung, der wir uns nicht entziehen dürfen.“
Bis zum frühen Morgen des 19. August hat die Bundeswehr 900 deutsche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte aus Kabul nach Taschkent im benachbarten Usbekistan ausgeflogen.
Während sich mehrere Bundesländer bereits auf den Zuzug von Flüchtlingen aus Afghanistan vorbereiten, wollte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zunächst mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) über mögliche Hilfen austauschen. Bei einem Gespräch mit UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi am 17. August ging es auch um Unterstützung in der Region. „Bevor man über Kontingente spricht, muss man erstmal über sichere Möglichkeiten für Flüchtlinge in der Nachbarschaft von Afghanistan reden“, sagte Merkel. In einem zweiten Schritt könne man darüber nachdenken, „ob besonders betroffene Personen kontrolliert und auch unterstützt nach Europa und in die europäischen Länder kommen“.
Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und der Diakonie Katastrophenhilfe, verwies auf die bereits seit Jahren prekären Verhältnisse in Afghanistan. „Schon vor der Machtübernahme der Taliban waren die Lebensumstände vieler Menschen in Afghanistan verzweifelt. Elf Millionen Menschen litten unter Hunger, mindestens 390.000 Menschen wurden seit Jahresbeginn vertrieben.“ Leider müsse man davon ausgehen, dass sich die Not jetzt weiter verschärfe. „Wir werden alles dafür tun, dass wir unsere humanitären Hilfsprojekte im Land fortführen können“, so Pruin.
Für die Diakonie sagte Präsident Ulrich Lilie, Anrainerstaaten wie die Türkei, Pakistan und der Iran brauchten Unterstützung, damit sie Menschen aufnehmen und mit dem Nötigsten versorgen könnten. „Perspektivisch müssen Resettlement-Programme zur Aufnahme in der gesamten EU und natürlich auch in Deutschland entstehen.“ Niemand müsse vor der neuen Aufnahme von Geflüchteten Befürchtungen haben. „Etliche erfolgreiche Projekte haben gezeigt: Die Integration von Geflüchteten gelingt, sie ist aber kein Selbstläufer. Dazu braucht es Geduld, Engagement und einen langen Atem - auch in der Politik.“
„Für Bürokratie und deutsche Ordnungsliebe ist schlicht keine Zeit. Jetzt gilt es wirklich allen bedrohten Menschen ohne Ansehen des Status so schnell wie möglich, unbürokratisch und engagiert zu helfen“, forderte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Deniz Greschner, Sprecherin des Forums der MigrantInnen im Paritätischen, mahnte: "Aus 2015 zu lernen, heißt ausreichende, sichere Fluchtwege für die Geflüchteten zu eröffnen und die Grenzen in Europa für sie offen zu halten.” Der Verband mahnte, dass es auch bei steigenden Flüchtlingszahlen keine Grenzschließungen geben dürfe, um katastrophale humanitären Folgen zu vermeiden.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sprach sich dafür aus, in Afghanistan humanitäre Korridore zu schaffen und zu sichern. „Über diese Korridore muss die Versorgung der notleidenden Bevölkerung durch Hilfsorganisationen aufrechterhalten werden“, sagt Karin Kortmann, Vizepräsidentin des ZdK. „Diese Korridore werden unter Umständen bald auch der einzige Weg sein, das Land auf einigermaßen sicherem Wege zu verlassen.“
Eine Petition, mit der die Hilfsorganisation Sea Eye sichere Fluchtwege fordert, hatten bis zum 19. August knapp 242.000 Personen unterzeichnet. Anrainerstaaten wie Tadschikistan oder Iran hätten jetzt eine wichtige Rolle, heißt es dort. Um geflüchtete Menschen versorgen zu können, sei Hilfe nötig, die nicht zuletzt aus Deutschland geleistet werden könne und müsse: „Die Bundesregierung muss ihre Anstrengungen an diesem Punkt verstärken. Wir müssen Vereinbarungen mit diesen Anrainerstaaten treffen. Geflüchtete müssen auch dort mit deutscher Hilfe rechnen können.“
Die Unterzeichner fordern sichere Fluchtwege: „Wenn nicht, werden die Menschen auf eigene Faust fliehen müssen. Sie werden sich durch Wüsten und Internierungslager kämpfen müssen. Sie werden sich in seeuntaugliche Boote setzen müssen und viele - darunter Kinder und Familien - werden auf dieser Flucht sterben.“ Und weiter: Über 250 Kommunen und Städte hätten sich im Bündnis „Sichere Häfen“ dazu bereit erklärt, geflüchtete Menschen aufzunehmen. „Jetzt ist es allerhöchste Zeit, dieses Angebot anzunehmen.“
Frankfurt a.M. (epd). Ulrich Lilie kritisiert, dass die Investitionen der Sozialbranche in Umwelt- und Klimaschutz unzureichend finanziert werden. „Wir haben die widersinnige Situation, dass es für Sozialunternehmen ökonomisch sinnvoller sein kann, Strom aus fossilen Energieträgern zu beziehen statt in eine Photovoltaikanlage oder in ein Blockkraftheizwerk zu investieren“, sagte der Diakoniepräsident im Interview. Mit ihm sprach Markus Jantzer.
epd sozial: Herr Lilie, Sie haben Ihrer politischen Sommerreise quer durch die Republik den Themenschwerpunkt „Nachhaltigkeit“ gegeben. Haben Sie den Eindruck, dass die bundesweit 31.600 Diakoniebetriebe deutlich mehr für den Schutz des Klimas und der Umwelt tun könnten und auch sollten?
Ulrich Lilie: Wir diskutieren in der Diakonie das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit seit Langem. Und viele Einrichtungen sind durchaus Vorreiter. Ein kritischer Punkt ist aber, dass Unternehmen der evangelischen Wohlfahrt gemeinnützige Betriebe sind und nach dem Gemeinnützigkeitsrecht keine Rücklagen für Investitionsvorhaben bilden dürfen. Wir haben dabei die widersinnige Situation, dass es für diese Unternehmen ökonomisch sinnvoller sein kann, Strom aus fossilen Energieträgern zu beziehen statt in eine Photovoltaikanlage oder in ein Blockkraftheizwerk zu investieren.
epd: Trotz dieser Schwierigkeiten haben diakonische Betriebe - jedenfalls in Teilbereichen - umgestellt auf ökologisches Wirtschaften und auf den Einkauf nachhaltiger Produkte. Welche Innovationen sind Ihnen auf ihrer Sommerreise begegnet, die nach Ihrer Ansicht nachahmenswert sind?
Lilie: Ich habe das Augustinum in München besucht und habe dort erfahren, dass der evangelische Träger die komplette Dienstbekleidung für seine Tausenden Mitarbeitenden auf ökologische und faire Produkte umgestellt hat. Die Beschäftigten tragen künftig aus Holzfasern hergestellte Kleidung. Das ist hochwertige Ware, so dass sich die Beschäftigten auch gewürdigt fühlen. Es ist zudem ein Beitrag zum Corporate Design und stärkt somit das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen. Ein anderes Beispiel ist, dass das Augustinum dazu übergegangen ist, in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung Corona-Masken herzustellen und dadurch zumindest ein wenig CO2-lastigen Import aus Fernost überflüssig macht. Dem könnten auch andere Werkstätten folgen.
epd: Wo können sich soziale Einrichtungen, die ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern wollen und dabei vielleicht von anderen Betrieben lernen wollen, umfassend informieren?
Lilie: Wir haben für solche Fragen in eigenes Referat im Bundesverband der Diakonie aufgebaut. Wir haben außerdem ein Netzwerk gebildet, in dem Diakonieunternehmen einen Arbeitskreis gebildet haben, in dem sie sich intensiv austauschen. Da machen bereits viele Betriebe mit, zum Beispiel auch die Diakonie Herzogsägmühle in Oberbayern, von der ich gerade komme. Die hat einen ökologischen Gartenbaubetrieb. Da werden jedes Jahr 43 Menschen in unterschiedlichen Berufen ausgebildet, von denen 90 Prozent anschließend in Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Die Diakonie Herzogsägmühle hat außerdem eine ökologische Viehwirtschaft, die Restaurants in der Region Fleisch mit Naturland-Zertifikaten verkauft. Es geht also hier, wie auch in anderen diakonischen Betrieben, nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch um soziale Nachhaltigkeit.
epd: Was meinen Sie damit?
Lilie: Wenn es gelingt, Menschen aus ökologisch ausgerichteten Sozialbetrieben in reguäre Jobs zu vermitteln, dann hat das einen doppelt positiven Effekt. Oder wenn Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam ökologischen Gartenbau betreiben, dann hat das eben auch einen sozialen und gesellschaftlichen Mehrwert. Das zeigt, dass nachhaltiges Wirtschaften als Anforderung an Sozialbetriebe nun auch in das Sozialgesetzbuch aufgenommen werden muss - freilich verbunden mit einer Verpflichtung der öffentlichen Kassen, eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen.
epd: Dann könnten sich Sozialbetriebe darauf verlassen, dass sich ihr ökologisches Engagement auch rechnet?
Lilie: Um das zu gewährleisten, müssen Finanzierungsinstrumente entwickelt werden. Hier sind wir mit dem Bundessozialministerium im engen Austausch. Wir müssen dahin kommen, dass Investitionen etwa in energieeffiziente Immobilien refinanziert werden. Dabei müssten zum Beispiel die erreichte Energieersparnis oder auch andere positive ökologische Effekte explizit bei der Kalkulation berücksichtigt werden.
epd: Wie schätzen Sie die Bereitschaft zur ökologischen Wende bei den Leitungskräften von Sozialbetrieben ein?
Lilie: In der Sozialbranche gibt es viele, die die sozialökologische Transformation wollen und sie auch mit mehr Geschwindigkeit als bisher in den eigenen Betrieben hinbekommen wollen. Sie sind eben grundsätzlich nicht gewinnorientiert, sondern wollen einen Mehrwert schaffen.
Um die heutige Misere in der Pflege zu verstehen, muss man zurückblicken: Nach jahrelangen Diskussionen über Pflegenotstand und steigende kommunale Sozialhilfeausgaben wurde 1994 die Pflegeversicherung in nur wenigen Wochen aus dem Boden gestampft. Das hat bis heute schwerwiegende Folgen. Denn die meisten Knackpunkte aus der damaligen Debatte sind auch nach fast 30 Jahren aktuell.
Gerade die Einführung des Pflegegeldes sollte die häusliche Versorgung stärken ganz nach dem Leitsatz „ambulant vor stationär“. Ebenso ging es um zumutbare Eigenanteile der Pflegeheimbewohner, die besonderen Anforderungen an die Versorgung dementer Menschen, die Aufwertung des Altenpflegeberufs und eine generationsgerechte Lösung. Vieles ist auch nach zig Pflegereformen noch offen.
Bis heute fehlen dynamisierende Leistungsbeträge der Pflegekassen. Leidtragende bleiben die Pflegebedürftigen, die immer tiefer in die eigene Tasche greifen müssen. Die Achillesferse ist das Konzept der festen Zuschüsse. Denn im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung werden nur von der Bundesregierung definierte Festbeträge gezahlt. Hier von einer Teilkasko-Versicherung zu sprechen, führt in die Irre.
Angesichts dynamischer Ausgaben ist vorhersehbar, dass immer mehr Leistungsbezieher in die Armut rutschen. Unter diesen Prämissen bleibt es unkalkulierbar, Vorsorge zu treffen. Daran will auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) grundsätzlich nichts ändern, obwohl sich die prekäre Lage der rund vier Millionen Pflegedürftigen weiter verschärft. Seit seinem Amtseintritt erhöhten sich die Zuzahlungen für Pflege, Kost und Logis sowie Investitionen um 13 Prozent.
Doch die notwendigen Gehaltsanpassungen sind nur ein Aspekt. Hinzu kommt, dass die Länder ihre Verpflichtung oft ignorieren, die Investitionskosten in den Pflegeheimen zu tragen. Die Ära Spahn hat allein den Eigenanteil an den reinen Pflegekosten um mehr als die Hälfte steigen lassen.
Somit sollte es niemanden wundern, dass die Sozialhilfeausgaben für Pflegebedürftige seit 25 Jahren noch nie so hoch waren wie jetzt. Allein 320.000 Pflegeheimbewohner konnten 2019 ihren Platz nicht aus eigener Kraft finanzieren. Da hilft auch nicht, dass durch die Erhöhung der Belastungsgrenze auf 100.000 Euro nur wenige Angehörige zur Kasse gebeten werden. Denn der Pflegebedürftige selbst wird in seinen letzten Lebensjahren geschröpft bis er seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Auch die Entlastung von pflegenden Angehörigen bleibt aus.
Pflege und Beruf sind nach wie vor kaum in Einklang zu bringen. Ein ausreichendes, finanzielles Sicherungsnetz für den größten Pflegedienst Deutschlands gibt es nicht. Überfällig ist eine staatlich finanzierte Lohnersatzleistung ähnlich dem Elterngeld.
Daneben fehlen viel zu oft praktische Entlastungsmöglichkeiten. Tagespflege, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege sind Mangelware. Die Corona-Pandemie hat diese Situation drastisch verschärft. Statt die dringend benötigte Unterstützung für pflegende Angehörigen auszubauen, sieht der aktuelle Arbeitsentwurf zur Pflegereform hier sogar empfindliche Kürzungen vor. Etwa wenn der Betroffene zusätzliche Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes braucht und dafür mindestens die Hälfte seines Pflegekassenzuschusses verwenden muss. Verhindert werden sollen Fehlanreize durch die Kombination unterschiedlicher ambulanter und teilstationärer Leistungen. Tatsächlich träfe dies aber viele Angehörige, die für die Versorgung ihrer Liebsten daheim auf die Unterstützung Dritter angewiesen sind.
Niemand bestreitet, dass Würde wahrende Pflege nur mit fairen Löhnen funktionieren kann. Immerhin versorgen die 1,2 Millionen Altenpflegekräfte täglich 900.000 Menschen in Einrichtungen und eine Million Pflegebedürftige daheim. Doch eine gesetzliche Regelung des bundesweiten tarifähnlichen Lohns darf nicht weiter zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen.
Keines der vorliegenden Konzepte der Bundesregierung verhindert das. So würden die aktuellen Pläne pro Pflegeheimbewohner durchschnittlich 130 Euro mehr im Monat bedeuten. Auch die vom Bundesgesundheitsminister geplanten prozentualen Zuschüsse ab dem zweiten Jahr im Pflegeheim helfen nicht. Schließlich stirbt die Hälfte der Heimbewohner schon im ersten Jahr. Selbst für langjährige Pflegebedürftige ist das Zuschussmodell unzumutbar, da keine regelmäßige Anpassung an die davongaloppierenden Personalkosten geplant ist.
Bundesregierung und Bundestag sind aufgefordert, eine zukunftssichere und generationsgerechte Pflege mit einem gedeckelten planbaren Höchstbetrag für die Betroffenen zu ermöglichen. Notwendig ist, dass die Pflegeversicherung die Pflegekosten vollständig übernimmt. Um Beitragserhöhungen abzufedern, müssen wie bei anderen Sicherungssystemen Steuermittel eingesetzt werden.
Aber auch die gesetzlichen Krankenversicherungen sind gefragt. Denn es ist ungerecht, dass die medizinische Behandlungspflege in den Heimen nicht übernommen wird. Schließlich brächte das jährlich drei Milliarden Euro zusätzlich für die Pflegeversicherung. Wer heute behauptet, mit einem Schnellschuss sei eine zukunftssichere Basis der Pflegeversicherung nicht zu gewährleisten, verkennt die Diskussion der letzten vier Jahre. Viel Zeit ist in dieser Legislaturperiode vertrödelt worden. Erkenntnisse, wie Pflege finanziert werden kann, gibt es mehr als genug. Es fehlt der Mut zum Handeln.
Die Digitalisierung bleibt für Becker ganz oben auf der Liste der künftigen Aufgaben. Aber, so merkt er an, dabei geht es natürlich auch um die Refinanzierung von Investitionen: „Es muss berücksichtigt werden, dass die Digitalisierung viel Geld kostet und dass sich dieser Fakt in den Pflegesätzen niederschlagen muss.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Durch die Pandemie kamen auch viele Angebote der Sozialträger zum Erliegen oder wurden stark eingeschränkt. Hat das Virus Ihre Arbeit auch für die Zukunft grundlegend verändert?
Rüdiger Becker: In unserer Unternehmensgruppe ist es lediglich im Bereich der Werkstätten für behinderte Menschen und in der Kita- und Schulverpflegung zu starken Einschränkungen gekommen. Zeitweilig mussten wir hier komplett schließen. Die Mitarbeitenden in den anderen Bereichen wie Eingliederungshilfe, Suchthilfe, Psychosomatik, Krankenhaus und stationäre sowie ambulante Altenhilfe waren intensiver als vorher im Einsatz. Es gab zum Teil völlig veränderte Abläufe und hohen Aufwand durch die Schutzmaßnahmen. Das führte auch Konflikten mit Angehörigen - eine sehr hohe Belastung für alle Beteiligten. Insgesamt muss ich sagen, dass unsere Mitarbeitenden durch das Virus noch achtsamer im Umgang mit den uns anvertrauten Menschen geworden sind.
epd: Klienten können wieder betreut, begleitet und beraten werden. Doch sind finanzielle Löcher entstanden, die sich meist nicht schließen lassen. Wie ist Ihre heutige wirtschaftliche Situation?
Becker: Dank der Rettungsschirme in allen Bereichen ist die Evangelische Stiftung Neuerkerode mit einem blauen Auge durch diese Krise gekommen. Wir sind froh, dass es eine hohe Legitimation für einen Sozialstaat in dieser Gesellschaft gibt und dass auch alle bereit sind, dafür Gelder zur Verfügung zu stellen. An dieser Stelle bedanke ich mich bei der Politik für die schnelle Hilfe und Unterstützung.
epd: Viele Sozialträger richten sich neu aus, etwa bei der Digitalisierung. Welche Wünsche oder Forderungen haben Sie an die Politik, wenn es darum geht, auch in Zukunft krisensicher arbeiten zu können?
Becker: Der umfassend nötige Aufbau der Infrastruktur für die Digitalisierung müsste stärker unterstützt werden. Dazu passen unter anderem die Forderungen des Bundesverbandes evangelischer Behindertenhilfe zur Bundestagswahl. Der Bereich der Teilhabe muss bei der Digitalisierung unbedingt mit bedacht werden. Auf der einen Seite brauchen wir eine starke kommunale Infrastruktur zum Ausbau der Netze. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Digitalisierung viel Geld kostet und dass sich dieser Fakt in den Pflegesätzen niederschlagen muss.
Wir würden uns darüber hinaus eine bessere Abstimmung mancher Behörden untereinander wünschen, auch Landkreis-übergreifend. Die Pandemie hat gezeigt, dass die fehlenden Absprachen, beziehungsweise die unterschiedlichen Regelungen in den Städten oder Landkreisen einen überregional tätigen Träger wie uns zusätzlich zu allen anderen Hürden massiv herausgefordert hat. Wir freuen uns jedoch trotz der schwierigen Zeiten darüber, dass die Pandemie deutlich gemacht hat, welchen Wert soziale Arbeit in diesem Land hat. Alle haben gemerkt, dass dazu Personal benötigt wird, das auch vernünftig bezahlt werden muss. Deshalb setzen wir uns seit langer Zeit dafür ein, dass Tarife in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft refinanziert werden.
Berlin (epd). Der Paritätische Gesamtverband ruft zur Teilnahmen an zwei Demonstrationen vor der Bundestagswahl in Berlin auf. Am 4. September demonstriert das Bündnis #unteilbar für eine gerechte und solidarische Gesellschaft und gegen Rassismus und Ausgrenzung, heißt es in einer Mitteilung vom 17. August. Eine Woche später will ein Bündnis unter dem Motto „Wohnen für alle! Gemeinsam gegen hohe Mieten und Verdrängung” aktiv werden. “Der Verband ist aktiv an der Planung beteiligt und wird selbst vor Ort sein", hieß es.
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: „Hier handelt es sich um zentrale Themen auch für die Wohlfahrt. Und wir sehen mit Sorge, dass viele Menschen ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen können und unsere sozialen Einrichtungen ihre Räumlichkeiten verlieren. Daher bringen wir uns ein.“
Weiterhin betont Schneider, dass es ein grundsätzliches Umdenken in der Politik brauche, um die großen Probleme dieses Landes zu bewältigen: Der Paritätische spricht sich für die Umverteilung von Reichtum aus. Für den sozialen Zusammenhalt und die sozial-ökologische Transformation brauche es die Anhebung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer und der Erbschaftssteuer sowie die Wiedererhebung der Vermögenssteuer und eine umfassende Finanztransaktionssteuer. Im Endeffekt, so Ulrich Schneider, bedeute eine gerechte auch eine soziale Gesellschaft.
Nürnberg (epd). Angesammelte Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto sind bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein automatischer Grund für eine Entgeltkürzung. Das gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer wegen einer fristlosen Kündigung oder einer Freistellung überhaupt keine Gelegenheit hatte, sein Arbeitszeitkonto wieder auszugleichen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem am 11. August veröffentlichten Urteil. Nur wenn die Lohnkürzung wegen Minusstunden zuvor ausdrücklich vereinbart wurde, sei sie zulässig.
Im konkreten Fall stand der klagende Arbeitnehmer mit seinem Chef in einem Arbeitsrechtsstreit. Der Arbeitgeber hatte dem Mann fristlos gekündigt. In einem gerichtlichen Vergleich einigten sich die Parteien auf die ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2019 „unter Fortzahlung der Vergütung“. Bis dahin wurde der Arbeitnehmer freigestellt.
Es folgte jedoch der nächste Gang zum Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber hatte festgestellt, dass auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers rund 40 Minusstunden aufgelaufen waren. Der Lohn wurde daraufhin um 700 Euro gekürzt.
Das LAG hielt das für rechtswidrig. Befinden sich beim Ausscheiden des Arbeitnehmers auf dessen Arbeitszeitkonto noch Minusstunden, dürfe der Arbeitgeber das Entgelt hierfür nur kürzen oder zurückfordern, wenn das arbeitsvertraglich vereinbart wurde. Das sei hier nicht der Fall gewesen, so das Gericht.
„Selbst wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung selbstständig und ohne arbeitgeberseitige Weisungen einteilen und erbringen kann, ist der Arbeitgeber zum Abzug von Minusstunden nur berechtigt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, vor seinem Ausscheiden einen Aus-gleich der Stunden herbeizuführen“, heißt es dazu im Urteil.
Hier sei zudem der vorherige arbeitsgerichtliche Vergleich „unter Einbringung von Urlaubsansprüchen und etwaigem Zeitguthaben“ vereinbart worden. Damit sei ein Abzug wegen bestehender Minusstunden sowieso ausgeschlossen worden.
Doch auch ohne Arbeitszeitkonto darf bei Minusstunden nicht einfach das Entgelt gekürzt werden. Setzt der Arbeitgeber die Beschäftigten aus betrieblichen Gründen nicht in der vereinbarten Arbeitszeit ein, ist der Arbeitnehmer wegen „Annahmeverzugs“ nicht zum Ausgleich der zu wenig geleisteten Arbeitsstunden verpflichtet, urteilte bereits am 15. November 2011 das LAG Rheinland-Pfalz in Mainz.
Das LAG sprach damit einer Angestellten eines Schwimmbades, die in den Wintermonaten nicht eingesetzt wurde, ausstehenden Lohn zu. Der Arbeitgeber habe es versäumt, im Arbeitsvertrag die Führung eines Arbeitszeitkontos und damit auch die Möglichkeit eines negativen Kontostandes zu vereinbaren, so das Gericht. Darin müsse festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen in welchem Umfang eine Zeitschuld entstehen kann und auf welche Weise diese wieder ausgeglichen wird. Nur dann könne von der Beschäftigten ein Ausgleich der Minusstunden verlangt werden.
Fallen bei Leiharbeitern wegen eines fehlenden Einsatzes in einem Entleihbetrieb Minusstunden an, darf die Zeitarbeitsfirma nach einem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 17. Dezember 2014 diese Stunden nicht vom Arbeitszeitkonto des Beschäftigten abziehen. Das Risiko des Verleihers, den Leiharbeitnehmer nicht einsetzen zu können, dürfe im Rahmen eines Arbeitszeitkontos nicht auf den Leiharbeitnehmer verlagert werden, so die Berliner Richter. Selbst wenn ein Tarifvertrag anderes vorsehe, sei die Verrechnung dieser Stunden gesetzlich ausgeschlossen.
Neben Minusstunden stehen jedoch auch im Arbeitszeitkonto angesammelte Überstunden immer wieder im Streit. Kommt es in einem Kündigungsrechtsstreit zu einem Vergleich mit anschließender Freistellung einer Arbeitnehmerin bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, führt die Freistellung selbst noch nicht zum Überstundenabbau, stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 20. November 2019 in Erfurt klar.
Von einem arbeitsgerichtlichen Vergleich seien die Überstunden nur dann erfasst, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich darauf ausdrücklich einigen. Damit hatte die klagende Sekretärin trotz ihrer Freistellung von der Arbeit Anspruch auf Vergütung von noch in ihrem Arbeitszeitkonto bestehenden 67 Überstunden, insgesamt 1.317 Euro.
Beim Nachweis der Überstunden ist nach einem weiteren Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich der Arbeitnehmer in der Pflicht. Das gilt zumindest dann, wenn die Überstundenberechnung allein auf den Eintragungen des Arbeitnehmers beruht, so die Rostocker Richter. Anderes gelte nur, wenn sich der Arbeitgeber die Aufzeichnungen zu eigen gemacht hat oder wenn er selbst das Arbeitszeitkonto führt, heißt es weiter in der Entscheidung vom 5. November 2019.
Az.: 4 Sa 423/20 (Landesarbeitsgericht Nürnberg)
Az.: 3 Sa 493/11 (Landesarbeitsgericht Mainz)
Az.: 15 Sa 982/14 (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg)
Az.: 5 AZR 578/18 (Bundesarbeitsgericht)
Az.: 5 Sa 73/19 (Landesarbeitsgericht Rostock)
Kassel (epd). Die gesetzlichen Krankenkassen müssen querschnittsgelähmten Menschen keine Therapie für das Gehenlernen in den USA bezahlen. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am 17. August bekanntgegebenen Urteil vom Vortag entschied, muss für solch eine Auslandsbehandlung unter anderem die Wirksamkeit belegt sein und eine ärztliche Verordnung vorliegen. Daran fehle es im Streitfall.
Geklagt hatte eine 1991 geborene Frau, die bei einem Reitunfall im Jahr 2006 einen Trümmerbruch des 4. und 5. Halswirbelkörpers erlitt. Seitdem ist sie querschnittsgelähmt. Ihren körperlichen Zustand wollte sie nicht nur mit Therapien in Deutschland verbessern. Sie nahm vom Februar 2014 bis Mai 2015 im kalifornischen Carlsbad am Trainingsprogramm „Project Walk“ teil. Dabei sollen querschnittsgelähmte Menschen unter Nutzung der natürlichen Muskelkontraktion durch eine Kombination aus intensivem körperlichen Training und Elektrostimulation das Gehen wieder lernen können.
Ihre Krankenkasse lehnte die Kostenerstattung für die Therapie in Höhe von knapp 107.000 Euro zu Recht ab, urteilte das BSG. Jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt habe das „Project Walk“ nicht dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft entsprochen. Die Wirksamkeit der Therapie sei nicht ausreichend belegt gewesen. Zwar könne eine gesetzliche Krankenkasse ausnahmsweise auch nicht anerkannte Behandlungen zahlen. Dies gelte aber nur beim Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
Eine Querschnittslähmung sei damit nicht vergleichbar. Es habe keine „notstandsähnliche Extremsituation“ vorgelegen. An einer individuellen Notlage habe es auch gefehlt. Die Verletzungsfolgen hätten bei der Klägerin bereits seit acht Jahren vorgelegen, eine erhebliche Verschlimmerung sei nicht festgestellt worden. Schließlich habe die Frau die Therapie ohne ärztliche Verordnung durchgeführt. Eine Kostenerstattung sei damit nicht möglich.
Az.: B 1 KR 29/20 R
Kassel (epd). Die Rückfahrt vom Urlaub direkt zum Arbeitsplatz kann ausnahmsweise unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Entscheidend ist, dass der Versicherte seine Arbeit beginnen oder beenden und den mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach oder von einem dritten Ort zurücklegen wollte, urteilte am 10. August der Unfallsenat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel.
Hintergrund des Rechtsstreits war ein tragischer Unfall auf einer Urlaubsrückfahrt. Die Klägerin arbeitete im Autohaus ihres Ehemanns in Berlin. Im August 2013 machte sie mit ihrem Mann Urlaub in Thüringen. Die Rückfahrt mit dem Motorrad war für den 19. August 2013 geplant. Die Tochter hielt derweil im Autohaus die Stellung. Doch genau am Rückreisetag der Eltern musste die Tochter kurzfristig einen Zahnarzttermin wahrnehmen. Die Eltern beschlossen daraufhin, aus dem Urlaub direkt zur Arbeit ins Autohaus zu fahren.
Auf dem Rückweg erlitten sie einen Verkehrsunfall, bei dem der Ehemann starb. Die schwer verletzte Frau wollte den Unfall von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall als versicherten Wegeunfall anerkennen lassen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen kann nicht nur der reguläre Arbeitsweg zwischen Wohnung und Arbeit unter Versicherungsschutz stehen, sondern auch der Weg von oder zu einem „dritten Ort“.
Der Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung jedoch ab. Das Ehepaar habe sich bei der Urlaubsrückfahrt nicht auf einen versicherten Weg befunden. Dem folgten auch das Sozialgericht Berlin und das Landessozialgericht (LSG) in Potsdam. Gemessen am normalen Arbeitsweg von 14 Kilometern sei die 420 Kilometer weite Rückfahrt aus Thüringen unangemessen länger und von der eigenwirtschaftlichen Urlaubsrückreise geprägt gewesen, hieß es zur Begründung.
Das BSG hob das LSG-Urteil nun auf und verwies das Verfahren zur erneuten Prüfung zurück. Nach der neuen Rechtsprechung des BSG komme es nicht mehr darauf an, ob die Wegstrecke zwischen Arbeit und „drittem Ort“ im Verhältnis zum regulären Arbeitsweg besonders lang sei. Maßgeblich sei, dass der Versicherte sich mindestens zwei Stunden am dritten Ort aufgehalten hat und von dort auf direktem Weg zur Arbeitsstätte fahren wollte, was hier erfüllt gewesen sei. Allerdings müsse das LSG noch prüfen, ob der Mann als Unternehmer und die Frau als seine Ehegattin überhaupt gesetzlich unfallversichert waren.
Az.: B 2 U 2/20 R
Leipzig (epd). Asylbewerber, die nicht zu ihrer zwangsweisen Überstellung in einen anderen EU-Staat erscheinen, gelten im Sinne der Dublin-III-Verordnung nicht als flüchtig. Das entschied am 17. August das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Demnach darf auch die Überstellungsfrist nicht auf 18 Monate verlängert werden.
Geklagt hatten den Angaben zufolge mehrere Personen, die bereits vor ihrem Asylantrag in Deutschland in anderen EU-Staaten Schutzgesuche gestellt hatten. Nachdem die Anträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt wurden, seien die Kläger nicht zur Überstellung in die zuständigen EU-Staaten erschienen. Daraufhin seien sie vom Bundesamt als flüchtig eingestuft und die Überstellungsfrist auf 18 Monate hinaufgesetzt worden.
In der Regel hat ein EU-Staat sechs Monate Zeit, um einen Asylbewerber in das EU-Land zu überstellen, in das er zuerst eingereist ist. Das Ersteinreiseland ist laut Dublin-Verordnung für das Asylverfahren zuständig.
Die Entscheidung des Bundesamtes wurde bereits durch Vorinstanzen aufgehoben und nun vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. In der Begründung hieß es, dass allein die Verletzung von Mitwirkungspflichten bei einer zwangsweisen Überstellung nicht dazu führe, dass eine Person als flüchtig gilt - solange der Aufenthaltsort der zuständigen Behörde bekannt ist und somit objektiv eine Überstellung möglich ist.
Berlin (epd). Eine behinderte Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf muss ebenso wie andere Schüler wegen eines pandemiebedingten Unterrichtsausfalls ihr Abschlussjahr wiederholen können. Auch wenn die sonderpädagogische Beschulung im Bereich „Geistige Entwicklung“ in Berlin nicht in Jahrgangsstufen organisiert ist, muss die freiwillige Wiederholung des Abschlussjahres möglich sein, entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem am 16. August bekanntgegebenen Beschluss.
Konkret ging es um eine junge Frau, die wegen ihrer Trisomie 21 sonderpädagogisch gefördert wurde. Im Schuljahr 2020/2021 absolvierte sie das Abschlussjahr einer zweijährig ausgestalteten integrierten Berufsausbildungsvorbereitung. Die Lernziele hatte die Schülerin wegen der zahlreichen pandemiebedingten Unterrichtsausfälle verfehlt. Der Unterricht und der Kontakt zu Werkstätten waren in diesem Bildungsgang stark eingeschränkt.
Die Berliner Regelungen sehen bei pandemiebedingten Unterrichtsausfällen eigentlich auch die Möglichkeit der freiwilligen Wiederholung von Jahrgangsstufen vor. Einen entsprechenden Antrag der behinderten Schülerin hatte die Schulbehörde jedoch abgelehnt. Begründung: Die sonderpädagogische Beschulung im Bereich „Geistige Entwicklung“ sei nicht in Jahrgangsstufen organisiert.
Doch das stellt einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Schlechterstellung von Menschen mit Behinderung dar, entschied das Verwaltungsgericht jetzt im Eilverfahren. Die Schülerin habe daher vorläufig Anspruch auf Wiederholung des Abschlussjahres in ihrem bisher besuchten Bildungsgang.
Die Gesetzeslage, wonach Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Gegensatz zu anderen Schülern keinerlei Ausgleich für pandemiebedingte Nachteile erhalten, benachteilige die Betroffene, befand das Gericht. Maßgeblich für den Anspruch auf Wiederholung des Abschlussjahres sei, dass die Schülerin die Lernziele der sonderpädagogischen Berufsausbildungsvorbereitung wegen der Pandemie verfehlt habe.
Az.: VG 3 L 207/21
Reiner Schübel, Vorstandsvorsitzender der Rummelsberger Diakonie, verlässt wegen Differenzen das diakonische Unternehmen. Die Rummelsberger teilten am 14. August mit, dass Schübel seine Tätigkeit Ende des Jahres beenden werde. Derzeit sei er im Urlaub. Er wolle eine „reibungslose und sachgerechte Klärung“ der nächsten Schritte zu seiner Nachfolge ermöglichen, stellte Schübel laut Mitteilung fest.
Der Theologe und Sozialexperte begründete seinen Schritt damit, „dass in den Leitungsgremien unter anderem erhebliche unterschiedliche Auffassungen“ darüber aufgetreten seien, in welcher Art und Weise eine künftige Unternehmensausrichtung sowie Leitungs- und Führungsaufgaben gestaltet und wahrgenommen werden", heißt es in der Mitteilung. Diese nicht überbrückbaren Differenzen ermöglichten ihm keine Amtsführung nach seinen persönlichen Vorstellungen und Maßstäben.
Professor Stefan Ark Nitsche, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Rummelsberger Diakonie, sagte: „Wir danken Reiner Schübel für sein erfolgreiches Engagement, insbesondere während der Corona-Pandemie.“ Man habe die Entscheidung von Reiner Schübel „mit großem Respekt entgegengenommen“, erklärte der Vorsitzende des Rates der Diakone und Diakoninnen, Diakon Jochen Nitz.
In einem Gespräch über seine neue Aufgabe hatte Schübel im Mai 2020 dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt, er wolle nichts radikal anders machen als sein Vorgänger. Er wolle aber, dass der Bereich Bildung und Entwicklung bei der Rummelsberger Diakonie an Bedeutung gewinne. Besonders wichtig sei ihm, ethische Herausforderungen, die sich aus der Praxis ergeben, in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Das könnten zum Beispiel die Sterbehilfethematik oder die Belange von Menschen mit Behinderung sein, sagte er.
Als neuer Chef sah er Entwicklungspotenzial bei der Personalentwicklung oder dem Personalmanagement der Rummelsberger. Zur Ausbildung der Diakone und Diakoninnen sagte er, die Rummelsberger Diakone und Diakoninnen sollten so qualifiziert sein, dass sie bei den Rummelsbergern „ebenso gut andocken können wie bei der Landeskirche und weiteren diakonischen Trägern“.
Schübel war seit dem 1. Januar 2020 Rektor der Rummelsberger Diakonie. Zuvor hatte er seit 2009 die operative Leitung des Referats Diakonie und gesellschaftsbezogene Aufgaben im Landeskirchenamt München inne. In etwa 200 Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Flüchtlinge, Senioren und Menschen mit Behinderung in Bayern sind im Unternehmen mehr als 5.400 Mitarbeiter beschäftigt. Der Jahresumsatz beträgt den Angaben nach knapp 300 Millionen Euro.
Sabine Anspach (40), wird zum 1. November 2021 zur Marienhaus-Gruppe wechseln und dort das Geschäftsführungsteam der Kliniksparte verstärken. Sie ist Geschäftsführerin des Helios Herzzentrums in Leipzig. Zuvor war die gebürtige Koblenzerin Geschäftsführerin des Helios Klinikums München West in Pasing sowie der Helios Klinik München Perlach. Anspach blickt zusätzlich auf knapp sechs Jahre in verschiedenen Positionen für die CompuGroup Medical zurück, einem eHealth-Konzern mit Schwerpunkt auf Krankenhäuser und Arztpraxen. „Mit Sabine Anspach konnten wir erneut eine hochqualifizierte und erfahrene Persönlichkeit für unsere Unternehmensgruppe gewinnen“, sagte Jochen Messemer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Marienhaus-Gruppe. Die Marienhaus Stiftung in Waldbreitbach ist einer der größten christlichen Träger von sozialen Einrichtungen in Deutschland und beschäftigt rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Elke Kaufmann (49) wird Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Altdorf-Neumarkt-Hersbruck. Sie übernimmt den Posten am 1. November und ist Nachfolgerin von Diakon Detlef Edelmann. Kaufmann ist Sozialarbeiterin und Gerontologin und war in den vergangenen Jahren in führender Position im Zentrum für Altersmedizin des Klinikum Nürnberg tätig. Nach dem Studium war sie zunächst Dekanatsjugendreferentin in Erlangen, bevor sie im Sozialdienst in verschiedenen Senioreneinrichtungen von Diakoneo gearbeitet hat. Neben ihrer Berufstätigkeit forscht sie seit 2018 zum Thema Sturzprävention im Alter und plant ihre Dissertationsschrift noch in diesem Jahr abzugeben. Im Oktober wird die neue Geschäftsführerin vom Aufsichtsrat noch satzungsgemäß zur Vorständin des Vereins gewählt.
Anke Trefflich hat zum Monatsbeginn die Geschäftsführung des Vivantes Ida-Wolff-Krankenhauses in Berlin übernommen. Sie löst den kommissarischen Geschäftsführer Johannes Danckert ab, der den kommissarischen Vorsitz des Vivantes Konzerns übernommen hat. Von 2004 bis 2007 absolvierte sie einen Bachelor in Gesundheitswissenschaften und zwischen 2014 und 2016 ein Master Aufbaustudium mit der Spezialisierung Krankenhausmanagement an der Hochschule Neubrandenburg in Kooperation mit dem Institut für Fort- und Weiterbildung von Vivantes.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.
26.8. Berlin:
Fortbildung „Veränderung initiieren - wirksame Führungsimpulse setzen“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828227
31.8.:
Webinar „Einstieg in die Welt der öffentlichen Fördermittel: EU, Bund, Länder und Kommune“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-160
31.8. Berlin:
Seminar „Grundlagen des Arbeitsrechtes in Einrichtungen der Sozialwirtschaft - Gestaltungsspielräume nutzen“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-160
September:
1.-2.9.:
Online-Fortbildung „Die Anwendung der ICF in der Hilfeplanung“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
6.-8.9. Freiburg:
Seminar „ Wenn das Miteinander zur Herausforderung wird - Fach- und Führungskräfte als Vermittelnde bei Konflikt und Mobbing“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
7.9.:
Webinar „Datenschutzunterweisung für Mitarbeitende in sozialen Einrichtungen“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-159
8.-10.9. Berlin:
Seminar „Ältere Mitarbeitende binden und wertschätzend verabschieden“
Tel.: 030/26309-139
8.9.-26.10.:
Seminar „Qualität in stationären Hospizen sorgsam gestalten - Fortbildung zur nachhaltig erfolgreichen Arbeit mit dem Bundesrahmenhandbuch stationäre Hospize“
der Fortbildungsakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/739 28 85
14.9. Berlin:
Seminar „Controlling für Einrichtungen der Eingliederungshilfe“
der Solidaris Unternehmensberatung
Tel.: 02203/8997-221
20.9-1.11.:
Online-Fortbildung „Rechtliche Beratung in der Wohnungslosenhilfe Mehr GeRECHTigkeit auf der Straße“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0173/5105498
24.9.:
Online-Seminar „Wirtschaftlichkeit ambulanter Pflegedienste“
der Solidaris Unternehmensberatung
Tel.: 02203/8997-221
27.-29.9. Netphen:
Seminar „Gesunde Führung - Fehlzeiten reduzieren und Mitarbeiter/Innen motivieren“
Tel.: 030/26309-139