sozial-Editorial

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Markus Jantzer
epd-bild/Heike Lyding

in diesem Superwahljahr mit noch vier Landtagswahlen und der Bundestagswahl am 26. September sind auch Strafgefangene und Wohnungslose zur Stimmabgabe aufgerufen. Doch wie können sie ihr Wahlrecht überhaupt wahrnehmen? Leichtgemacht wird Wohnungslosen das Wählen nicht, sagt Thomas Rutschmann von der Erzdiözese Freiburg. Strafgefangene können ihr passives Wahlrecht verlieren, wie wir im zweiten Teil unserer Serie zum Superwahljahr erläutern.

Die Corona-Pandemie kennt viele Verlierer. Zu ihnen gehören auch Migranten. Für Menschen mit Sprachproblemen ist die Kommunikation mit Behörden noch komplizierter geworden. Viele Migranten müssen in der Kurzarbeit schmerzhafte Lohneinbußen hinnehmen, wie Migrationsberater von der Caritas berichten. Kindern aus sozial benachteiligten Familien will nun Bundesfamilienministerin Giffey mit einem milliardenschweren Aufholprogramm helfen. Einzelne Kommunen haben gezielt Impfkampagnen für Wohnungslose gestartet. Sehen Sie dazu auch das Video in epd sozial an.

Tobias Gaydoul (43), Vorstand Finanzen der Rummelsberger Diakonie, sagt es knallhart: "Wer nicht in die Digitalisierung investiert, kalkuliert sich als Unternehmen aus dem Markt der Sozialwirtschaft." In seinem Gastbeitrag führt der Fachmann aus, was alles dringend erforderlich ist für eine Transformation der Sozialbranche.

Eine gesetzliche Impfpflicht ist nach der Europäischen Menschenrechtskonvention zulässig. Auch wenn eine verpflichtende Impfung das Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt, kann das zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung verhältnismäßig und rechtmäßig sein, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

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Hier geht es zur Gesamtausgabe von epd sozial 16/2021.

Markus Jantzer




sozial-Thema

Teilhabe

Auch Häftlinge und Wohnungslose wählen den Bundestag




Obdachloser in Berlin
epd-bild/Rolf Zöllner
Vor jeder Wahl dasselbe: Die Wahlbenachrichtigung flattert ein, dann wird per Brief oder per Urne gewählt, der Aufwand hält sich in Grenzen. Bei Bürgern ohne festes Zuhause wie Strafgefangenen oder Wohnungslosen ist das jedoch nicht ganz so einfach.

Es gibt Menschen, die die Gesellschaft gerne vergisst. Weil die Menschen sie nicht sehen oder nicht sehen wollen oder sie am liebsten gar nicht da hätten. Was gern genauso vergessen wird, sind ihre Rechte. Einer dieser gesetzlichen Ansprüche ist das Wahlrecht. Das haben aber eben diese Menschen, die Wohnungslosen und Strafgefangenen, auch.

In Deutschland leben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 46.054 Personen im Gefängnis oder in der Sicherheitsverwahrung. Die meisten von ihnen haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Unter den Strafgefangenen mit ausländischem Pass sind viele EU-Bürgerinnen und -Bürger, die an den Europa- und teilweise auch an Kommunalwahlen teilnehmen können.

Ein Platz auf der Wählerliste

Die Zahl der Wohnungslosen lag 2018 nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe bei 678.000 Menschen. Leicht gemacht wird ihnen das Wählen nicht, sagt Thomas Rutschmann, Referatsleiter Wohnungslosenhilfe beim AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg. "Wählen kann nur, wer im Wahlregister eingetragen ist", sagt er. Dieses sei an den Wohnort gekoppelt. Wohnungslose, die nicht vorübergehend in einer Einrichtung leben und dort gemeldet sind, müssten sich aktiv darum bemühen, auf die Wählerliste zu kommen. "Voraussetzung ist, dass ihr gewöhnlicher Aufenthalt in der entsprechenden Kommune liegt", sagt er.

In diesem Fall müssten die Menschen spätestens drei Wochen vor der Wahl beantragen, ins Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden, sagt Rutschmann. Hier stießen viele auf eine erste Hürde. "Für den Antrag brauchen sie einen Ausweis, um sich zu legitimieren", sagt er. Genau diesen hätten aber viele Wohnungslose verloren. Einen Ausweis zu bekommen, sei ein großer Aufwand, da oft auch Unterlagen wie die Geburtsurkunde fehlten. Dann müsse sich die Kommune bei den Behörden an dem Ort erkundigen, an dem die Betroffenen zuletzt einen Ausweis beantragt hatten.

Stimmabgabe per Brief

Bei Strafgefangenen läuft das anders. Wenn sie eine längere Haftstrafe verbüßen, stünden sie im Verzeichnis der Standortgemeinde der Strafvollzugsanstalt und bekommen so ihre Wahlunterlagen, sagt Manuel Matzke, Sprecher der Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO). Männer und Frauen, die für eine kürzere Zeit im Gefängnis sind, seien hingegen oft in ihrem Heimatort gemeldet und müssten sich ihre Unterlagen zuschicken lassen.

"Grundsätzlich funktioniert das Prinzip der Briefwahl", sagt Matzke. Außerhalb der Haftanstalt wählen könnten nur Personen im offenen Vollzug - vorausgesetzt, das Gefängnis händigt ihnen ihren Ausweis aus. In wenigen Fällen gebe es mobile Wahllokale. "Dann werden die Urnen zum Beispiel in der Turnhalle der Justizvollzugsanstalt aufgestellt", sagt er.

Zahlen zur Wahlbeteiligung unter Strafgefangenen und Wohnungslosen gibt es für die jüngsten Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die am 14. März stattfanden, nach Angaben der Wahlleiter nicht. Einrichtungsleiter Rutschmann schätzt sie für Menschen ohne festen Wohnsitz als unterdurchschnittlich ein. Viele hätten das Gefühl, dass "die Themen, die in der Politik bespielt werden, abgehoben sind", sagt er.

Informationen zu Wahlprogrammen

Eher für die Belange von Wohnungslosen setzten sich Oppositionsparteien ein, sagt Rutschmann. "Sie geben sich mehr Mühe, wenn es nicht um den Regierungserhalt geht." In der "Mainstream-Politik" fehlten oft Forderungen wie ein kostenloser Zugang zum Nahverkehr, die Wohnungslose ansprechen. Gewerkschafter Matzke beklagt den Umgang der politischen Parteien mit Strafgefangenen. "Die Politik nutzt gerade im Wahlkampf das Thema Sicherheit", sagt er.

Informationen zu den Wahlprogrammen dringen nicht immer zu den Gefangenen durch, da Parteien keine Werbung in den Anstalten machen dürften. Diese Lücke versuche die GG/BO durch Wahlprüfsteine zu füllen. Dabei werde die Gewerkschaft alleingelassen, kritisiert er: "Von den Gefängnisleitungen bekommen wir keine Hilfe."

Jana-Sophie Brüntjen


Teilhabe

Hintergrund

Aberkennung des aktiven Wahlrechts



Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, heißt es im Grundgesetz. Das bedeutet aber nicht, dass die Staatsgewalt von jeder Person der Bevölkerung ausgeht. Es gibt Fälle, in denen straffällig gewordenen Menschen ihr Wahlrecht entzogen werden kann.

Nach Paragraf 13 Bundeswahlgesetz ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, "wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt". Dies ist dem Bundeswahlleiter zufolge aber beim aktiven Wahlrecht nur in bestimmten im Strafgesetzbuch und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz festgelegten Fällen möglich und gilt für zwei bis maximal fünf Jahre. Demnach können Menschen ihr Wahlrecht kurzzeitig verlieren, wenn sie zu Haftstrafen von mindestens sechs Monate beziehungsweise mindestens einem Jahr wegen Straftaten wie Hochverrat gegen den Bund, der Offenbarung von Staatsgeheimnissen, der Fälschung von Wahlunterlagen oder Abgeordnetenbestechung verurteilt wurden.

Ausschluss vom Wahlrecht

Allerdings bedeutet eine Verurteilung wegen solcher Straftaten demnach nicht automatisch, dass der Person ihr Wahlrecht aberkannt wird. Vielmehr liege es im Ermessen des Gerichts, ob die Straftäterin oder der Straftäter weiter ihre Stimme abgeben dürfen. Außerdem könne das Bundesverfassungsgericht eine Person wegen des Verwirkens von Grundrechten vom Wahlrecht ausschließen. Das ist nach Artikel 18 Grundgesetz dann möglich, wenn jemand die Freiheit der Meinungsäußerung, die Versammlung- und Vereinigungsfreiheit, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, das Eigentum oder das Asylrecht "im Kampfe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht".

Ein solcher Ausschluss ist dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags zufolge aber noch nie vorgekommen. In allen vier Verwirkungsverfahren seit Gründung der Bundesrepublik habe das Gericht die Anträge bereits im Vorverfahren abgelehnt. Wie viele Menschen jährlich nach Paragraf 45 Absatz 5 Strafgesetzbuch ihr aktives Wahlrecht kurzzeitig verlieren, ist nach Angaben der Bundesregierung nicht bekannt.

Viel häufiger als ihr aktives verlieren Straftäterinnen und Straftäter ihr passives Wahlrecht. Dies ist der Fall, wenn ein Gericht eine Person wegen eines Verbrechens verurteilt. Ein Verbrechen ist eine rechtswidrige Tat, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet wird. Somit unterscheidet es sich von einem Vergehen, auf das im Mindestmaß eine geringere Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe steht. Hat jemand ein Verbrechen begangen, verliert er für fünf Jahre das Recht, öffentliche Ämter auszuüben und für ein politisches Amt gewählt zu werden.

Verlust des passiven Wahlrechts

Darüber hinaus können Menschen nach Paragraf 45 Absatz 2 Strafgesetzbuch ihr passives Wahlrecht verlieren, wenn das Gesetz dies besonders vorsieht. Ein Beispiel ist das Gesetz zum Subventionsbetrug (Paragraf 264 Strafgesetzbuch). In Absatz 7 des Paragrafen ist festgelegt, dass das Gericht im Urteil den Verlust des passiven Wahlrechts aussprechen kann.

Kritik an der Praxis kommt von der Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO). Es sei nicht transparent, warum zwischen Vergehen und Verbrechen unterschieden werde. Es ergebe außerdem keinen Sinn, dass die fünf Jahre ohne passives Wahlrecht erst mit der Entlassung der Betroffenen aus der Einrichtung beginnen.

In einer Analyse beschreiben die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundtestages verschiedene kritische Äußerungen dazu, ob die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen beim Entzug des passiven Wahlrechts verfassungsmäßig ist. Gegnerinnen und Gegner sehen darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz.

Jana-Sophie Brüntjen


Teilhabe

"Unter Wohnungslosen ist der Frust über die Politik groß"



Im Superwahljahr 2021 können Millionen Menschen ihre Stimme abgeben – auch solche, denen die Politik eher wenig Beachtung schenkt. Dazu gehören Bürgerinnen und Bürger ohne feste Meldeadresse, sofern sie sich ins Wählerverzeichnis eintragen lassen. Von diesem Recht machen aber nicht viele Gebrauch, sagt Thomas Rutschmann, Sozialpädagoge und Referatsleiter Wohnungslosenhilfe beim AGJ Fachverband in Freiburg. Bei der politischen Teilhabe hapere es aber auch in anderen Bereichen.

epd sozial: Herr Rutschmann, in der Corona-Pandemie ist der Alltag für Wohnungslose noch herausfordernder als sonst. Sie haben weniger Einnahmemöglichkeiten als sonst und viele Hilfseinrichtungen können nur eingeschränkt arbeiten. Bleibt da noch Kraft und Zeit für Politik?

Thomas Rutschmann: Unter Wohnungslosen ist der Frust über die Politik groß. Sie haben das Gefühl, dass Politiker ihnen nicht zuhören. Wenn sie wählen, ist es eher eine Frustwahl. Unter den Wohnungslosen gibt es zum Beispiel starke Abgrenztendenzen zu Migranten. Dann heißt es: 'Die bekommen eher Wohnungen als wir.' Bestimmte Parteien greifen das auf und sprechen damit Wohnungslose an. Generell ist es aber so, dass die Menschen andere elementare Probleme haben und wählen bei ihnen nicht an oberster Stelle steht.

epd: Wie können die Mitarbeitenden in den Einrichtungen helfen?

Rutschmann: Wir weisen zuerst auf die Wahlen hin und unterstützen diejenigen, die sich ins Wählerverzeichnis eintragen wollen. Die Sozialarbeiter erinnern die Wohnungslosen zum Beispiel frühzeitig daran, dass sie eventuell einen Ausweis beantragen müssen. Wir veranstalten außerdem Foren, auf denen Wohnungslose gehört werden. So wird nicht immer nur über sie geredet, sondern sie können sich selbst mit Vertretern aus der Politik austauschen. In unserer täglichen Arbeit besprechen wir außerdem aktuelle Probleme, etwa dass Obdachlose auch auf der Straße und nicht nur in den Einrichtungen geimpft werden sollten.

epd: Wie sieht es mit der politischen Bildung aus?

Rutschmann: Politische Bildung darf nicht nur über den Fernseher gehen. Wir versuchen, in unseren Einrichtungen immer mindestens zwei Tageszeitungen und eine Wochenzeitschrift dazuhaben, um verschiedene Ansichten zu zeigen. Relativ viele Wohnungslose haben ein Smartphone und können sich online informieren, wenn sie ins Internet kommen. Daher ist es so wichtig, WLAN für alle zu ermöglichen. Wir arbeiten außerdem mit der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg zusammen.




sozial-Politik

Corona

Migranten gehören zu den Hauptverlierern der Pandemie




Jobangebote für Flüchtlinge
epd-bild/Christian Ditsch
Kurzarbeit, Sprachprobleme beim Behördenkontakt und wenig Unterstützung: Migranten leiden Experten zufolge besonders unter den Einschränkungen, die Covid-19 für die Gesellschaft bedeutet.

Über ein Jahr musste Fahim Atif auf die Erneuerung seines Aufenthaltstitels warten. Über ein Jahr, in dem der 33-jährige Flüchtling aus Afghanistan und seine Frau deshalb kein Kindergeld für die zwei Kinder bekamen und er keine Arbeit aufnehmen konnte. Die Bearbeitungszeiten beim zuständigen Landratsamt Starnberg hatten sich durch die Einschränkungen in der Corona-Pandemie deutlich verlängert, bestätigt Iana Fröse, Migrationsberaterin bei der Arbeiterwohlfahrt in Starnberg, die Atif unterstützt.

Die Kommunikation mit Ämtern und Behörden ist für Menschen, die noch nicht lange in Deutschland leben und nicht gut Deutsch sprechen, ohnehin kompliziert. Fällt dann das persönliche Gespräch weg und müssen Anträge online ausgefüllt werden, oft ohne Computer, Drucker oder Scanner zur Hand zu haben, erschwert das die Lage zusätzlich.

Deutlich gestiegener Beratungsbedarf

Werden Formulare nicht richtig oder unvollständig ausgefüllt, hat das Konsequenzen: Werde beispielsweise ein Antrag auf Arbeitslosengeld II abgelehnt, könnten manche Menschen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen und verlören im schlimmsten Fall ihre Wohnung, berichtet Nedialko Kalinov, Migrationsberater bei der Caritas in München. "Seit Beginn der Corona-Pandemie ist der Beratungsbedarf enorm gestiegen", erklärt Kalinov, der bei der Caritas EU-Migranten und anerkannte Flüchtlinge unterstützt.

Viele, die zu ihm kommen, haben in der Corona-Krise ihre Arbeit verloren. Häufig haben sie in der Gastronomie, in Hotels oder als Reinigungskraft gearbeitet, oft in prekären Arbeitsverhältnissen. Wer in Kurzarbeit ist, für den reicht das Geld kaum zum Leben, zudem fällt das Trinkgeld weg. Auch unter den besonders betroffenen Solo-Selbstständigen wie Taxifahrern, Sprachlehrern oder Menschen, die im Event- oder Messebereich gearbeitet haben, sind viele Migranten.

Ausbildung oft in weiter Ferne

Für Menschen mit ausländischem Pass ist es ein Problem, wenn Jobs für Geringqualifizierte wegfallen oder sie ihren Kindern wegen mangelnder Deutschkenntnisse beim Homeschooling nicht ausreichend helfen können. "Es ist jetzt wichtig, die Zeit möglichst gut zu nutzen, um Geringqualifizierte Stück für Stück in eine Ausbildung oder wertigere Arbeit zu bekommen und sie auch sprachlich zu fördern", sagt Anette Farrenkopf, Geschäftsführerin des Jobcenters München.

Die Sozialschutzpakete der Bundesregierung, die unter anderem erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und eine Einmalzahlung beinhalten, seien eine gute Sache, sagt Farrenkopf. Julia Sterzer, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege München, fordert darüber hinaus eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze und des Mindestlohns sowie mehr Beratungskapazitäten im Bereich der Migrationsarbeit.

Wieder mehr Präsenztermine beim Jobcenter wünscht sich Nedialko Kalinov für seine Klienten. Fahim Atif hat in der vergangenen Woche immerhin eine gute Nachricht bekommen: Nachdem sein Aufenthaltstitel endlich erneuert wurde, bekommt er nun rückwirkend auch das Kindergeld für das Jahr 2020 ausgezahlt.

Imke Plesch


Corona

Studie: Diskriminierung von Migranten hat in der Pandemie zugenommen



Die Corona-Pandemie hat gravierende Auswirkungen auf Einwanderer und Flüchtlinge. Die Ergebnisse einer Studie des Forschungsbereichs Migration, Flucht und Integration am Institut für Politische Wissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen zeigen, dass sie in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Bildung mehr benachteiligt sind als Einheimische. Außerdem hätten Diskriminierungen zugenommen, sagte die Leiterin des Projekts, Professorin Petra Bendel, am 20. April in Erlangen.

Zugewanderte Menschen sind der Studie zufolge an ihrem Arbeitsplatz häufig gesundheitlich stärker gefährdet und können seltener zu Hause arbeiten. Zugleich arbeiteten Migranten und geflüchtete Menschen häufig in systemrelevanten Berufen wie etwa in Supermärkten und hätten daher relativ viele Kontakte.

Es habe sich in der Pandemie gezeigt, dass in Sammelunterkünften der Infektionsschutz und Hygiene schwieriger zu realisieren seien. Masken und Impfstoffe müssten für besonders Gefährdete, unter denen auch Geflüchtete seien, besser zugänglich sein.

Die Suche nach "Sündenböcken" für die Ausbreitung des Virus hätten Nachkommen von Eingewanderten, Migranten und Geflüchteten zur Zielscheibe gemacht, heißt es in der Untersuchung. Bendel forderte daher präventive, rassismuskritische Bildungsarbeit in Schulen, Betrieben und Behörden.



Bundestag

Reform der Kinder- und Jugendhilfe beschlossen



Im Schatten der Corona-Pandemie hat der Bundestag eine bisher kaum beachtete, weitreichende Reform der Kinder- und Jugendhilfe beschlossen. FDP, Linken und Grünen reicht sie nicht. Die Koalition spricht hingegen von vielen wichtigen Verbesserungen.

Kinder in schwierigen Lebensverhältnissen, im Heim und in Pflegefamilien sollen mehr Unterstützung, Schutz und Rechte erhalten. Der Bundestag hat am 22. April in Berlin eine umfassende Reform der Kinder- und Jugendhilfe beschlossen. Sie hat zum Ziel, den Kinderschutz zu verbessern, Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien zu stärken und allen Beteiligten mehr Mitspracherechte zu geben.

Stärkere Kontrollen von Heimen

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, es komme jetzt darauf an, dass auch der Bundesrat zustimme. Viele Praktikerinnen und Praktiker warteten auf die Verbesserungen. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön (CDU), sagte im Bundestag, die Reform werde das Leben Zehntausender Kinder und Jugendlicher im Land verändern. Norbert Müller, Obmann der Linksfraktion im Familienausschuss, kritisierte hingegen, die Reformen drohten am eklatanten Personalmangel in den Jugendämtern zu scheitern.

Das Gesetz sieht stärkere Kontrollen von Heimen im Inland und von Jugendprojekten im Ausland vor, von denen etliche in Verruf geraten waren. Kinder und Jugendliche, die in Heimen oder in Pflegefamilien leben, sollen sich künftig an unabhängige Beschwerdestellen wenden können. Dem Schutz der Kinder soll auch eine engere Kooperation zwischen Jugendämtern, Familiengerichten, den Strafverfolgungsbehörden und Ärzten dienen. So sollen beispielsweise Ärzte, die sich wegen eines Verdachts auf Misshandlungen an das Jugendamt wenden, künftig eine Rückmeldung erhalten, wie der Fall eingeschätzt wird.

Die Rechte von Pflegeeltern und leiblichen Eltern eines Kindes werden neu austariert. Wenn das Kind bei den Pflegeltern besser aufgehoben ist, soll es dort unter bestimmten Umständen dauerhaft und nicht nur befristet bleiben können. Gleichzeitig sollen leibliche Eltern, die einen guten Kontakt zu ihren Kindern behalten wollen, stärker unterstützt werden.

Beitrag zur Inklusion

Zu den zahlreichen Änderungen in der Jugendhilfe zählt auch, dass Kinder in Heimen und Pflegefamilien künftig mehr vom selbst verdienten Geld behalten können. Bisher müssen sie 75 Prozent abgeben, um zu den Kosten ihrer Unterbringung beizutragen. Künftig können sie 75 Prozent behalten und haben einen Freibetrag von 150 Euro. Die bisherige Regelung war als besonders demotivierend für junge Menschen kritisiert worden, die es ohnehin schwer haben, auf eigenen Füßen zu stehen.

Das unter der Federführung von Familienministerin Giffey erarbeitete Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sieht außerdem vor, bis 2028 die staatlichen Leistungen für behinderte und nicht behinderte Kinder zusammenzuführen. Deutschland kommt damit auch seiner Pflicht zur Inklusion von behinderten Menschen nach. Die Koalitionsfraktionen und die Grünen stimmten für die Reform, die Linke, die einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht hatte, und AfD stimmten dagegen, die FDP enthielt sich der Stimme.

Kinder suchtkranker Eltern

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), erklärte, durch die Reform erhielten auch Kinder suchtkranker Eltern endlich mehr Unterstützung. Sie können sich künftig ohne Wissen und Zustimmung ihrer Eltern an eine Beratungsstelle wenden und in Notsituationen schnell und unbürokratisch Hilfe bekommen. Die Diakonie begrüßte das Gesetz, bemängelte aber, die inklusive Kinder- und Jugendhilfe komme zu langsam voran.

In Deutschland leben knapp 22 Millionen Kinder und Jugendliche bis 27 Jahre. 1,1 Millionen sind auf die Unterstützung der Jugendämter angewiesen. Weitere 360.000 Kinder und Jugendliche brauchen wegen einer seelischen, körperlichen oder geistigen Behinderung Hilfen. Die Reform stand schon in der vorigen Legislaturperiode auf der politischen Agenda, war aber am Widerstand der Länder gescheitert, die sich nicht genug eingebunden fühlten.

Bettina Markmeyer


Corona

Giffey: Zwei Milliarden Euro für "Aufholprogramm" für Kinder




Mutter und Tochter beim Homeschooling
epd-bild/Jens Schulze
Die Pandemie schlägt breite soziale Schneisen. Auch benachteiligte Familien und ihre Kinder sind betroffen. Ihnen will Familienministerin Giffey mit einem milliardenschweren Aufholprogramm helfen. Die Jugendämter signalisieren Unterstützung.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will zwei Milliarden Euro für ein "Aufholprogramm" für Kinder und Jugendliche bereitstellen, das negative Folgen der Corona-Krise ausgleichen soll. Damit werde versucht, entstandene Bildungslücken, Lernrückstände, ausgefallene Sprachschulungen oder psychologische Probleme zu kompensieren, sagte die Ministerin am 20. April bei einer Online-Infoveranstaltung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter. Die angedachten Projekte sollten sich nicht nur auf schulischen Nachhilfeunterricht beschränken, sondern auch die frühkindliche Bildung fördern und spezielle Sportangebote oder Kinderfreizeiten unterstützen.

Jugendämter fordern mehr Geld

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter will das Vorhaben unterstützen, sieht aber einen erheblich höheren Finanzbedarf. Deren Vorsitzender Lorenz Bahr forderte einen "Post-Corona-Fonds Kinder- und Jugendhilfe" in Höhe von jährlich 5,6 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027. Der lasse sich decken, wenn sich nicht der Bund alleine, sondern auch die Länder und Kommunen finanziell engagierten. Bahr sprach von einer gemeinschaftlichen Aufgabe. Er sei "relativ optimistisch, dass uns das auch gelingt".

Ministerin Giffey verwies außerdem auf den weiteren Ausbau finanzieller Unterstützungen für Familien in der Pandemie und darauf, dass hier bereits verschiedene gesetzliche Hilfen erweitert oder verlängert wurden. Sie nannte beispielhaft die Erhöhung des Kinderzuschlages, mehr Gelder im Teilhabepaket und eine zusätzliche Milliarde Euro für den Kita-Ausbau. Auch verwies Giffey auf das aktuelle Vorhaben ihres Ministeriums, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter noch bis zum Ende der Legislaturperiode durchzusetzen. Der Referentenentwurf dazu sei soeben zur Anhörung an die Verbände gegangen, so Giffey.

"Nachhaltige Schäden"

Der BAG-Vorsitzende Bahr stellte die neue Kampagne "Das Jugendamt - Unterstützung, die ankommt" vor, die vor allem über die Arbeit der Behörden informieren soll. Bei den kommenden Aktionswochen wolle man deutlich machen, dass "das Jugendamt immer da ist, gerade auch jetzt, in der Krise". Durch die Betreuung und Begleitung durch die Behörden bekämen Kinder eine "wichtige Starthilfe". Die Ämter hätten sich "kreativ, flexibel und pragmatisch der Situation in der Corona-Pandemie angepasst", sagte Bahr.

Der Vorsitzende stellte zugleich die Resultate einer Umfrage bei den 559 Jugendämtern vor, in der die Folgen der Pandemie für die Arbeit der Behörden ermittelt wurden. Man habe enorme Defizite in der Entwicklung junger Menschen festgestellt, sagte Bahr. Er sprach von "verlorenen Chancen in der Pandemie und nachhaltigen Schäden".

Die Folgen der Pandemie in der Bildung seien längst zu einem Mittelschicht-Problem geworden, sagte Bahr. "Viele junge Menschen, insbesondere im Alter von 14 bis 18 Jahren, sind unter dem Radar des Jugendamtes durchgegangen", erläuterte Birgit Zeller, Sprecherin der AG Öffentlichkeitsarbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft und Leiterin des Landesjugendamtes Rheinland-Pfalz in Mainz. Auch Familien in prekären Lebenslagen, psychisch erkrankte Eltern sowie Alleinerziehende seien deutlich schwerer für das Jugendamt erreichbar gewesen.

Dirk Baas


Corona

Bundestag und Bundesrat stimmen bundesweiter "Notbremse" zu




Tausende Menschen haben am 21. April in Berlin gegen Corona-Beschränkungen protestiert.
epd-bild/Rolf Zöllner
Die "Corona-Notbremse" ist beschlossen. Ab einer Inzidenz von 100 gelten bis Ende Juni im ganzen Land die gleichen Regeln. Die Opposition blieb bei ihrer Ablehnung. Die Eingriffe seien teils zu tief, teils inkonsequent - die Wirkung fraglich.

Nach einer leidenschaftlich geführten Debatte hat der Bundestag am 21. April mit den Stimmen der Koalition eine bundesweit einheitliche "Corona-Notbremse" beschlossen. Die abschließende Beratung und Abstimmung wurde von Protest-Demonstrationen rund um das Regierungsviertel in Berlin begleitet. Die Änderungen am Infektionsschutzgesetz geben dem Bund die Befugnis, Kontaktbeschränkungen und Schließungen anzuordnen. Bislang sind die Bundesländer dafür zuständig. Besonders umstritten war in der Debatte die nächtliche Ausgangssperre. Der Bundesrat hat das Infektionsschutzgesetz am 22. April gebilligt.

Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 5 Uhr

In Städten und Landkreisen, in denen binnen einer Woche 100 Ansteckungen oder mehr auf 100.000 Einwohner registriert werden, gilt demnächst eine Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 5 Uhr. Eine Ausnahme gibt es bis Mitternacht für Einzelpersonen, die zum Joggen oder Spazieren ins Freie gehen. Damit orientiert sich die bundesweite Regelung an den Vorschriften in Hamburg, die vor Gericht Bestand hatten. Die Opposition äußerte Zweifel, dass die Ausgangssperre dazu beitragen werde, die Infektionen zu senken. Die FDP-Fraktion kritisierte sie als unverhältnismäßig und kündigte eine Verfassungsbeschwerde an. Die Liberalen, die Linke und die AfD stimmten aus unterschiedlichen Gründen gegen das Gesetz, die Grünen enthielten sich.

Der Fraktionsvorsitzende der Union, Ralph Brinkhaus (CDU), warb zum Auftakt der Debatte eindringlich um Zustimmung. "Dieses Gesetz ist ein Gesetz für das Leben", sagte er und verwies auf die grundgesetzliche Verpflichtung, Leben und Gesundheit der Menschen zu schützen. Mit Blick auf die Vorgeschichte des Gesetzes sagte Brinkhaus, es respektiere den Föderalismus. Die Länder entschieden bis zu einer Inzidenz von 100, darüber gebe es nun bundeseinheitliche Regelungen. Das Bundeskabinett hatte den Entwurf vor einer Woche beschlossen als Reaktion darauf, dass die schon Anfang März von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene "Notbremse" bislang nicht konsequent umgesetzt wird.

Dritte Welle

Die AfD sah sich scharfen Angriffen aller anderen Fraktionen ausgesetzt. Sie hatte vergeblich versucht, die Abstimmung von der Tagesordnung absetzen zu lassen. Der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland bezeichnete das Gesetz als einen Angriff auf die Freiheitsrechte, den Föderalismus und den gesunden Menschenverstand. Er warf der Koalition vor, in der Pandemie-Bekämpfung versagt zu haben.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wies die Kritik der Opposition zurück und erklärte, die bundeseinheitlichen Regelungen sorgten künftig für "Klarheit und Konsequenz" überall in Deutschland. Er glaube, dass einheitliche Regeln dazu beitrügen, dass viele mitmachten, sagte Scholz. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb für die "Notbremse". Impfen und Testen allein reiche nicht, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen, sagte er, auch wenn sich die Impfkampagne weiter beschleunige: Anfang Mai werde jeder Vierte geimpft sein, so Spahn.

Ausgangssperren brächten "zur Eindämmung des Infektionsgeschehens rein gar nichts", kritisierte hingegen die Gesundheitspolitikerin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus. Sie schränkten nur die Grundrechte ein. Die Koalition riskiere mit einem schlecht gemachten Gesetz einen weiteren Vertrauensverlust bei der Bevölkerung, warnte die FDP-Politikerin. Die Linke und die Grünen verlangten mehr verpflichtende Tests, schärfere Auflagen für Arbeitgeber und nachvollziehbare Regeln für Schulen.

Regelungen bis Ende Juni befristet

Schulen müssen ab einer Inzidenz von 165 - also 165 Ansteckungen auf 100.000 Einwohner binnen einer Woche - den Präsenzbetrieb komplett einstellen. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Amira Mohamed Ali, sagte, niemand könne verstehen, dass es bei einer Inzidenz von 100 Ausgangssperren gebe, aber Kinder weiter zur Schule gingen und in vollen Klassen säßen.

Die Regelungen zur "Corona-Notbremse" sind bis Ende Juni befristet. Sie sieht auch die Schließung von Geschäften, Kultur- und Sporteinrichtungen vor sowie die bereits bekannten Beschränkungen für private Treffen auf einen Haushalt und eine zusätzliche Person, wenn die Inzidenz an drei Tagen hintereinander über 100 liegt.

Bettina Markmeyer


Corona

Hintergrund

Die Pandemie-"Notbremse" und weitere Regelungen



Der Bundestag hat am 21. April in Berlin eine verbindliche bundeseinheitliche "Corona-Notbremse" beschlossen. Sie soll dafür sorgen, dass die Infektionszahlen sinken. Der Bundesrat hat sie am 22. April gebilligt. Mit den Gesetzesänderungen reagiert der Bund darauf, dass die zwischen Bund und Ländern vereinbarte "Notbremse" bei mehr als 100 Ansteckungen auf 100.000 Einwohner in einer Woche bislang von den Ministerpräsidenten nicht konsequent gezogen worden ist.

* KONTAKT- UND AUSGANGSBESCHRÄNKUNGEN: Überschreitet die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt den Wert von 100 an drei Tagen hintereinander, werden private Treffen auf das bereits bekannte Minimalmaß reduziert. Treffen dürfen sich Mitglieder eines Haushalts dann nur noch mit maximal einer Person. Zum Haushalt gehörende Kinder unter 14 Jahren werden nicht mitgezählt. Ferner soll es nächtliche Ausgangsbeschränkungen zwischen 22 und 5 Uhr geben. Die Wohnung darf dann nur aus triftigen Gründen, etwa wegen medizinischer Notfälle oder zur Berufsausübung verlassen werden. Ausnahme: Allein darf man zum Spaziergang oder zum Joggen bis Mitternacht ins Freie. Bei Todesfällen sind Trauerfeiern mit bis zu 30 Personen erlaubt. Fällt die Inzidenz an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen unter 100, tritt die Notbremse jeweils wieder außer Kraft.

* SCHLIESSUNGEN: Die gesetzliche "Notbremse" definiert auch, was alles schließen muss. Dazu zählen etwa Freizeiteinrichtungen, Restaurants, Spielhallen, touristischer Verkehr, Schwimmbäder und Diskotheken. Das gleiche gilt für Kultureinrichtungen. Auch Geschäfte dürfen nicht öffnen mit Ausnahme des Lebensmittelhandels. Getränkemärkte, Reformhäuser, Apotheken, Drogerien, Tankstellen, Buchhandlungen, Blumengeschäfte, Tierbedarfs- und Gartenmärkte müssen ebenfalls nicht schließen. Sie müssen aber für eine Begrenzung der Personenzahl im Geschäft oder Markt sorgen.

* MASKENPFLICHT: Beim Ziehen der "Notbremse" gilt automatisch eine Pflicht zum Tragen einer FFP2- oder einer vergleichbaren Maske bei körpernahen Dienstleistungen und im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr. Sie schützt am besten vor einer Ansteckung mit den Coronavirus, das durch Aerosole - sehr kleine Atembestandteile - übertragen wird.

* SCHULEN: Hier greift der Bund bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 noch nicht ein. Präsenzunterricht bleibt möglich, Schülerinnen und Schüler sollen aber zweimal in der Woche auf eine Corona-Infektion getestet werden. Geschlossen werden sollen Schulen aber, wenn die Inzidenz 165 übersteigt. Möglich ist dann nur noch eine Notbetreuung. Ausnahmen kann es für Abschlussklassen und Förderschulen geben.

* KINDERKRANKENGELD: Die Zahl der Kinderkrankengeld-Tage wird erhöht. Gesetzlich versicherte Eltern können dies künftig für jeweils zehn zusätzliche Arbeitstage in Anspruch nehmen, Alleinerziehende für weitere 20 Tage. Damit ergibt sich insgesamt ein Anspruch auf Kinderkrankengeld pro Elternteil von 30 Tagen, für Alleinerziehende von 60 Tagen. Eltern erhalten das Kinderkrankengeld während der Pandemie auch dann, wenn das Kind nicht krank ist, sondern sie es wegen geschlossener Schulen zu Hause betreuen, weil die Präsenzpflicht aufgehoben ist.

* GOTTESDIENSTE: Für religiöse Zusammenkünfte ändert sich durch die neue "Notbremse" nichts. Sie bleiben weiter möglich. Die Begründung des Gesetzesentwurfs verweist allerdings darauf, dass bisherige Regelungen, die etwa Personenbeschränkungen vorsehen, weiter in Kraft bleiben. Zudem haben auch die Religionsgemeinschaften Hygienekonzepte mit den staatlichen Stellen abgestimmt.

* ARBEIT: Im Infektionsschutzgesetz wird nun auch die Pflicht für Arbeitgeber verankert, Homeoffice anzubieten, wo dies möglich ist. Das ist bisher in der Corona-Arbeitsschutzverordnung geregelt. Die Arbeitsschutzverordnung wird erneut überarbeitet und sieht künftig vor, dass Arbeitgeber Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, zwei Corona-Tests pro Woche anbieten müssen. Die Regelung tritt parallel zum Infektionsschutzgesetz in Kraft.

Bettina Markmeyer


Kirchen

Heil wirbt für neuen Anlauf für höhere Löhne in der Altenpflege



Arbeitsminister Heil wirbt nach dem Scheitern eines allgemeinen Tarifvertrags für die Altenpflege dafür, einen weiteren Versuch zur Erhöhung des Lohnniveaus in der Branche zu unternehmen. Die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat für einen weiteren Anlauf für höhere Löhne in der Altenpflege geworben. Er sagte am 21. April in Berlin, die Ablehnung eines allgemeingültigen Tarifs durch die Arbeitgeber der Caritas vor wenigen Wochen "kann und darf nicht das letzte Wort sein". Ein Weg, der jetzt noch offenstehe, sei, die Refinanzierung von Pflege- und Reha-Einrichtungen durch die Pflege- und Krankenkassen sowie die Vergabe staatlicher Aufträge konsequent an das Vorhandensein von Tarifverträgen zu knüpfen, erklärte Heil.

Lehre aus der Pandemie

Er wolle dazu noch in dieser Legislaturperiode einen weiteren Anlauf unternehmen, kündigte der SPD-Politiker an und appellierte an die Union, dabei mitzuziehen. Eine große Pflegereform wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sie angekündigt habe, sei bis zur Bundestagswahl im September kaum noch zu erwarten, sagte Heil. Aber es müsse etwas getan werden, um die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu verbessern, sagte Heil. Das müsse eine der Lehren aus der Pandemie sein.

Mit Blick auf die Gemengelage in der Diakonie Deutschland sagte Heil, er wisse, dass viele in dem evangelischen Verband für einen allgemeinen Tarif gekämpft hätten, "aber nicht alle". Die Diakonie sei nach dem abschlägigen Beschluss der Caritas "um ein Votum herumgekommen", bilanzierte er. Beide kirchlichen Verbände hätten dem Verfahren zu einem allgemeinverbindlichen Tarif in der Altenpflege zustimmen müssen. Nach dem Beschluss der Caritas hatten die Gremien der Diakonie nicht mehr abgestimmt.

Loheide unterstützt Heils Vorschlag

Heil sprach beim jährlichen Wichern-Empfang der Diakonie Deutschland, der 2020 abgesagt worden war und in diesem Jahr digital stattfand. Thematisch standen die Folgen der Digitalisierung und der Corona-Pandemie für den Sozialstaat im Mittelpunkt.

Maria Loheide vom Vorstand der Diakonie Deutschland unterstützte Heils Vorschlag. Die Bezahlung sei nicht alles, aber sie sei ein wesentlicher Aspekt bei der Wahl eines Berufes, sagte sie. Loheide zeigte sich besorgt über die Folgen der Pandemie. Die sich verschärfende soziale Ungleichheit verbunden mit den hohen coronabedingten Ausgaben stellten die Sozialstaat vor enorme Herausforderungen. Förderprogramme für die Wirtschaft reichten nicht aus, sagte Loheide. Der Staat müsse auch stärker in das Sozialwesen investieren.

Bettina Markmeyer


Bundestag

Leidenschaftliche Debatte über Sterbehilfe




Sterbender im Hospiz
epd-bild/Werner Krüper
2015 hatte der Bundestag ein Verbot organisierter Suizidbeihilfe verabschiedet. Das Verfassungsgericht hat es gekippt und das Parlament diskutiert erneut. Eine Mehrheitsmeinung ist diesmal noch nicht absehbar, zwei Richtungen zeichnen sich ab.

Die Politik beschäftigt einmal mehr eine grundsätzliche Frage. Es geht um eine Form der Sterbehilfe, die Hilfe beim Suizid. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat den Gesetzgeber zum neuen Nachdenken gezwungen darüber, ob er im Sinne der Selbstbestimmung für den Zugang zu tödlich wirkenden Mitteln sorgen muss, im Sinne der Menschenwürde eher davor schützen muss - oder wie er beides in Einklang bringt. Das Parlament diskutierte am 21. April zwei Stunden in einer sogenannten Orientierungsdebatte darüber - offen, ernst, teils emotional und an keiner Parteilinie entlang.

Dem Parlament liegen drei Vorschläge vor

Drei Vorschläge liegen dem Parlament bislang vor, nur einer ist formell als Entwurf in den Bundestag eingebracht. Hinter den Vorschlägen verbergen sich zwei Richtungen: Zwei Gruppen werben für eine Liberalisierung der derzeitigen Regelungen, indem sie Ärzten ausdrücklich erlauben wollen, tödlich wirkende Mittel auch zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Eine andere will mit einem Gesetz eher dafür sorgen, dass Suizide verhindert werden.

"Wir sollten uns als Gesetzgeber an die Seite der Menschen stellen, die selbstbestimmt sterben wollen", sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Katrin Helling-Plahr, die gemeinsam mit anderen, darunter Karl Lauterbach (SPD), einen entsprechenden Entwurf eingebracht hat. Einen ähnlichen Vorschlag haben Renate Künast und Katja Keul (Grüne) vorgelegt. Für diese Richtung sprach sich im Parlament neben anderem auch der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke (SPD), aus.

Eine andere Gruppe, von deren Vorschlag bislang nur Eckpunkte vorliegen, will im Gegensatz dazu bei der Strafbarkeit der geschäftsmäßigen, also organisierten, Hilfe beim Suizid bleiben und diese nur unter Bedingungen erlauben. "Hier muss der Gesetzgeber seinem Schutzauftrag nachkommen", sagte der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling. Die Gruppe befürchtet, dass mit einer Liberalisierung der Sterbehilfe eine Normalisierung eintritt, die Menschen zumindest subtil unter Druck setzt, die Möglichkeit auch anzunehmen. "Niemand in diesem Land soll sich überflüssig fühlen", sagte Lars Castellucci (SPD), der die Eckpunkte mit ausgearbeitet hat.

Aufklärung, Beratung, Wartefristen

Diese Gruppe hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf ihrer Seite. Auch er fürchtet diesen Druck. "Eine solche Entwicklung wäre für unsere Gesellschaft fatal", sagte er und sprach sich für eine Regelung aus, die Suizidassistenz nur erlaubt, wenn Ärzte vorher aufklären, gemeinnützige Beratungsorganisationen mit eingebunden sind und Wartefristen eingehalten werden. Zudem soll die Werbung für Suizidassistenz verboten werden. So sehen es auch die Eckpunkte der Gruppe vor, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegen.

38 Abgeordnete kamen am Mittwoch mit jeweils dreiminütigen Reden zu Wort. Dabei äußerten sich mehr Abgeordnete für eine Regelung im Sinne der Gruppe um Heveling und Castellucci, ein repräsentatives Meinungsbild ist das aber nicht. Die Debatte wurde bewusst offen gestaltet, formelle Vorlagen gab es nicht. In jeder Fraktion gab es Befürworter der einen oder anderen Richtung.

Schmerz, Angst und Verzweiflung

Im Bundestag gibt es außerdem noch Unentschiedene. Claudia Moll (SPD) sagte in ihrer Rede, sie sei noch auf der Suche nach der richtigen Lösung. Als frühere Altenpflegerin habe sie Schmerz, Angst und Verzweiflung Sterbender hautnah miterlebt. Man müsse am Lebensende "nicht alles über sich ergehen lassen". Zugleich wolle sie keine Regelung, die Suizidhilfe "zu einer neuen Normalität des Sterbens macht".

Hintergrund der Debatte ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Februar vergangenen Jahres. Die Richter hatten das Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe bei der Selbsttötung gekippt. Sie urteilten, dass das Recht auf Selbstbestimmung auch das Recht umfasse, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Suizidassistenz leistet, wer einem Sterbewilligen ein todbringendes Medikament überlässt, aber nicht verabreicht.

Ob es noch in dieser Wahlperiode zu einer Neuregelung kommt, ist offen. "Es gibt zu viele offene Fragen, als dass ein komplettes Gesetzgebungsverfahren in den verbleibenden fünfeinhalb Sitzungswochen verantwortungsvoll machbar wäre", sagte der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser dem epd. Die Suizidassistenz könnte auch ein Thema für den neuen Bundestag werden.

Corinna Buschow


Bundestag

Hintergrund

Sterbehilfe: Mehrere Ideen, Neuregelung offen



Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe beim Suizid kassiert. Es geht dabei um das Überlassen tödlich wirkender Medikamente als spezielle Form der Sterbehilfe. Im Bundestag wird um eine Neuregelung gerungen - und das über Fraktionsgrenzen hinweg. Ob ein neues Gesetz noch in den letzten Wochen dieser Wahlperiode kommt, ist aber mehr als fraglich. Diese Ideen - teils in Entwürfen, teils nur in Eckpunkten - liegen bislang auf dem Tisch:

* GESETZENTWURF HELLING-PLAHR/LAUTERBACH U.A.

Eine Gruppe um die Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke) will mit ihrer Regelung sicherstellen, dass Sterbewilligen die Möglichkeit zur Suizidassistenz offensteht. Dafür will sie das Betäubungsmittelgesetz ändern, um Ärzten ausdrücklich zu erlauben, tödliche wirkende Mittel zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Bedingung für das Rezept ist eine Beratung, mit der sichergestellt werden soll, dass der Sterbewunsch wirklich freier Wille des Betroffenen ist. Dafür soll ein Netz staatlich finanzierter Beratungsstellen entstehen. Der Gesetzentwurf der Gruppe, der von Abgeordneten von FDP, SPD und Linken unterstützt wird, ist bislang der einzige, der formell in den Bundestag eingebracht wurde. Öffentlich vorgestellt wurde er Ende Januar.

* GESETZENTWURF KÜNAST/KEUL

Ebenfalls Ende Januar veröffentlichten die Grünen-Politikerinnen Katja Keul und Renate Künast einen Gesetzesvorschlag. Er ist dem der Gruppe um Helling-Plahr und Lauterbach ähnlich. So sieht auch er eine Änderung des Betäubungsmittelrechts vor, damit Ärzte einem Sterbewilligen das Rezept ausstellen können. Eine verpflichtende Beratung mit einer Wartefrist bis zur Ausstellung des Rezepts sehen sie aber nur für Fälle vor, in denen jemand sterben möchte, der nicht schwer krank ist. Bei schwer kranken Sterbewilligen sollen Ärzte beraten und entscheiden.

* ECKPUNKTE CASTELLUCCI/HEVELING U.A.

Eine dritte Gruppe mit Vertretern aus allen Fraktionen außer der AfD will im Gegensatz zu den anderen Gruppen einen erneuten Versuch unternehmen, bestimmte Formen der Suizidassistenz im Strafrecht zu verbieten. Eckpunkte der Gruppe, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegen, sehen vor, dass die Hilfe bei der Selbsttötung nur erlaubt ist, wenn eine Beratung durch Ärzte stattfindet, die den freien Willen des Sterbewilligen feststellt, und bestimmte Wartefristen eingehalten werden - die bei schwer Kranken kürzer ausfallen sollen als bei Menschen mit einem Sterbewunsch aus einem anderen Grund. Zudem sollen die Werbung für geschäftsmäßige Suizidassistenz unter Strafe und die Suizidprävention gestärkt werden. Ein konkreter Entwurf liegt noch nicht vor von dieser Gruppe, zu der unter anderem die Abgeordneten Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Katrin Vogler (Linke), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Benjamin Strasser (FDP) und Stephan Pilsinger (CSU) gehören.

Corinna Buschow


Wohnen

Berliner Mietendeckel-Härtefonds mit zehn Millionen Euro




Hochhaus in Berlin
epd-bild/Jürgen Blume
Der Berliner Senat will nach dem Mietendeckel-Debakel verhindern, dass Mieter ihre Wohnungen verlieren. Denn bei vielen drohen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts offenbar teure Nachforderungen der Vermieter.

Nach dem Aus für den Mietendeckel hat der Berliner Senat einen Härtefallfonds für Mieter von zunächst zehn Millionen Euro aufgelegt. Angesichts von zu erwartenden Mietnachforderungen durch Vermieter würden Darlehen als Liquiditätsüberbrückungen zur Verfügung gestellt, sagte Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) am 20. April nach der Senatssitzung. Im Einzelfall könnten Darlehen in einen nichtrückzahlbaren Zuschuss umgewandelt werden. Das Geld soll in den kommenden zehn Tagen zur Verfügung stehen.

40.000 Berliner betroffen

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 15. April das Berliner Mietendeckel-Gesetz als grundgesetzwidrig gekippt. Zur Begründung wurde auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz der Länder in Mietangelegenheiten verwiesen. In Folge des Gesetzes hatten zahlreiche Mieter in den vergangenen Monaten ihre Mietzahlungen abgesenkt. Derzeit geht der Senat von rund 40.000 Berlinern und Berlinerinnen aus, die potenziell finanzielle Unterstützung benötigen.

Scheel appellierte an die Mieter, den wegen des Mietendeckels bislang zurückgehaltenen Differenzbetrag zügig an die Vermieter zu überweisen. Es bestehe jetzt eine Nachzahlungsverpflichtung auch ohne Nachforderungen des Vermieters. Zugleich appellierte er an die Vermieter, kulante Lösungen mit den Mietern zu suchen, Stundungen zu ermöglichen oder gar auf Nachforderungen zu verzichten. Dies sei wichtig für den sozialen Frieden. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verzichten laut Scheel auf Rückforderungen.

Anspruchsberechtigt für die "Sicher-Wohnen-Hilfe" sind beispielsweise Einpersonenhaushalte mit einem Jahresnettoeinkommen von bis zu 33.600 Euro. Scheel rief dazu auf, die Mieterberatungen der Bezirke aufzusuchen. Zugleich verwies er auf die Informationen im Internet unter https://mietendeckel.berlin.de. Auch Bezieher von Transferleistungen, wie etwa Wohngeldempfänger, bekommen die Zuschüsse erstattet.

Unbürokratisches Angebot

Ziel sei es, Wohnungsverluste zu vermeiden, sagte Scheel weiter. Die Zahl potenziell hilfsbedürftiger Mieter setzt sich aus Haushalten mit zwischenzeitlich abgesenkten Mieten und Haushalten mit "Schattenmietverträgen" zusammen. "Schattenmieten" liegen bei Mietern vor, die im Geltungszeitraum des Mietendeckels einen neuen Vertrag abgeschlossen oder eine Mieterhöhungsankündigung erhalten haben. Viele Vermieter verlangten dabei eine Zusage der Mieter, den Differenzbetrag zum Tabellenwert auszugleichen, wenn das Gesetz gekippt werden sollte.

Scheel nannte die Hilfe ein niedrigschwelliges und unbürokratischen Angebot. Antragsteller müssten unter anderem einen Mietzahlungsnachweis der vergangenen drei Monate vorlegen sowie eine eidesstattliche Erklärung, dass sie nicht in der Lage sind, die Nachzahlungen aus eigener Kraft zu leisten. Allerdings gehe er davon aus, dass die meisten Mieter die zurückbehaltenen Mietzahlungen beiseitegelegt haben.

Mit Blick auf weitere Mietentwicklungen sagte Scheel, für Berlin gelte noch bis Ende Mai der Mietspiegel von 2019. Danach werde dieser in einem sogenannten Indexmietspiegel fortgeschrieben.

Lukas Philippi



sozial-Branche

Corona

Warten auf die Spritze im Obdachlosentreff "Mecki"




Impfungen an Wohnungslosen im Diakonie-Kontaktladen
epd-bild/Nancy Heusel
Für Obdachlose ist es besonders schwierig, sich vor dem Coronavirus zu schützen. Wie die Impfkampagne für sie läuft, hängt stark vom Engagement der Kommunen und Träger ab. In Hannover haben zwei mobile Teams im großen Stil geimpft. Sie gehen da hin, wo sich die betroffenen Menschen aufhalten.

In der langen Warteschlange vor dem Kontaktladen "Mecki" hat sich Helmut S. (43) mit seinem Hund Ascko den dritten Platz gesichert. Heute stehen er und die weit mehr als 60 Obdachlosen hinter ihm nicht wie sonst für Mahlzeiten an - stattdessen warten sie auf den ersten großen Corona-Impftermin für ihre Gruppe in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Zwei mobile Teams verabreichen ihnen bis in den Abend hinein rund 250 Dosen des Moderna-Impfstoffs. Obdachlose gehören bundesweit zur Prioritätsgruppe 2 bei den Impfungen.

Helmut S. hat nach eigenen Angaben seit zwei Jahren keine Wohnung mehr. "Ich bin um 6 Uhr aufgestanden, um mich anzustellen", erzählt er. Er freue sich auf den Termin. Die Corona-Zeit sei bislang schwierig für ihn gewesen. Oft habe er nicht gewusst, wohin er gehen solle, wo doch viele Anlaufstellen geschlossen seien.

Geduldiges Warten in der "Impfschlange"

"Wer will hier noch geimpft werden?", ruft eine Helferin durch das Stimmengewirr auf dem Raschplatz neben dem Hauptbahnhof. "Stellt euch dort an, das ist die Impfschlange", sagt sie zu einer Gruppe und deutet zu einem Ehrenamtlichen, der mit Klebeband Abstandsmarkierungen auf dem Boden anbringt.

"Die Impfungen sind ein Thema in der Szene", berichtet Krankenschwester Franziska Walter, die im Kontaktladen arbeitet. "Die Menschen haben immer wieder nachgefragt, wann sie geimpft werden." Walter hofft, dass sich Obdachlose im "Mecki" bald regelmäßig impfen lassen können. Während der Impfaktion hat sie den bürokratischen Teil der Arbeit im Blick. Bei ihr müssen die Impfwilligen beispielsweise einen Anamnese-Bogen ausfüllen und eine Einwilligungserklärung unterschreiben.

Eigeninitiative führte zum Erfolg

Um die groß angelegte Impfaktion habe sich der Kontaktladen immer wieder selbst kümmern müssen, sagt Walter: "Wir müssen uns bemerkbar machen, auf uns würde keiner zukommen."

Wie gut die Impfungen für Obdachlose vorankommen, hänge sehr stark vom Engagement der Kommunen und der freien Träger ab, sagt auch Sabine Bösing, stellvertretende Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) mit Sitz in Berlin. Die Organisation der Impfungen für diese Gruppe sei mit vielen Herausforderungen verbunden.

Gerade für Obdachlose seien die Impfungen aber sehr wichtig, betont Bösing: "Wenn es heißt: Bleibt zu Hause, ist das natürlich gerade für die Menschen schwierig, die kein Zuhause haben." Obdachlose könnten sich schlechter von anderen Menschen isolieren und Hygiene-Standards einhalten. Häufig litten sie unter Vorerkrankungen. Bundesweit sind laut BAGW-Schätzungen rund 237.000 Menschen obdachlos.

Nachdem Helmut S. im Kontaktladen Platz genommen hat, füllt er die Formulare recht zügig aus. Dann schickt ihn Franziska Walter zur Impfung. Er zieht mehrere Oberteile aus, bis sein rechter Arm zum Vorschein kommt. Die Ärztin des Arbeiter-Samariter-Bunds verabreicht ihm die Spritze an einer Stelle, unter der ein großes Totenkopf-Tattoo prangt. "Innere Zufriedenheit" empfinde er angesichts der Impfung, sagt der Hannoveraner, als wenig später ein Pflaster über der kleinen Einstichstelle klebt. "Jetzt weiß ich, dass ich die nächste Zeit gut überstehe und das Virus auch nicht mehr übertrage."

Konstantin Klenke


Corona

"Verzweiflung begleitet mich noch immer"




Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg
epd-bild/Joachim Thies
Vor rund einem Jahr kam es im Wolfsburger Hanns-Lilje-Heim zu einem massiven Corona-Ausbruch. 47 Bewohner starben. Für die Angehörigen war das bundesweite Gedenken am 18. April ein Ausdruck von Wertschätzung und Anerkennung ihres Leids.

Das letzte Bild seiner Mutter wird Ingo Fritzsche immer im Herzen tragen. Es ist Anfang März 2020. Der 55-Jährige steht mit seiner Mutter im Eingang des Hanns-Lilje-Heims in Wolfsburg. Weiter darf er nicht. Bereits damals, wenige Tage, nachdem der erste Corona-Fall in Niedersachsen bestätigt wurde, galten Hygienevorschriften und Kontaktbeschränkungen in dem von der Diakonie betriebenen Pflegeheim. Fritzsche klönte mit seiner Mutter, legte ihr Zeitungen und ihre Lieblingssüßigkeiten in den Korb ihres Rollators. Dann winkte er zum Abschied. "Auf eine Umarmung haben wir lieber verzichtet", sagt Fritzsche und fügt hinzu: "Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich sie an diesem Tag zum letzten Mal sehe."

Ingrid Fritzsche starb am 2. April um vier Uhr morgens im Alter von 81 Jahren. Sie hatte sich mit dem Coronavirus infiziert - wie 111 weitere hochbetagte Bewohnerinnen und Bewohner des von der Diakonie betriebenen Heims. Mehr als 40 Beschäftigte steckten sich zwischen März und April 2020 an. 47 Bewohner starben, mehr als in jedem anderen Pflegeheim in Deutschland.

Strafverfahren wurde eingestellt

Das Lilje-Heim gelangte bundesweit in die Schlagzeilen. Sogar Strafanzeige wurde erstattet. Der Vorwurf: mangelnde Hygiene- und Arbeitsbedingungen. Das Verfahren wurde im Januar dieses Jahres eingestellt.

Insgesamt starben in Deutschland bislang mehr als 80.000 Menschen nach einer Covid-19-Infektion. Dass ihrer am 18. April bundesweit gedacht wurde, freut Ingo Fritzsche. "Ich bin froh über die Initiative des Bundespräsidenten", sagte der Maschinenbau-Ingenieur. "Es ist eine Art von Wertschätzung, ein Zeichen, dass wir wahrgenommen werden. Man spürt, man ist nicht allein."

Sabine Pietrallas Mutter hat den Corona-Ausbruch im Hanns-Lilje-Heim überlebt. Sie hatte sich am 28. März 2020, ihrem 80. Geburtstag, infiziert. "Am 12. März habe ich meiner Mutter das letzte Küsschen gegeben, bevor mein 84-jähriger Vater, meine Schwester und ich sie vier Monate nicht mehr besuchen konnten", sagt Pietralla.

Lob für gute Betreuung durch das Personal

Dass die Familie die Zeit der Trennung trotz aller Sorgen gut überstanden hat, führt die 53-Jährige auf die gute Betreuung im Lilje-Heim zurück. Die Pflegekräfte hätten sich immer liebevoll um die Bewohner gekümmert, sagt sie. "Auch in der Krise haben sie, obwohl sie echt am Limit waren, einen großartigen Job gemacht." Vor allem die Geduld der Pflegerinnen und Pfleger hat sie beeindruckt. "Ich habe zweimal täglich angerufen, weil ich mich so um meine Mutter sorgte. Nie hat jemand genervt reagiert."

Seit vergangenem Sommer kann die Familie Helga Pietralla, die schwer dement ist, wieder besuchen. Anfangs allerdings nur in voller Schutzmontur und hinter Glas. "Das hat mir das Herz gebrochen." Sabine Pietralla ist glücklich, dass es jetzt Corona-Tests gibt. Erst vor wenigen Tagen war sie mit ihrer Mutter im Rollstuhl draußen. Auf einer Bank haben sie gesessen und Marzipan genascht. "Meine Mutter hat meine Blicke erwidert und meine Hand gedrückt. Es war ein wahrer Glücksmoment."

"Anerkennung unseres Leides"

Auch Elke Mangelsdorff (64) hat ihre Mutter Rosamunde Wachsmuth verloren, ebenfalls Bewohnerin des Hanns-Lilje-Heims. Als die Tochter, die in der Schweiz lebt, vom Heim informiert wird, dass es der schwer demenzkranken 85-Jährigen aufgrund ihrer Corona-Infektion zunehmend schlechter geht, setzt sie sich in ihr Auto und fährt die rund 800 Kilometer von ihrem Heimatort Zug nach Wolfsburg.

Kein einfaches Unterfangen. "Die Grenzen waren eigentlich dicht", sagt sie. Eine Bescheinigung des Hanns-Lilje-Heims über den Gesundheitszustand der Mutter half, und Mangelsdorff durfte die Grenze passieren. Sie kam gerade noch rechtzeitig.

Drei Stunden saß sie bei ihrer Mutter, bevor diese am Abend des 8. April 2020 starb. "Wir haben gebetet, und ich konnte ihr noch sagen, was mir wichtig war", sagt die ehemalige Kriminalkommissarin. Doch obwohl sie im Gegensatz zu vielen anderen Abschied nehmen konnte, hadert Mangelsdorff auch heute noch mit dem Geschehenen. "Ich weiß, dass es nicht anders ging. Besuche waren in den Wochen vor ihrem Tod streng untersagt. Und doch habe ich Schuldgefühle, weil ich nicht schon früher bei ihr war."

Ingo Fritzsche kann das gut nachvollziehen. "Mich treibt das heute noch um, dass meine Mutter ohne mich sterben musste. Ich frage mich, ob ich hartnäckiger hätte sein müssen, um zu ihr zu gelangen." Selbstvorwürfe, Wut, Hilflosigkeit: Fritzsche kennt die Achterbahn der Gefühle. "Am Anfang war sich sehr wütend", erzählt er. "Wer hätte gedacht, dass das Heim, in dem sich meine Mutter so wohl fühlte, zu einer Falle werden würde?" Sein anfänglicher Zorn sei zwar inzwischen verflogen, sagt Fritsche. "Doch Trauer und Verzweiflung begleiten mich noch immer."

Julia Pennigsdorf


Corona

TV-Doku über Pandemie im Wolfsburger Seniorenheim ausgezeichnet



Die von WDR und NDR produzierte Dokumentation "Ich weiß nicht mal wie er starb - Wie ein Pflegeheim zur Corona-Falle wurde" über den Corona-Ausbruch im Wolfsburger Hanns-Lilje-Heim hat den Medienpreis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) gewonnen. Der Mediziner und Publizist Eckart von Hirschhausen würdigte in einer am 19. April vom WDR verbreiteten Mitteilung im Namen der Preisjury den "hohen gesellschaftlichen Wert der Reportage." Durch "vorurteilsfreie Befragung und stille Beobachtung" habe sie "den Finger in die größte Wunde des Infektionsgeschehens gelegt".

Im Frühjahr 2020 starben in dem Seniorenheim 47 demente Bewohner an oder mit dem Coronavirus. Auch viele Pflegekräfte erkrankten. Das Heim geriet bundesweit in die Schlagzeilen.

Nach Hirschhausens Worten gelang es den Autoren Arnd Henze und Sonja Kättner-Neumann, "Ambiguität auszuhalten und zu transportieren, kritische Stimmen für sich selbst sprechen und im Zweifel stehenzulassen." Zugleich hätten sie denen eine Stimme gegeben, "die zu Anfang beklatscht, die aber nie ausreichend gewürdigt, entlohnt und anerkannt wurden: den Pflegekräften".

Die 45-minütige Dokumentation lief am 12. Oktober 2020 im Ersten und wurde im WDR, NDR und auf 3SAT wiederholt. Der DGIM-Medienpreis ist mit insgesamt 8.000 Euro dotiert, für den ersten Platz sind 5.000 Euro ausgelobt.



Corona

Pflegekräfte: Schutzkleidung an - Schutzkleidung aus




Intensivpfleger Uwe Müller im Südklinikum Nürnberg
epd-bild/Uwe Müller
Sie arbeiten da, wo es in Pandemie-Zeiten besonders wehtut. Sie bemühen sich um Menschen, die nicht besucht werden dürfen. Protokoll eines Besuchs bei drei Pflegediakonen.

Nürnberg-Schweinau, 5.30 Uhr, der Wecker klingelt. Thomas Naumann ist frühes Aufstehen gewohnt. Der 43-jährige Diakon, Pflegefachkraft und studierter Pflegemanager, nimmt eine schnelle Dusche, während der Kaffee durchläuft. Ein kurzer Blick in die Zeitung, dann auf die Uhr. Fertig machen. Die U-Bahnstation ist nicht weit weg. Um diese Zeit ist noch nicht viel los. Die Großstadt kommt erst langsam auf Touren.

Die Pandemie hat die Welt im Griff, und Thomas Naumann arbeitet auf einer Station mit Covid-19-Patienten. Pünktlich auf die Minute checkt er ein im Nordklinikum, zieht seine grüne Dienstkleidung an. In zehn Minuten beginnt die Übergabe von der Nachtschicht. Die Kolleginnen und Kollegen berichten, was vorgefallen ist. "Das ist wichtige Routine", sagt Naumann und notiert sich ein paar Veränderungen.

Hindernislauf zu den Patienten

Um sieben Uhr startet er seinen ersten Rundgang. "Wir messen Fieber, Blutdruck und kontrollieren die Sauerstoffsättigung und beobachten den Allgemeinzustand." Klingt einfach, aber der Weg zu einem Covid-19 Patienten gleicht einem anspruchsvollen Hindernislauf.

Er beginnt mit dem Einschleusen vor Eintritt eines Zimmers. Gründlich die Hände desinfizieren, dann die Schutzhaube überziehen, die verstärkte FFP-3-Maske über Mund und Nase schieben, Schutzbrille darüber oder ein sogenanntes Face-Shield, einen speziellen Schutzkittel und zwei Paar Spezial-Handschuhe. So ausgestattet, darf Naumann sich dem hochinfektiösen Menschen nähern.

Dann alles umgekehrt: Ausschleusen, alles einzeln ausziehen und komplett entsorgen. Auf zum nächsten Zimmer, das gleiche Prozedere. "Das kostet enorm viel Zeit", sagt der Pflegediakon. Jeder Schritt in ein Zimmer ist mit Aufwand verbunden. "Da muss alles wohlüberlegt sein. Habe ich alles dabei, ist nichts vergessen"? Jeder Fehler kostet zusätzlich Zeit.

Immer wieder durch die Schleuse

Rund fünf Minuten dauert ein Schleusengang. Auf Naumanns Station werden derzeit elf Personen mit Covid-19 behandelt. Waren in der ersten Welle vor einem Jahr überwiegend ältere Menschen ab 80 Jahren betroffen, so sind mittlerweile zunehmend jüngere Patienten zwischen 30 und 50 Jahren unter den stationären Patienten.

8.00 Uhr, Frühstück ausgeben. Schutzkleidung an, Schutzkleidung aus. Tablett hineintragen und eine dreiviertel Stunde später wieder heraustragen. Bei der Frühstückspause für die Pflegefachkräfte ist endlich Zeit, um durchzuschnaufen.

Naumann schüttelt den Kopf, wenn er an die absurde Situation denkt. "Wir wollen Kontakt zum Patienten aufbauen, mit ihm sprechen, ihn aufmuntern, ihm nahe sein", sagt er, "aber wir machen das Gegenteil."

Ausnahmeregelungen für Sterbende

Sein Berufskollege und Mitbruder Uwe Müller, der auf der Intensivstation im Klinikum Süd arbeitet, schaut zurück. Ihm kommen ganz ähnliche Gedanken. "Alles musste komplett abgeriegelt werden", erinnert er sich an das Frühjahr 2020. Kein Angehöriger durfte in die Nähe eines schwer Erkrankten kommen, auch wenn sich das Klinikum bei sterbenden Covid-19 Patienten um Ausnahmeregelungen bemüht habe. Der 54-jährige arbeitet "extrem gerne" in der Krankenpflege. Sein Auftrag: Schwererkrankte bis zu ihrem möglichen Tod zu begleiten.

Was er in der Pandemie erlebt hat, übersteigt auch nach 25 Jahren in diesem Job seine Vorstellung. Wenn die Lunge nicht mehr mag, stirbt der Mensch, sagt Müller und erzählt von einem Familienvater: "Ich habe die blanke Angst in seinen Augen gesehen." Nicht ansprechbar, oft auch im künstlichen Koma, hinter Maschinen, Monitoren, Kabeln und Schläuchen sieht man kaum noch den Patienten. Uwe Müller muss ist dabei, wenn trotz modernster medizinischer Technik die Menschen sterben.

Respekt vor der furchteinflössenden Krankheit

Auch Johannes Grell ist Rummelsberger Bruder in der Lungenfachabteilung des Nordklinikums. Zu ihm kommen Corona-Patienten nach der Intensivstation, "um sie von der maschinellen Unterstützung langsam zu entwöhnen", sagt er. Der Gang zur Toilette sei für solche Menschen genauso anstrengend wie ein flotter Dauerlauf in den dritten Stock des Krankenhauses, berichtet er.

Was den 52-Jährigen und seine Mitbrüder eint, ist der riesige Respekt vor der furchteinflößenden Krankheit. Grell appelliert an jeden: "Lasst euch impfen." Für Thomas Naumann sind Corona-Leugner ein rotes Tuch, "weil die keine Ahnung haben und alles infragestellen". Natürlich nerven auch ihn die Hygienemaßnahmen, "aber letztlich machen sie Sinn".

Um 13.30 Uhr ist Übergabe an die Spätschicht. Berichte müssen geschrieben, die Dokumentation vervollständigt und ein sogenanntes Wundprotokoll erstellt werden. Danach Infusionen aufziehen und an die Geräte anhängen. 14.30 Uhr Schichtende.

Reinhard Krüger


Digitalisierung

Gastbeitrag

Eine Kernaufgabe für die Sozialunternehmen




Tobias Gaydoul
epd-bild/Paavo Blafield
Die Sozialbetriebe müssen nach der Überzeugung von Tobias Gaydoul, Finanzvorstand der Rummelsberger Diakonie, massiv in die Digitalisierung investieren. Aus seiner Sicht ist das von existenzieller Bedeutung. Doch woher soll das Geld kommen? Und woher die Einsicht in das Notwendige? Antworten des Experten im Gastbeitrag.

Was ist uns die Digitalisierung in der Sozialwirtschaft wert? Nimmt man die Refinanzierung der Kostenträger als Gradmesser, fällt das Urteil ernüchternd aus. Das umlagefinanzierte Sozialversicherungssystem in Deutschland und damit die Finanzierung der Sozialwirtschaft lässt große Sprünge der Entwicklung nicht zu. Einen Digitalfonds, wie es ihn beispielsweise für den Krankenhaussektor gibt, sucht man für Einrichtungen im Dritten Sektor vergebens. Da bleibt nur die Politik der kleinen Schritte. Wohl dem, der bereits die Möglichkeit hat, per wLan eine Verbindung zur Außenwelt zu haben. Internet 2.0 fängt in der Sozialwirtschaft beim Internetanschluss an.

Lebensnotwendige Investitionen

Die Corona-Pandemie hat nicht nur den Entwicklungsmangel der Digitalisierung im Bereich der Schulbildung verdeutlicht, sondern auch den Digitalisierungsgrad in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft offengelegt: Deutschland ist Entwicklungsland.

Die Refinanzierung lässt den Trägern der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe kaum Spielraum, um nennenswert in eine Infrastruktur zu investieren, die für den Fortbestand der Unternehmen in der Sozialwirtschaft lebensnotwendig ist: der digitalen Teilhabe – sowohl für die Unternehmen selbst als auch für ihre Kundengruppen. Der Anspruch der Leistungsempfänger steigt entsprechend den Möglichkeiten der Digitalisierung des allgemeinen Lebens und des öffentlichen Lebensraums. Wo Apps für Banking und ÖPNV, WhatsApp, Instagram und Co. das tägliche Leben bestimmen, erscheint die Lebensrealität in Einrichtungen der Sozialwirtschaft vielerorts wie aus der Zeit gefallen. Es zeichnet sich ab: Wer nicht in die Digitalisierung investiert, kalkuliert sich als Unternehmen aus dem Markt der Sozialwirtschaft.

Wer jedoch glaubt, dass beispielsweise der Fachkräftemangel durch Robotik, Künstliche Intelligenz oder Virtual Reality ausgeglichen werden kann. Auch der wird sich aus dem Markt kalkulieren. Denn die Digitalisierung löst keine Beziehungsfragen, die gerade in der Sozialwirtschaft essenziell und die DNA bei der Betreuung unterstützungsbedürftiger Menschen ist: das wertschätzende Wort, das "zwischen den Zeilen" hören oder die empathische Geste.

Die Digitalisierung wird Verknüpfungen verschiedener Daten herstellen und durch Algorithmen Informationen schneller verfügbar machen. Daraus den Schluss zu ziehen, dass Investitionen in die Digitalisierung nach dem Pull-Prinzip funktionieren, d.h. wollen Kostenträger finanzieren, investiert der Anbieter sozialer Dienstleistungen, auch der wird sich aus dem Markt kalkulieren. Klientinnen und Klienten sowie deren Angehörige sind heute schon schneller informiert und entscheiden mit diesem Wissensstand darüber, ob ein Anbieter der richtige ist, um den Liebsten eine Heimat zu werden.

Reflektierter Umgang mit digitalen Angeboten

Die Frage der "digital awareness" des Trägers bzw. das virtuelle Angebot für Klientinnen und Klienten sowie deren Angehörige wird schneller als uns lieb ist das Entscheidungsmerkmal für Klientinnen und Klienten sowie Angehörige bei der Wahl der Einrichtung in der Sozialwirtschaft sein.

Eine qualitativ gute Betreuung und Pflege wird vorausgesetzt. Es stehen schon heute eine Vielzahl von Bewertungen zur Verfügung und es wird künftig noch viel differenziertere, durch Algorithmen gestützte, Bewertungen durch Ärztinnen und Ärzte, Kostenträgern und weiteren Prüfinstanzen geben. Diese Beurteilungen, Zertifikate und andere Bescheinigungen werden als Informationsintermediäre für Klientinnen und und Klienten sowie Angehörige agieren und eine Bewertung der Einrichtungen vorwegnehmen. Das Essen und Trinken wird entsprechend dem Preismodell von Klientinnen und Klienten sowie Angehörigen assoziiert bzw. "on demand" von Klientinnen und Klienten in Anspruch genommen. Und im Zweifel wird der Lieferdienst ums Eck das entsprechende Angebot bereitstellen und liefern können.

Mit der Unterkunft und damit der eigentlichen Hotelleistung wird das real-digitale Mindset der Einrichtung einem Stresstest durch die Interessenten unterzogen. Nicht die Frage nach Fernseher oder Telefon bestimmt den Fragenkanon nach der Unterkunft. Zeitgemäße (Einzel-)Zimmer, Einrichtung, Räume der Begegnung und eine ansprechende Umgebung werden vorausgesetzt. Die "digital awareness" schließlich als unterschwelliger Begleiter für den neuen Lebensraum wird als Merkmal für die Assoziation des "gefühlten" Umgangs und der Betreuung mit den Klienten durch die jeweilige Einrichtung herangezogen. Ein reflektierter Umgang der Einrichtung in und mit digitalen Angeboten wird Maßstab und somit relevantes Entscheidungsmerkmal bei der Wahl der Unterkunft.

Kultur der Veränderungsbereitschaft

Um unter der gegebenen Finanzierung des Gesundheits- und Sozialsystems in Deutschland Einrichtungen der Sozialwirtschaft zu motivieren, entsprechende Investitionen von sich aus zu initiieren (Push-Prinzip), bedarf es einer Ressourcenallokation bei den Trägern. Sie kann nur gelingen, wenn auf Anbieterseite Aufbau- und Ablauforganisation effizient und effektiv gestaltet sind. Dabei spielt Digitalisierung der internen Organisation eine wichtige und entscheidende Rolle.

Jedoch wird keine Transformation analoger Prozesse in einen digitalen Prozess per se den erhofften finanziellen Freiraum schaffen. Die Digitalisierung von Arbeitsschritten ist dabei ein Element. Es braucht darüber hinaus weitere Standardisierungen sowie das Setzen von Leitplanken für Routineprozesse, um zu einer effizienten Kostenstruktur zu kommen. Wirkliche Effekte werden nur erzielt werden können, wenn im Zuge der Digitalisierung eine Kultur der Veränderungsbereitschaft gefördert und geschaffen wird, so dass Prozesse neu gedacht und umgesetzt werden können. Veränderung beginnt im Kopf.

In Deutschland wird die flächendeckende Digitalisierung der Sozialwirtschaft nur dann gelingen (können), wenn Kostenträger, Sozialunternehmen und Adressatengruppen (Klientinnen und Klienten, Bewohnerinnen und Bewohner sowie Angehörige) gemeinsam die digitale Teilhabe fordern und fördern.

Intrinsische Motivation der Sozialunternehmen

Ohne zusätzliche finanzielle Anreize durch Kostenträger außerhalb der Regelfinanzierung von Leistungen des Dritten Sektors und die Bereitschaft neuer Finanzierungsstrukturen, ohne die intrinsische Motivation der Sozialunternehmen und deren Ressourcenallokation auf der einen Seite und mit dem real-digitalen Mindset der Leistungsempfänger auf der anderen Seite wird Deutschland auch post-Corona in der nächsten Dekade ein Entwicklungsland bleiben. Ein Entwicklungsland, in dem eine Konsolidierung stattgefunden hat.

Die Frage, ob kleine und mittlere Träger in der Sozialwirtschaft in der Lage sein werden, die hohen Investitionen in die Digitalisierung ihrer Einrichtungen und Leistungsangebote zu stemmen, werden sich viele stellen. Die Antwort wird eher desillusionierend sein als Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Kleine und mittlere werden sich mit größeren Trägern zusammenschließen (müssen). Große Anbieter werden durch das Gesetz der "economic of scale" und entsprechender Ressourcenallokationen notwendige Schritte der Digitalisierung mitgehen können. Wer also in der Sozialwirtschaft ein relevantes Sozialunternehmen auch in zehn Jahren sein möchte, muss jetzt unbeirrt den Weg in die Digitalisierung gehen – whatever it takes.

Sollte dies nicht gelingen, werden andere, grundsätzlichere Fragestellungen der Teilhabe und Unterstützung von Menschen im Alter, der Behinderten- und Jugendhilfe die öffentliche Diskussion in Deutschland bestimmen und einen ganz anderen Handlungsdruck erzeugen; sowohl auf die Politik als auch auf die Träger.

Tobias Gaydoul (43) ist seit April 2020 Vorstand Finanzen der Rummelsberger Diakonie e.V. und Geschäftsführer Finanzen der Rummelsberger Dienste für Menschen gGmbH in Schwarzenbruck bei Nürnberg


Kirchen

Frauenarbeit in der evangelischen Kirche vor dem Umbruch



Für die Frauen in der evangelischen Kirche mit ihren traditionsreichen Verbänden steht viel auf dem Spiel: Ihre EKD-weite Schaltstelle, das "Zentrum", soll nach jüngsten Plänen fast komplett aufgelöst werden.

Seit sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im vergangenen November mit Einsparmodellen befasst hat, muss die Frauenarbeit der EKD damit rechnen, dass ihr bis zum Jahr 2030 drei Viertel der Mittel gestrichen werden. Noch ist nichts beschlossen, aber es sieht nicht gut aus für das Evangelische Zentrum Frauen und Männer, indem die Frauen EKD-weit verortet sind. Wird die Frauenarbeit mit ihren teils traditionsreichen Verbänden noch gebraucht? Manche meinen, auf EKD-Ebene kaum.

Frauen tragen das ehrenamtliche Engagement

"Was wollen die eigentlich machen ohne die ehrenamtlichen älteren Frauen?", fragt die Vorsitzende der Frauenarbeit, Susanne Kahl-Passoth. Sie und die Geschäftsführerin des Zentrums, Eske Wollrad, machen aus ihrem Ärger keinen Hehl und verweisen darauf, dass es Frauen sind, die das ehrenamtliche Engagement der Kirche tragen - vor Ort vom Besuchsdienst über den Kirchenchor bis hin zum Obdachlosencafé.

Das Zentrum, das dieses Jahr fast eine Million Euro von der EKD erhält, hat mit der Alltagsrealität in den Gemeinden indes nur wenig zu tun. Die Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) - Dach von 40 Verbänden mit rund drei Millionen Christinnen - arbeiten vor allem politisch: als Stimme der Protestantinnen in Kirche und Gesellschaft, als Teil des politischen Feminismus, als Mitglied im Deutschen Frauenrat. Zu Themen wie Prostitutionsgesetz, Abtreibung und Single-Dasein nahm die Frauenarbeit schon Stellung. Zudem beschäftigen sich die 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Genderfragen.

Aus EKD-Sicht ist die Frauenarbeit künftig in den Landeskirchen und Gemeinden gut aufgehoben, jedenfalls größtenteils. Bei allen Einsparvorschlägen sei es darum gegangen, Parallelarbeit und Doppelstrukturen zwischen Landeskirchen und EKD abzubauen, sagt der theologische Vizepräsident des Kirchenamts, Thies Gundlach. "Was die Frauenarbeit an ehrenamtlicher Arbeit vor Ort leistet, ist imposant. Gerade dies spricht dafür, die Gewichte stärker auf die Landeskirchen zu verschieben."

Sparmaßnahme hinterfragt

Dagegen regt sich unter den Frauen Widerstand. "Wir haben sehr große Unterstützung bekommen, viele Briefe und Mails, in allen Landeskirchen. Ich glaube nicht, dass es so einfach wird", sagt Eske Wollrad. Zwei Synodenmitglieder hatten im Dezember "Prüfanträge" gestellt, um die Kriterien für die Sparmaßnahme zu hinterfragen. Nach einer Neubewertung in zwei EKD-Ausschüssen, zuletzt Mitte März im Haushaltsausschuss, blieb im Wesentlichen alles beim Alten. Nun muss das Kirchenparlament im Herbst entscheiden.

Die Frauenarbeit polarisiert. Theologisch-konservative Kirchenmitglieder stört der Fokus auf Genderthemen. Im Zusammenhang mit den Sparplänen habe dies aber keine Rolle gespielt, sagt der EKD-Theologe Gundlach. "Geschlechtergerechtigkeit wird in der EKD sehr wichtig genommen." Das EKD-Studienzentrum für Genderfragen muss daher keine Sparzwänge fürchten.

Die EKD müsse "anschlussfähig" bleiben in Sachen Genderpolitik, sagt Wollrad, beispielsweise beim Transsexuellen-Gesetz, an dessen Entwurf Grüne und FDP gerade arbeiten, oder in der Debatte über Identitätspolitik: "Wer macht das, wenn das Zentrum nicht mehr da ist?" Das Gender-Studienzentrum, das sich vorrangig um Gleichstellung in der Kirche kümmert, könne dies nicht leisten. Und eine Vertretung im Deutschen Frauenrat sei dieser EKD-Abteilung juristisch gar nicht möglich. Die Frage der Verbandsvertretung soll nun allerdings noch weiter beraten werden.

Neue Struktur für Frauenarbeit

Dass gespart werden müsse, sei "kummervoll", räumt der EKD-Vizepräsident Gundlach ein. Nach schrittweisen Kürzungen soll das Zentrum im Jahr 2030 noch rund 290.000 Euro erhalten. "Die Frauenarbeit braucht eine neue Struktur", sagt Gundlach. Die EKD sei für gute Vorschläge dankbar.

Die Frauen geben nicht auf. "Noch ist Holland nicht verloren", sagt Kahl-Passoth. Angelika Weigt-Blätgen, Mitglied des EFiD-Präsidiums und des EKD-Haushaltsauschusses, hält die Frauenarbeit als "große Playerin" für unterschätzt. Sie unterstreicht, dass - auch bei starken Sparvorgaben - die kirchliche, politische und zivilgesellschaftliche Vertretung der Verbände bundesweit möglich sein muss. Dies den Landeskirchen überlassen zu wollen, sei "Unfug". Aber das Zentrum, schätzt Weigt-Blätgen, werde wohl nicht überdauern.

Renate Kortheuer-Schüring


Kirchen

Evangelisches Zentrum Frauen und Männer



Das Evangelische Zentrum Frauen und Männer ist die "Managementzentrale" zweier großer kirchlicher Dachverbände: Evangelische Frauen in Deutschland (EFiD) und Männerarbeit der EKD. Die Frauen waren lange Zeit selbstständig organisiert, mit einer Geschäftsstelle in Frankfurt am Main. Um finanzielle Synergien zu erreichen, wurde 2016 für beide Träger die gemeinsame Einrichtung im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover geschaffen.

Dort haben Frauen- und Männerarbeit jeweils einen eigenen Bereich sowie einen gemeinsamen, den sogenannten Dialograum. Insgesamt sind 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Zentrum beschäftigt. Finanziert wird es nahezu vollständig von der EKD, dieses Jahr in Höhe von fast einer Million Euro. Eigene Einnahmen des Zentrums stammen zudem aus dem Verkauf von Postkarten, Zeitschriften und Broschüren.

Dem Frauen-Dachverband gehören 40 Mitgliedsverbände an. Er vertritt rund drei Millionen Christinnen. Gegründet wurde der Verband 1918 als Evangelische Frauenarbeit, 2008 fusionierte er mit der ebenso traditionsreichen Evangelische Frauenhilfe zu dem neuen Dachverband EFiD.

Die Männerarbeit wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Sie bietet in bundesweit über 3.000 Männerkreisen Seminare zu christlichen und gesellschaftlichen Themen an.



Kriminalität

Hilfetelefon "Gewalt an Männern" erweitert sein Angebot



Das vor einem Jahr von Bayern und Nordrhein-Westfalen gemeinsam ins Leben gerufene Hilfetelefon "Gewalt an Männern" erweitert sein Angebot. Auch Baden-Württemberg beteilige sich künftig an dem nach eigenen Angaben in dieser Form deutschlandweit ersten Unterstützungsangebot für Männer, wie das bayerische Sozialministerium am 19. April in München mitteilte. Unter der Telefonnummer 0800/1239900 können sich seit einem Jahr Männer melden, die von verschiedenen Arten von Gewalt betroffen sind.

Zusätzlich finden Betroffene auf der Internetseite "www.maennerhilfetelefon.de" ein digitales Beratungsangebot. "Die Zahlen der Ein-Jahres-Bilanz belegen deutlich: Der Bedarf ist da", sagte die bayerische Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) nach der Evaluation des Hilfetelefons. Ausgewertet wurden 1.825 Kontakte, die sowohl telefonisch als auch per E-Mail erfolgten. Zwei Drittel der Kontaktaufnahmen gingen von Betroffenen selbst aus, ein Zehntel kamen aus deren sozialem Umfeld, der Rest entfiel auf Fachkräfte. Die Betroffenen waren mehrheitlich (77 Prozent) bis 50 Jahre alt, der Schwerpunkt lag bei den 31- bis 50-Jährigen (zusammen 53 Prozent). Von den Kontaktaufnahmen waren 35 Prozent aus Nordrhein-Westfalen, 18 Prozent aus Bayern und der Rest aus anderen Bundesländern.

Betrieben wird das Angebot durch die Beratungsstelle man-o-mann Männerberatung in Bielefeld und die AWO in Augsburg, gefördert durch die bayerische Landesregierung. Zukünftig wird das Projekt verstärkt durch zwei Träger aus Baden-Württemberg.



Armut

Organisation: Bildungspaket wird schlecht abgerufen



Nach Angaben der Organisation "Librileo" rufen im Schnitt weniger als 30 Prozent der Anspruchsberechtigten Leistungen des Bildungspakets der Bundesregierung ab. Das zeige, dass Kinder aus armen Familien keine gerechten Chancen hätten. "Um das Bildungspaket bekannter zu machen und Barrieren abzubauen, wollten wir eine Bildungs- und Teilhabe-Beratungsstelle etablieren. Leider bestand kein Interesse seitens einiger Jobcenter", sagte Sarah Seeliger, Gründerin und Geschäftsführerin von Librileo, am 21. April in Berlin.

2015 gegründet, verfolgt Librileo als in Berlin ansässige gemeinnützige Organisation das Ziel, allen Kindern das Vorlesen und Bücher zugänglich zu machen. Basis für die jetzige Auswertung, die auf der Homepage "www.gerechtebildung.de " veröffentlicht wurde, sind Angaben der Bundesagentur für Arbeit.

Angebote bekannter machen

Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Angaben zufolge seit 2015 monatlich Daten der Kommunen zum Bildungspaket zur Verfügung. Jedoch übermittelten nicht alle Städte alle Daten, hieß es. "Die Ergebnisse sind deutschlandweit häufig unter 30 Prozent - teilweise noch geringer, wenn der Median betrachtet wird."

Besonders niedrig seien die Abrufzahlen für kulturelle und soziale Teilhabe. Nach oben würden nur die Werte für die Schulausstattung abweichen. Diese Gelder werden halbjährlich an die Familien ausgezahlt.

Das Bildungs- und Teilhabegesetz gibt es seit zehn Jahren. 2019 wurde das Starke-Familien-Gesetz verabschiedet, das unter anderem Änderungen des Bildungspakets beinhaltete. "Das aufwendige Antragsverfahren wurde vereinfacht, doch an den Abrufzahlen hat sich seitdem nichts geändert", lautet die Kritik. Die Inanspruchnahme scheitere an sprachlichen Barrieren, Scham und Unkenntnis. Häufig hätten Betroffene schlechte Erfahrungen mit dem Jobcenter oder Sozialamt gemacht und mieden deshalb zusätzliche Kontakte.




sozial-Recht

Gerichtshof für Menschenrechte

Impfpflicht kein Verstoß gegen Europäische Menschenrechtskonvention




Ein Kind wird geimpft.
epd-bild/Christoph Böckheler
Staaten dürfen eine Impfpflicht festlegen. Die Impfungen können trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit ein legitimes Ziel zum Schutz vor ansteckenden Krankheiten darstellen, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Eine gesetzliche Impfpflicht ist nach der Europäischen Menschenrechtskonvention zulässig. Auch wenn eine verpflichtende Impfung das Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt, kann das zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung verhältnismäßig und rechtmäßig sein, urteilte am 8. April der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

In den sechs Verfahren hatten sich Eltern gegen die in Tschechien geltende Impfpflicht bei der Aufnahme ihrer Kinder in eine Kita gewandt. Eine vergleichbare Regelung gibt es in Deutschland mit Blick auf die Masern.

Die tschechischen Regelungen sehen vor, dass Kinder gegen neun Infektionskrankheiten wie Masern, Tetanus oder Hepatitis B geimpft sein müssen. In bestimmten Fällen ist zusätzlich noch eine Pneumokokken-Impfung vorgeschrieben.

Geldstrafe statt Zwangsimpfung

Kommen Eltern der Impfung ihrer Kinder ohne triftigen Grund nicht nach, droht allerdings keine "Zwangsimpfung". Gegen Eltern wird aber eine einmalige Geldstrafe verhängt. Und: Ohne einen Impfnachweis können Kinder nicht in Kindergärten aufgenommen werden. Ausnahmen sind nur aus rein gesundheitlichen Gründen möglich.

Die Beschwerdeführer rügten insbesondere, dass ihr Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt werde. Ein Vater hatte sich gegen eine Geldbuße gewandt, weil er sich weigerte, seine 13 und 14 Jahre alten Kinder gegen Kinderlähmung, Hepatitis B und Tetanus impfen zu lassen. In den weiteren Fällen ging es unter anderem um Kinder, die wegen fehlender Impfungen nicht in Kitas aufgenommen wurden oder sie wieder verlassen mussten.

Erstmals hat der EGMR nun Impfpflichten für Kinder gebilligt. Die tschechische Impfpflicht sei zulässig und verhältnismäßig, da damit "legitime Ziele" verfolgt würden. Staaten hätten beim Gesundheitsschutz der Bevölkerung einen weiten Ermessensspielraum, wann sie welche Impfungen vorschreiben.

Gesundheitsschutz aller Bürger hat Vorrang

Hier greife zwar die Impfpflicht in das Recht auf Privatleben und körperliche Unversehrtheit des Einzelnen ein, befand das Gericht. Der Staat sei aber auch verpflichtet, die Gesundheit aller Bürger zu schützen.

Dabei müsse er auch das Kindeswohl im Blick haben. "Wenn es um Impfungen geht, sollte das Ziel sein, dass jedes Kind vor schweren Krankheiten geschützt ist. In den allermeisten Fällen wird dies dadurch erreicht, dass die Kinder in ihren ersten Lebensjahren den vollen Impfplan erhalten. Diejenigen, die nicht geimpft werden können, sind indirekt vor ansteckenden Krankheiten geschützt, solange der erforderliche Durchimpfungsgrad in ihrer Gemeinschaft aufrechterhalten wird", erklärte der EGMR.

Hinweis auf seltene Nebenwirkungen

Die vorgeschriebenen Impfungen könnten wirksam und sicher die entsprechenden Krankheiten bekämpfen. Ausnahmen von der Impfpflicht, etwa aus medizinischen Gründen, seien möglich. Das Gericht räumte ein, dass bei den Immunisierungen unerwünschte schwere Nebenwirkungen auftreten. Das sei aber nur sehr selten, etwa fünf bis sechs Fälle bei 100.000 geimpften Kindern. Tschechien sehe daher vor, die Impfeignung jedes einzelnen Kindes zu prüfen. Schließlich werde auch keine Impfung unter Zwang durchgesetzt. Es gebe lediglich einmalige Geldstrafen oder die Aufnahmesperre im Kindergarten.

In Deutschland ist seit März 2020 die Masernimpfung vorgeschrieben. Ein entsprechender Nachweis über eine Impfung oder eine anderweitige Immunisierung ist für die Aufnahme im Kindergarten Pflicht. Mehrere dagegen gerichtete Eilanträge von Eltern wies das Bundesverfassungsgericht am 11. Mai 2020 ab.

Hauptsacheverfahren steht noch aus

Die Interessen der Impfgegner und ihrer Kinder müssten gegenüber dem allgemeinen Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken zurücktreten, entschieden die Karlsruher Richter. Noch dieses Jahr wollen die Verfassungsrichter im Hauptsacheverfahren über die Impfpflicht entscheiden.

Doch auch ohne konkrete Impfpflicht können Eltern zum Impfen gedrängt werden. Liegen getrennt lebende Eltern im Streit, ob ihre Tochter nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) geimpft werden soll, kann aus Kindeswohlgründen derjenige Elternteil das alleinige Sorgerecht erhalten, der die Impfungen befürwortet, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am 3. Mai 2017.

Einen automatischen Schulausschluss müssen bei einem Masernausbruch an einer Schule ungeimpfte Kinder dagegen nicht sofort befürchten, urteilte am 22. März 2012 das Bundesverwaltungsgericht. Die Leipziger Richter betonten jedoch, dass ein Ausschluss vom Unterricht grundsätzlich zulässig sei, wenn das jeweilige Kind Kontakt mit einem Kranken hatte und von einer tatsächlichen Ansteckungsgefahr auszugehen sei.

Az.: 47621/13 und weitere (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte)

Az.: 1 BvR 469/20 und 1 BvR 470/20 (Bundesverfassungsgericht)

Az.: XII ZB 157/16 (Bundesgerichtshof)

Az.: 3 C 16.11 (Bundesverwaltungsgericht)

Frank Leth


Bundesarbeitsgericht

Bewerber müssen rechtzeitig über Schwerbehinderung informieren



Schwerbehinderte Bewerber für eine bei einem öffentlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle sollten mit dem Hinweis auf ihre Behinderung nicht warten. Denn informieren sie den öffentlichen Arbeitgeber erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist über ihre Schwerbehinderung, könnten sie später wegen einer unterbliebenen Einladung zum Vorstellungsgespräch keine Diskriminierungsentschädigung mehr geltend machen, entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt in einem am 15. April veröffentlichten Urteil.

Im Streitfall hatte sich der Kläger, ein Diplom-Verwaltungsfachwirt, bei einer großen Kreisstadt im September 2017 auf die Stelle eines Sachgebietsleiters beworben. Erst knapp zwei Monate später teilte er dem öffentlichen Arbeitgeber mit, dass er schwerbehindert ist.

Schwerbehinderter sah in der Absage eine Diskriminierung

Bis dahin waren die Bewerbungsfrist und das interne Auswahlverfahren schon beendet. Lediglich der Stadtrat musste die Auswahlentscheidung noch bestätigen. Der schwerbehinderte Bewerber erhielt dagegen eine Absage.

Dieser fühlte sich wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Öffentliche Arbeitgeber seien zur Einladung schwerbehinderter, fachlich geeigneter Bewerber verpflichtet. Ohne eine entsprechende Einladung liege ein Indiz für eine Diskriminierung vor. Der Mann forderte eine Entschädigung von mindestens 24.875 Euro.

Doch darauf habe er keinen Anspruch, urteilte das Bundesarbeitsgericht. Zwar sei ein öffentlicher Arbeitgeber tatsächlich grundsätzlich verpflichtet, schwerbehinderte Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese müssten aber auch rechtzeitig über die Schwerbehinderung informiert werden. Um spätere Entschädigungsansprüche geltend machen zu können, müsse der Bewerber regelmäßig im Bewerbungsschreiben oder Lebenslauf oder bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist auf seine Schwerbehinderung hinweisen.

Az.: 8 AZR 171/20



Verfassungsgerichtshof

Zu wenig Akteneinsicht für Lügde-Ausschuss



Nordrhein-westfälische Ministerien haben nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungssausschusses im Missbrauchsfall Lügde nicht ausreichend informiert. Justiz- und Innenministerium hätten das Recht der klagenden fünf Ausschussmitglieder auf vollständige Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss verletzt, entschied der Verfassungsgerichtshof NRW am 20. April in Münster. Weitere Verfassungsverstöße seien ungenügende Erklärungen der Verzögerungen. Fünf Antragsteller aus den Fraktionen SPD und Grüne hatten beim Verfassungsgerichtshof ein Organstreitverfahren gegen die Ministerien eingeleitet.

Der Untersuchungsausschuss zum Kindesmissbrauch von Lügde, "PUA IV - Kindesmissbrauch", soll mögliche Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Landesregierung und der Behörden des Kreises Lippe aufklären. Außerdem soll er prüfen, welche Schlussfolgerungen aus den Untersuchungsergebnissen gezogen werden müssen.

Der Untersuchungsausschuss hatte nach Angaben des Verfassungsgerichtshofes im Juli 2019 im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfall bei den Ministern des Innern und der Justiz Akten, Schriftverkehr und Berichte angefordert. Die Minister hätten den Untersuchungsausschuss auf die Notwendigkeit hingewiesen, einen wirksamen Schutz der persönlichen Daten von Opfern und deren Angehörige zu gewährleisten. Die Ministerien leiteten dem Ausschuss ausgewählte und pseudonomysierte Akten weiter. Der Ausschuss habe unabhängig davon auch unbearbeitete Originalakten gefordert.

Im Fall des Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz im lippischen Lügde waren beide Haupttäter im September 2019 zu Freiheitsstrafen von 13 und zwölf Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Laut Gericht hatten sich die beiden Männer in rund 400 Fällen des Kindesmissbrauchs schuldig gemacht. Unter den Opfern war auch das Pflegekind eines der beiden Männer. Im Zuge der Ermittlungen waren auch Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Jugendämter des Kreises Lippe und des Landkreises Hameln-Pyrmont (Niedersachsen) erhoben worden.

Az.: VerfGH 177/20



Oberverwaltungsgericht

Abschiebung nach Griechenland unzulässig



In Griechenland bereits anerkannte Flüchtlinge dürfen derzeit nach einer Entscheidung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes (OVG) nicht in das Land abgeschoben werden. Dort bestehe für sie die ernsthafte Gefahr, dass sie obdachlos würden und nicht einmal elementarste Bedürfnisse wie "Bett, Brot und Seife" erfüllt würden, urteilte das OVG in Lüneburg am 19. April in zwei Fällen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte den Angaben zufolge die Asylanträge zweier aus Syrien stammender, alleinstehender Schwestern als unzulässig abgelehnt. Sie seien in Griechenland bereits als Flüchtlinge anerkannt. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hatte die Klagen der beiden Frauen dagegen abgewiesen. Es argumentierte, die Frauen könnten sich in Griechenland mit Hilfe von Hilfsorganisationen und informellen Netzwerken mit dem Nötigsten versorgen.

Das Oberverwaltungsgericht dagegen hält es für sehr wahrscheinlich, dass die Frauen obdachlos werden. Ihnen drohe "innerhalb kürzester Zeit Verelendung und ein Leben unter menschenrechtswidrigen Bedingungen". Nach aktuellen Erkenntnissen gebe es in Griechenland weder eine vom Staat gestellte Unterkunft noch Sozialleistungen für Wohnraum. Die Möglichkeit, sich selbst Geld für lebensnotwendige Güter zu verdienen, sei sehr wahrscheinlich durch bürokratische und andere Hindernisse nicht gegeben.

Das OVG hat die Revision gegen die Urteile nicht zugelassen. Dagegen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Az.: 10 LB 244/20 und 10 LB 245/20



Verwaltungsgericht

Seniorin klagt erfolgreich gegen Isolierung im Pflegeheim



Eine bereits vollständig gegen das Coronavirus geimpfte Bewohnerin eines Altenpflegeheims hat sich erfolgreich gegen eine Isolierungsmaßnahme von über zwei Wochen gewehrt. Die Ordnungsverfügung der Gemeinde Altenberge vom 12. April sei aufgrund von Ermessungsfehlern rechtswidrig, heißt es in dem am 20. April veröffentlichten Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster. So wurden nach Ansicht der Richter bei der verordneten isolierten Versorgung im Pflegeheim die individuellen Belange der Seniorin nicht berücksichtigt.

Die Gemeinde Altenberge hatte für die über 80-jährige Seniorin die Maßnahme angeordnet, nachdem sie am 8. April Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person gehabt hatte. Bis einschließlich 26. April sollte es ihr demnach untersagt sein, ihre Räume ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen. Auch sollte sie keinen Besuch von Menschen erhalten, die nicht ihrem Haushalt angehören.

Negativer PCR-Test

Die Frau empfand die vollständige Isolierung in ihrer kleinen Heim-Wohnung für die Dauer von zweieinhalb Wochen als unverhältnismäßig. Aus gesundheitlichen Gründen sei sie dringend auf Bewegung angewiesen, erklärte sie. Sie argumentierte zudem, bereits vollständig geimpft zu sein. Ein am 9. April durchgeführter PCR-Test auf das Coronavirus sei bei ihr negativ ausgefallen.

Die Verwaltungsrichter gaben dem Eilantrag der Frau, die vor Gericht von ihrem Sohn vertreten wurde, gegen die Verfügung statt. In Bezug auf die Antragstellerin lasse sich zwar eine wahrscheinliche Aufnahme von Krankheitserregern infolge eines Kontakts mit einer infizierten Person auch nach zwei bereits erfolgter Impfungen nicht verlässlich ausschließen, heißt es in dem Beschluss. Doch habe das Gesundheitsamt nicht einmal erwogen, der Antragstellerin Ausnahmen von der grundsätzlichen Absonderungspflicht zu ermöglichen.

Dies wäre aber ohne weiteres möglich gewesen, erklärten die Richter. So hätte die ältere Frau mit FFP2-Masken oder Schutzkleidung ausgestattet werden können, wie sie das Pflegepersonal bei Corona-Fällen trägt. Mögliche Zusammentreffen mit anderen Bewohnern hätten zudem verhindert werden können, indem sie in nur zu einer bestimmten Zeit ihre Zimmer für ihr Sportprogramm verlässt.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Dagegen kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegt werden.

Az.: 5 L 255/21



Verwaltungsgericht

Gemeinschaftsunterkunft für über 70-jährige Wohnsitzlose zumutbar



Über 70 Jahre alten wohnsitzlosen Menschen ist auch in der Corona-Pandemie die Unterbringung in einer Obdachlosengemeinschaftsunterkunft mitsamt gemeinsam genutztem Bad und Küche zumutbar. Allerdings muss die zuständige Kommune zur Vermeidung einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus ein Hygienekonzept für die Unterkunft erstellen, entschied das Verwaltungsgericht Freiburg in einem am 17. April veröffentlichten Beschluss.

Konkret ging es um eine 71-jährige, unter Betreuung stehende obdachlose Frau, die an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt ist. Bislang lebt sie vorübergehend in einer Obdachlosenunterkunft mit abgeschlossener Wohneinheit sowie eigener Küche und Bad. Als die Frau in eine andere Unterkunft umverlegt werden sollte, zog sie vor Gericht.

Erhöhtes Gefährdungspotenzial

In der neuen Obdachlosenunterkunft würden Küche, Bäder und Flur gemeinschaftlich genutzt. Dies führe zu einem höheren Infektionsrisiko mit dem SARS-CoV-2-Virus und dessen Mutationen. Mit 71 Jahren sei sie aber besonders gefährdet, erklärte die Wohnsitzlose. Erst wenn sie ihre zweite Coronaschutzimpfung erhalten habe, könne von ihr ein Umzug verlangt werden.

Dem widersprach das Verwaltungsgericht. Eine Obdachlosenunterkunft sei lediglich als Überbrückung gedacht. Ein Anspruch auf eine wohnungsmäßige Versorgung bestehe nicht. Die derzeitige Corona-Pandemie führe auch nicht dazu, "dass Obdachlose generell im Alter von über 70 Jahren nicht mehr in Obdachlosengemeinschaftsunterkünften untergebracht werden dürfen oder können". Zwar bestehe bei der Antragstellerin wegen ihres Alters ein "gewisses erhöhtes Gefährdungspotenzial". Dem könne die Kommune aber mit einem noch auszuarbeitenden Hygienekonzept für die Unterkunft begegnen.

Allein die Bereitstellung von Masken und Desinfektionsmitteln reiche hierfür nicht aus. Ein Hygienekonzept müsse zusätzlich die Einhaltung eines 1,5 Meter großen Mindestabstandes festlegen, regelmäßiges Lüften und die Reinigung der Gemeinschaftsräume sicherstellen und festlegen, wie bei einem Auftreten eines Covid-19-Falles vorgegangen werden muss.

Az.: 5 K 731/21



Sozialgericht

Bundesverfassungsgericht muss Höhe der Asylbewerberleistungen prüfen



Das Sozialgericht Düsseldorf hält die Höhe der Asylbewerberleistungen für alleinstehende Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften für verfassungswidrig niedrig. Mit am 19. April bekanntgegebenen Beschluss hat das Düsseldorfer Gericht daher den Rechtsstreit eines alleinstehenden Flüchtlings aus Sri Lanka um die Höhe seiner Asylbewerberleistungen dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.

Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten Asylbewerber, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten, Asylbewerberleistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe. Im Streitfall erhielt der 39 Jahre alte, alleinstehende und in einer Gemeinschaftsunterkunft lebende Kläger von der Stadt Tönisvorst Geld- und Sachleistungen nach der Regelbedarfsstufe 2, insgesamt 382 Euro monatlich. Der Kläger verlangte als Alleinstehender jedoch 424 Euro monatlich, entsprechend der höheren Regelbedarfsstufe 1. Es dürfe für die Asylbewerberleistungshöhe keine Rolle spielen, ob er als Alleinstehender in oder außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft lebt.

Das Sozialgericht Düsseldorf hatte ebenfalls Zweifel, ob die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind und legte das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Das Gericht sah insbesondere das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sowie den Allgemeinen Gleichheitssatz verletzt.

Az.: S 17 AY 21/20



Sozialgericht

Jobcenter-Warnung vor "negativem Bewerbungsverhalten" unzulässig



Jobcenter dürfen Hartz-IV-Bezieher in einem Vermittlungsvorschlag für eine offene Stelle nicht vor einem "negativen Bewerbungsverhalten" warnen. Solch ein Hinweis in der Rechtsfolgenbelehrung des Vermittlungsvorschlags erläutert für den Arbeitslosen nicht ausreichend, was damit überhaupt gemeint ist, entschied das Sozialgericht Cottbus in einem am 12. April veröffentlichten Urteil.

Leistungsminderung um 30 Prozent

Der arbeitslose und auf Hartz-IV-Leistungen angewiesene Kläger hatte von seinem Jobcenter am 14. Mai 2018 einen Vermittlungsvorschlag für einen Job als Auslieferungsfahrer bei einem Fuhrunternehmen in Cottbus erhalten. Am Ende des Vermittlungsvorschlags war eine "Rechtsfolgenbelehrung" in kleinerer Schrift angehängt. Darin wurde darauf hingewiesen, dass das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent gemindert werde, falls die angebotene Arbeit ohne wichtigen Grund nicht aufgenommen werde. Auch bei einem "negativen Bewerbungsverhalten" liege ein Pflichtenverstoß vor, der die Hartz-IV-Minderung begründe.

Nachdem der Mann nach seinen Angaben mehrfach telefonisch niemanden bei dem Fuhrunternehmen erreicht habe, habe er keine weitere schriftliche Bewerbung auf den Weg gebracht. Das Jobcenter warf ihm vor, durch sein "negatives Bewerbungsverhalten" die Aufnahme der angebotenen Arbeit vereitelt zu haben. Sein Arbeitslosengeld II wurde für drei Monate um 30 Prozent gemindert, monatlich 124,80 Euro.

Rechtsfolgenbelehrung nicht ordnungsgemäß

Das Sozialgericht urteilte, dass die Sanktion rechtswidrig war. Zwar ließen die Richter offen, ob der Kläger wegen der unterlassenen Bewerbung einen Pflichtenverstoß begangen hat. Der Sanktionsbescheid sei aber bereits rechtswidrig, weil die Rechtsfolgenbelehrung nicht ordnungsgemäß war. Dies sei aber Voraussetzung für die Absenkung des Arbeitslosengeldes II. Sie habe eine Warn- und Erziehungsfunktion.

Um gewarnt werden zu können, müsse der Arbeitslose in verständlicher Form über die Auswirkungen seines Verhaltens aufgeklärt werden. Hier sei aber gar nicht klar, wann wegen eines "negativen Bewerbungsverhaltens" die Hartz-IV-Minderung erfolgen werde. Es werde nicht deutlich, ob sich das Verhalten auf das eigentliche Bewerbungsverfahren bezieht, oder ob dies auch bereits das Unterlassen einer Bewerbung umfasst.

Az.: S 41 AS 1469/18



Arbeitsgericht

Kündigung wegen Covid-19-Quarantäne sittenwidrig



Das Arbeitsgericht Köln hat eine Kündigung für unwirksam erklärt, die ein Arbeitgeber gegenüber seinem in Quarantäne befindlichen Mitarbeiter ausgesprochen hat. Diese Kündigung sei sittenwidrig und treuwidrig, erklärte das Gericht und gab der Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters eines Handwerkerbetriebs statt. Gegen das am 21. April bekanntgegebene Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Der Beschäftigte eines Dachdeckerbetriebs war auf behördliche telefonische Anordnung als Kontaktperson eines Corona-Infizierten im Oktober vergangenen Jahres zur Quarantäne verpflichtet worden, wie das Gericht erläuterte. Der Mann informierte daraufhin seinen Arbeitgeber, der die Anordnung allerdings bezweifelte und dem Mitarbeiter unterstellte, er wolle sich vor der Arbeit lediglich "drücken". Er verlangte von seinem Mitarbeiter eine schriftliche Bestätigung. Nachdem dieser eine solche Bestätigung des Gesundheitsamtes auch nach Tagen nicht vorlegen konnte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Der Beschäftigte klagte gegen seine Kündigung, und das Arbeitsgericht Köln gab der Kündigungsschutzklage statt. Zwar habe das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung gefunden, so dass der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Kündigungsgrund für die Rechtswirksamkeit einer fristgerechten Kündigung vor Gericht darlegen muss, erläuterte das Gericht. Doch sei die Kündigung als sittenwidrig und treuwidrig zu bewerten. Der Arbeitnehmer habe sich lediglich an die behördliche Quarantäneanordnung gehalten, betonten die Richter. Erschwerend komme hinzu, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter ausdrücklich aufgefordert habe, entgegen der Quarantäneanweisung im Betrieb zu erscheinen.

Az.: 8 Ca 7334/20



Europäischer Gerichtshof

Rechte von Asylbewerbern gestärkt



Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Asylbewerbern den Rücken gestärkt. Wenn sie gegen ihren Willen in ein anderes EU-Land überstellt werden sollen, könnten sie sich auch mit erst spät aufgetretenen Gründen dagegen wehren, entschied der EuGH am 15. April in Luxemburg.

Im vorliegenden Fall sollte ein Asylbewerber aus Belgien nach Spanien abgeschoben werden. Er klagte und machte geltend, dass auch sein Bruder in Belgien sei. Dieser war allerdings erst nach dem Überstellungsbeschluss ins Land gekommen.

Die belgischen Behörden wollten den Mann nach Spanien überstellen, damit Spanien seinen Asylantrag prüft. Ein Bruder oder anderes Familienmitglied im selben Land kann aber nach der Dublin-Verordnung, die die Zuständigkeiten für Asylverfahren regelt, ein wichtiges Argument gegen eine Überstellung bilden. Der EuGH musste beurteilen, ob dieser und ähnliche Umstände auch geltend gemacht werden können, wenn der Überstellungsbeschluss schon ergangen ist.

Die Luxemburger Richter entschieden, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß dem EU-Recht schließe diese Möglichkeit ein. Allerdings gestanden sie den EU-Staaten dabei Spielraum zu. Es sei deren Sache, "die Verfahrensmodalitäten der gerichtlichen Rechtsbehelfe" für den Rechtsschutz festzulegen. Belgiens Justiz muss den Fall nun im Licht des EuGH-Urteils abschließen. Das EuGH-Urteil bindet auch die Justiz in der übrigen EU.

Az.: C-194/19




sozial-Köpfe

Verbände

Sebastian Wegner wird Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität




Sebastian Wegner
epd-bild/Mario Zeidler
Sebastian Wegner übernimmt am 1. Juni das Amt des Bundesgeschäftsführers des Volkssolidarität Bundesverbandes. Er löst Alexander Lohse ab, der um die Entbindung von seinen Aufgaben gebeten hat.

Sebastian Wegner (38) übernimmt nach der einstimmigen Berufung durch den Bundesvorstand im Juni den Posten des Geschäftsführers des Volkssolidarität Bundesverbandes. Er löst Alexander Lohse ab, der seit 2019 diese Position innehat. Dieser kehrt aus privaten Gründen in seine Heimatstadt Leipzig zurück und wird am 1. Juni die Geschäftsführung der AWO Senioren- und Sozialzentrum Sachsen-West gGmbH übernehmen.

"Als Präsidentin der Volkssolidarität bedauere ich den Wechsel von Alexander Lohse sehr. Wir sind uns jedoch sicher, mit Sebastian Wegner einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben", erklärte Präsidentin Susanna Karawanskij.

Wegner ist Betriebswirt und beschäftigt sich seit seinem Masterstudium Nonprofit Management und Public Governance mit der Organisationsentwicklung von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden. Seit 2017 ist er mit der Volkssolidarität verbunden. Als Bereichsleiter und Handlungsbevollmächtigter für den Bereich Verbandsentwicklung beim Landesverband Berlin koordiniert er den Mitgliederverband. Zuvor arbeitete Wegner als Kreisgeschäftsführer beim DRK Kreisverband Berlin Schöneberg-Wilmersdorf.

Die Volkssolidarität wurde im Herbst 1945 in Dresden als Aktionsbündnis gegen die Nachkriegsnot der Bevölkerung gegründet. Sie hatte in der DDR eine wichtige Bedeutung bei der Betreuung älterer Menschen. Knapp 40.000 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter engagieren sich heute im Verband. Nach eigenen Angaben begleitet die Volkssolidarität in ihren Einrichtungen und sozialen Diensten knapp 100.000 Menschen. Die Organisation zählt rund 145.000 Mitglieder. Sie ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband.



Weitere Personalien



Matthias Schmitt (32) bleibt länger als ursprünglich geplant Vorsitzender und Diözesan-Caritasdirektor des Caritasverbandes für das Bistum Essen. Der Übergangsvertrag wird über die bisher vereinbarte Frist zum 31. März hinaus bis Ende des Jahres 2021 verlängert. Schmitt hat den Auftrag, eine inhaltliche und strukturelle Zukunftsperspektive für den Verband zu entwickeln. Schmitt ist Theologe und Ökonom mit einem Masterabschluss in Medizinmanagement. Seit 2016 ist er als Prokurist der Beteiligungsgesellschaft im Bistum Essen (BBE GmbH) in vielen Gremien des Gesundheits- und Sozialwesens im Bistum Essen tätig. Diese Aufgabe setzt er neben der Tätigkeit als Caritasdirektor in reduziertem Umfang fort.

Martin Riß (35) wird zum 1. Januar 2022 Direktor des Dominikus-Ringeisen-Werks im bayerischen Ursberg. Der Domvikar tritt die Nachfolge des Bischöflichen Geistlichen Rates Walter Merkt antreten. Der 66-Jährige übernimmt den Vorsitz im Caritasrat der Diözese Augsburg. Riß arbeitet seit fünf Jahren als Sekretär des Generalvikars. Hier ist er bisher unter anderem als Personalreferent für rund 900 Priester im Bistum Augsburg zuständig. Das Dominikus-Ringeisen-Werk begleitet in den Regierungsbezirken Schwaben, Oberbayern und Unterfranken an über 30 Standorten rund 5.000 Menschen mit Behinderungen Mehr als 4.800 Beschäftigte sind für das katholische Werk tätig.

Michaela Pries (54) hat am 21. April ihr Amt als Schleswig-Holsteins Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung angetreten. Sie folgt damit Ulrich Hase nach, der das Amt 25 Jahre lang innehatte. Pries ist gelernte Erzieherin und Fachwirtin für Gesundheit und Sozialwesen. Seit 2010 ist sie in der Stiftung Drachensee in Kiel tätig. Zudem gehört sie dem Beirat für Menschen mit Behinderungen der Stadt an und saß 15 Jahre lang für die CDU in der Ratsversammlung.

Wolfgang Freier ist Vorsitzender des neu gegründeten Landesverbands Berlin des Deutschen Kitaverbands. Der Landesverband wird die Arbeit der Landesgruppe Berlin fortsetzen und sich für die Interessen der freien sozialunternehmerischen Kita-Träger in Berlin einsetzen. Aktuell betreiben die Mitglieder des Landesverbands 3.750 Kita-Plätze. Zentrale Forderung des Kitaverbands ist unter anderem die Gleichbehandlung der freien Träger mit den kommunalen Eigenbetrieben auf finanzieller und vertretungsrechtlicher Ebene. Die Bundesvorsitzende des Deutschen Kitaverbands, Waltraud Weegmann, sagte, dass zu den Landesverbänden in Baden-Württemberg und NRW mit Berlin ein weiterer Landesverband hinzugekommen sei.

Alexander Strobel (46) ist neuer Vorsitzender des Landesjugendrings Baden-Württemberg. Die Vollversammlung wählte den bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden, der Landesreferent im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (EJW) ist, als Nachfolger von Reiner Baur. Dieser war zwölf Jahre im Geschäftsführenden Vorstand des Landesjugendrings, davon zwei Jahre Vorsitzender. Der Landesjugendring ist die Arbeitsgemeinschaft von 33 Jugendverbänden auf Landesebene und der Orts-, Stadt- und Kreisjugendringe.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis Mai



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

April

28.4.:

Online-Seminar: "Verständigungsbarrieren in niedrigschwelligen Settings überwinden"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0174/3473485

Mai

4.5.:

Online-Seminar "Vergütung von Vorständen und Geschäftsführern"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0160/5768667

4.5.:

Online-Seminar "Bedeutung der Leistung der Grundsicherung im Bereich der Eingliederungshilfe"

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828224

4.5.:

Online-Kurs: "Erfolgreiche Zusammenarbeit in Microsoft Teams"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0160/5768667

10.-11.5.

Online-Fortbildung "Steuerrecht gemeinnütziger Körperschaften – Grundlagenseminar für Einsteiger"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139

10.-12.5.:

Online-Seminar "Case Management im Migrationsdienst der Caritas: Grundlagen"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

18.5.:

Online-Seminar "Arbeit mit schwer erreichbaren Kindern und Jugendlichen in Zeiten digitaler Kommunikation"

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828227