Frankfurt a.M. (epd). Ulrich Lilie kritisiert, dass die Investitionen der Sozialbranche in Umwelt- und Klimaschutz unzureichend finanziert werden. „Wir haben die widersinnige Situation, dass es für Sozialunternehmen ökonomisch sinnvoller sein kann, Strom aus fossilen Energieträgern zu beziehen statt in eine Photovoltaikanlage oder in ein Blockkraftheizwerk zu investieren“, sagte der Diakoniepräsident im Interview. Mit ihm sprach Markus Jantzer.
epd sozial: Herr Lilie, Sie haben Ihrer politischen Sommerreise quer durch die Republik den Themenschwerpunkt „Nachhaltigkeit“ gegeben. Haben Sie den Eindruck, dass die bundesweit 31.600 Diakoniebetriebe deutlich mehr für den Schutz des Klimas und der Umwelt tun könnten und auch sollten?
Ulrich Lilie: Wir diskutieren in der Diakonie das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit seit Langem. Und viele Einrichtungen sind durchaus Vorreiter. Ein kritischer Punkt ist aber, dass Unternehmen der evangelischen Wohlfahrt gemeinnützige Betriebe sind und nach dem Gemeinnützigkeitsrecht keine Rücklagen für Investitionsvorhaben bilden dürfen. Wir haben dabei die widersinnige Situation, dass es für diese Unternehmen ökonomisch sinnvoller sein kann, Strom aus fossilen Energieträgern zu beziehen statt in eine Photovoltaikanlage oder in ein Blockkraftheizwerk zu investieren.
epd: Trotz dieser Schwierigkeiten haben diakonische Betriebe - jedenfalls in Teilbereichen - umgestellt auf ökologisches Wirtschaften und auf den Einkauf nachhaltiger Produkte. Welche Innovationen sind Ihnen auf ihrer Sommerreise begegnet, die nach Ihrer Ansicht nachahmenswert sind?
Lilie: Ich habe das Augustinum in München besucht und habe dort erfahren, dass der evangelische Träger die komplette Dienstbekleidung für seine Tausenden Mitarbeitenden auf ökologische und faire Produkte umgestellt hat. Die Beschäftigten tragen künftig aus Holzfasern hergestellte Kleidung. Das ist hochwertige Ware, so dass sich die Beschäftigten auch gewürdigt fühlen. Es ist zudem ein Beitrag zum Corporate Design und stärkt somit das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen. Ein anderes Beispiel ist, dass das Augustinum dazu übergegangen ist, in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung Corona-Masken herzustellen und dadurch zumindest ein wenig CO2-lastigen Import aus Fernost überflüssig macht. Dem könnten auch andere Werkstätten folgen.
epd: Wo können sich soziale Einrichtungen, die ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern wollen und dabei vielleicht von anderen Betrieben lernen wollen, umfassend informieren?
Lilie: Wir haben für solche Fragen in eigenes Referat im Bundesverband der Diakonie aufgebaut. Wir haben außerdem ein Netzwerk gebildet, in dem Diakonieunternehmen einen Arbeitskreis gebildet haben, in dem sie sich intensiv austauschen. Da machen bereits viele Betriebe mit, zum Beispiel auch die Diakonie Herzogsägmühle in Oberbayern, von der ich gerade komme. Die hat einen ökologischen Gartenbaubetrieb. Da werden jedes Jahr 43 Menschen in unterschiedlichen Berufen ausgebildet, von denen 90 Prozent anschließend in Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Die Diakonie Herzogsägmühle hat außerdem eine ökologische Viehwirtschaft, die Restaurants in der Region Fleisch mit Naturland-Zertifikaten verkauft. Es geht also hier, wie auch in anderen diakonischen Betrieben, nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch um soziale Nachhaltigkeit.
epd: Was meinen Sie damit?
Lilie: Wenn es gelingt, Menschen aus ökologisch ausgerichteten Sozialbetrieben in reguäre Jobs zu vermitteln, dann hat das einen doppelt positiven Effekt. Oder wenn Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam ökologischen Gartenbau betreiben, dann hat das eben auch einen sozialen und gesellschaftlichen Mehrwert. Das zeigt, dass nachhaltiges Wirtschaften als Anforderung an Sozialbetriebe nun auch in das Sozialgesetzbuch aufgenommen werden muss - freilich verbunden mit einer Verpflichtung der öffentlichen Kassen, eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen.
epd: Dann könnten sich Sozialbetriebe darauf verlassen, dass sich ihr ökologisches Engagement auch rechnet?
Lilie: Um das zu gewährleisten, müssen Finanzierungsinstrumente entwickelt werden. Hier sind wir mit dem Bundessozialministerium im engen Austausch. Wir müssen dahin kommen, dass Investitionen etwa in energieeffiziente Immobilien refinanziert werden. Dabei müssten zum Beispiel die erreichte Energieersparnis oder auch andere positive ökologische Effekte explizit bei der Kalkulation berücksichtigt werden.
epd: Wie schätzen Sie die Bereitschaft zur ökologischen Wende bei den Leitungskräften von Sozialbetrieben ein?
Lilie: In der Sozialbranche gibt es viele, die die sozialökologische Transformation wollen und sie auch mit mehr Geschwindigkeit als bisher in den eigenen Betrieben hinbekommen wollen. Sie sind eben grundsätzlich nicht gewinnorientiert, sondern wollen einen Mehrwert schaffen.