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Neuerkerode: Mit blauem Auge aus der Krise




Rüdiger Becker
epd-bild/Klaus G. Kohn
Dankbar für die staatlichen Rettungsschirme, und um einige Erkenntnisse reicher: So blickt die Evangelische Stiftung Neuerkerode nach den Worten ihres Vorstandschef Rüdiger Becker auf den Verlauf der Pandemie zurück. Im Interview mit epd sozial sagt er: "Die Pandemie hat deutlich gemacht, welchen Wert soziale Arbeit in diesem Land hat." Alle hätten gemerkt, dass dazu Personal benötigt werde, das auch vernünftig bezahlt werden müsse.

Die Digitalisierung bleibt für Becker ganz oben auf der Liste der künftigen Aufgaben. Aber, so merkt er an, dabei geht es natürlich auch um die Refinanzierung von Investitionen: „Es muss berücksichtigt werden, dass die Digitalisierung viel Geld kostet und dass sich dieser Fakt in den Pflegesätzen niederschlagen muss.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Durch die Pandemie kamen auch viele Angebote der Sozialträger zum Erliegen oder wurden stark eingeschränkt. Hat das Virus Ihre Arbeit auch für die Zukunft grundlegend verändert?

Rüdiger Becker: In unserer Unternehmensgruppe ist es lediglich im Bereich der Werkstätten für behinderte Menschen und in der Kita- und Schulverpflegung zu starken Einschränkungen gekommen. Zeitweilig mussten wir hier komplett schließen. Die Mitarbeitenden in den anderen Bereichen wie Eingliederungshilfe, Suchthilfe, Psychosomatik, Krankenhaus und stationäre sowie ambulante Altenhilfe waren intensiver als vorher im Einsatz. Es gab zum Teil völlig veränderte Abläufe und hohen Aufwand durch die Schutzmaßnahmen. Das führte auch Konflikten mit Angehörigen - eine sehr hohe Belastung für alle Beteiligten. Insgesamt muss ich sagen, dass unsere Mitarbeitenden durch das Virus noch achtsamer im Umgang mit den uns anvertrauten Menschen geworden sind.

epd: Klienten können wieder betreut, begleitet und beraten werden. Doch sind finanzielle Löcher entstanden, die sich meist nicht schließen lassen. Wie ist Ihre heutige wirtschaftliche Situation?

Becker: Dank der Rettungsschirme in allen Bereichen ist die Evangelische Stiftung Neuerkerode mit einem blauen Auge durch diese Krise gekommen. Wir sind froh, dass es eine hohe Legitimation für einen Sozialstaat in dieser Gesellschaft gibt und dass auch alle bereit sind, dafür Gelder zur Verfügung zu stellen. An dieser Stelle bedanke ich mich bei der Politik für die schnelle Hilfe und Unterstützung.

epd: Viele Sozialträger richten sich neu aus, etwa bei der Digitalisierung. Welche Wünsche oder Forderungen haben Sie an die Politik, wenn es darum geht, auch in Zukunft krisensicher arbeiten zu können?

Becker: Der umfassend nötige Aufbau der Infrastruktur für die Digitalisierung müsste stärker unterstützt werden. Dazu passen unter anderem die Forderungen des Bundesverbandes evangelischer Behindertenhilfe zur Bundestagswahl. Der Bereich der Teilhabe muss bei der Digitalisierung unbedingt mit bedacht werden. Auf der einen Seite brauchen wir eine starke kommunale Infrastruktur zum Ausbau der Netze. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Digitalisierung viel Geld kostet und dass sich dieser Fakt in den Pflegesätzen niederschlagen muss.

Wir würden uns darüber hinaus eine bessere Abstimmung mancher Behörden untereinander wünschen, auch Landkreis-übergreifend. Die Pandemie hat gezeigt, dass die fehlenden Absprachen, beziehungsweise die unterschiedlichen Regelungen in den Städten oder Landkreisen einen überregional tätigen Träger wie uns zusätzlich zu allen anderen Hürden massiv herausgefordert hat. Wir freuen uns jedoch trotz der schwierigen Zeiten darüber, dass die Pandemie deutlich gemacht hat, welchen Wert soziale Arbeit in diesem Land hat. Alle haben gemerkt, dass dazu Personal benötigt wird, das auch vernünftig bezahlt werden muss. Deshalb setzen wir uns seit langer Zeit dafür ein, dass Tarife in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft refinanziert werden.